Literarisches Schauspiel als Massenunterhaltung
Wenn wir von heute von Schauspielen in Rom hören, denken wir fast unweigerlich an deren spektakulärste Lustbarkeiten: Wagenrennen und Gladiatoren. Den Römern selber aber war fast ebenso wichtig das Bühnenspiel auf dem Theater, vor allem in der Gestalt von Tragödie und Komödie, also zwei ursprünglich unrömischen, aus Griechenland übernommenen Formen anspruchsvoller, aber doch auch populärer Unterhaltung. Durch ihre Einbürgerung hat Rom weit mehr als durch blutige und circensische Spiele Wirkung auf die europäische Kultur gehabt: Unser heutiges Schauspiel- und Theaterwesen wäre undenkbar ohne das Vorbild der Römer, die gezeigt haben, daß und wie es möglich ist, sich diese höchsten Errungenschaften griechischer Kultur anzueignen und die mit ihren eigenen Schöpfungen, den Dramen von Plautus, Terenz und Seneca, mehr noch als die Griechen selber für die frühe Neuzeit vorbildlich waren.
Dies ist ja überhaupt das Besondere an den Römern: dass
sie
als einziges Volk der Antike die griechische Literatur nicht nur
bewundert
und an ihr irgendwie teilgenommen haben, sondern dass sie in der Lage
waren,
sie in der eigenen Sprache nachzuformen und damit jedermann
zugänglich
zu machen. Als etwa, um ein Gegenbeispiel zu nennen, der gebildete Jude
Ezechiel im zweiten Jahrhundert v. Chr. auf die Idee kam, den
größten
Helden seines Volks, Moses, in einer Tragödie zu verherrlichen, da
gebrauchte er für dieses Drama vom Auszug der Kinder Israel
("Exagoge")
– dreihundert Verse sind noch erhalten – wie selbstverständlich
die
griechische Sprache, wie ja überhaupt jedermann im Mittelmeerraum
– in Alexandrien so gut wie in Damaskus, Marseille oder Syrakus -, wenn
er sich literarisch äußern wollte, dies eben in der Welt-
und
Bildungssprache Griechisch tat. Nur eben nicht die Römer! Als
ihnen
am Ende des dritten Jahrhunderts der Dichter Naevius ihren
Stadtgründer
in einer Tragödie "Romulus" auf die Bühne brachte, da
ließ
er diesen Mann, der Rom den Namen gegeben hatte, auch in der Sprache
Roms
Latein reden – und nicht nur ihn: Sogar die Heroen des griechischen
Mythos,
Achilleus und Agamemnon, Klytaimnestra und Iphigeneia mussten auf der
römischen
Bühne Latein lernen, so dass jeder Zuschauer sie verstehen, an
ihren
Schicksalen Anteil nehmen und dabei die griechische Mythologie lernen
konnte.
Denn das Theater war, im Unterschied zu anderen Formen der Literatur,
nicht
Angelegenheit nur einer Bildungsschicht – wie es das eher heute ist, wo
insgesamt doch nur wenige Auserwählte sich ein
Schauspielabonnement
gönnen -, es war ein Theater für das ganze Volk. Hinter den
Senatoren
und Rittern auf ihren Vorzugsplätzen saßen die
Normalplebeier,
saßen Krethi und Plethi, die Freigelassenen, sogar die Sklaven.
Versteht
sich, dass auch die Frauen dabei sein durften: "Sie kommen, um zu
sehen;
sie kommen, um selbst gesehen zu werden", sagt Ovid (spectatum
veniunt,
veniunt spectentur ut ipsae).
Die Geburt des römischen Dramas
Um sich für griechisches Theater zu begeistern, musste man als
Römer nicht weit reisen. Griechenland lag ja vor der Haustür:
Unteritalien war großenteils, Sizilien völlig griechisch;
und
die Städte dort waren wie alle Griechenstädte mit Theatern
versehen,
in denen etwa der römische Soldat, wenn es ihn kriegshalber
dorthin
verschlug, eine Komödie von Menander oder eine Tragödie des
Euripides
bestaunen konnte. Musste es nicht reizen, sich auch diese Schätze
der Griechen anzueignen und nach Rom zu bringen? Ein Jahr nach dem Ende
des ersten Punischen Krieges (241 v. Chr.), ein Jahr, nachdem Sizilien
erste römische Provinz geworden war – der entscheidende Schritt
zur
Begründung des Weltreichs -, war es ein hochgebildeter, in Rom
offenbar
längst heimisch gewordener Grieche aus der berühmten
Theaterstadt
Tarent, der den Römern bei ihren ludi Romani zum ersten
Mal
ein lateinisches Drama nach griechischem Muster – wir wissen nicht, ob
Tragödie oder Komödie – präsentierte: der Philologe und
Poet Livius Andronicus. Nicht ohne Grund gilt dieses Jahr 240 als das
Geburtsjahr
der römischen Kunstpoesie, wenn nicht der römischen Literatur
überhaupt. Zwar hatte es wohl gewisse Vorstufen zum Drama auch
schon
in der einheimischen römischen Kultur gegeben, und spätere
nationalstolze
Historiker haben einiges Aufheben davon gemacht: Aus etrukischen
Kulttänzen
– etruskischer Einfluss lässt sich in der Sprache des
römischen
Theaterwesens vielfach nachweisen - sollen durch die Verbindung mit
improvisierten
lateinischen Texten "Satiren gefüllt mit Musik" (saturae modis
impletae) - saturae sind wörtlich "süße
Würste
gemischten Inhalts" - entstanden sein; aber diesen
Bühnenwürsten
fehlte zugegebenermaßen das, was das Drama erst eigentlich zum
Drama
macht: die einheitliche Handlung (griech.: mythos, lat.: argumentum).
Erst Livius Andronicus hat es gewagt - vielleicht im Auftrag eines
vornehmen
Römers, der das Gespür für die Bedürfnisse seiner
Landsleute
hatte -, ein echtes Drama mit einer Handlung nach griechischem Vorbild
zu schaffen; und er bediente sich dabei, wie wir aus den erhaltenen
Bruchstücken
seiner Werke noch sehen können, sogar der griechischen Metrik mit
ihren vielgestaltigen Rhythmen und ihrer fundamentalen Unterscheidung
von
langen und kurzen Silben. Das war durchaus nicht
selbstverständlich.
Die Römer hatten auch ein einheimisches, italisches Versmaß,
den alten, ungeschlachten Saturnier, der den feinen griechischen
Quantitätsregeln
nicht entsprach; und als Livius Andronicus auch die Odyssee, das Epos
des
Homer, ins Lateinische übersetzte, da gebrauchte er diesen
herkömmlichen
Vers. Das Drama aber, so forderten es offenbar die Römer, sollte,
wie es in Griechenland spielte, so auch klingen wie ein echtes
Griechendrama,
d. h. ebenso wie man es aus griechischen Theatern im Ohr hatte. Und so
hatte sich denn die Barbarensprache Latein an griechischen Schliff zu
gewöhnen
(wenn auch manches in ihr zunächst noch etwas gröber
ausfiel).
Zwei Jahrhunderte später hat der Dichter und Griechenbewunderer
Horaz
darin ein Paradox gesehen, das er, bis heute klassisch, so formulierte:
"Das eroberte Griechenland eroberte selbst seinen ungebildeten
Bezwinger
und brachte die schönen Künste nach Latium" (Graecia capta
ferum victorem cepit et artes / intulit agresti Latio). Rom ging
beim
unterworfenen Griechenland in die Schule.
Weitere Geschichte der römischen Bühnendichtung
Wie Livius Andronicus waren auch seine beiden Nachfolger als römische Bühnendichter keine Stadtrömer, und ihre Muttersprache war nicht das Lateinische. Der schon erwähnte Naevius, der seit 235 v. Chr. mit Dramen hervortrat, stammte aus dem oskisch sprechenden Campanien. Trotzdem war er es, der das römische Drama, das sein Vorgänger nur latinisiert hatte, nun auch ein Stück weit romanisierte, indem er auch nationalrömische Stoffe, von der mythischen Urzeit des Romulus bis zur jüngsten Zeitgeschichte, behandelte: Eine dieser sogenannten (fabulae) praetextae, d. h. "Dramen in der praetexta, der Toga mit dem Purpursaum" (dem Gewand des römischen Regierungsbeamten), behandelte den römischen Sieg über einen Gallierhäuptling i. J. 222; daneben standen selbstverständlich auch bei ihm Tragödien aus dem griechischen Mythos, nach dem Vorbild der Großen, Aischylos, Sophokles und vor allem des interessanten Euripides. Vielleicht war Naevius auch der erste, der (fabulae) togatae, "Dramen in Toga", d.h. in Italien, interessanterweise offenbar nicht in Rom selbst, spielende Komödien, verfasste. Auf jeden Fall war er wie sein Vorgänger Dichter zugleich von Tragödien und Komödien, während sich in Griechenland die Dramatiker immer nur auf eine Kunstform spezialisiert hatten.
Dasselbe gilt für den freilich als Tragiker ungleich bedeutenderen Ennius (239-169 v. Chr.) aus Calabrien (der sich wegen seiner Vielsprachigkeit "drei Herzen", tria corda, zusprach: ein oskisches, ein griechisches und ein lateinisches): Die reichen Fragmente aus seinen Stücken – leider ist uns ja keine einzige der alte römischen Tragödien als Ganzes erhalten - geben uns einen Eindruck von der Sprachgewalt und dem Klangzauber, den diese Dichter auf der Bühne zu entfalten wussten. O poetam egregium! ("O, der herrliche Dichter!") ruft noch anderthalb Jahrhunderte später Cicero bei der Enniuslektüre aus, nicht ohne freilich zu erwähnen, das andere Zeitgenossen ihn nicht mehr so schätzten. In seiner, des Ennius, Generation beginnt nun auch in Rom die Spezialisierung bzw. Arbeitsteilung nach griechischem Muster. Der Umbrer Plautus (gest. 184 v. Chr.), der Gallier Caecilius (gest. 168 v. Chr.) und der Afrikaner Terenz (gest. 159 v.Chr.) – vom ersten und vom letzten der drei wird noch ausführlich die Rede sein (s. S. ???) - schreiben nur Komödien nach griechischen Originalen, während andere sich, eine Generation später, auf togatae spezialisieren (Titinius, Afranius, Atta, von denen wir viele Titel, aber insgesamt nur etwa 600 Verse haben); ein reiner Tragödiendichter ist dagegen der aus Brundisium stammende Pacuvius (gest. um 130 v. Chr.), dessen dem Griechischen nachgestaltete Wortungetüme man bewundert; ebenso der noch berühmtere Accius aus Umbrien, der vor allem geschliffene Sentenzen schafft, wie das durch die späteren Caesaren berühmte Tyrannenwort Oderint dum metuant ("Sollen sie mich doch hassen, solange sie mich nur fürchten" – welcher Aufwand im Deutschen für nur drei lateinische Wörter des Accius!).
Nicht völlig geklärt ist, warum nach dem Tod des Accius i. J. 86 v. Chr. (bzw. dem des Togatendichters Atta i. J. 77) die produktive Zeit des römischen Dramas, jedenfalls in seinen klassischen Formen, Komödie und Tragödie, für mindestens ein halbes Jahrhundert zu Ende geht. Am mangelnden Publikumsinteresse kann es nicht liegen: Die Dramen der alten Klassiker wie Ennius und Plautus werden, obwohl die Kunstrichter sie schon nicht mehr als ganz musterhaft empfinden, mit größtem Aplaus weitergespielt, in Inszenierungen, deren Aufwand die früheren Möglichkeiten ihrer Verfasser bei weitem übertrifft; aber die schöpferischen Dichter Roms wagen sich nicht mehr ans Drama - vielleicht passt ihnen, die nun vor allem den Beifall der Literaturkenner suchen, auch die schiere Volkstümlichkeit der allzu beliebten Gattung nicht mehr. (Es ist also wohl ähnlich wie bei der heutigen Oper, die ja auch fast nur noch von Reprisen vergangener Meisterwerke lebt, wobei Ausnahmen die Regel bestätigen.) Immerhin bemüht sich dann am Ende des Jahrhunderts Kaiser Augustus darum, durch mäzenatischen Einsatz oder, wie man heute sagt, als großzügiger Sponsor auch das Drama wiederzubeleben; und Horaz, der neben Vergil größte Dichter der Zeit, unterstützt ihn dabei – zwar nicht, indem er selber Bühnenstücke schriebe (was für einen Virtuosen wie ihn vielleicht doch zu viel verlangt wäre), aber indem er doch immerhin in seiner "Dichtkunst" (De arte poetica) den jungen Dichtern gute Ratschläge gibt, wie sie durch noch intensiveres Studium der griechischen Vorbilder endlich ein Drama schaffen könnte, das der Bildungshöhe des im Marmor des Augustus schimmernden Roms entspräche ... Der Erfolg scheint zunächst mager: Nur zwei Tragödien der augusteischen Zeit, wovon eine immerhin die (heute verlorene) Medea des berühmten Ovid ist, können vor dem Urteil der späteren Generationen bestehen.
Und doch tragen die Bemühungen des Horaz, wenn auch erst
spät,
noch ihre Früchte. Kein Geringerer als der Philosoph und
Staatsmann
Seneca (gest. 65 n. Chr.), der Erzieher und Freund des
musenbegeisterten
Kaiser Nero, schreibt eine ganze Reihe von Tragödien, die fast
vollkommen
den Regeln des Horaz und damit, zumindest was die sprachlich-metrische
Technik angeht, den großen griechischen Klassikern entsprechen.
Aber
auch von diesem bedeutenden Dichter soll erst später die Rede
sein(s.
S. ???). Zunächst müssen wir uns mit den äußeren
Bedingungen
des Theaters in Rom beschäftigen.
Zeit und Veranstaltung der Aufführungen
Wer heute in einer Großstadt wohnt, hat jedenfalls in
Deutschland
keine Schwierigkeit, zu einem täglichen Theatererlebnis zu kommen:
Jeden Abend öffnen sich ihm ja die Pforten sowohl der gut
subventionierten
Staatstheater, die ohne Zittern ihr Publikum vergraulen dürfen,
als
auch mancher kommerzieller Bühnen, die sich zwar etwa mit
Boulevardstücken
und Fernsehstars die Gunst der Kritiker verscherzen, dafür aber
doch
einigermaßen Kasse machen. Keine Zustände wie im alten Rom!
Theater gab es dort nur im Rahmen öffentlicher, staatlicher Spiele
(ludi) bzw. Feste, also, insoweit genau wie in Griechenland,
immer
eingebunden in einen religiösen, kultischen Zusammenhang. (Was
übrigens
der Hauptgrund dafür war, warum das Theater vom frühen
Christentum
so leidenschaftlich abgelehnt wurde.) Das waren meist bestimmte,
regelmäßig
wiederkehrende Spiele wie die schon erwähnten ludi Romani (im
September), die ludi plebei (im November) und andere – sie
brachten
dem Römer im Jahr insgesamt sechsunddreißig potentielle
Theatertage,
ein -; dazu kamen Sonderfeste wie ludi votivi (Spiele ex
voto),
etwa zu Tempelweihungen und Triumphen, und vor allem auch ludi
funebres,
Begräbnisspiele für berühmte Persönlichkeiten (bei
denen so wenig wie sonst in antiker Religion eine gedämpfte
Stimmung
zu herrschen hatte). Die Kosten für die letztgenannten Spiele
waren
natürlich von den Angehörigen zu tragen, die dafür den
Ruhm
ihrer Familie ins Licht setzten; für die Durchführung und
Finanzierung
der ordentlichen Spiele waren regelmäßig die sogenannten
Ädilen
zuständig, Magistrate, die die höchsten und heikelsten Stufen
ihrer politischen Karriere (Prätur, Konsulat) noch vor sich hatten
und also gut daran taten, sich im Hinblick auf künftige Wahlen bei
den Spielen splendid zu zeigen. Sie boten dem Volk, was es wollte, jede
Art der gewünschten Unterhaltung. Der Bühnendichter musste
sich
also nicht wie bei den Dramenwettbewerben des alten Athen gegen andere
Dramatiker (vor einem Preisgericht) durchsetzen, sondern er hatte
unkünstlerische,
noch populärere Lustbarkeiten wie die schon erwähnten
Gladiatoren
oder auch Sportler u. dgl. zur Konkurrenz. So musste etwa einmal eine
Aufführung
der trefflichen "Schwiegermutter" (Hecyra) des
Komödiendichters
Terenz abgebrochen werden, nicht weil ihm, wie man heute
fälschlich
behauptet, das gelangweilte Publikum zu Seiltänzern, Boxern usw.
davongelaufen
wäre – eine solche Schlappe hätte Terenz kaum zugegeben -,
sondern
weil, wie er berichtet, auf die Nachricht hin, dass nach der
Komödie
solch herrliche Darbietungen stattfinden würden – bei einem
weiteren
Aufführungsversuch waren es sogar Gladiatoren -, eine Horde von
Fans
ins Theater drängte und so rücksichtslos um die Plätze
rangelte,
dass Aufmerksamkeit und Aufführung dahin waren.
Dichter, Regisseure, Schauspieler und Geld
Im Altertum gab es keinen Schutz des geistigen Eigentums und höchst selten Autorenhonorare; nur gerade der römische Bühnendichter konnte mit seinem Werk durchaus nach den Gesetzen des Markts Geld verdienen. Er verkaufte sein Drama an eine Schauspieltruppe (grex), genauer gesagt: deren Oberhaupt (dominus gregis), Intendant und Regisseur in einem, der dann das Stück einstudierte und für das Ganze seiner Kunstleistung wiederum von dem Leiter der jeweiligen Spiele honoriert wurde. Klar, dass die Beliebtheit eines Autors wie etwa des populären Plautus letztlich auf seine Einnahmen durchschlug (der hier etwas sauertöpfische Horaz behauptete von diesem, es sei ihm überhaupt nur darum gegangen, ohne künstlerische Rücksichten mit möglichst viel Lachern möglichst viel Geld zu verdienen); klar auch, warum unter dem Namen eben des Plautus so viele gefälschte Stücke umliefen ... Während die römischen Schriftsteller sonst in der Regel begütert sind, um sich die Freuden der Feder überhaupt leisten zu können, sind die Bühnenautoren meist arme Ausländer, die sich auf ihre Einnahmen angewiesen sehen und dementsprechend auch keine große bürgerliche Reputation haben: Naevius musste ins Gefängnis, weil er sich, wohl durch anzügliche Bemerkungen in einer Komödie, mit der noblen Familie der Metelli angelegt hatte, und er starb im afrikanischen Exil; Plautus soll nach einem gescheiterten Versuch im Großhandel als Tagelöhner in einer Mühle gearbeitet haben und dann erst aufs Stückeschreiben verfallen sein. Nur wer wie Ennius und Terenz vornehme Gönner findet, ist in einer etwas besseren, unabhängigeren Lage.
Das geringste Ansehen aber hat der Schauspieler (actor oder histrio),
weil er nicht nur Geld verdienen, sondern sogar mit seinem Körper
Geld verdienen (corpore quaestum facere) muss, ein großer
Makel in römischen Augen; zu dem noch kommt, dass Singen und
Tanzen
überhaupt in Rom für ehrenrührig und eines Gentlemans
unwürdig
gelten. Während im klassischen Athen sich die vornehmen
Bürger
selber wie als Dichter so auch als Schauspieler betätigten, sind
es
in Rom nicht nur professionelle Künstler, die auftreten – das ist
soweit auch schon im hellenistischen Griechenland dieser Zeit der Fall
-, es handelt sich zumeist um Sklaven oder Freigelassene: Schon dass
ihr
Intendant dominus gregis, wörtlich: "Eigentümer der
Herde",
heißt, spricht ja für sich. Immerhin kann doch ausnahmsweise
auch ein freier Mann Schauspieler sein, und er verliert dann auch
nicht,
wie schon behauptet wurde, sein römisches Bürgerrecht; wohl
aber
wird er infamis (so viel wie "ehrlos"), was mit verschiedenen
handfesten
Rechtsnachteilen verbunden ist. Einem einzigen Schauspieler der
republikanischen
Zeit ist es gelungen, diese Infamie loszuwerden und sich hohes Ansehen
zu verschaffen: Roscius, dem Freund Ciceros, den der Diktator Sulla
sogar
in den Stand eines römischen Ritters erhob, der dafür aber
interessanterweise
auf alle seine Gagen verzichten musste. (Er ließ dann offenbar
Sklaven,
die bei ihm Schauspielunterricht gehabt hatten, für sich
arbeiten.)
Freilich, an die wirkliche Spitze des Staats zu kommen, wie einst der
Wildwestakteur
Ronald Reagan, das wäre sogar ihm nicht möglich gewesen. Erst
der so unrömische Kaiser Nero hatte Ambitionen als Schauspieler
und
Sänger; und der wurde ja auch umgebracht.
Theater und Bühne
Trotz oder wegen der Theaterbegeisterung der Römer hielt es die Obrigkeit fast zweihundert Jahre lange nicht für geboten, ihnen ein festes Theater zu bauen, vielleicht auch aus Nationalstolz: Wie römische Diplomaten im Ausland gern Unkenntnis des Griechischen simulierten und sich dolmetschen ließen, so sollte Rom nicht das Bild einer Stadt der Graecia capta bieten. Erst im Zuge der Hellenisierung des spätrepublikanischen Roms wurde dann i. J. 55 v. Chr. von Pompeius dem Großen das nach ihm benannte "Theatrum Pompei", oder auch "Theatrum Magnum", eingeweiht; von den meisten griechischen Theatern war es dadurch unterschieden, dass es sich nicht an einen natürlichen Bergabhang schmiegte, sondern einen selbständigen Bau (wie etwa der Circus Maximus oder ein heutiges Stadttheater) darstellte. Ihm folgten andere wie das berühmte Marcellustheater und schließlich die vielen römischen Theater des Imperium Romanum, deren Reste wir noch heute in Italien, Spanien, Südfrankreich usw. bewundern.
In der älteren republikanischen Zeit wurde dagegen auf einer behelfsmäßig errichteten Bühne gespielt, entweder im Circus, wo schon Sitzplätze vorhanden waren, oder gerne auch vor einem Tempel, dessen Treppenstufen sich dafür nutzen ließen. Die späteren steinernen Theater haben dann den regelrechten "Zuschauerraum" (cavea), eingeteilt in nach oben anwachsende Keile (cunei). Die Bühne (proscaenium oder pulpitum) war sehr breit, nur wenig tief; das Spiel also fast zweidimensional. Das erleichtert es den Komödienpersonen einzelne Äußerungen a parte, wie man sagt, ans Publikum zu richten; und ohne starke Durchbrechung der Illusion können Personen zugleich auf der Bühne sein, ohne einander wahrzunehmen. Weil der singende und tanzende Chor in der alten römischen Tragödie und besonders Komödie kaum eine Rolle spielt, fehlt in Rom der für das griechische Theater charakteristische "Tanzplatz", die orchestra: Wo später eine gebaut wird, dient sie für die Sperrsitzplätze der Senatoren. Dafür kennt die römische Bühne als theatergeschichtlich bedeutsamste Neuerung den Bühnenvorhang (aulaeum), der, umgekehrt wie bei uns, zu Beginn des Stücks (in eine Ritze vor der Bühne) niedersinkt, am Ende sich wieder hebt. Nur so sind etwa die in schon geradezu Schillerscher Art pointierten Dramenschlüsse bei Seneca möglich; der notwendige Auszug des Chors am Ende einer griechischen Tragödie wirkt daneben fast ein wenig pomadig.
Den Namen scaena, woher unsere Wörter "Szene" und
"szenisch"
kommen, trägt nach strengem Sprachgebrauch nicht die Bühne,
sondern
die Bühnenrückwand bzw. Vorderseite des Bühnenhauses.
Seiner
Bemalung und Dekoration ist sofort zu entnehmen, ob man sich in einer
Komödie
oder aber Tragödie befindet. In dieser agieren die Personen
nämlich
regelmäßig vor der Fassade eines Königspalasts; in
jener
vor zwei oder drei Bürgerhäusern. Die beiden Gattungen werden
ja üblicherweise nicht dadurch voneinander unterschieden, ob ein
Stück
‚tragisch‘ endet – das Wort in unserem Sinn ist erst modern – oder auf
ein Happy end hinausläuft (das es durchaus auch in einer
Tragödie
geben kann, wie man umgekehrt in der Komödie auch einmal weinen
darf):
Entscheidend ist, was die Literaturhistoriker heute die
"Ständeklausel"
nennen: Komödien spielen unter Normalbürgern – und
Komödie
wird dementsprechend geradezu als "Spiegel des Lebens" definiert -,
Tragödien
dagegen unter Fürsten und Standespersonen, deren Tod und Leiden
natürlich
ganz andere, eben ‚tragische‘ Dimensionen hat. Das im wesentlichen
aristokratisch
regierte Rom hat dieses Schema der Griechen behalten, wie es ja auch
noch
weit hinein in die Neuzeit Gültigkeit hatte: Erst bei Lessing und
dem jungen Schiller gibt es dann, wie als Vorspiel der
französischen
Revolution, das "bürgerliche Trauerspiel", mit dem der Bourgeois
den
Anspruch erhebt, ebenso tief leiden zu können wie Fürst und
Adel.
Das Spiel auf der Bühne
Wie in Griechenland kommen im seriösen römischen Schauspiel keine Frauen auf die Bühne; auch ihre Rollen werden von Männern gespielt. Trotzdem scheint man in älterer Zeit noch ohne die in Griechenland üblichen Masken agiert zu haben; nach einem Zeugnis Ciceros fiel der Übergang zur Maske in die Zeit der Bühnenkarriere seines Freunds, des erwähnten Roscius, wohl um die Wende vom zweiten zum ersten Jahrhundert: Ältere Zuschauer hätten es bedauert, sagt er, später nicht mehr das Mienenspiel des großen Mimen bewundern zu können. Wahrscheinlich hing also der Wechsel nicht, wie in der Antike behauptet, mit den Schielaugen dieses Schauspielers, sondern eher wohl mit seinem sozialen Aufstieg zusammen: Als römischer Ritter hielt er es wohl für schicklicher, das Gesicht auf der Bühne zu verbergen, das er als ‚infamer‘ Histrione noch unbedenklich entblößt hatte. Sollte er damit den allgemeinen Übergang zur Maske eingeleitet haben, so gäbe das einen Hinweis auf die soziale Aufwertung des Schauspielers, die sich etwa auch darin spiegelt, dass der Diktator Caesar den angesehenen römischen Ritter Laberius zum Bühnenauftritt in einem Mimus – dazu später (S. ???) – nötigen konnte.
Neben den späteren Masken lassen vor allem die nach Rollen stereotyp differenzierten Kostüme den Zuschauer erkennen, mit wem man es zu tun hat. Ihre Grundformen liefern auch die verschiedenen Bezeichnungen für die Typen des Dramas: Von praetexta und togata, den nationalen Formen von Tragödie und Komödie, war schon die Rede (S. ); neben ihnen steht, als Terminus allerdings erst modern, die nach dem griechischen Stelzschuhs (cothurnus) genannte (fabula) cothurnata, die im griechischen Mythos angesiedelte Tragödie, und schließlich die (fabula) palliata, die Komödie im pallium, dem griechischen Normalkleid, das auch die Römer gern als Freizeitkleidung benutzen (die Toga ist zwar schön, aber äußerst unpraktisch). Der in der Augustuszeit unternommene Versuch einer trabeata, einer Komödie im Gewand des römischen Ritters, blieb ohne großen Erfolg.
Das Stück begann wohl oft mit einer kleinen Ouverture des dem griechischen Auleten entsprechenden tibicen, d. h. des Spielers auf der tibia, einem Instrument, das man sehr irreführend mit "Flöte" zu übersetzen pflegt, da es als Rohrblatt- bzw. (meist) Doppelrohrblattinstrument vielmehr unserer Klarinette bzw. Oboe entsprach; die Schallfülle dürfte freilich eher die des Saxophons gewesen sein, denn die tibia war allein für die gesamte Bühnenmusik zuständig, hatte also vor allem die Arien (cantica) und die rezitativisch zur Musik gesprochenen Verse zu begleiten, daneben wohl auch kleine Zwischenaktmusiken zu liefern, wenn die Bühne gerade frei war. Durch das Wegfallen oder jedenfalls starke Zurücktreten des Chors im älteren Drama waren ja die ursprünglichen Aktgrenzen der griechischen Vorbilder verwischt worden. Erst der Tragiker Seneca gliedert nach der Vorschrift des Horaz in je fünf Akte, die durch vier meist besinnlich-reflexive Chorlieder des dazu jeweils auf- und abtretenden Chors von einander getrennt werden.
Die Namen der Bühnenkomponisten – die Musik war auskomponiert
wie
bei einem heutigen Musical – sind uns für die Komödiendichter
Plautus und Terenz noch erhalten (Sklavennamen, wie zu erwarten), die
Musiknoten
selbst sind verloren; denn die Überlieferung unserer Handschriften
geht auf philologische Editionen, nicht auf eigentliche
Bühnenexemplare
zurück und die antiken Musiker scheinen, anders als die Dichter
oder
die neueren Komponisten, keinen Wert auf die Unsterblichkeit ihrer
Werke
gelegt zu haben. Doch war die Musik offenbar individuell dem Text
angepasst:
Cicero weiß von Musikkennern, die die Musik zur Antiope des
Pacuvius beim ersten Tibiaton ebenso sicher erkennen wie wir etwa die
Freischütz-Ouverture.
Ganz ist übrigens auch uns der Originalsound nicht verloren:
Immerhin
gibt der in den Texten der Tragödien- und vor allem
Komödienlieder
gewissermaßen gespeicherte Rhythmus der Musik – die den Text ja
wegen
der festliegenden Quantitätsstruktur der Silben nicht frei
rhythmisieren
konnte – immer noch eine Ahnung davon, wie es einmal geklungen haben
muss.
Und der Versuch, diesen Rhythmus in neuen Kompositionen
wiederzubeleben,
gehört zu den größten Zukunftsaufgaben einer
experimentellen
Philologie.
Die römische Komödie und ihr griechisches Vorbild
Da sich ganz Generelles über die Struktur des römischen Dramas angesichts der Verschiedenartigkeit seiner Formen und seiner dreihundertjährigen Geschichte nicht sagen lässt, wenden wir uns sogleich der älteren Komödie zu, die uns aus insgesamt zwanzig Stücken des Plautus und sechsen des Terenz, den ältesten großen Literaturdenkmälern Roms überhaupt, so gut wie nur irgend etwas in der römischen Dichtung bekannt ist. Sie hatte ihre griechischen Muster naturgemäß in dem, was damals gerade auf der griechischen Bühne en vogue war (denn die Römer wollten ja mithalten): nicht die sogenannte "Alte Komödie" (Archaia) des Aristophanes und der großen klassischen Zeit des fünften und des beginnenden vierten Jahrhunderts – diese genialen Stücke mit ihrer tagespolitischen Dimension und ihrem kabarettartig bunten attischen Ortskolorit ließen sich schon auf andere und spätere griechische Bühnen nicht übertragen -, sondern die gewissermaßen zeitlosen Werke der "Neuen Komödie" (Nea), vor allem ihres Meisters Menander (342- 291 v. Chr.), neben dem andere Dichter wie Diphilos, Philemon und Apollodoros standen. Diese in der griechischen Normalfamilie vor allem des hellenistischen Athens angesiedelten, das bürgerliche Dasein widerspiegelnden Komödien – "O Menander! O Leben! Wer von euch hat wen von euch nachgeahmt?", hieß ein berühmtes Bonmot – passten zwar auch nicht ganz auf die noch recht junge und rohe Weltstadt Rom, aber es war eine für die Römer doch vorstellbare und gerade zunächst wegen mancher Andersartigkeit auch faszinierende Welt. Dem modernen Europa war Menander, der neben Homer wohl meistgelesene Dichter der griechischen Antike, vierhundert Jahre lang nur aus den römischen Nachdichtungen bekannt; erst im zwanzigsten Jahrhundert haben Papyrusfunde in ägyptischer Wüste eine Reihe seiner Stücke fast ganz oder doch in großen Teilen wieder zurückgebracht, so dass wir uns nun eine bessere Vorstellung von ihm machen können.
Seine Werke waren Komödien von hoher formaler Eleganz der Handlungsführung und besonders fein in der zwar von bestimmten Rollentypen (strenger Vater, milder Vater; frecher Sklave, braver Sklave usw.) ausgehenden, aber alles Schablonenhafte meidenden Personencharakteristik; sie spielten in einer weniger von Göttern (die im Prolog auch auftreten konnten) als vielmehr von der launenhaften Glücksgöttin Tyche (Fortuna) beherrschten Welt, einer Welt, in der sich die Menschen aber doch auch weithin selber durch Fehlverhalten um ihr Glück bringen, während es ihnen an sich möglich ist, durch Rücksicht, Einfühlung und milde Mitmenschlichkeit miteinander auszukommen. Bevor Cicero zweihundert Jahre später das Wort "Humanität" (humanitas) erfand oder aufbrachte, dürfte niemand so warm und emphatisch wie Menander vom "Menschen" gesprochen haben: "Wie liebenswert ist der Mensch, wenn er nur Mensch ist!", hieß der vielleicht bezeichnendste seiner Sprüche (die man schon im Altertum, zu praktischem und erbaulichem Gebrauch, in einer Sentenzensammlung vereinigte).
Und doch gab es bei Menander auch viel zu lachen über die menschlichen Schwächen, deren dramatisch dankbarste regelmäßig (wie im heutigen Boulevardstück und Hollywoodfilm) im Mittelpunkt stand: die Liebe (eros). "Kein Stück des amüsanten Menander ist ohne Liebe...", sagt Ovid, der sicherlich die meisten davon gekannt hat (fabula iucundi nulla est sine amore Menandri), und wenn er wie erstaunt hinzufügt: "... und doch pflegt er von Knaben und Mädchen gelesen zu werden" (et solet hic pueris virginibusque legi), so erkennen wir auch heute noch, wie Menander Schulautor werden konnte. Die Darstellung des Erotischen bei ihm blieb ja ganz im Rahmen der Schicklichkeit – ganz anders waren die schrillen Obszönitäten der "Alten Komödie" -, und sie befand sich vor allem im Einklang mit der traditionellen Geschlechtsmoral, die natürlich auch, zwar sonderbarerweise nicht die in Griechenland so gepflegte Knabenliebe, wohl aber das Hetärenwesen, die gehobene Form der Prostitution, mit einbezog. Ein Hauch von Rotlicht liegt ja über fast der ganzen antiken Liebesdichtung.
Dramatischer Kern der Bühnenhandlung ist – bei Menander wie
seinen
griechischen Mit- und römischen Nachdichtern -
regelmäßig
ein liebendes Paar, dessen männlicher Teil bürgerlich und
naturgemäß
meist jung ist (lat. adulescens), während die Frau
entweder
auch ein Bürgermädchen ist (lat. virgo), ganz selten
auch
einmal eine junge verheiratete Frau (lat. uxor) – in beiden
Fällen
durfte sie übrigens anstandshalber nicht auf der Bühne
erscheinen
–, oder aber eben eine regelmäßig aus dem griechischen
Ausland
stammende Hetäre (lat. meretrix, wörtlich
"Geldverdienerin"),
die sich dann entweder im Besitz eines sie ausbeutenden Zuhälters
(lat. leno, heute lächerlicherweise mit "Kuppler"
übersetzt)
befindet oder bei einem Mann lebt, der sie aushält, oder
schließlich
(dies ist seltener) mit eigenem Haushalt sozusagen selbständig
schafft
bzw. anschafft. Die Handlung besteht nun, schematisch gesprochen,
darin,
dass dieses Paar durch irgendwelche Personen oder Kräfte der
verschiedensten
Art – böse Väter, skrupellose Zuhälter, Seeräuber,
Missverständnisse, uneheliche Schwangerschaften usw. - von
einander
getrennt, dann aber am Schluss (wieder) vereinigt wird. Jeder Hans
kriegt
seine Grete: Die bürgerlichen Ledigen heiraten einander, das
entzweite
Jungehepaar beendet seinen Zwist, die Hetäre wird zumindest auf
längere
Zeit Konkubine ihres Liebhabers. Eine wichtige Rolle spielen bei diesem
Vereinigungsprozess erstens die Intrige, die, oft von ingeniösen
Sklaven
ersonnen und durchgeführt, besonders der Geldbeschaffung oder der
Ausschaltung unerwünschter Rivalen gilt, und zweitens die
sogenannte
"Wiedererkennung" (anagnorisis), bei der in der Regel eine
vermeintliche,
sich im Besitz eines Zuhälters befindende Hetäre als (durch
irgend
ein Wunder unberührt gebliebene) Bürgerstochter identifiziert
wird und damit für eine Ehe zur Verfügung steht. So
unwahrscheinlich
und zufallsreich die – oft auf phantastischen Voraussetzungen
beruhenden
und Frau Tyche kräftig bemühenden - Handlungen auch sein
mögen,
das Verhalten der Personen entspricht durchaus der Wahrscheinlichkeit
und
dem allgemein Menschlichen; wir finden in der Komödie, in der die
obligate Liebeshandlung durchaus nicht alle Aufmerksamkeit absorbiert,
die bekannten, geradezu zeitlosen Konflikte zwischen Vätern und
Söhnen,
Herren und Sklaven, Männern und Ehefrauen, Zuhältern und
Kunden,
Soldaten und Zivilisten, alten und jungen Hetären ...
Der früheste Komödienheld des Plautus: ein griechischer Aufschneider
Wie behandeln nun die Römer diese ursprünglich griechischen Stoffe? Sehen wir uns zunächst das früheste datierbare Stück der römischen Komödie und Literaturgeschichte überhaupt an: den "Maulhelden" oder, wörtlich übersetzt, "Ruhmredigen Soldaten", "Bramarbas" (Miles gloriosus), den T. Maccius Plautus – so vielleicht der volle Name des Dichters – im Jahr 205, noch zur Zeit des Hannibalkriegs, nach dem Vorbild vielleicht des Menander, was aber unsicher ist, auf die Bühne brachte und mit dem er jedenfalls später einen literarischen Welterfolg hatte: Der Typ des großmäuligen Militärs (der den Spott auf sich zieht wie andere wegen ihres Sozialprestiges beneidete Personen, denen man gerne einen Makel anhängt: der heuchlerische Geistliche, der zerstreute Professor, der korrupte Staatspräsident usw.) tritt auf der Bühne der Neuzeit einen Siegeszug an, der nicht erst mit Gryphius beginnt und mit Brecht noch nicht endet, wobei immer wieder auch das Originalstück des Plautus zu Grunde gelegt bzw. neu aufbereitet wurde (die letzte, sehr geschickte, Bearbeitung stammt von dem DDR-Dramatiker Joachim Knauth). Immerhin sind allein in Deutschland seit 1960 mindestens acht professionelle Neuinszenierungen des Stücks unter dem Namen des (sonst heute doch seltener gespielten) Plautus nachzuweisen, zuletzt 1998 bei den Trierer Antikefestspielen; und die Zahl der (meist lateinsprachigen) Schüleraufführungen dürfte noch um einiges darüber liegen.
Ein bisschen mag dies wohl auch auf einem vom Titel ausgehenden Missverständnis beruhen. Gerade die für moderne Regisseure attraktive militärische Großsprecherei des Titelhelden, die vor allem in der glanzvollen Eingangsszene aufs amüsanteste dargestellt wird, spielt für die (in keiner Weise pazifistische) Handlung keine Rolle; diese basiert vielmehr darauf, dass der Soldat in speziell in Liebessachen, wo er sich für unwiderstehlich hält, ein Aufschneider, ja geradezu Größenwahnsinniger ist. Und so kann man fast vermuten, dass erst Plautus, über sein Vorbild (vielleicht Menander?) hinausgehend, diesen militärischen Zug in die Gestalt seines Titelhelden und in den Titel selber eingeführt hat, um, in der Schicksalzeit des großen Punischen Kriegs, der Rom, einige Jahre vor der Aufführung, bei Cannae in die tiefste Krise seiner Geschichte geführt hatte, seinem Stück, auch etwas pikante Aktualität zu verschaffen. Sein Soldat, wenn er sich selber rühmt, gebraucht das Vokabular römischer Helden, wie wir es vor allem aus den Scipioneninschriften kennen – ein Scipio wurde bald nach der Aufführung auch der Bezwinger Karthagos -; und wenn er damit prahlt, dass er ein Enkel von Frau Venus persönlich sei, erinnert das zumindest uns an den Kult, den römische Generäle damals mit ihrer Person zu treiben beginnen: wie dann, allerdings erst geraume Zeit später, Sulla, der sich für einen besonderen Liebling der Venus ausgab, oder Caesar, der von ihr sogar leiblich abstammen wollte.
Vor einer weiter gehenden Aktualisierung hat sich Plautus freilich
gehütet:
Gegenstand seines Hohns ist ja nicht der verantwortungsvoll Krieg
führende
römische Consul, sondern, wie stets unter völliger
Beibehaltung
des Milieus im griechischen Vorbild, ein Berufssoldat,
Söldnerführer
aus Ephesos, mit dem hochtrabenden, von Plautus erfundenen Namen Pyrgopolinices
("Turm- und Stadtbezwinger"),der für König Seleukos
Soldaten
anwirbt, sich selber aber auf seinen vermeintlichen Lorbeeren ausruht,
um in dieser Stadt von berühmtem Life-style ganz, wie er sagt,
"für
die Muße und die Frauen" dasein zu können. Über diesen
Mann mit seiner nach römischem Empfinden nur gar zu griechischen
Lebenshaltung
– pergraecari, d. h. "auf griechisch durchmachen", sagt man,
wenn
jemand mit Wein und Weibern einen fortgesetzten Lebenswandel führt
–, über diesen Griechen durfte man ungeniert lachen; und
überhaupt
beruht ein großer Teil der Komik des Plautus auf einem gewissen
Spott
über die ulkigen Griechen.
Personen und Handlung im ersten Teil des Miles gloriosus: eine antike Gehirnwäsche
Betrachten wir aber auch die Liebesgeschichte, die, wie fast stets, zumindest äußerer Motor der Handlung ist! Das sozusagen strukturnotwendige Liebespaar besteht aus dem jungen Athener Pleusicles ("Held zur See"), der wie alle Liebhaber bei Plautus, im Gegensatz zu denen bei Menander, eine recht klägliche Figur abgibt – das Getue, das die Griechen um die Liebe machen (und vor allem auch das viele Geld, das sie dafür ausgeben), finden Plautus und sein Publikum offenbar ganz besonders komisch – und seiner Geliebten Philocomasium ("Freundin der Parties"), einer schönen Hetäre, die aber dauerhafte Bindung bzw. Bindungen sucht. Sie gehörte früher Pleusicles, wurde dann jedoch während dessen zeitweiliger Abwesenheit von Pyrgopolinices, dem Titelhelden, gegen ihren Willen, wenn auch in einem gewissem Einverständnis mit ihrer kupplerisch tätigen Mutter, übers Meer nach Ephesos entführt, wo sie nun in Erinnerungen schmachtet. Ziel der Handlung muss also sein, das Mädchen wieder seinem früheren Liebhaber zu restituieren. Er ist ihr zu Beginn des Stücks auch bereits nach Ephesos nachgereist, um sie zu entführen (dieses Grundmotiv des Stücks stammt schon von Euripides und geht dann über Plautus zu Mozarts "Entführung", zu Rossini und schließlich zur "Ägyptischen Helena" von Richard Strauss). Göttin Fortuna bzw. Tyche hat kräftig mitgemischt, so dass sich zwei Dinge sehr günstig für den Entführer ergeben: Sein eigener früherer, aber immer noch treu ergebener Sklave Palaestrio (der "Mann mit den Ringerkniffen"), die eigentliche Hirnzentrale des Stücks, ist durch einen haarsträubenden Zufall in die Dienste des Soldaten gekommen. Und der Hausnachbar des Soldaten, ein Bonvivant namens Periplectomenus ("Allumarmer"?), ist ausgerechnet ein alter Gastfreund der Familie des Pleusicles – bei der Unterentwicklung des Hotelwesens im Altertum war man auf solche Beziehungen angewiesen -, so dass dieser nun also direkt neben seiner Geliebten logieren kann und der Soldat, bedroht im eigenen Haus und von nebenan, sozusagen hoffnungslos eingekreist ist. Aber er ist, bei aller Lächerlichkeit, ein reicher und einflussreicher Mann, vor dem man fast bis zum Ende des Stücks Angst haben muss.
Die Befreiung bzw. Entführung, die ohne allzu gefährlichen, offenen Rechtsbruch vonstatten gehen soll – die Hetäre ist vertraglich an den Soldaten gebunden -, vollzieht sich nun durch zwei Intrigen, die im wesentlichen das Stück füllen und die beide (wie fast stets bei Plautus) vom Sklaven Palaestrio, dem Doppelagenten bzw. Diener zweier Herrn, ausgehen. In der ersten befindet sich der Liebhaber und seine Partei in der Defensive. Periplectomenus, der Hauswirt des Pleusicles, hat nämlich freundlicherweise, wenn auch ein bisschen sehr illegal, die Wand zum Nachbarhaus angebohrt, so dass sich die beiden Liebenden mit Hilfe dieses Durchbruchs besuchen können. Nun ist aber zu fürchten, dass diese List mitsamt der geplanten Entführung auffliegt. Denn der vom Soldaten als Haremswächter eingesetzte (also Mozarts Osmin entsprechende) Sklave Sceledrus ("Schenkelhocker") hat zufälligerweise vom Dach aus gesehen, wie die Liebste seines Herrn im Nachbarhaus einen fremden jungen Mann küsst – welcher Skandal, wenn der Soldat das erfährt! Aber welche Gefahr erst für ihn selbst, den saumseligen Wächter, wenn der Soldat es nicht von ihm, sondern anderswoher erfahren sollte!
So besteht nun die erste Intrige darin, die vom Wächter Sceledrus drohende Aufklärung zu verhindern. Palaestrio tut alles um den Mitsklaven einzuschüchtern und ihm durch eine Art Gehirnwäsche – wohl die erste in der uns bekannten Weltliteratur - die Meinung beizubringen, was er gesehen habe, habe er gar nicht gesehen. Hauptmittel seiner Lügenkonstruktion ist die Erfindung einer Zwillingsschwester der Philocomasium, die soeben zum Besuch ihrer Schwester mitsamt ihrem Liebhaber – so erklärt sich der belastende Kuss - angereist sein soll. Der geistig sehr schwerfällige Sceledrus glaubt leider vorläufig seinen Augen; und so muss ein tolles Spiel inszeniert werden, ein Spiel, bei dem die eine Philocomasium bald in der eigenen Person aus der einen Tür, bald als ihre Zwillingsschwester aus der andern kommt– der Wanddurchbruch machts ja möglich - , wobei sich der ungläubige Haremswächter auch noch tätlich an ihr vergreift, bis er endlich als frecher Verleumder und Beleidiger der ausländischen Dame gescholten und mit schwerer Strafe bedroht, seelisch zusammenbricht, seinen Augen nicht mehr traut und um Verzeihung bittet. Obwohl diese ihm großmütig gewährt wird, flieht er verängstigt aus dem Haus und ist somit für den zweiten Teil des Stücks ausgeschaltet. Was zu erreichen war.
Dabei amüsiert uns als Plautusleser nach mehr als zweitausend
Jahren
nicht nur die Kunst, mit der der intrigierende Hexenmeister Palaestrio
seinen stumpfsinnigen Sklavenkollegen, einen Ringerkniff an den anderen
reihend, schließlich aufs Kreuz legt, sondern auch die nicht
mindere
Kunst und vor allem Anstrengung, die es sich der Dichter kosten
lässt,
um seinem Publikum diese Intrige und das ganze Quiproquo durchschaubar
zu machen: Offenbar waren nämlich die Römer an solche
Feinheiten
der Täuschung im Theater noch wenig gewöhnt; und das
wichtigste
Mittel der Intrige, das Loch in der Wand, ließ sich auf der
Szene,
die ja immer im Freien, vor dem Haus zu sein hatte, nicht zeigen. So
hat
der Dichter sichtbar Angst, dass die Zuschauer mitsamt Sceledrus auf
die
Intrige hereinfallen könnten; und immer wieder gibt er ihnen also
Hinweise darauf, dass es selbstverständlich nur eine einzige Frau
ist, die verschieden kostümiert bald hier, bald dort erscheint. Ja
er hat sogar zu diesem Zweck – denn der Genuss am ersten Teil des
Stücks
steht und fällt mit dem Verständnis der Intrige und der aus
ihrem
Scheitern drohenden Gefahr – aus dem, was im griechischen Original
offenbar
ein improvisierter Einfall war – die Erfindung der Zwillingschwester –
einen auf der Bühne durch langes Nachdenken des Palaestrio in
pantomimischer
Szene ersonnenen Plan gemacht, der den Zuschauern vorweg mitgeteilt
wird,
damit sie nur auch geistig folgen können.
Der zweite Teil des Miles gloriosus: der Weiberheld in der Falle
Dasselbe lässt sich nun auch im zweiten Teil beobachten, wo die Partei des (jetzt erst in Erscheinung tretenden) Pleusicles unter Führung Palaestrios in die Offensive geht, um endlich Philocoasium zu befreien. Auch hier wird die Intrige sorgfältig angekündigt, ja Teile von ihr werden auf der Bühne sogar geprobt, so dass auch bei einem wenig konzentrierten Publikum Missverständnisse kaum möglich sind. Eine Hetäre aus Ephesos namens Acroteleutium ("Superspitze") gibt sich als Ehefrau des ja neben dem Soldaten wohnenden Periplectomenus aus; und dem Soldaten wird weisgemacht, vor allem durch spektakuläre Überreichung eines Rings, dass sie sterblich in ihn verliebt sei. Dieser in maßloser Lüsternheit – der zweite Teil lebt vom Affekt der Begierde, wie der erste von dem der Furcht – möchte nun die bisherige Geliebte loswerden und ist, da für einen Snob wie ihn die nolelbürgerliche Matrone natürlich über der gemieteten Hetäre rangiert, verrückterweise sogar bereit, sie mit Sklave Palaestrio und ansprechender Abfindung nach Athen zurückzuschicken. So weit, so gut.
Aber was, wenn der Schwindel, wie letzlich nicht zu vermeiden, ans Licht kommt? Auch dafür ist vorgesorgt. Nachdem Philocomasium samt ihrem Liebhaber Pleusicles, der sie als Seemann verkleidet aufs Schiff holt, abgezogen ist – eine im Hitchcocksinn äußerst spannende Szene, da bis zum Abgang die Gefahr besteht, dass der Betrug schon vorzeitig aufkommt und der Soldat zuschlägt -, lässt sich der Maul- und Weiberheld ins Nebenhaus zur neuen Geliebten, die sich von ihrem Ehemann getrennt haben will, locken: eine Falle der schlimmsten Sorte! Der angeblich betrogene Ehemann erscheint a tempo, lässt den Soldaten auf die Bühne schleifen, um dem Schänder seiner Mannesehre die köstlichste der Waffen zu entschärfen: Er soll kastriert werden. Bereits aufgehängt und kläglich zappelnd, wird er von einem Koch mit greulichem Schlachtmesser bedroht, bis er sich mühsam mit einem Bußgeld loskauft, hoffnungslos der Lächerlichkeit preisgegeben. Als er von seinen Sklaven, die vom Hafen zurückkehren, erfährt, wie ihn die frühere Geliebte hintergangen hat, ist an gerechte Rache nicht mehr zu denken. In plötzlicher, grotesk unmotivierter Reue spricht er als Schlusswort die Moral von der Geschicht (man denkt ans Schlussensemble von Mozarts Don Giovanni, dessen "Also stirbt, wer Böses tut" aber nicht entfernt so überraschend kommt):
... mir ist recht geschehn:
hätten Angst vor solchen Sachen. - Gehn wir rein! - Und gebt Applaus!
Die einzige große Liebesszene im Miles gloriosus, die Begegnung des Soldaten mit der angeblich verliebten Ehefrau von nebenan, in Wahrheit der Hetäre Acroteleutium, beruht auf schierer Simulation: Der Soldat, in unsäglicher Eitelkeit und um seinen erotischen Kurswert zu steigern, ziert sich etwas, obwohl er heftig verliebt ist; sie umgekehrt, um ihn zu verspotten, tut zuerst so, als ob sie ihn nicht sähe und will im Liebeswahnsinn die Tür seines Hauses sprengen, dann riecht sie aber plötzlich, durch die Liebe mit überfeiner Nase begnadet, dass er nicht im Haus, sondern auf der Bühne ist und und lässt es sich, als sie ihn schließlich erblickt, schwarz vor den Augen werden, so dass ihre Zofe die Liebeswerbung übernehmen muss. Kein Wunder, dass der durch dieses Theater geschmeichelte Soldat verspricht, die Frau, die ihn so anbetet, "ausnahmsweise", wie er sagt, zu erhören und so ihre "Krankheit" zu heilen. Auch in seinen anderen Stücken hat Plautus alles getan, um seinen Liebesszenen, selbst den ernsthaftesten, durch übertriebenes Spiel und z. T. groteske Metaphorik der Sprache, gelegentlich auch durch ironische Zwischenkommentare dritter Personen, alles Gefühlvolle, zum Mitempfinden Einladende zu nehmen und vor allem seine Zuschauer zum Lachen zu bringen. Dem entspricht, dass er, sehr im Gegensatz zum sitthaften Menander, gelegentlich Zoten einflicht (wobei auch die dort ausgeklammerte Homosexualität eine gewisse Rolle spielt), ja ganze Szenen, wie in der besonders obszönen Casina, aufs Unanständige abstimmt. (Von der Szene mit der Beinahekastration des Soldaten lässt sich etwa zeigen, dass sie in dieser Form nicht aus dem griechischen Original stammen kann.) Vor allem ist in diesem Zusammenhang interessant, dass Plautus in seinen Komödien das Hetärenelement gegenüber den griechischen Vorbildern verstärkt – der zweite Teil des Miles gloriosus lebt von z. T. anzüglichen Hetärenszenen und im Pseudolus spricht man geradezu von einer "Hetärenparade"-, obwohl oder besser: gerade weil es in Rom damals noch keine der griechischen vergleichbare Hetärenkultur gab, sondern nur ein relativ primitives Bordellwesen. Der Römer sucht in diesen Stücken nicht so sehr, im Sinn der vorher zitierten klassischen Komödiendefinition, den Spiegel des eigenen, als eher den des griechischen Lebens, das er gerade in seiner exotischen Fremdheit genießen und über das er sich auch lustig machen will.
Ähnliches gilt von der Darstellung der Sklaven, vor allem der
intrigierenden
Sklaven. Palaestrio, der den lächerlichen und unsympathischen
Soldaten
hinters Licht führt, ist ja noch ein relativ gesittetes Exemplar.
Aber in anderen, zahlreichen Komödien, wie besonders etwa der
"Gespensterkomödie"
(Mostellaria) des Plautus wird dargestellt, wie sich höchst
ehrbare Familienväter von ihren Sklaven, die regelmäßig
viel schlauer sind, geradezu verhöhnen und auf der Nase
herumtanzen
lassen müssen, wobei die Sklaven auch immer noch am Schluss
ungestraft
davon kommen. Auch das ist natürlich kein Abbild römischer
Verhältnisse
mit ihrer strengen Hauszucht, es ist ein Zerrbild griechischer
Zustände:
Von den Sklaven in Athen war bekannt, dass sie relativ freizügig
von
ihren Herrn gehalten wurden; und das spiegelte sich in den Stücken
der "Neuen Komödie". Erst bei Plautus aber, soweit wir sehen
können,
wird daraus der tolle Übermut des die Bühne mit kühnsten
Intrigen beherrschenden, sich selbst an seiner Geistesgröße
und seinem agamemnongleichen Feldherrnruhm berauschenden, seinem Herrn
aber mitunter geradezu ins Gesicht rülpsenden Sklaven. Das ist
verkehrte
Welt, die so weder Griechenland noch Rom entspricht, aber offenbar
einem
Bedürfnis entstammt, wenigstens im komischen Spiel der Bühne
einmal, sich, wie ein amerikanischer Philologe gesagt hat, von der
Anstrengung
zu erholen, ein ernsthafter Römer zu sein. Das Fremdländische
der Stoffe machte es möglich, und eben darum wurde es beibehalten:
In den (selteneren) fabulae togatae, also den im Gewand des
Römers
agierten Komödien, war es, wie wir aus einer kostbaren Nachricht
erfahren,
verboten, Sklaven schlauer als ihre Herren sein zu lassen.
Musik und Tanz bei Plautus
Der fühlbarste, hörbarste Unterschied des Plautus zu seinen griechischen Vorgängern liegt in der Musikalisierung. Während Menanders Komödien fast reine Sprechstücke waren, bei denen nur gelegentlich einmal der (der tibia entsprechende) Aulos in Aktion trat und der Chor nur jeweils eine kurze Zwischenaktmusik brachte – nach dem, was wir sehen, schrieb Menander überhaupt keine Texte für den Chor, sondern überließ es diesem, welche Lieder aus seinem Repertoire er singen wollte -, hat Plautus diese Stücke mit Hilfe der Musik zu förmlichen Operetten bzw. Musicals umgestaltet. Nur etwa ein Drittel seiner Komödien ist musikfrei, sonst wird entweder, meist wenn der Text affektvoller wird, zur Musikbegleitung rezitiert oder (wie man aus den Versmaßen erkennen kann) in Liedern regelrecht gesungen. Gerade der frühe Miles gloriosus ist hier noch etwas untypisch, da er nur eine einzige Szene enthält, in der es offenbar zu förmlichem Gesang kommt: Palaestrio verhandelt darin, zwischen den Personen hin und her fliegend, bald mit seinem Herrn, dem Soldaten, bald mit der hübschen Zofe der angeblich verliebten Frau, mit beiden im Wechsel a parte sprechend; und sowohl der feste Taktrhythmus der Verse (sogenannte Anapaeste) als auch die aus dem Text noch ablesbare Bewegungsregie legen es nahe, dass dieses Körperspiel bei der Aufführung zu einer förmlichen Tanzszene ausgestaltet wurde (die eine Herausforderung für moderne Komponisten und Choreografen sein müsste). Sonst beschränkt sich gerade unser Stück sozusagen auf Rezitative mit Hintergrundsmusik, während die später verfassten Komödien voll sind von Liedern bzw. Duetten und Ensembles in köstlichen, immer wieder abwechselnden und sich expressiv dem Text anschmiegenden Rhythmen. Als Plautus starb, so hieß es angeblich in seinem Grabepigramm, da hätten neben anderen Trauernden vor allem auch die Numeri innumeri, die "ungezählten Versmaße" (ein nicht wiedergebbares Wortspiel), "alle zusammen" kläglich geweint darüber, dass sie nun ihren grossen Musikmeister verloren hatten. Sie hatten Grund dazu.
Wie kam es zu dieser musikalischen Umgestaltung? Man hat sie aus
Verschiedenem
herleiten wollen: aus den Liedern der "Alten Komödie" oder aus
einer
zu erschließenden Zunahme des musikalischen Elements in der
späteren
Entwicklung des hellenistischen Dramas, schließlich auch – das
liegt
nahe – aus einheimischen Traditionen musikalischen Bühnenspiels.
Klar
ist jedenfalls, dass diese Bevorzugung des Couplets vor dem
Sprechmonolog
einem Bedürfnis des römischen Publikums entsprochen haben
muss,
das man sich ja nicht einem beliebten Klischee folgend als
unmusikalisch
denken darf: Auch wenn man in Rom den Sänger wie den Schauspieler
sozial geringer einstufte, seine Kunst jedenfalls war nicht minder
beliebt
als in Griechenland.
Von Plautus zu Terenz
Kommen wir von Plautus zu seinem bedeutendsten Nachfolger Terenz, der nur ein Vierteljahrhundert nach ihm, freilich sehr jung, fünfundzwanzig oder fünfunddreißig Jahre alt, gestorben ist (159 v. Chr.), so ist es, als kämen wir in eine andere Welt oder, wie ein Philologe einmal einprägsam gesagt hat, als träten wir vom Jahrkarkt in die Kirche. Äußerlich sind es dieselben Handlungsschemata und dieselben Personen, die in den sechs (zwischen 166 und 160 v. Chr. aufgeführten) Komödien von ihm – es handelt sich um sein Gesamtwerk – agieren: verliebte junge Männer, schöne Hetären, strenge Väter usw. – aber wie völlig anders sind sie behandelt! Was grell und bunt war, laut und lustig, ist fast ganz getilgt; sanft und zurückhaltend geht es nun auf der römischen Lustspielbühne zu. Die Musik hat ihre dominierende Stellung wieder verloren (ohne so bedeutungslos wie bei Menander zu werden). Die Handlungen, die bei Plautus oft eine Tendenz hatten, sich ins Episodische zu verlieren, Komisches um seiner selbst willen, ohne Rücksicht auf die Ökonomie der Gesamtstruktur, auszuspielen, sind nun formstrenger, oft geradezu formvollendet geworden. Die Personen führen sich gesitteter auf: Jünglinge sind voll zarter Empfindsamkeit, Hetären oft geradezu edelmütig, die Väter sind viel weniger skurril und vor allem nie – was bei Plautus besonders lächerlich war – verliebt; ja es kommt vor, dass sogar ein Zuhälter (bei Plautus doch der Unmensch in Person), wenn er gar zu sehr von der attischen Jugend gefoppt wird, eine geradezu sympathische oder doch jedenfalls mitleiderregende Figur macht.
Eine andere Welt, in der Tat - und auch die äußere Welt war ja anders geworden. Vor allem nach dem Sieg über Perseus von Mazedonien (bei Pydna, 169 v. Chr., schon im Altertum ein Epochendatum) war eine neue Welle griechischer Bildung und Zivilisation nach Rom gekommen. Der Perseusbezwinger selber, Aemilius Paulus, war ein großer Freund griechischer Kultur, umgab sich mit griechischen Philosophen, Rhetoren, Philologen, sogar Bildhauern und Malern als Lehrer für seine Kinder (unter denen der berühmte jüngere Scipio war, der dann mit Terenz befreundet gewesen sein soll, daneben aber auch etwa mit dem Historiker Polybios und dem Philosophen Panaitios); und neben diesen höheren Formen griechischer Geistesbildung stand die Hellenisierung der äußeren Lebensgewohnheiten durch griechische Gastronomie, Medizin und Symposienkultur mit dem dazugehörigen Hetärenwesen und auch der Päderastie.
In dieser Welt verlor das Griechentum den exotischen Reiz, den es bei Plautus unverkennbar noch gehabt hatte; damit entstand aber auch die Möglichkeit, sich intensiver, ernsthafter als Plautus mit den seelischen und humanen Gehalten der griechischen Komödie, besonders des Menander (den Terenz, mehr als es Plautus tat, bevorzugt), zu beschäftigen und die überzeitlichen Probleme des menschlichen Zusammenlebens in Ehe, Familie und Nachbarschaft auch in Rom auf der Bühne dramatisch zu gestalten. Unter Zurückdrängung alles übermäßig griechischen bzw. attischen Lokalkolorits – man könnte Terenz heute fast im modernen Straßenanzug spielen - bemüht er sich, wirklich etwas von dem Geist des Menander nach Rom zu bringen (und so ist er auch später, wie dieser, Schulautor geworden, aus dem man noch in der frühen Neuzeit Latein, vor allem gesprochenes Latein gelernt hat). Was keineswegs heißt, dass er dem Vorbild sklavisch gefolgt wäre: Noch heute erkennen wir, dass z. B. er es war, der auf eigene Faust in die Komödie das bei ihm fast stereotype (uns vor allem aus der Operette vertraute) zweite Liebespaar eingeführt und überhaupt manches getan hat, um die Handlung lebensvoll anzureichern; und so haben ihm denn Kritiker schon zu seinen Lebzeiten vorgehalten, dass er die griechischen Originale durch seine Bearbeitungen geradezu "beflecke" (lat. contaminare), ein Vorwurf, gegen den er sich in den Prologen seiner Stücke, gewandt zu Wehr setzt: Er verfahre schließlich hierin nichts anderes als seine Vorgänger Plautus und Naevius. Dies war richtig, aber gewissen Kunstrichtern konnte es inzwischen offenbar gar nicht menandrisch genug auf der Bühne zugehen. Schwerer zu beurteilen ist eine etwas andere Kritik, die der literarisch hochgebildete Caesr gegen ihn gerichtet hat: Es fehle ihm bei aller Feinheit der Sprache (die ihm ja allgemein zugestanden wurde) doch die uis comica, die "Komödienkraft", er sei nur ein "halber" (dimidiatus) Menander. Gemeint sein kann damit, wenn wir auf die Stücke blicken, eigentlich nur, dass Terenz noch ernster ist als der Grieche, dass es bei ihm noch entschieden weniger zu lachen gibt. Dagegen war unbestritten seine Meisterschaft in der Charakterzeichnung.
Der tiefste Unterschied zu Plautus betrifft die Einstellung des
Publikums
zur Bühnenhandlung. Während Plautus durch die Art seiner
Darbietung,
wozu etwa auch die häufige Durchbrechung der Illusion (durch
Anreden
an das Publikum usw.) gehört, dafür sorgt, dass der Zuschauer
fast stets in Distanz zu dem von ihm spöttisch betrachteten
szenischen
Geschehen bleibt, legt es umgekehrt Terenz darauf an, ihm dieses
Geschehen
nahezubringen, ihn zur Identifikation mit den Personen zu bringen und
so
sein Herz zu rühren. Wir wollen wenigstens kurz das Stück
betrachten,
in dem seine dramatische Technik hierin am weitesten gegangen ist und
das,
auch wenn es heute im allgemeinen weniger geschätzt wird, doch als
sein letztlich feinstes und jedenfalls als das für ihn am meisten
charakteristische angesehen werden darf: die schon erwähnte
"Schwiegermutter"
(Hecyra), bei der erst der dritte Versuch einer Aufführung
(160 v. Chr.) geglückt ist.
Die Entlastung einer Schwiegermutter: stoffliche Spannung in der Hecyra des Terenz.
Antike Komödien und Tragödien beginnen in der Regel damit, daß im Prolog bzw. der ersten Szene die Vorgeschichte der Handlung erzählt und zugleich oft ein gewisser Vorausblick auf die zukünftige Handlung gegeben wird (was Überraschungen im Verlauf durchaus nicht ausschließt). So wissen die Zuschauer in der Regel mehr als die Personen auf der Bühne, nehmen also leicht die Rolle eines außenstehenden Beobachters ein. Ein extremes Beispiel ist bekanntlich der Ödipus des Sophokles, der im Laufe des Stücks mit kriminalistischer Energie das herausfindet, was den Zuschauern von Anfang an klar war: dass er den eigenen Vater getötet und die Mutter geheiratet hat, Detektiv und Verbrecher in einem. Ein Gegenbeispiel wäre der "Zerbrochene Krug" von Kleist, wo dem das Verbrechen aufklärenden Dorfrichter Adam als einzigem bekannt ist, dass er selbst der Täter ist, während der in Spannung gehaltene Zuschauer dies erst allmählich herausfindet. Terenz hat nun in seiner Hecyra, völlig gegen antike Gewohnheit, soweit wir das sehen können – über sein griechisches Vorbild, Apollodor, wird noch zu reden sein - ein Stück geschrieben, in dem keine der Bühnenpersonen die volle Vorgeschichte kennt – das würde so weit auch etwa auf den "Ödipus" zutreffen -, in dem aber auch der Zuschauer – darin liegt das Einzigartige - zusammen mit den Personen der Handlung im Dunkeln tappt.
Das Stück beginnt sogleich mit einem Rätsel. Man spricht auf der Straße darüber, dass die jung verheiratete Philumena, nachdem ihr Mann, Pamphilus, verreist war, dessen Haus, wo sie mit ihrer Schwiegermutter, Sostrata (der Titelheldin), wohnte, plötzlich verlassen hat und zu ihren eigenen Eltern zurückgegangen ist, angeblich weil sie krank sei. Schwiegermutter Sostrata versucht ein Krankenbesüchlein, wird aber nicht zugelassen. Was ist wirklich los? Während sogar der Vater Philumenas, Phidippus, bei dem sie doch wohnt, die Motive seiner Tochter nicht durchschaut, glaubt Sostratas Mann, Laches, der gewöhnlich auf dem Lande lebt, die todsichere Antwort zu wissen: Natürlich ist seine eigene Frau schuld. Das weiß doch jeder, dass alle Schwiegermütter ihre Schwiegertöchter hassen und ihnen das Leben sauer machen! Sostrata macht den Versuch einer Alternativerklärung zur eigenen Entlastung: Philumena könnte doch einfach gerne mit ihrer Mutter zusammen sein wollen... Von wegen! Das Klischee der bösen Schwiegermutter verdammt sie in den Augen ihres Manns, wenn auch nicht des Zuschauers, der aus einem Monolog ihre ungeheuchelte Unschuld erfährt. Was aber wird wirklich gespielt?
Nur der Ehemann, heißt es, Pamphilus kann hier aufklären. Und da erscheint er auch, im rechten Moment zurück von der Reise, soeben erst, auf dem Weg zum Schauplatz, durch seinen Sklaven unterrichtet über die mysteriösen Ereignisse. Vom Haus nebenan, wo Philumena bei ihrer Mutter wohnt, hört man Schreie: Sollte doch etwas an der Version von der Krankheit sein? So meint jetzt Parmeno, der Sklave; so jetzt auch die Schwiegermutter Sostrata, die mit ihm auf der Straße wartet, während Parmeno voll Sorge ins Haus zu seiner Frau gegangen ist. Dort hört man erneut Tumult: Wird die Krankheit schlimmer? Wann bringt Pamphilus die ersehnte Wahrheit? Endlich kommt er aus dem Haus, verstört, tonlos und wie apathisch. Erst als er allein ist, kann er sich in einem Monolog aussprechen. Jetzt weiß er die ‚Krankheit‘: Seine Frau ist schwanger – die Wehen haben gerade eingesetzt -, aber schwanger nicht von ihm, der – was sonst niemand wissen kann – in der ersten Zeit nach der Hochzeit überhaupt keinen ehelichen Verkehr mit ihr hatte (weil er damals nämlich noch verliebt in eine Hetäre war und seiner neuen Frau, die man ihm aufgedrängt hatte, die Ehe verleiden wollte - die Liebe zu ihr entwickelte sich erst nachträglich). Ihre eigene Mutter, Myrrina, hat es ihm gestanden: Philumena war vor ihrer Hochzeit von einem Unbekannten vergewaltigt worden, hatte Pamphilus geheiratet, ohne das Missgeschick zu beichten; war ausgezogen, um es vor ihm, nur vor ihm natürlich, zu verheimlichen; und jetzt bittet sie ihn darum, ihre peinliche Geschichte doch ja nicht publik zu machen, sondern, im Verein mit der Schwiegermutter, mitzuhelfen, nicht dass er das Kind fälschlich als sein eigenes anerkennt – das wagt nun wirklich niemand ihm zuzumuten -, aber doch immerhin, dass die Geburt vertuscht wird (egal wie er sich dann zu seiner Ehe stellen will). Und dazu wenigstens ist Pamphilus, trotz der von ihm schmerzlich empfundenen Schändung seiner Ehre, die ihm ein weiteres Zusammenleben mit seiner Frau unmöglich macht, bereit.
Unsere rohe Nacherzählung dieses ersten Teils des Stücks
kann
leider keinen Eindruck von der Feinheit der Personenschilderung und der
pychologischen Motivierung, vor allem, was Pamphilus, die Hauptperson,
angeht, geben: Wunderbar hat nämlich Terenz in ihm einen
gutherzigen,
aber willensschwachen, sich selber immer wieder, besonders weil er es
allen
recht machen will, in seelischen Zwiespalt manövrierenden und dann
vor Selbstmitleid zerfließenden Charakter gezeichnet. Aber darauf
kam es jetzt nicht an, sondern nur zu zeigen: wie hier ein Stück
ganz
auf eine Spannung hin angelegt ist, die nicht aus dem Unwissen
über
den Ausgang, sondern aus dem über die Vorgeschichte resultiert.
Zusammen
mit dem Haupthelden rätselt der Zuschauer; mit ihm, oder sofort
nach
ihm, erfährt er die Wahrheit – freilich noch längst nicht die
volle, wie sich schließlich zeigen wird. Terenz krönt die
Spannung
im ersten durch die Überraschung im zweiten Teil: Er bleibt aber
dabei,
den Informationsstand von Held und Zuschauer immer gleich zu halten.
Die Entlastung einer ehrbaren Dirne: Überraschendes im zweiten Teil der Hecyra
Während die Intrige des ersten Teils, wo der Zuschauer zusammen mit dem Haupthelden in Unklarheit gehalten wurde, weit von den Gepflogenheiten des antiken Theaters abwich, ist nun im zweiten Teil die Intrige insgesamt konventioneller, da nur andere Bühnenpersonen hinters Licht geführt werden soll – dieses freilich ohne viel Erfolg. Die Erfindungen des Pamphilus, mit denen er das Kunststück fertigbringen will, sowohl die Geburt des unehelichen Kinds zu vertuschen als auch auf plausible Weise sich von seiner - doch heiß geliebten - Frau zu trennen, sind so hirnrissig, dass sie mehr verblüffen als überzeugen. Erst behauptet er, das Klischee von der bösen Schwiegermutter wieder aufgreifend, angesichts des offenkundigen Streits zwischen Philumena und seiner Mutter Sostrata habe er als frommer Sohn nur die Möglichkeit, sich auf die Seite der Mutter zu schlagen, somit von seiner Frau getrennt zu bleiben. Aber dieser Aberwitz der Pietät erregt nur Befremden, zumal Sostrata, nobel wie immer, sich alsbald bereit erklärt, um des jungen Paares willen das Haus zu verlassen und mit ihrem Mann aufs Land zu ziehen - so dass die Hartnäckigkeit, mit der Pamphilus an seiner Absicht festhält, nun wirklich absurd wirkt. Die Intrige scheitert auch noch aus einem zweiten Grund. Phidippus, der Vater der Philumena entdeckt das neugeborene und, wie zu erwarten war, schreiende Baby, natürlichst höchst verblüfft darüber, dass man die Geburt des ersehnten Enkels vor ihm geheimgehalten habe (und da in diesem Stück grundsätzlich alle Vermutungen danebengehen, vermutet er, ebenfalls am Klischee der bösen Schwiegermutter orientiert, seine Frau habe aus Feindseligkeit gegen die junge Ehe, die durch ein Kindlein ja doch stabilisiert worden wäre, dieses in schierer Bosheit beiseite schaffen wollen!). Nun ist Pamphilus vollends in der Klemme. So behauptet er denn, mit der Geheimhaltung der Geburt auch vor ihm habe seine Frau ihre Abneigung so deutlich gezeigt und einen so kränkenden Vertrauensbruch begangen, dass er nicht mehr mit ihr zusammenleben könne. Aber da platzt nun doch allen Anwesenden der Kragen über solche offenkundigen Vorwände: erst die Sohnespflicht, jetzt die Kränkung! Klar scheint, dass Pamphilus Philumena nicht mehr liebt, und der Grund dafür scheint alsbald auch auf der Hand zu liegen: Hatte er nicht früher das Verhältnis mit dieser Hetäre, die - ein zweites Klischee - als femme fatale nun ihren früheren Liebhaber wieder in den Bann geschlagen hat? Sie muss schuld sein; sie muss man mit Bitten oder Drohen dahin bringen, dass sie Pamphilus wieder freigibt.
Als sie nun selber auf der Bühne erscheint, ist sie aber
durchaus
nicht femme fatale, sondern eine ehrliche Frau, der es gelingt, durch
die
kluge Bestimmtheit ihrer Äußerungen, die sie
zweckmäßigerweise
durch einen Eid bekräftigt, Vater Laches davon zu überzeugen,
dass es, dank ihrem eigenen Entsagen, vom Tage der Hochzeit an wirklich
aus war zwischen Pamphilus und ihr. Dies solle sie doch, bittet Laches,
nur auch noch den ganz anders über sie denkenden Damen im
Nachbarhaus
sagen, Philumena und ihrer Mutter. Dann wäre alles in Ordnung.
Philumena
könnte den Irrtum, der offenbar zu ihrem Auszug geführt hat,
bereuen; und nichts könne Pamphilus daran hindern, die von ihm ja
offenbar doch geliebte Frau wieder bei sich aufzunehmen. So meint
Laches,
aber der Zuschauer weiß, dass er irrt: Nie wird ja Pamphilus in
seinem
Glauben an die Gebote der Schicklichkeit (honestum), bereit
sein,
die Frau, die ihm ein voreheliches Kind mitbringt, zu akzeptieren. Die
Lage scheint hoffnungslos - sofern nicht der Zuschauer, vielleicht auch
durch frühere Komödienbesuche gewitzigt, doch schon ahnt,
woher
die Lösung kommen könnte: aus der Aufklärung der
Vaterschaft.
Myrrina hatte beiläufig einmal erwähnt, dass der
Vergewaltiger
ihrer Tochter ihr auch noch post factum einen Ring geraubt habe, ein
Schmuckstück,
das ja in manchen Komödien ein wichtiges Mittel ist, um eine
Wiedererkennung
oder sonstige Identifikation zu Stande zu bringen. Und so geht es in
der
Tat auch hier. Als Bacchis vom Gespräch mit den Frauen aus dem
Haus
zurückkehrt, hoch erfreut, wie man sieht, trägt sie dem
anwesenden
Sklaven des Pamphilus eine Botschaft auf, die nicht der Bote, sondern
nur
der Empfänger und mit ihm der Zuschauer (sofern er genau
aufgepasst
hat) verstehen kann: Er solle ausrichten, Myrrina habe den Ring, den
Pamphilus
einst ihr, Bacchis, geschenkt habe, als den ihrer Tochter erkannt.
Für
alle, die es noch nicht ganz verstanden haben, sagt es ein Monolog der
Bacchis im Klartext. Vor neun Monaten war Pamphilus, betrunken und
keuchend,
zu ihr gekommen, hatte ihr die Gewalttat an einem jungen Mädchen
gestanden
und den dabei geraubten Ring gleich (man denke!) als nette
Aufmerksamkeit
dagelassen. Der Ehemann war also der Notzuchtverbrecher!
Großmütig
freut sich die ehrbare Dirne, ihrem früheren Liebhaber wieder Frau
und Sohn zurückgeben zu können.
Ungewöhnlicher Schluss einer ungewöhnlichen Komödie
Nach so viel Edelmut, an sich nicht überraschend bei Terenz, bringt dann der Schluss noch eine freilich höchst delikate, ganz in verhaltener Andeutung bleibende Liebesszene. Pamphilus, der die Botschaft unschwer decodieren konnte, kommt glücklich jubilierend auf die Bühne, um seiner Retterin zu danken. Überschwänglich feiert er sie, denn alte Liebe ist nie ganz verrostet: Sie habe doch immer noch die frühere venustas, den "Liebreiz" (aus dem der Römer den Namen der Göttin Venus heraushört); wohin sie auch komme, mit wem sie auch spreche, sie bringe immer mit sich Freude und Glück (voluptas). Gerne gibt Bacchis, die nicht ganz unanzügliche Anspielung auf eine Venusepiphanie registrierend, das Kompliment zurück: Auch er sei nach wie vor der liebenswürdigste Mensch der Welt. Jetzt gickelt Pamphilus in schierer Vergnügtheit: "Hahaha, das sagst du mir!" Worauf denn Bacchis doch die Peinlichkeit fühlt und den früheren Freund mit sanfter Hand zurück in seine Rolle als Ehemann leitet: Zu Recht, sagt sie voll Anerkennung, habe er seine Frau liebgewonnen, die Frau, die sie, Bacchis, nun zum ersten Mal gesehen habe - attische Matronen sind von der Halbwelt gut abgeschirmt -; sie sei ja doch sehr schön, perliberalis (eigentlich: wie es sich für eine freie Bürgerin gehört, etwas anderes als venustus). Pamphilus, der seinem eigenen Urteil wohl nicht so recht traut und sichtlich geschmeichelt ist über die Bestätigung aus dem berufenen Munde der hierfür zuständigen Hetäre, will sich das geschmackloserweise noch einmal wiederholen lassen: dic verum ("Sag die Wahrheit!"). Und Bacchis versichert es großzügig, den ganz kleinen Triumph über die Nachfolgerin nun doch genießend: "So ist es, so wahr mir Gott helfe!" Es dürfte auch in neueren Komödie nur selten Szenen geben, in denen mit so wenigen Worten so viel mitschwingt, in denen es unter der Oberfläche des Smalltalk so vernehmlich knistert.
Der letzte Schluss enthält eine letzte Überraschung. Pamphilus, dem die Erinnerung an die Vergewaltigung nun doch offenbar etwas unangenehm ist, bittet Bacchis, die Sache besonders vor seinen Eltern doch möglichst geheimzuhalten. Es müsse ja nicht gehen wie in den Komödien, wo am Ende immer alle alles erfahren ... - ein schöner Hinweis, den Terenz seinem Zuschauer darauf gibt, dass in der Tat diese Komödie - nicht nur in der Neuwertung böser Schwiegermütter und frecher Hetären - in vielem von dem abgewichen ist, was man sich in der Antike von Stücken dieser Gattung erwartete: Sie bot dem Zuschauer viel mitzudenken, wenig Information, wenig zu lachen, wenig vor allem auch an sichtbarer Bühnenaktion. (Man vergleiche nur etwa mit dem Miles gloriosus und so vielen anderen Plautusstücken, wo, auch wenn nicht gleich kastriert werden soll, doch immer alles in Bewegung ist: Tür auf, Tür zu, Kleid aus, Kleid an ..., wo jede dramatische Idee möglichst sinnfällig in einen sichtbaren, sprechenden Bühnenvorgang verwandelt wird.) Hierin ist Terenz, wie wir sicher wissen, sogar über sein (wohl selbst schon zur Sparsamkeit der Mittel neigendes) griechisches Vorbild hinausgegangen. Donat, ein antiker Kommentator, belehrt uns, dass bei Apollodor die Szene, die ja eigentlich den dramatischen Knalleffekt enthielt, die Wiedererkennung des Rings durch Myrrina, selbstverständlich, möchte man sagen, auf der Bühne gezeigt wurde: "Aber das ist doch ...!" - das Stück scheint geradezu auf diesen Moment hin erfunden. Terenz hat ihn weggelassen, weniger um abzukürzen, wie Donat meint, oder weil es, wie man gedacht hat, in Rom unschicklich gewesen wäre, Hetäre und Ehefrau zusammen auf die Bühne zu bringen, sondern vor allem wohl, weil er zeigen wollte, dass er auch ohne solche schlichten und fast ein wenig billigen Effekte ein packendes, ganz aus seelischer Aktion und Interaktion lebendes Bühnenstück schreiben könne. So hat man nicht ohne Grund vermutet, dass auch die andere Enthüllungsszene, wo Myrrina, ihrem Schwiegersohn nachgelaufen, ihn kniefällig darum bittet, ihre Tochter doch zu schonen - jetzt im Monolog des Pamphilus nur referiert - im griechischen Original ebenfalls szenisch gezeigt wurde. Und vor allem sprechen gewichtige Gründe dafür, dass das, was die Hauptoriginalität des Stücks ausmacht, die Erzeugung von Spannung durch Nichtinformation, die gerade der Technik aller sonstigen Anagnorisis-Stücke strikt zuwiderläuft, eine Erfindung des Terenz war: Sie scheint so im Altertum einzigartig zu sein.
Die Feinheit der Handlungsökonomie würde eine eigene Analyse, die hier nicht möglich ist, verlangen. Vielleicht können aber wenige oberflächliche Bemerkungen doch einen Fingerzeig geben. Das Stück zerfällt in zwei Teile, die jeweils eine Intrige - erst durch Philumena, dann durch Pamphilus - enthalten und die jeweils in eine Enthüllung - durch Myrrina bzw. Bacchis - münden, auf die dann je wieder ein Vertuschungsplan folgt. Die Intrigen enthalten beide eine Sichentziehen der beiden Ehepartner, wobei in der ersten Philumena sich von Pamphilus, in der zweiten Pamphilus Philumena von sich fernhält; auch die Enthüllungen korrespondieren durch Gegensatz, indem die erste Pamphilus größte Verzweiflung, die zweite größtes Glück bringt. Wer diese Strukturbeziehungen weiter verfolgt - wie relativ isoliert standen dagegen die beiden Intrigenteile des Miles gloriosus nebeneinander! -, sieht hier eine Reißbrettechnik am Werk, die man nicht unbedingt, einem üblichen Vorurteil folgend, nur dem Verfasser des griechischen Originals zuschreiben sollte.
Das vielleicht Sonderbarste ist, dass dieses Stück bei all seinem moralischen Gehalt doch frei ist von Moralisieren. Pamphilus, mit dem sich der Zusachauer nach der Strategie des Autors identifizieren, aus dessen Perspektive er jedenfalls das Geschehen erleben soll, ist eine zwar nicht ganz unsympathische, bei näherem Zusehen aber doch mehr als fragwürdige Figur. Nicht nur dass er eine unbekannte Jungfrau vergewaltigt, dass er ihr dann noch einen Ring raubt, nicht etwa zu späterer Identifikation zwecks (soweit möglich) Wiedergutmachung, sondern um für seine Hetärenfreundin, vielleicht wohl gar als kleine Entschädigung für temporäre Untreue, ein Mitbringsel zu haben: Das Schlimmste ist ja, dass er seine brutal rücksichtslose Tat dann auch noch so aus dem Gedächtnis verdrängt, dass selbst dann, als er von der Vergewaltigung seiner Frau hört, keine Erinnerung geschweige denn ein Gedanke der Reue in ihm aufkommt, sondern er sich weinerlich darüber ergeht, wie er doch immer Pech in der Liebe habe: erst mit Bacchis, die man ihm fortnimmt, dann mit Philumena, die er nun selber verstoßen muss, um des Anstands willen, versteht sich ... Welch gnadenloser Tugendbold und Pharisäer! Es ist keine Frage, dass Terenz, der doch so oft seine Gestalten veredelt, Pamphilus hier mit Entschiedenheit über das für die Handlung notwendige Maß hinaus moralisch herabgesetzt hat. Das Frappante ist nun aber, dass der Dichter diese Fragwürdigkeit seines Helden an keiner Stelle eigentlich ins Bewusstheit hebt: Niemand, nicht einmal die so edle Bacchis, nimmt z. B. auch nur daran Anstoß, dass er nach dem unverdienten Glück am Schluss - einem schieren Hohn auf alle poetische Gerechtigkeit -, statt jetzt wenigstens in sich zu gehen und vor allem sich mit seiner Frau, die er unglücklich gemacht hat, auszusprechen, auch noch ausgiebig auf offener Straße mit der Exfreundin schäkert. Völlig anders ist Menander in einem Stück verfahren, das wir mit Sicherheit als Vorbild für die Komödie des Apollodor und damit indirekt für die Hecyra des Terenz ansehen können, dem "Schiedsgericht" (Epitrepontes). Der Held dieses Stücks, der dasselbe getan hat wie Pamphilus, bereut am Schluss nicht nur seine Tat, sondern vor allem auch, dass er seiner Frau das uneheliche Kind übelgenommen hat. Dieses moralische Fabula docet hat Terenz weggelassen und dem Zuschauer, der von der Vergewaltigung gerade durch Pamphilus ja erst am Schluss erfährt, auch nicht sonderlich aufgedrängt. Es bleibt diesem selbst, seinem Verstand und Anstandsgefühl überlassen, ob er das Stück um die moralische Botschaft wieder bereichern will, um die Terenz es offenbar verkürzt hat. Und da das Moralisieren sonst eine Nationalleidenschaft der Römer ist, darf man vielleicht vermuten, dass er (der auf einer Studienreise ins geliebte Griechenland auch gestorben sein soll) hier einmal noch griechischer als die Griechen sein wollte.
Im übrigen ist er auf dem Weg der Hecyra, deren erste
beide
Aufführungen unter so unglücklichen Vorzeichen standen, künstlerisch
nicht weiter gegangen, sondern hat die nachfolgenden Komödien, von
denen heute die das Erziehungsproblem behandelnden Adelphoe mit
Recht am berühmtesten sind, wieder mehr dem üblichen Typus
angenähert:
Der Eunuchus, auf der Bühne wohl am häufigsten
gegeben,
hat - wie der Titel schon ahnen lässt - geradezu klamaukhafte
Elemente.
Aber wer Terenz liebt, diesen vielleicht meistunterschätzten
römischen
Klassiker, muss vor allem die Hecyra schätzen.
Populäre Formen des heiteren Bühnenspiels: Atellane und Mimus
Die Zeit nach Terenz, der die Reihe der großen Palliatendichter mit der größten Annäherung ans Griechische abschloss, also die zweite Hälfte des zweiten Jahrhunderts gehört, wie im Gegensatz dazu, der togata, deren Meister – für uns nur noch aus gut vierhundert Einzelversen kenntlich - Afranius gewesen sein muss: Dieser soll sich zwar auch wie Terenz, den er bewunderte, besonders an Menander angeschlossen, also Handlungen nach dessen Art auf italischen Boden verpflanzt haben, er nahm sich dabei aber die Freiheit, etwa die Knabenliebe als handlungstragendes Element zu verwenden, auch er hierin gewissermaßen griechischer als die Griechen.
Dann beginnen andere Formen des heiteren Bühnenspiels in die Sphäre der Literatur aufzusteigen. Eine davon ist die Atellane (fabula Atellana), so genannt nach ihrem Ursprung in der bei Capua gelegenen Stadt Atella, eine einfache Art der Posse rustikal-derben Inhalts; sie wurde ursprünglich in oskischer Sprache, wohl am Anfang des dritten Jahrhunderts – also einige Zeit vor den griechischen Dramenformen – in Rom eingeführt. Typisch für sie waren die stereotypen vier Personen (je mit drolligen Doppelkonsonanten): Maccus, der "Dummkopf" (so nennt sich auch Plautus, der vielleicht in dieser Rolle aufgetreten war), Bucco, das "Vollmaul", Pappus, der "Opa", Dossennus, der "Vielfraß" oder "Dottore". Daraus entwickelt sich zunächst ein lateinisches Laientheater der römischen Jugend (wie auch ja auch heute Bauernpossen vorzugsweise von Laienbühnen gespielt werden): Dieses Auftreten in der Atellane war nicht ehrmindernd; bezeichnenderweise spielte man auch ausnahmslos in Masken. Aus diesem zunächst improvisierten Theater werden dann um die Wende vom zweiten zum erste Jahrhundert literarische Versstücke (deren Hauptverfasser L. Pomponius aus Bologna und Novius sind, mit zusammen über dreihundert erhaltenen Versen); die Sprache bleibt plebeisch, oft ist sie obzön. Interessant ist, dass man die Atellanen als lustige Nachspiele zu Tragödien verwendete, also als Ersatz für das griechische Satyrspiel, das in Athen eine Tragödientrilogie abgeschlossen hatte und schon dank seinen phallischen Hauptakteuren ebenfalls eine Tendenz zum Unanständigen hatte. Ein eigentliches lateinisches Satyrspiel hat es ja offenbar nie gegeben (obwohl Horaz auch dafür Vorschriften gibt, wohl in der Hoffnung auf einen Dramatiker, der endlich diese Lücke schließen würde: erfolglos bis heute!).
Wohl zu unterscheiden von der Atellane ist eine andere Spielform des Komischen, der mimus, der ursprünglich aus dem griechischen Sizilien stammte und wohl auch in Rom zunächst (im 3. Jahrhundert) noch in griechischer Sprache dargeboten wurde. Er hatte die realistische, auf möglichst genauer Nachahmung der Menschen beruhende Darstellung des niedrigen, vor allem städtischen Alltagslebens zum Inhalt, wobei im Gegensatz zur Komödie, der förmliche Ehebruch, der dort ausgeklammert war, eine große Rolle spielte und die Ansprüche an dramatische Strukturiertheit nur bescheiden waren (Cicero beschreibt das Ende eines Mimus so: "Findet man keinen Dramenschluss, so flieht einer aus den Händen, die Kastagnetten klappern, der Vorhang geht hoch"). Zum Realismus passt, dass man immer ohne Masken spielte und vor allem – eine Besonderheit auf der antiken Bühne – dass Frauenrollen von Frauen gegeben wurden, nicht den unansehnlichsten: Beim Frühlingsfest der Floralia, die regelmäßig seit 173 v. Chr. stattfanden, war es sogar üblich, dass die Miminnen am Schluß auf Geheiß des Publikums ihre Kleider abwarfen. Woran sich eine feine Anekdote knüpft: Der als Muster altrömischer Sittenstrenge berühmte jüngere Cato soll einmal gefühlt haben, dass das Volk in seiner Anwesenheit Hemmungen hatte, dieses sein Recht durchzusetzen, und er habe darum, taktvoll der Masse huldigend, das Theater verlassen, zu dankbar donnerndem Applaus. So konnte hier endlich auch, aus dem fruchtbaren Biotop von Dichtung, Musik und Striptease, die römische Diva entstehen: Eine der wichtigsten Frauen der lateinischen Literaturgeschichte, die von Cornelius Gallus in den ersten römischen Liebeselegien als Lycoris gefeierte Schönheit (die nebenbei auch Geliebte des Marcus Antonius war und längst einen Roman oder Film verdient hätte), war unter dem Künstlernamen Cytheris – bürgerlich hieß sie, weniger eindrucksvoll, Volumnia - eine Mimin, nicht ohne Niveau: Sie soll (wohl i. J. 46 v. Chr.) in Anwesenheit des leibhaftigen Cicero die sechste Ekloge des Junggenies Vergil (worin auch ihrem geliebten Gallus gehuldigt wurde) im Theater gesungen haben
Zeitlich etwas zuvor war auch der Mimus, Versform annehmend,
literarisch
geworden, wobei er als heiteres Nachspiel zur Tragödie an die
Stelle
der früher dafür gebrauchten Atellane rückte. Zwei
Dichter
vor allem wurden hier berühmt: der in seinen Mimen auch selber
auftretende
Syrer Publilius Syrus und der römische Ritter D. Laberius. Als der
erstgenannte einmal (bei Spielen wohl auch i. J. 46) alle szenischen
Dichter
Roms zu einem Improvisationswettstreit herausforderte, nötigte der
Diktator Caesar, wie im Hohn auf die gute Römersitte, Laberius auf
die Bühne. Noch erhalten ist der Prolog seines Auftritts, in dem
er
klagt, sein Haus als Ritter verlassen zu haben, um als ehrloser Mime
(d.
h. unter Verlust der Ritterwürde) dorthin zurückzukehren. Und
bei der Darbietung selbst soll er sich mit den Versen gerächt
haben:
"Bürger, voran! Wir geben unsre Freiheit auf" und (ominös im
Hinblick auf die Iden des März): "Wer vielen Angst macht, habe
auch
vor vielen Angst!", worauf sich aller Blicke auf Caesar richteten. Der
aber war huldvoll, indem er das überhörte und Laberius durch
Überreichung des goldenen Ritterrings (nebst Geldgeschenk)
sogleich
sichtbar in den alten Stand wieder einsetzte. Wir wissen, dass auch
sonst
anzügliche Sprüche in Mimen (mimorum dicta) die
Funktion
etwa unseres politischen Kabaretts hatten – so noch in der Kaiserzeit,
wo der Mimus kräftigst fortlebt - und dass die Reaktionen des
Publikums
auf dergleichen genau registriert wurden.
Der Pantomime als König in der Publikumsgunst
Populärer aber als alle anderen Formen des Bühnenspiels scheint in der Kaiserzeit der pantomimus geworden zu sein, ein Ausdruckstanz, der i. J. 22 v. Chr. in Rom eingeführt worden sein soll, was aber wohl nur heißt, dass er damals zuerst in seiner dann später verbindlichen, klassischen Form dargeboten wurde (die sich mit den Namen der beiden großen Pantomimen Pylades und Bathyllus verbindet). Mit dem, was wir heute unter Pantomimen verstehen, also Schauspielern, die (wie Marcel Marceau usw.) durch bloßes Gebärdenspiel kleine Szenen, meist Heiteres aus dem Alltag darbieten, hatte das bis auf die Stummheit des Spiels wenig zu tun; vielmehr war der Pantomime ein einzelner Solotänzer – später selten auch einmal eine Tänzerin –, der in verschiedenen Rollen zu einem poetischen Text agierte; dieser wurde regelmäßig von einem Chor gesungen, wobei auch ein kleines Orchester (aus Saiten- Blas- und Schlaginstrumenten) begleitete. Die Texte, meist griechisch, wie ja auch die berühmten Pantomimen selber regelmäßig aus dem Osten des Reichs stammten, waren nur anfangs gelegentlich auch lustig, später fast stets ernsten, tragischen Inhalts; in ihnen begegnen neben Stoffen aus der griechischen Mythologie auch solche aus der Geschichte, sogar gelegentlich der römischen Frühgeschichte (Dido, Turnus, natürlich nach Vergils berühmtem Epos Aeneis). Sie konnten schon existierender Poesie entnommen oder aber auch als selbständiges Libretto einem bestimmten Tänzer gewissermaßen auf den Leib geschrieben werden. Da die beliebten Pantomimen z. T. enorme Gagen erhielten, bestand hier auch für die Dichter (wie im alten Drama) wieder die Möglichkeit, als Librettisten Geld zu verdienen. Berühmt war das Honorar das der sonst natürlich gratis dichtende Meisterepiker Statius für eine "Agaue" erhielt, die er dem berühmten Pantomimen Paris verkaufte: Die Mutter des Pentheus, mit dem abgerissenen Haupt ihres Sohnes in dionysischer Verzückung tanzend, muss ja auch ein der Salome von Richard Strauss vergleichbares Spektakel gewesen sein.
Die Kunst dieser Pantomimen, die, nur von wechselnden Masken und
Kostümen
unterstützt, eine Mehrzahl verschiedenster Personen in Interaktion
zu tanzen hatten – beim Parisurteil waren etwa die drei konkurrierenden
Göttinnen jeweils differenziert mit den entsprechenden Reaktionen
des Paris darzustellen – und die damit nicht nur Säle, sondern die
riesigen Theater des römischen Weltreichs füllen und
entzücken
konnten, diese Kunst, bei der es, wie beim antiken Tanz überhaupt,
nicht so sehr auf die Bewegung der meist unsichtbaren Beine, als
vielmehr
auf die Ausdruckskraft von Armen und Händen ankam, muss alles, was
wir uns an Tanzkunst vorstellen können, überboten haben, eine
artistische Perfektion des Körpers, wie sie nur durch strenge
Diät
und asketisches Training zu erzielen war. Die ausgelöste
Begeisterung
vor allem bei den weiblichen Zuschauern, nicht einmal nur den jungen,
scheint
denn auch nicht geringer gewesen zu sein als das, was wir seit den
Sechziger
Jahren aus dem Starkult der Popmusik kennen: "Wenn der geschmeidige
Bathyllus
die Armkünstlerin Leda tanzt", spottet der Satiriker Juvenal - zu
denken ist natürlich an ihre Intimitäten mit dem Schwan - ,
"dann
kann Tuccia nicht mehr die Blase beherrschen und Appula kläfft wie
beim plötzlichen Orgasmus"; fänden ine Zeitlang keine Spiele
statt, sagt er, liebkose man die vom geliebten Tänzer erbeutete
Maske
und seine Unterhose. Nicht nur darum ist es sonderbar, dass noch kein
Tänzer
der Neuzeit versucht hat, diese grandiose, Musik, Tanz und Dichtung
integrierende
Kunstgattung wieder neu zu beleben. Ein Werk wie die 1980 von dem
bedeutenden
tschechischen Lateinkomponisten Jan Novák für Chor,
Orchester
und Tanz geschriebene Bestienkantate "Aesopia" (nach Texten des
kaiserzeitlichen
Fabeldichters Phaedrus) würde sich dafür geradezu anbieten.
Senecas Tragödien: vergessene Theaterstücke
Hatte neben diesen getanzten Quasitragödien auch die klassische Tragödie, die ja doch in der alten Republik eine blühende Kunstform gewesen war und den Römern, wie sich zeigen lässt, überhaupt erst die griechische Mythologie erschlossen hatte, beim Publikum der Kaiserzeit noch eine Chance? Sicherlich ist es kein Zufall, dass unsere Quellen, die etwa für Mimus und Pantomimus so sprudeln, hier kärglicher fließen. Erhalten sind uns aber dafür, wie schon erwähnt, überliefert unter dem Namen des großen Philosophen Seneca, zehn vollständige Tragödien, von denen immerhin acht nach heutiger Ansicht unzweifelhaft echt sind. Seneca ist für uns also neben Plautus und Terenz der einzige wirklich kenntliche römische Bühnenautor; doch während man von den Werken jener heute in der Regel schon gehört hat, sind die Tragödien Senecas in unserem allgemeinen Bildungsbewusstsein fast nicht mehr vorhanden, was umso mehr erstaunt, als sie auf die größten Dramatiker der frühen Neuzeit – genannt seien nur Shakespeare, Gryphius und Racine – einen mächtigen, sogar die Dramen der Griechen oft überbietenden Einfluss gehabt haben (der auch bei einigen Neueren, wie Anouilh, gelegentlich noch zu spüren ist). Schuld daran ist vor allem das neunzehnte Jahrhundert mit seinem Literaturpapst, dem geistreichen August Wilhelm von Schlegel, der mit blendend formulierten, aber oft geradezu unrichtigen Urteilen manche bis heute lebenskräftige Irrtümer in die Welt gesetzt hat. Was Seneca angeht, mit dessen Wiederaufführung durch den römischen Humanisten Pomponius Laetus (i. J. 1486) doch die eigentliche Renaissance der Antike auf dem modernen Theater beginnt, so meinte Schlegel - und viele sprechen es ihm bis heute wenigstens teilweise nach -, er habe überhaupt nicht für die Bühne, sondern für die Rhetorenschule geschrieben, wo sich, vor allem in der Kaiserzeit, die jungen Römer auf ihre Tätigkeit in Politik und Verwaltung durch Redeübungen (declamationes) vorbereiteten. Nun hat in der Tat der Stil Senecas wie der der meisten kaiserzeitlichen Dichter eine Ähnlichkeit mit dem, der von den römischen Rhetoriklehrern gepflegt wurde: Er neigt nicht nur zum gewaltig hyperbolischen Ausdruck vor allem in der Darstellung alles Furchtbaren und Grässlichen, sondern er liebt daneben vor allem auch die kurze, oft paradoxe Pointe mit überraschenden Antithesen – z. B. scelus aliqua tutum, nulla securum tulit ("Oft sind Verbrecherinnen sicher, sorglos nie") - und Umschreibungen des Schrecklichen, die es nur umso schrecklicher erscheinen lassen; so wenn etwa Thyestes, der seine eigenen Söhne verzehrt hat, eben dieses erfährt, in verzweifelte Klagen ausbricht und sich, wie üblich, an die Brust schlagen möchte, dann aber davon mit Rücksicht auf die Verzehrten Abstand nimmt: parcamus umbris ("Schonen wir die Schatten ...") - eine solche Pointe ist natürlich nicht nach jedermanns Geschmack, sie ist aber gewiss nicht bühnenfremd.
Heute meint man vielfach, den in den Tragödien dargestellten
Vorgängen
entnehmen zu können, dass sie nicht nur nicht gedacht für
Bühnenverwirklichung,
sondern dort auch gar nicht zu realisieren seien. Aber wenn etwa im Oedipus
auf der Bühne eine Eingeweideschau stattfindet, wenn in der Phaedra
die Leichenteile des zerstückelten Hippolytus in einer Art
Puzzle
zusammengesetzt werden oder in der Medea die Titelheldin ihre
beiden
Kinder coram publico ersticht (obwohl das Horaz, dessen Regeln Seneca
sonst
folgt, ausdrücklich verboten hatte) und sogar ihrem Ehemann Jason
vor die Füße wirft, dann sind das Dinge, die zwar über
das uns aus der griechischen Tragödie Bekannte hinausgehen, aber
doch,
wie Versuche zeigen, realisierbar und im Sinn des Dramas meist auch
durchaus
sinnvoll sind. An Medea etwa demonstriert Seneca, dass er es
anschaulich
plausibel machen kann, wie eine Frau, gehetzt von den aus früheren
traumatischen Verbrechen resultierenden Wahnvorstellungen, ja
Halluzinationen,
den Dolch gegen ihr eigenes Fleisch und Blut erhebt (eine Tat, die bei
Euripides, wo Medea nur kalt kalkulierende Rächerin ist, fast
unverständlich,
nicht nachvollziehbar blieb, so dass sich auch darum die Verlagerung
hinter
die Szene empfahl); der durch Zerstückelung unkenntliche
Jüngling
Hippolytus verkörpert sinnfällig einen (stoischen)
Leitgedanken
des Stücks, dass die Schönheit ein vergängliches Gut sei
(und für ein mit Gadiatoren vertrautes Publikum war eine solche
Greulichkeit
sicher noch weniger anstößig als für uns); und so
lässt
sich manches zunächst Befremdende nicht nur verteidigen, sondern
als
besonders ausdrucksvoll nachweisen.
Bühnen- oder Rezitationsdramen?
Und hätte Seneca nicht für das Theater geschrieben, wofür dann? Da wir von einem eigentlichen Lesedrama (als das zunächst etwa Schillers "Räuber" und andere Dramen neuerer Zeit geplant waren) in der Antike nichts hören, dafür aber einige Nachrichten über öffentliche Tragödienrezitationen vorhanden sind, meint man meist, eben an diese habe Seneca gedacht und somit "Rezitationsdramen" (also eine Art Ein-Mann-Hörspiele) verfasst. Dabei ist aber übersehen, dass die in der Kaiserzeit üblichen recitationes, die auch von Epen, Elegien, Lyrik und sogar Gerichtsreden bezeugt sind, nie als eine Art der eigentlichen Darbietung bzw. Aufführung gegolten haben (und auch vom sonstigen Vorlesen scharf zu trennen sind); es handelt sich bei ihnen der Idee nach um Werkstattgespräche, in denen der Autor ein in Arbeit befindliches Stück Literatur vorstellt, um dessen Wirkung vorläufig zu testen und Kritik, gerne natürlich auch Lob, zu provozieren. Dies wird bewiesen dadurch, dass es regelmäßig die Schriftsteller selber, nicht andere Sprecher sind, die "rezitieren"; und vor allem auch dadurch, dass immer nur noch unfertige, unveröffentlichte Werke auf solchen Rezitationen vorgetragen werden. Hätte es "Rezitationsdramen" gegeben, hätten die vollendeten Texte von professionellen Stimmkünstlern vorgetragen werden müssen.
Je genauer man die Tragödien studiert, umso mehr sieht man, wie Seneca immer auf die Bedürfnisse und Möglichkeiten der Bühne achtet. So erschießt oder erschlägt etwa im Hercules furens der wahnsinnige Titelheld seine Kinder so, dass, wie schon Lessing gesehen hat, die vor ihrem Vater fliehenden Opfer immer erst hinter der Bühne fallen. Man hat auch beobachtet, dass oft wichtige Bühnenvorgänge erst im nachhinein vom Leser aus dem Text zu erschließen sind – es gibt in der Antike ja keine eigentlichen Regieanweisungen im Text -, was bedeutet, dass sie eben nicht für den Leser, sondern für den Zuschauer, dem sofort alles klar war, gedacht waren. Manches erklärt sich aus der Eigenheit der römischen Bühne: so, wie schon erwähnt, die pointierten Dramenschlüsse, die den Bühnenvorhang vorausetzen (s. oben), so z. B. auch dass der Chor, der in der Regel erst nach dem jeweiligen Akt erscheint, weil für ihn ja, wie erwähnt, die Orchestra nicht zur Verfügung steht (s. oben) und weil sonst auf der Bühne zu wenig Platz wäre, oft mangelhaft, ja geradezu unrichtig über die unmittelbar vorausgegangenen Ereignisse informiert ist. Auch das wäre bei einem Rezitationsdrama unverständlich.
Aber wichtiger als dies alles ist wohl, dass Seneca noch mehr als die griechischen Tragiker dafür gesorgt hat, die Handlung, ja die leitenden Gedanken seiner Stücke optisch auf der Bühne Gestalt werden zu lassen. Von einem Stück, dem schon erwähnten Hercules, in dem der Held zunächst seine Familie vor dem Tyrannen rettet, dann im Wahnsinn die eigenen Kinder tötet, darauf Selbstmord begehen will, von seinem Vater aber durch dessen eigene Selbstmorddrohung davon abgehalten wird – von diesem Stück hat ein Kritiker mit Recht gesagt, dass dank Senecas Bühnenpräsentation auch ein tauber Zuschauer die Handlung in den Grundzügen hätte verstehen können. Ähnliches gilt etwa von der Phaedra, der wie es scheint, einzigen römischen Tragödie mit vorwiegend erotischer Thematik. Wenn Athens Königin Phaedra, körperlich siech vor Liebeskrankheit, sich auf dem Bett als Jägerin kostümieren lässt und in die Wälder zu stürmen Miene macht, sieht man es vor Augen, dass sie ihrem Stiefsohn Hippolytus nachlaufen möchte, der kurz zuvor nach Beendigung eines Jagdlieds ebenfalls in den Wald geeilt war. Und dass sie ihn liebt – was beim Vorbild Euripides nur aus dem Sprechtext zu erfahren war -, wird vollends sichtbar, wenn sie sich ihm in der folgenden Szene erst an die Füße, dann an den Hals zu werfen versucht. Wenn darauf er im Ekel das Schwert auf sie richtet, um sie als Schlachtopfer für seine (mit Altar und Standbild sichtbar abwesende) Göttin Diana zu töten, so sieht man ihre ganze Liebestollheit und Verzweiflung, wenn sie den Hals öffnend begierig den Tod "von seinen Händen" ersehnt. Und noch deutlicher wird sein Ekel, wenn er dann das durch ihre Berührung gewissermaßen besudelte Schwert – der junge Mann hat nämlich eine Art psychischen Waschzwang -, voll Widerwillen von sich wirft, um nochmals in die Wälder davon zu laufen. Dieses Schwert wird – Seneca liebt wie Euripides ausdrucksvolle Bühnenrequisiten – dann in Sekundenschnelle zu einem Instrument der Verleumdung umfunktioniert. Die Amme, die mit rituellem Zetergeschrei die Athener zur Hilfe für Phaedra, der ihr eigener Stiefsohn Gewalt antue, herbeiruft, hebt das vom angeblichen Notzüchtiger zurückgelassene Schwert als Corpus delicti empor, während Phaedra nach ihrer Anleitung sich rasch die Haare derangiert, um als Vergewaltigungsopfer eine passende Figur zu machen. In dieser Funktion verbleibt das Schwert im weiteren Stück, bis es am Schluss seiner ersten Bestimmung wiedergegeben wird: In Verzweiflung über die Entstellung ihres toten Liebsten und, um ihm nach dem Tod an den Flüssen der Unterwelt nachjagen zu können, tötet sich Phaedra mit eben dem Schwert, von dem sie schon zuvor den Liebestod erwartet hatte, nun also, wiederum in klarer Anschaulichkeit, das nachholend, wozu der lebende Hippolytus nicht bereit war (die Parallelität müsste bei einer Aufführung noch durch entsprechende Bewegungsregie herausgearbeitet werden). Kein Zweifel: Hier ist ein Bühnendramatiker am Werk.
Vielleicht ist bei Seneca, der sich zwar insgesamt an die der
griechischen
Dramatik entsprechenden klassizistischen Regeln des Horaz hält
(was
Aktzahl, Chor, Botenberichte, Charaktere und vor allem Metrik angeht),
aber in einigem doch zu neuern scheint, auch einiges aus anderen
Bühnengattungen
in seine Tragödien übernommen worden. Wenn sich in der Troas
(heute fälschlich Troades genannt) die
kriegsgefangenen
Troerinnen zu ihrem Klagegesang um die gesunkene Stadt ausdrucksvoll
die
Brüste entblößen, so bestünde bei dem
üblichen,
von Männern dargestellten Chor, auch wenn gefälligen
Kunstbusen
Verwendung fänden, wohl eine gewisse Gefahr der
Lächerlichkeit:
Möglicherweise hat Seneca hier sonst auf der Bühne des Mimus
agierende Miminnen engagiert, die sogar an noch gründlicheres
Ausziehen
(s. oben S. ???) gewohnt waren. Eindeutiger scheint eine
gewisse Einbeziehung des Pantomimus, besonders am Anfang der Medea,
wo nach dem Auftrittsprolog der Titelheldin der Chor ein Hochzeitslied
auf deren untreuen Mann Jason und dessen neue Frau Creusa singt.
Käme
zu diesem Zweck der Chor, wie allgemein (auch wenn man nicht an
Aufführung
glaubt) angenommen, auf die (wenn auch nur imaginäre) Bühne,
so müsste dieser Hochzeitszug eine dramaturgisch unmögliche
Begegnung
zwischen Medea und ihrem früheren Mann, die erst später
konfrontiert
werden, bringen. Aber sie kommentiert nach dem Lied nur: "Ich bin
verlorn,
zum Ohr (!) drang mir das Hochzeitslied". Da aber auch nichts davon
gesagt
wird, dass sie während des Lieds die Bühne verlassen und
danach
zurückkehren würde, und da ein solcher Abgang zudem
völlig
unmoviert wäre, ist anzunehmen, dass der Chor sein Lied
hinterszenisch
singt, also unsichtbar bleibt, wogegen Medea auf der Bühne in
pantomomimischem
Tanz oder Gebärdenspiel zum Gesang das Entsetzen über die
Hochzeit
und das stellenweise höchst anzügliche Lied zum Ausdruck
bringt.
Hatte ihr Darsteller eine gewisse pantomimische Ausbildung, war das
kein
Problem; wenn nicht, so wurde er für diese Szene vielleicht
gedoubelt.
Senecas Troas: ein Drama vom Tode
Betrachten wir auch von Seneca ein Drama wenigstens im Überblick! Die in neuerer Zeit wenigstens gelegentlich einmal aufgeführte Troas, d. h. die "Tragödie von Troia" – ein den Römern, die ihre Herkunft von Troia ableiten, naheliegendes Thema -, erweist sich schon durch ihr Bühnenbild als ein Drama von Tod und Untergang. Auf der Bühne sieht man den pompösen Eingang zum Grabmal Hectors, Troias früherem Beschützer; im Hintergrund qualmen hinter der zerstörten Stadtmauer die Ruinen der Stadt (für die Zeit Neros, wo einmal in einer Togata ein ganzes Haus auf der Bühne abgebrannt wurde, kein technisches Problem). Das Stück enthält, zwei Dramen des Euripides (Hekabe und Troades) gewissermaßen zusammenfassend, die empörenden Schicksale von zwei Kindern, die nach Zerstörung der Stadt noch umgebracht werden: Polyxena, die Tochter von König Priamus und Hecuba, wird für den toten Achill in einem scheußlichen Ritualmord als dessen Braut geschlachtet; Astyanax, den Sohn von Hector und Andromacha, stürzt man aus Gründen der Staatsräson als potentiellen Rächer seiner Vaterstadt vorbeugend vom Turm. Im Gegensatz zu diesen beiden bleiben die Erwachsenen, besonders die Mütter Hecuba und Andromacha sowie der Troerinnenchor, am Leben, wobei die Pointe ist, dass in diesem Fall die Sterbenden glücklicher sind als die Überlebenden.
Das Drama beginnt mit einem klagenden Prolog der Hecuba, der als erster Akt zu rechnen ist. Es folgt das schon erwähnte rituelle, traurigwilde Klage- und Tanzlied des halb entblößten Frauenchors, in dem zum ersten Mal ein Toter, Priamus, selig gepriesen wird. Nach dieser machtvollen Präsenz von Weiblichkeit beginnt – der Chor ist abgegangen – mit dem zweiten Akt die Polyxenahandlung unter griechischen Männern: Talthybius, der Griechenherold, berichtet, dass der tote Achill als blutiges Opfer für sich die ihm einst zur Frau versprochene Polyxena fordere – durch die für solche Dinge klassische Form des Botenberichts bleibt absichtlich unklar, ob die Totenerscheinung als real oder nur eingebildet zu denken ist –; dann streiten der zuständige Feldherr Agamemnon und Achills prestigebewusster Heldensohn Pyrrhus darüber, ob man die Forderung des Toten erfüllen solle: Agamanon, der mit Gedanken von Senecas Schrift De clementia, d. h. "Über die (Fürstentugend der) Milde", argumentiert, hat die besseren Gründe für sich, wenn er um der Humanität willen, Polyxena schonen will; Pyrrrhus aber, der kaum verhüllt mit Meuterei und Gewalt droht, setzt sich durch: Der um sein Gutachten gebetene Priester, Calchas, fordert nicht nur, wie zu erwarten, die Opferung Polyxenas, sondern auch gleich den Tod des Astyanax. In beklemmter Stimmung singt ein Chor griechischer Soldaten ein Lied über das Schicksal der Seele nach dem Tode: Während die Troianerinnen an ein Fortleben im Jenseits geglaubt hatten, kommen sie, skeptische Griechen und Philosophen, zu der Einsicht, dass die Seele mit dem Tod vergehe, der Mensch also das werde, was er vor der Geburt schon war: nichts. (Die unentschieden bleibende Alternative entspricht der Ungewissheit in Senecas eigenem Denken.)
Nach einem Frauen- und einem Männerakt bringt der dritte Akt sozusagen die beiden Geschlechter und Völker zusammen auf die Bühne. Andromacha, in Ahnung des Unheils, verbirgt ihren kleinen Sohn Astyanax im Grabmal seines Vaters (um Troia den Rächer und Hectorerben zu erhalten!); Ulixes (Odysseus) aber gelingt es mit virtuoser Befragungs- und Einschüchterungstechnik– es handelt sich wohl um das erste Kriminalverhör der Weltliteratur und eine der spannendsten, auch von der Bühnenaktion her lebhaftesten antiken Theaterszenen überhaupt -, das Versteck des Kleinen zu ermitteln und diesen nach erschütterndem Abschied von der Mutter, die ohne Mitleid für ihn nur ihre Rache entschwinden sieht, zur Hinrichtung abzuführen. Wieder kommt der Troerinnenchor, diesmal mit einem Lied, das nach so viel seelischen Strapazen fast entspannend wirkt: Sie malen sich die verschiedenen Gegenden Griechenlands aus, in die es sie nun als Kriegsgefangene verschlagen kann.
Der vierte Akt treibt dann die abgebrochene Polyxenahandlung voran.
Die schöne Helena, Unheilsdämon des zu Ende gegangenen
Krieges,
versucht im Auftrag der Griechen, für die sie nun wieder Agentin
ist,
die junge Polyxena zu überreden, sich mit Pyrrhus zu
vermählen,
d. h. in Wahrheit, sich für dessen Vater schlachten zu lassen.
Erst
als diese versteht, dass es um Tod, nicht Hochzeit geht, lässt sie
sich, während Mutter Hecuba verzweifelt, freudig zur Braut
schmücken
– der sichtbare Gegensatz zwischen den Frauen drückt geradezu
emblematisch
die Grundidee des Stücks aus - und von ihrem angeblichen
Verlobten,
der sie brutal an sich reißt, abführen. Nach einem letzten
Lied
der Troianerinnen, die sich im Bewusstsein ihres geteilten Leids milden
Trost zusprechen – je furchtbarer das Geschehen, umso sanfter werden
die
Lieder -, erzählt ein Bote vom heldenhaften Tod der hingerichteten
Kinder: Astyanax stürzt sich vom Turm, bevor Ulixes ihn
stoßen
kann; Polyxena stirbt mit dem Todesmut eines römischen Gladiators.
Hecuba spricht das verzweifelte Schlusswort: Warum darf gerade sie, die
Alte, Lebensmüde, nicht sterben? Man ruft auf die Schiffe.
Während
die Troerinnen auseinander gehen, hebt sich der Vorhang: Troia, die
Titelheldin,
ist nun endgültig dahin.
Stoische Dichtung?
Schon bei dieser kurzen Nacherzählung hat sich gezeigt, dass diese Tragödie (wie alle Senecas) in einer nicht nur oberfächlichen Beziehung zum Denken des Mannes steht, der vor dem mehr als drei Jahrhunderte später lebenden Augustin wohl der bedeutendste Philosoph in lateinischer Sprache gewesen ist. Gerade das Grundmotiv des Stücks, der Tod und die seelische Vorbereitung auf ihn (meditatio mortis), ist ein Hauptthema auch seiner von der Philosophie der Stoa geprägten Prosaschriften; und als es bei ihm selbst so weit war – sein Selbstmord wurde durch Kaiser Nero erzwungen, war also auch eine Art Hinrichtung – hat er den eigenen Tod (was man ihm in neuerer Zeit sogar verübelt hat) wie ein Theaterstück nach dem griechischen Vorbild des Sokrates in Szene gesetzt. So enthält diese Tragödie eine leicht fassbare Botschaft stoischer, aber durchaus nicht nur stoischer Lebensweisheit: Wenn schon Kinder (denen speziell die Stoa noch keine eigentliche Vernunft, ratio, zubilligt) sich von Todesangst befreien können – nicht durch philosophische Überlegung, sondern beide, Polyxena und Astyanax, eher durch eine Art National- und Familienstolz -, um wieviel mehr wird der vernünftige Mensch dazu in der Lage sein, der ja sieht, wie oft der Tod dem Leben sogar vorzuziehen ist. Genial ist in dieser Hinsicht, dass Seneca, Bühnenautor von Geblüt, gerade zwei stumme Personen zu Helden seines Dramas gemacht hat: Nur Astyanax ruft in einem Moment der Schwäche: miserere, mater! ("Erbarme dich; Mutter!", was diese unerbittliche Heroin gerade nicht tut), und Polyxena bleibt gar völlig sprachlos, agiert nur mit Gebärden. So wird das kindlich Vernunftlose, nur Instinktive ihres Verhaltens wunderbar deutlich – ein Einfall, auf den nur der Bühnenautor von Geblüt kommen konnte.
Weil große Teile der stoischen Lehre wie etwa die von der göttlichen Vorsehung (providentia), die letztlich alles zum Wohl des Menschen lenkt, aus dieser und anderen Tragödien ausgeklammert sind, hat man ihre Beziehung zur Philosophie auch schon geleugnet oder, weil das Böse oft so sichtbar zu triumphieren scheint – Medea fährt nach ihrer Untat durch die Lüfte davon, Atreus verhöhnt den durch seine Kinder vom Bauch her bedrängten Thyestes usw. -, geradezu geglaubt, hier habe Seneca seiner Philosophie mutwillig widersprechen wollen; aber da dies keineswegs der Fall ist – da alle diese Geschehnisse ja auch eine stoische Interpretation zulassen und die Vorsehung nicht identisch mit der poetischen Gerechtigkeit ist -, lernen wir nur, dass der Bühnenautor Seneca seinen Zuschauern die stoische Weltanschauung nicht in toto nahebringen wollte, ja dass er wohl seine Dramen überhaupt nicht in erster Linie zum Zweck weltanschaulicher Propaganda oder etwa zur Erziehung seines missratenen Schülers Nero geschrieben hat.
Eindeutig scheint, dass vor allem die Darstellung der Affekte, wie nicht anders zu erwarten, auf der stoischen Seelenlehre beruht. Und immerhin scheint auch in der Folge der Tragödien, wie sie in unserer ältesten mittelalterlichen Handschrift überliefert sind, ein gewisser jedenfalls zum großen Teil philosophisch motivierter Plan zu liegen: Eingerahmt von zwei Tragödien, die den Haupthelden der Stoiker, Herakles (Hercules), in tiefster Erniedrigung (Hercules furens) und letztlicher Verklärung (Hercules Oetaeus) zeigen – das zweite Stück gilt allerdings vielfach als unecht -, folgen einander zwei Dramen über das Schicksal von Städten: Troas und Thebais (auch bei diesem offenbar unvollendeten Stück kann der heute gebräuchliche Titel, Phoenissae, nicht richtig sein), sowie drei um je einen der menschlichen Grundaffekte zentrierten Dramen: Medea (Zorn), Phaedra (Liebe), Oedipus (Furcht); dann behandeln zwei Dramen das Schicksal von Fürsten (zu denen Oedipus schon gewissermaßen überleitete): Agamemnon und Thyestes (von denen der erste der Liebe – Clytaemestras zu Aegisthus -, der zweite dem Zorn – des Atreus – zum Opfer fällt); und wenn schließlich ein Herculesdrama abschließt, so ergibt sich eine Ringstruktur von 1 + 2 + 3 + 2 + 1 Dramen, wobei die Städte- und die Fürstendramen durchaus sinnvoll korrespondieren und übrigens auch die Affekte in den insgesamt fünf Affekt- und Fürstendramen symmetrisch angeordnet sind (Zorn, Liebe, Furcht, Liebe, Zorn). Interessant ist auch, dass in der götterlosen Welt dieser Dramen – die Götter des Volksglaubens haben für den im Kern monotheistischen Stoiker nur eine geringe Bedeutung – bloß gerade am Anfang und am Ende des Zyklus ein Gott spricht: Juno, die Erzfeindin des Hercules, eröffnet das Drama mit einem Prolog, in dem sie sich vornimmt, die Vergöttlichung des Helden zu verhindern, was ihr im ersten Drama auch vorläufig gelingt. Das letzte Drama schließt dann mit einer Rede des nunmehr trotz allem Widerstand vergöttlichten Hercules, der – echt römisch – nur als Stimme vernehmbar ist ab. Damit entspricht der Zyklus von neun Tragödien insgesamt einer einzigen griechischen Tragödie, an deren Anfang und Ende so häufig ein Gott – als Prologgott und als sogenannter deus ex machina auftritt. Solche Korrespondenzen können kaum ein Zufall sein. Und wenn auch niemand glauben wird, dass Seneca seine Tragödien von vornherein nach einem en Schema konzipiert hätte, so dürfte doch die Annahme, dass dieses zumindest als Arrangement von letzter oder vorletzter Hand auf ihn selber zurückgeht, doch wahrscheinlicher sein als die, dass es einem späteren Redaktor zuzuschreiben wäre. Erwähnung verdient noch, dass der andere Zweig der Überlieferung, in dem die Tragödien ohne erkennbaren Plan geordnet sind, noch eine historische Tragödie, Octavia, enthält, in der Seneca selbst zusammen mit Nero auftritt. Die Echtheit dieser einzigen römischen Praetexta (s. oben S.), die uns erhalten ist, wird aber heute nicht ohne Grund fast durchweg abgelehnt.
Der hohe auch dichterische Wert dieser in ihrem Gesamtentwurf
grandiosen,
im Detail psychologisch feinen Tragödien macht uns noch einmal
schmerzlich
bewusst, was wir an der alten Tragödie der Republik, die in der
Antike
ja noch über die Komödie gestellt wurde, mutmaßlich
verloren
haben. Da sich aber Senecas Tragödien wohl darum in der Tradition
durchgesetzt haben, weil sie, die einer der merkwürdigsten
Männer
der römischen Geschichte verfasst hatte, letztlich auch einfach
besser
waren, dürfte es sich auch aus diesem Grunde lohnen, sie nicht nur
als historische Kuriositäten, sondern auch als Kunstwerke von
bleibendem
Interesse wieder für die heutige Bühne zu entdecken.
Ausgewählte Literaturangaben
Allgemeines
1 J(osef) L. Klein: Geschichte des
griechischen
und römischen Drama’s, Bd. 2: Die griechische Komödie
und das Drama der Römer, Leipzig 1874
Geistsprühende Gesamtdarstellung im Rahmen einer
Weltgeschichte des Dramas durch einen Dramatiker und Journalisten;
ebenso
eigenwillig wie wertvoll
2 Ludwig Friedländer / Georg Wissowa: Darstellungen
aus der Sittengeschichte Roms in der Zeit von Augustus bis zum Ausgang
der Antonine, Bd. 2, Leipzig ²1920, 112-144 ("Das Theater")
Fesselnd geschriebene Darstellung der Realien, mit
reichen
Quellennachweisen
3 Margarete Bieber: The History of the
Greek
and Roman Theater. Princeton, N. J. 1961
Standardwerk, aus archäologischer Sicht
4 Eckard Lefèvre (Hrsg.): Das
römische
Drama. Darmstadt 1978
Gesamtdarstellung durch acht Beiträge
verschiedener
Verfasser, z. T. vorzüglich informativ
5 Horst-Dieter Blume: Einführung in
das
antike Theaterwesen. Darmstadt (1978) ²1984, 107-130
Skizze der wichtigsten Realien, nicht zu Werken und
Dichtern
6 E. Frézouls: "Aspects de l’histoire
architecturale
du théâtre romain", Aufstieg und Niedergang der
römischen
Welt II 12.1, Berlin /New York 1982, 343-441
Aufarbeitung und Zusammenfassung der Einzelforschung,
mit zahlreichen Plänen von Theatern
7 Jürgen Blänsdorf (Hrsg.): Theater
und Gesellschaft im Imperium Romanum, Tübingen 1990
20 Symposienbeiträge (1987); wertvoll bes. zu
Kaiserzeit
und Spätantike
8 Manfred Brauneck: Die Welt als
Bühne:
Geschichte des europäischen Theaters, Bd. 1, Stuttgart/Weimar
1993, 205-270
Sehr populär, schön bebildert
9 Michael von Albrecht: Geschichte der
römischen
Literatur von Andronicus zu Boethius.
München u. a. ²1994, 75-194 (Republik), 918-954 (Seneca,
Prosa und Dichtung)
Erschließt neuere Literatur
Republikanisches Drama
10 Otto Ribbeck: Die römische Tragödie
im
Zeitalter der Republik. Leipzig 1875 (ND Hildesheim 1968)
Insgesamt unersetzte Darstellung
11 Friedrich Leo: Geschichte der
römischen
Literatur. Berlin 1913 (ND Darmstadt 1967)
Unübertroffene Gesamtdarstellung
12 George E. Duckworth: The Nature of
Roman
Comedy: A Study in Popular Entertainment. Princeton, N. J. 1952
Noch immer umfassendste Darstellung, mit reichen
Literaturangaben
13 W. Beare: The Roman Stage: A Short
History
of Latin Drama in the Time of the Republic. London (1950)
³1964
Verlässlichste Auskunft zu
Aufführungsbedingungen,
mit kritischer Quellendiskussion
14 Konrad Gaiser: "Zur Eigenart der
römischen
Komödie: Plautus und Terenz gegenüber ihren griechischen
Vorbildern".
Aufstieg und Niedergang der römischen Welt I 2, 1972,
1027-1133
Wertvolle, selbständige Zusammenfassung der
wirklich
gesicherten Ergebnisse, mit reichen Literaturangaben
15 Eckard Lefèvre (Hrsg.): Die
römische
Komödie: Plautus und Terenz. Darmstadt 1973
Wertvolle Sammlung älterer Aufsätze (seit
1809)
16 Jürgen Blänsdorf:
"Voraussetzungen
und Enstehung der römischen Komödie". In: Lefèvre, D.
röm. Drama (s. oben 4), 91-134
Beste kurze historische Einführung in die Gattung
überhaupt
17 Hubert Cancik: "Die republikanische
Tragödie".
In: Lefèvre, D. röm. Drama (s. oben 4), 308-347
Gedankenreiche Skizze, völlig selbständig
18 R. L. Hunter: The New Comedy of
Greece and
Rome, Cambridge 1985
Zur Form, zu Personen und Handlungsmotiven in
systematischer
Darstellung
19 Klaus Lennartz: Non verba sed vim:
Kritisch-exegetische
Untersuchungen zu den Fragmenten archaischer römischer Tragiker,
Stuttgart / Leipzig 1994
Erste Monographie seit Ribbeck
Plautus
20 Friedrich Leo: Plautinische
Forschungen:
Zur Kritik und Geschichte der Komödie, Berlin ²1912
Grundlegende Behandlung fast sämtlicher Probleme
21 Eduard Fraenkel: Plautinisches
im Plautus, Berlin 1922 (2. Aufl. ital., 1960, mit Addenda)
Zum Verhältnis zu den griechischen Originalen:
Umdichtung
und Zudichtung
22 Eric Segal: Roman Laughter: The Comedy
of
Plautus. Cambridge, Mass., ND New York 1971
Geistreiche sozialpsychologische Studie vom Verfasser
der "Love Story"
23 Eckard Lefèvre u. a.(Hrsg.): Plautus
barbarus: Sechs Kapitel zur Originalität des Plautus,
Tübingen
1991
Arbeiten der ‚Freiburger Schule‘: Plautus als sehr frei
im Umgang mit seinen griechischen Originalen angesehen
24 Lore Benz / Ekkehard Stärk / Gregor
Vogt-Spira
(Hrsg.): Plautus und die Tradition des Stegreifspiels,
Tübingen
1995
19 Beiträge zu italischen Elementen der
Improvisation
und Farce; auch zum Bühnenspiel
Gesamtübersetzung:
25 Walther Ludwig (Hrsg.): Antike Komödien: Plautus / Terenz, 2 Bde., München 1966, ND 1978, dtv1990 Bearbeitung der Übersetzung von Wilhelm Binder [Plautus] und J. J. C. Donner [Terenz]; mit wertvollem Nachwort
Zum Miles gloriosus:
26 Konrad Gaiser: "Eine neu erschlossene
Menander-Komödie
und ihre literaturgeschichtliche Stellung", Poetica 1, 1967,
436-461,
ND in Lefèvre, D. röm. Kom. (s. oben) 205-248
Ingeniöse Rekonstruktion des griechischen Originals
27 Lothar Schaaf: Der Miles gloriosus
des Plautus
und sein griechisches Original: Ein Beitrag zur Kontaminationsfrage,
München 1977
Behutsame Analyse unter Aufarbeitung der gesamten
Forschung;
gegen These, dass Plautus zwei griechische Komödien
zusammengearbeitet
habe
28 Eckard Lefèvre: "Plautus-Studien
IV:
Die Umformung des Alazon zu der ,Doppelkomödie des Miles
gloriosus‘,
Hermes 112, 1984, 30-53
Kühn und hypothesenfreudig
Terenz
29 Heinz Haffter: Terenz und seine
künstlerische
Eigenart (zuerst 1953), Darmstadt 1967
Klassische, knappe Gesamtwürdigung
30 Karl Büchner: Das Theater des
Terenz,
Heidelberg 1974
Ausführliche Gesamtinterpretation aller
Komödien
31 Sander M. Goldberg: Understanding
Terence.
Princeton, N. J. 1986
Zu Form und Sprache, mit großer Kenntnis der
Forschung
32 Giovanni Cupaiuolo: Terenzio: Teatro
e società,
Neapel 1991
Kulturgeschichtlich, unter ausdrücklichem
Ausschluss
der Quellenfrage
Zur Hecyra:
33 Wolfgang Schadewaldt: "Bemerkungen zur Hecyra des
Terenz",
Hermes 66, 1931, 1-29, ND in: Lefèvre, D. röm.
Kom.
(s. oben 16) 279-311
Fundamental für das Verständnis des
Stücks
34 Eckard Lefèvre: Terenz‘ und
Apollodors
Hecyra, München 1999
Ausführliche analytische Gesamtinterpretion
[konnte
oben nicht mehr berücksichtigt werden]
Seneca
35 Otto Regenbogen: "Schmerz und Tod in den
Tragödien
Senecas" (zuerst 1931), in: O. R., Kleine Schriften, hrsg. von
Franz
Dirlmeier, München 1931, 409-462
Grundlegende Würdigung
36 Otto Zwierlein: Die Rezitationsdramen
Senecas,
Meisenheim a. Gl. 1966
Gegen Realisierbarkeit auf der Bühne
37 Eckard Lefèvre (Hrsg.): Senecas
Tragödien,
Darmstadt 1972
Wertvolle Sammlung repräsentativer älterer
Arbeiten
38 Joachim Dingel: Seneca und die
Dichtung,
Heidelberg 1974
Kühne, antistoische Neudeutung; sehr umstritten
39 Ludwig Braun: "Sind Senecas
Tragödien Bühnenstücke
oder Rezitationsdramen?", Res publica litterarum 5, 1982,
43-52
Originelle und überzeugende Argumentation für
den Bühnencharakter
40 Norman T. Pratt: Seneca’s Drama,
Chapel
Hill / London 1983
Erörterung sämtlicher Aspekte
Zur Troas:
41 Elaine Fantham (Hrsg.): Seneca’s Troades: A
Literary
Introduction, Princeton 1982
Ausgabe und Kommentar mit wertvoller Einleitung
42 Wilfried Stroh: "Die Aufführung der
Troas
als philologisches Experiment", in: Orchestra: Drama, Mythos,
Bühne
(Festschrift Hellmut Flashar), hrsg. von Anton Bierl und Peter von
Möllendorff, Stuttgart / Leipzig 1994, 248-263
Zum philologischen Ertrag der Arbeit an einer
Bühneninszenierung,
München 1993
Sonstige Formen des Theaters
43 Ernst Wüst: "Pantomimus", Realencyclopädie
der classischen Altertumswissenschaft
XVIII 2b (1949) 833-869
Bisher wohl umfassendste Aufarbeitung der Zeugnisse
44 Rudolf Rieks: "Mimus und Atellane", in:
Lefèvre,
D. röm. Drama (s. oben) 348-377
Umfassend informativ
45 Barbara Höttemann: "Phlyakenposse
und Atellane",
in: Gregor Vogt-Spira (Hrsg.): Beiträge zur mündlichen
Kultur
der Römer, Tübingen 1993, 89-112
Gegen eine gebräuchliche Herleitung der Atellane;
erschließt Literatur