Mimus magicus

Ecloga Virgiliana per soprano, clarinetto Si b, pianoforte
Zaubermimus: Ekloge für Sopran, Klarinette und Klavier nach Vergil (entstanden 1969)
Text: Vergil, Ekloge 8, 65-109
Übersetzung: Wilfried Stroh


MIMVS MAGICVS

Effer aquam et molli cinge haec altaria vitta,
verbenas adole pingues et mascula tura,
coniugis ut magicis sanos avertere sacris
experiar sensus; nihil hic nisi carmina desunt.
ducite ab urbe domum, mea carmina, ducite Daphnim.

carmina vel caelo possunt deducere lunam,
carminibus Circe socios mutavit Ulixi,
frigidus in pratis cantando rumpitur anguis.
ducite ab urbe domum, mea carmina, ducite Daphnim.

terna tibi haec primum triplici diversa colore
licia circumdo, terque haec altaria circum
effigiem duco; numero deus impare gaudet.
necte tribus nodis ternos, Amarylli, colores;
necte, Amarylli, modo, et 'Veneris' dic 'vincula necto'.
ducite ab urbe domum, mea carmina, ducite Daphnim.

limus ut hic durescit et haec ut cera liquescit
uno eodemque igni, sic nostro Daphnis amore.
sparge molam et fragiles incende bitumine lauros.
Daphnis me malus urit, ego hanc in Daphnide laurum.
ducite ab urbe domum, mea carmina, ducite Daphnim.

talis amor Daphnim, qualis, cum fessa iuvencum
per nemora atque altos quaerendo bucula lucos
propter aquae rivum viridi procumbit in ulva
perdita, nec serae meminit decedere nocti,
talis amor teneat, nec sit mihi cura mederi.
ducite ab urbe domum, mea carmina, ducite Daphnim.

has olim exuvias mihi perfidus ille reliquit,
pignora cara sui, quae nunc ego limine in ipso,
terra, tibi mando; debent haec pignora Daphnim.
ducite ab urbe domum, mea carmina, ducite Daphnim.

has herbas atque haec Ponto mihi lecta venena
ipse dedit Moeris – nascuntur pluruma Ponto –
his ego saepe lupum fieri et se condere silvis
Moerim, saepe animas imis excire sepulcris
atque satas alio vidi traducere messes.
ducite ab urbe domum, mea carmina, ducite Daphnim.

fer cineres, Amarylli, foras rivoque fluenti
transque caput iace, nec respexeris. his ego Daphnim
adgrediar; nihil ille deos, nil carmina curat.
ducite ab urbe domum, mea carmina, ducite Daphnim.

adspice, corripuit tremulis altaria flammis
sponte sua, dum ferre moror, cinis ipse. bonum sit!
nescio quid certe est, et Hylax in limine latrat.
credimus? an, qui amant, ipsi sibi somnia fingunt?
parcite, ab urbe venit, iam parcite, carmina, Daphnis.


DER ZAUBERMIMUS

Heraus mit dem Wasser! Und umschlinge den Altar hier mit weicher Binde!
Zünde an fettes Grün und mannskräftigen Weihrauch!
Mit Zauberei muss ich versuchen meinen Mann, der nicht verrückt
nach mir ist, zu verwirren: Hier fehlt's nur noch an Zauberliedern.
Bringt ihn von der Stadt nach Haus, meine Lieder, bringt mir den Daphnis!

Zauberlieder können sogar vom Himmel den Mond herunterhexen,
mit Zauberliedern hat Circe die Freunde des Odysseus zu Säuen gemacht,
auf der Wiese zerreißt es beim Zaubergesang sogar die kalte Schlange.
Bringt ihn von der Stadt nach Haus, meine Lieder, bringt mir den Daphnis!

Diese drei Bänder zuerst, aus dreifach verschiedenen Fäden,
winde ich um dein Bildnis, und dreimal um diesen Altar trage ich es dann:
Ungerade Zahlen machen ja den Göttern Freude.
Du, Amaryllis, knüpfe in drei Knoten die drei Farben,
knüpfe sie, Amaryllis, und sprich: "Ich knüpfe der Venus Bande"!
Bringt ihn von der Stadt nach Haus, meine Lieder, bringt mir den Daphnis!

Wie der Lehm sich hier härtet und wie dies Wachs hier hinschmilzt
von ein und demselben Feuer, so schmelze auch Daphnis vor Liebe zu mir!
Streue aus das Opfersalz und zünde mit Pech den brüchigen Lorbeer an!
Mich setzt der schlimme Daphnis in Flammen, ich gegen Daphnis diesen Lorbeer.
Bringt ihn von der Stadt nach Haus, meine Lieder, bringt mir den Daphnis!

Solch eine Liebe soll Daphnis fesseln, wie die Kuh sie fühlt, wenn sie
bis zur Erschöpfung in Wäldern und hohen Hainen den jungen Stier gesucht hat
und dann am Rand des Bachs im grünen Schilfgras niedersinkt –
die Unselige, die noch bis in späte Nacht dort aushält –,
ja, solche Liebe fessle ihn! Mir aber soll die Heilung egal sein.
Bringt ihn von der Stadt nach Haus, meine Lieder, bringt mir den Daphnis!

Hier habe ich das erbeutete Kleid, das mir einst der Treulose zurückließ,
als liebes Pfand von ihm. Jetzt gleich hier an der Schwelle,
übergeb ich es dir, Erde: Dieses Pfand muss mir den Daphnis herschaffen.
Bringt mir von der Stadt nach Haus, meine Lieder, bringt mir den Daphnis!

Diese Kräuter und diese Gifte, in Pontus gesammelt, gab mir
Moeris persönlich (es wachsen viele davon in Pontus):
Oft hab ich es gesehen, wie sich mit ihnen Moeris zum Wolf verwandelte und in Wäldern
unterschlüpfte, oft, wie er aus tiefen Gräbern  empor die Seelen scheuchte
und die Getreidesaat in fremdes Feld hinüberwandern ließ.
Bringt ihn von der Stadt nach Haus, meine Lieder, bringt mir den Daphnis!

Schaff die Asche raus, Amaryllis! Wirf sie in den fließenden Bach,
über den Kopf, und blick nicht zurück! Jetzt will ich Daphnis mit  d i e s e n  Mitteln
zusetzen (er macht sich ja nichts aus Göttern und nichts aus Liedern)
Bringt ihn von der Stadt nach Haus, meine Lieder, bringt mir den Daphnis!

Schau her! Der ganze Altar steht in züngelnden Flammen.
Ich zögerte noch mit der Asche: Da hat sie sich selbst entzündet. Zum Wohl!
Es muss irgendwas sein – und wirklich: Hylax bellt auf der Schwelle ...
Glaub ich's? Oder ist's nur ein Wunschtraum, wie Verliebte ihn haben?
Hört auf! Er kommt aus der Stadt nach Haus. Hört auf, meine Lieder! Daphnis kommt.


Zurück zum Werkverzeichnis