Wilfried Stroh
Die Münchner Mariensäule und ihr Dichter Balde
(Lyr. 2, 26) 1)
Am 7. November 1638 schenkte der marienfromme 2
) und musengebildete Kurfürst Maximilian I. seinem geliebten
Land
Bayern und der Stadt München ihr Zentrum (das bis heute
Zentralpunkt
auch der Landvermessung ist): das erhöhte Bild der Gottesmutter
auf
dem Schrannenplatz, später dann (seit 1854) nach seiner neuen
Patronin
„Marienplatz“ genannt.3) Trotz
schwerer „Leibesindisposition“, wie es heißt, war
Fürstbischof Veit Adam aus Freising, der urbs devotis-sima,
herbeigeeilt, um selber inmitten von Adel und Geistlichkeit, Rat und
Volk der Stadt die Benediktion vorzunehmen. Und kein Gerin-gerer als
der wohl berühmteste Dichter Deutschlands in seinem Jahr-hundert,
der Jesuitenpater und damals Gymnasiallehrer Jacobus Balde, hat dem
Ereignis eine große Ode in Stil und Versmaß des
römi-schen Lyrikers Horaz gewidmet: Sie sollte später, als
26. Gedicht,
die zweite Hälfte seines in besonderer Weise Maria gewidmeten 149n
1643)
einleiten.4)
Als Balde diese Ode zur Einweihung der Mariensäule schrieb, war
seine Phantasie durch manche Vorgaben gebundener als sonst
ge-wöhnlich. Die Errichtung der Säule geht zurück auf
ein Gelöbnis des Kurfürsten Maximilian I., das dieser
während des Schwedeneinfalls in München 5)
getan hatte. Er selbst war damals fern gewesen
von der Stadt, in die Gustav Adolf am 17. Mai 1632 durch das Isartor
seinen
prachtvollen Einzug hielt: 300000 Reichstaler als Ersatz für
Brand-schatzung
waren dem Schwedenkönig zugesagt worden, damit er München vor
der
Zerstörung bewahrte; hatte es ja doch zunächst
geheißen,
daß er Rache nehmen wolle für Magdeburg, das am 20. Mai 1631
niederge-brannt
worden war. Als der König am 7. Juni wieder abzog mit seinem Heer,
fehlte
an der Summe trotz aller Requisitionen, vor allem auch in
Privathaushalten,
noch gut die Hälfte: zweiundvierzig vornehme Geiseln mußten
mit
den Schweden mitgehen, um für die ordnungsgemäße
Abzahlung
zu bürgen.
In dieser Zeit also tat Kurfürst Maximilian das Gelübde, ein
(zunächst noch unbestimmtes) gottgefälliges Werk zu
vollbringen, wenn ihm seine Städte München und Landshut
erhalten blieben.6)
Als er im Mai 1635 – inzwischen war München auch von der
Pest
empfindlich heimgesucht worden – dann aus seinem Hoflager in Braunau am
Inn
zurückgekehrt war, wurde die Einlösung des Versprechens
sogleich
in Angriff genommen. Schon am 14. September ist in einem Schreiben
davon
die Rede, der Kurfürst wolle neben anderen frommen Dingen „ein
monumentum
auff platz allhier in loco conspicuo auffrichten lassen.“7)
Daß dieses monumentum gerade eine Säule mit Marienstatue
sein
sollte,8) scheint – nach dessen
handschriftlicher
Notiz von 1636 – auf eine Anregung des Hofkammerpräsidenten
Mändl
zu-rückzugehen. So besteht also wohl kein Anlaß, Balde
selbst,
wie Walter Brugger wollte, zum ‚geistigen Vater‘9)
der Mariensäule zu ma-chen: Balde kam ja auch erst im
Oktober
1637 als Rhetoriklehrer aus Ingolstadt nach München.10)
Im übrigen hat Brugger sehr anschaulich das geistige
Konzept
einer Mariensäule aus Italien hergeleitet (wohin Maximilian schon
als
Erbprinz gereist war):11)
Unmittelbares
Vorbild scheint, wie man früher schon wußte, die
Mariensäule
von S. Maria Maggiore in Rom (errichtet 1614 durch Papst Paul V.)
gewesen
zu sein;12) dahinter aber stehen
die
Säulen der heidnischen Kaiser Traian und Marc Aurel, auf die man
schon
im 16. Jahrhundert die Statuen der Apostel Petrus und Paulus gesetzt
hatte.
So wurde gerade die christlich gekrönte Säule zu einem
Sinnbild
der Christianisierung antiker Kultur, ein Verfahren, fast analog zu
dem,
wie es die Jesuiten gern an-wandten, wenn sie Versbrocken, ja mitunter
ganze
Verse heidnischer Dichter – nicht etwa plagiierten (denn die
Übernahme
sollte ja kenntlich sein), sondern in christlichen Zusammenhang
gewissermaßen
neu einmontierten.13)
Immerhin könnte Brugger auch damit recht haben, daß es der
Initiative Balde zu verdanken war, wenn Ende 1637 mit dem Unternehmen
der Mariensäule endlich Ernst gemacht wurde. Das Münchner
Stadtarchiv bewahrt als erste Nummer des Bündels von Quellen zur
Mariensäule 14)
noch den prächtig geschriebenen Brief, in dem der
Kurfürst,
ohne erst viel nachzufragen, am 12. Dezember dem Bürgermeister und
Rat
der Stadt mitteilte, daß er, da der Herrgott auf Fürbitten
Mariens
die Stadt München „von Prandt vnnd anderem feindlichen Verderben“
bewahrt
habe, „ein offentliches Monumentum von einer Säulen, vnd darauf
stehenden,
vnser lieben Frauen Bildtnus mitten deß Plaz aufrichten“ wolle
und
gleich auch „konnftigen Montag darmit einen würcklichen anfanng
machen“
zu lassen vorhabe.
Dann aber war es ohne Zweifel Balde, der – was sonderbarerweise nie
ausgesprochen oder gesehen worden zu sein scheint 15)
– die
Inschrift für das Säulenpostament zu entwerfen hatte, die wir
auch
heute wieder, nachdem sie lange Zeit getilgt war, seit Vollendung des
U-Bahn-Baus
im Jahre 1970, suo loco lesen können. Nicht allein, daß
Balde
der gewandteste Stilist des Landes war; schon die Tatsache, daß
er
eben diese Inschrift seiner Mariensäulen-Ode gleichsam als
Überschrift
16) beigab, beweist seine
Verfasserschaft wohl zur Genüge. Sie lautete (nach Baldes
Textgestaltung im Drucktext) auf der Ostseite:
DEO OPT. MAX.
VIRGINI DEIPARAE BOICAE 17)
DOMINAE BENIGNISSIMAE
PROTECTRICI POTENTISSIMAE
OB PATRIAM VRBES EXERCITVS
SEIPSVM DOMVM ET SPES SVAS
SERVATA
mit Fortsetzung auf der Westseite:
HOC PERENNE
AD POSTEROS MONVMENTVM
MAXIMILIANVS
COM. PAL. RHENI VTR. BAV. DVX
S. R. IMP. ARCHIDAP. ET ELECTOR
CLIENTVM INFIMVS
GRATVS SVPPLEXQUE P.
MDCXXXIIX VII IDVS NOVEMB.
Das heißt: ‚Dem gütigsten Gott, der jungfräulichen
Gottesmutter, Bayerns gütigster Herrin und mächtigster
Beschützerin, hat für die Bewahrung des Vaterlandes, der
Städte, der Heere, seiner selbst und seiner Hoffnungen 18)
dies
bei den Nachkommen bleibende Denkmal dankbar und kniefällig
errichtet
Maximilian, Pfalzgraf vom Rhein, Herzog beider Bayern, des Heiligen
Römischen
Reiches Erztruchseß und Kurfürst, der niederste unter ihren
Schutzbefohlenen.
Am 7. November 1638.‘ Dieser ausgerechnet von Balde, dem heute auch bei
den
Münchnern fast Vergessenen, 19)
stammende
Weihetext steht also im eigentlichen Herzen von München und
Bayern!
Wie die Inschrift angibt, war die Einweihung auf Sonntag, den 7.
November 1638 gelegt worden, den ersten Sonntag nach Allerheiligen, an
welchem jährlich auch die sogenannte Prager Prozession, d. h. die
Erinnerung an den Sieg in der Schlacht am Weißen Berg, stattfand.
Eine akkurate Federzeichnung der Staatlichen Graphischen Sammlung 20)
gibt
deutliche Anschauung von der Feierlichkeit. Für die Geistlichkeit
und
(offenbar) den Hof sind östlich und westlich der Säule
große
Zelte errichtet – Balde spricht am Ein-gang seiner Ode von drohendem
Regen
–; auf einer überdachten Tribüne im Norden des Platzes
scheinen
vor allem die Musiker versammelt. Vor dem östlichen Zelt stehend,
der
Mutter Gottes also ins Auge blickend, leitet Fürstbischof Veit
Adam
die Einsegnung.
Einen schriftlichen Bericht über deren Verlauf gibt offenbar erst
der Domprediger P. Joseph Mayr in seiner zum hundertsten Jahrestag der
Weihung (1738) gehaltenen und sogleich auch gedruckten Festpredigt.
21) Demnach sei „Maximilianus, von dem gantzen
Hof,
ge-samten Adel, allen Land-Staenden umgeben“, auf dem Marktplatz vom
Fürstbischof
und der Geistlichkeit empfangen worden. Nach der Einsegnung der
Säule
habe ihm der Kurfürst ein silbernes „Gestättelein“, eine
Kapsel
mit diversen Reliquien, übergeben, „damit er selbes in das Haupt
der
Statuen Mariae unter der Cron legte“.22)
Maximilian, berichtet Pater Mayr, ließ sich nun „selber nider auf
seine Knye, und mit erhebter Stimme redete Er, was wir noch heunt zu
Tag in Marmor eingehauen bey diser Saulen lesen koennen“, nämlich
den Text der oben ausgeschriebenen Inschrift.23)
Wir werden
sehen, daß Baldes Ode auch hierauf anzuspielen scheint.
Die Ode also (Lyr. 2, 26) – 1643 in den Lyrica, 1648 in den Odae
Partheniae veröffentlicht – ist im alcäischen Versmaß
geschrieben, das schon bei Horaz beliebt war, und ungewöhnlich
luzid, ja symmetrisch in
3+6+6+3 Strophen gegliedert. Die einleitenden drei Strophen geben vor
allem
eine Art Zusammenfassung des Verdienstes, das sich Maria um die Stadt
erworben
hat. Der erste Hauptabschnitt (von sechs Strophen) führt dann
zurück
in die Zeit der Bedrohung Münchens; die folgenden sechs Strophen
feiern
die hilfreiche und in ihrem Standbild gegenwärtige Mutter Gottes.
Ein
Epilog (wiederum in drei Strophen) gibt einen Ausblick in die Zukunft.
Text: 24)
Videtis? vt se nubila diuidunt!
Quamuis aquosam euoluere fasciam
Minentur Austri; mitigato
Pura tamen subit aura cælo.
Io! Reuulsis soluite vinculis,
5
Captiua, Ciues, soluite gaudia:
Et magnus, & Maior Sacerdos,
Et Proceres bona verba dicant.
Haec DIVA, vestri Gloria PRINCIPIS,
Posthac & Vrbem, & TEMPLA tuebitur;
10
Quæ nuper Arctoum dicatis
Depulit à Laribus tyrannum.
Infusa postquam Balthis inhorruit,
Ac se minacem miscuit Isaræ:
Heu! turbulentis Boia latè
15
Fluctibus insonuere saxa;
Totóque Mauors intonuit Foro.
Num sera credet Posteritas, locum,
Quo stamus, impleuisse Suecos?
Hîc epulans vlulauit
Hunnus:
20
Hic fulgurabant arma PANERII.
Hoc castra cliuo fixerat HORNIVS:
Et solis HEBRONVS sub ortum
Bistonias agitauit hastas.
Rex ipse fictum risit, & aureos
25
Sparsit dolosa per populos manu
GVSTAVVS imbreis: corda veris
Callidus exonerare monstris,
Terrere vanis; dum placidé iubet,
Ludénsque sæuit: non tamen exule
30
Peior Palatino, fauillæ
Et cineri Niger ille totam
Deuouit Vrbem. ter penetralibus
Suppostus Aulæ, ter refugus nefas
Elusit ignis; terque cassam
35
Fleuit atrox FRIDERICVS iram.
Auferte Fatum: nec leue garrula
Fortuna nomen jactet. ab æthere
Refulsit improuisa virtus.
Virgo faces Nasarena,
Virgo
40
Auertit enseis, Virginis est opus.
Virgo canatur, dicite Virginem
Nuptæque, & innuptæ puellæ:
Et patrium geminate carmen.
Salue cruentis aspera Regibus,
45
Clemens benignis. tu mihi carior
Faustina, Castrorúmque Mater.
En, Pario tibi cæsus altam
De monte (supplex obsequium DVCIS)
Erexit Aram: nec Latijs minor,
50
In astra consurgens ab imo,
Grandè secat OBELISCVS auras.
Stas læue supra marmor, in aureo
Fulgore vestis. crine humeri latent:
Caput coronatum triumphat.
55
Luna pedes subiëcta lambit.
AVRORA MVNDI, prospicis alteram
Mundi minorem. SOL Puer insidet
Vlnis, renidenteísque blando
Ore tibi radios propinat.
60
Huc aduolantum exercitus ignium,
Formosa noctu deferet oscula.
Sedem fatigatis quietam
Sideribus dabit vna ceruix.
Huc & tabellas (auguror) æneas,
65
Cerámque vulgus ponere gestiet:
Tædásque lucenteis vouebit
Turba sacri studiosa vultûs.
Tunc prona curuo poplite Ciuitas,
Emissa tectis ad sonitum tubæ
70
Sternetur, & clamore summas
Læta fremet feriente nubeis.
Übersetzung und Kommentar: 25)
1-4: Seht ihr es? Wie sich die Wolken teilen!
Mögen die Südwinde auch noch so drohen, das wasserreiche Band
zu
lösen, an mildem Himmel zieht dennoch reine
Luft
auf.
Sogleich der Eingang soll an Horaz erinnern, nicht nur an das be-kannte
Vides ut alta (Carm. 1, 9, 1), sondern vor allem an die
enthu-siastische
Ode 3, 4, 26) wo Horaz nach Anrufung der
Muse
selber in Verzückung gerät (5): auditis? an me ludit amabilis
insania?,
‚Hört ihr es? Oder foppt mich der liebenswerte Wahnsinn?‘
27) So hat es, zur Markierung erregteren Sprechens,
seinen
Sinn, daß der ut-Satz eben nicht (wie in Horaz 1, 9) unter-,
sondern
beigeordnet ist. Mit der folgenden Beschreibung des aufklärenden
Südwinds
– offenbar setzt der berühmte Münchner Föhn ein – spielt
Balde
wohl auf wirkliche Wettervorgänge bei bzw. vor der
Einweihungsfeierlichkeit
an; sprachlich wirkt auf das kühne Bild Juvenal 14, 294: nil color
hic
caeli, nil fascia nigra minatur. Aber natürlich ist das Reale
zugleich
auch sinnbildlich zu verstehen: Wie hier der Süd den Himmel
aufreißt,
so hat, ‚vom Äther unvorhergesehen‘ (38-39), Maria die Rettung
für
München gebracht.28) Erst die
Mitte
des Gedichtes macht den Eingang voll verständlich.
5-8: Io! Löst aus den abgerissenen
Fesseln, löst, ihr Bürger, die Freuden, die gefangen waren!
Und der große und der größere Priester und die
Vornehmen mögen fromme Worte sprechen.
Io! ist horazischer Triumphruf (Carm. 4, 2, 49), passend zum Sieg
Mariens, der lange Schmach beendet. Wie sonst Arme und Hälse, so
hatten die ‚Freuden‘ (gaudia) der Münchner in Fesseln gelegen, aus
denen sie nun – als wäre die Gefahr eben erst (vgl. 11) vorbei –
gelöst werden sollen. Nach solch
sprachlichem Überschwang wird die Feier selbst in schlichtester
Rede
(von 7 bis noch 10) eingeleitet: Mit magnus, & Maior Sacerdos – die
barocke
Klein- und Großschreibung ist hier bildkräftig – sind der
Abt
von Weihenstephan und der Fürst-bischof, beide aus Freising,
gemeint.
Die Aufforderung zum bona verba dicere (vgl. bes. Tib. 2, 2, 1: Dicamus
bona
uerba 29)) entspricht dem bei der
römischen
Opferzeremonie auch üblichen fauete linguis.30)
Die Erwähnung der Proceres zeigt, daß auch die
nicht-geistliche
Prominenz verbal beteiligt gewesen sein dürfte.31)
9-12: Diese Heilige, der Ruhm eures
Fürsten, wird künftig die Stadt wie die Kirchen
beschützen, sie, die neulich den Tyrann aus dem Norden von den
geweihten Häusern fortstieß.
Nur hier in der ersten Hälfte des Gedichtes wird Maria
erwähnt,
32) mit einem Fingerzeig (9: haec) auf die
Statue:
vestri Gloria PRINCIPIS läßt an Maximilians Sieg am
Weißen
Berg denken, der mit dem Schlachtruf ‚Maria‘ erfochten wurde. Die
(wieder
in gehobener Sprache formulierten) Verse 11 und 12 resümieren
vorwegnehmend
Marias Leistung für München, die vor allem in der Bewahrung
der
Kirchen besteht. – Waren die einzelnen Strophen bisher geschlossene
Sinneinheiten,
so sind in der nachfolgenden Vergegenwärtigung der schwe-dischen
Besetzung
je drei Strophen zu einer großen Periode – wie häufig gerade
in
Horazens alcäischen Oden – zusammengefügt:
13-24: Nachdem sich das Baltische Meer
aufschaudernd ergossen und drohend mit der Isar vermählt hatte:
Weh! Da tönten die Felsen Bayerns weithin von den
aufgewühlten Fluten, und auf dem ganzen
Marktplatz donnerte Gott Mars. Wird es die späte Nachwelt glauben,
daß
den Platz, auf dem wir stehen, die Schweden füllten? Hier hat beim
Schmaus
der Hunne geheult, hier blitzten die Waffen des Baner, auf dieser
Höhe
hatte Horn sein Lager befestigt, und, wo die Sonne aufgeht, schwenkte
Hepburn
die thrakischen Lanzen!
Das Kommen der Schweden wird zunächst durch die Allegorie einer
über die Ufer tretenden und dann 33)
nach Süddeutschland
überschwappenden Ostsee gefaßt; wirkungsvoll ist dabei vor
allem,
wie das ‚Hinein‘ von in-fusa über in-horruit (13) und in-sonuere
(16)
bis zu in-tonuit (17) nachklingt. Die staunende Frage von 18-19 (Num
sera
[…] ?) erinnert an Horazens credite, posteri in der (ekstatischen) Ode
2,
19, 2. Im übrigen ist die Erinnerung an die hier noch eben
hausen-den
Schweden, die zur Steigerung ihrer Wildheit auch ‚Hunnen‘ oder
‚Thraker‘
(bzw. ‚bistonisch‘, 24) heißen, einer Stelle in Vergils Aeneis
nachgebildet
(2, 29ff.), wo die Trojaner, nach Abzug der Griechen aus der Stadt
strö-mend,
sich deren eben noch vorhandenes Lager ins Gedächtnis rufen: hic
Dolopum
manus, hic saeuus tendebat Achilles usw.; auch dort wird in
hic-hic-Anaphern
– schon ein illic würde die Vorstellung ändern – der Eindruck
erweckt,
als bewege man sich während des Sprechens eilend durch den Raum.
Die
Personen, die der Dichter visionär vergegenwärtigt, sind
pro-minente
schwedische Militärs: Feldmarschall Horn hat offenbar einen Trupp
Soldaten
auf der Erhöhung der Peterskirche gelagert; der zum
Oberkommandanten
ein-gesetzte Hepburn (Hebronus, über den sich frühere
Erklärer
unnötig den Kopf zerbrochen haben 34))
scheint mit den Seinen im Osten der Stadt zu sein, wohl jenseits der
Isar
(nach den historischen Zeugnissen lagerte der Hauptteil des Heeres
außerhalb
der damaligen Stadt).
25-36: Der König selber lachte
heuchlerisch, und goldene Regen versprühte mit trügerischer
Hand Gustav rings in der Volksmenge, ein Mann, schlau darin, die Herzen
von wahren Schrecknissen zu entlasten, mit nichtigen zu schrecken,
indem sein Gebieten sanft, sein Wüten ein Spiel war – nicht
ärger freilich als der Verbannte von der Pfalz: Zu Glut und Asche
verwünschte je-ner Schwarze die ganze Stadt. Dreimal war das Feuer
ans Innerste des Hofes gelegt, dreimal vereitelte es flüchtend den
Frevel; dreimal weinte der schreckliche Friedrich, daß sein Zorn
vergebens war.
In der zweiten dreistrophigen Sinnperiode des ersten Großteiles
erscheinen nun die beiden eigentlichen Hauptakteure. Der eine ist
Gu-stav Adolf, dessen nach außen hin liebenswürdige Art bei
den Münchnern großen Eindruck machte; unter anderem besuchte
er katholische Gottesdienste, ja disputierte
sogar mit dem Pater Rektor des Jesuitenkollegs. Die erwähnte
Geldverteilung
soll während des Gottesdien-stes im Liebfrauendom stattgefunden
haben.
35) Das Dämonisch-Undurchschaubare
seines
Wesens faßt Balde in zwei der bei ihm beliebten Oxymora
(placidé
iubet – ludens saeuit). Neben ihm steht Fried-rich V. von der Pfalz,
der
Winterkönig (der Gustav Adolf neben anderen protestantischen
Fürsten
begleitete), ein schierer, ‚schwarzer‘ Bösewicht (Niger ille – die
Kursivschreibung im Originaltext suggeriert eine übliche
Benennung; im übrigen ist
wohl auch angespielt auf Hor. Sat. 1, 4, 85: […] hic niger est,
hunc
tu, Romane, caueto). Seine Attacke auf die Residenz 36)
(in der Gustav Adolf selber abgestiegen war) findet, wie bei
vergeblichen
Versuchen seit Homer üblich,37)
dreimal statt (ter in gleichmäßigem Abstand je an derselben
Stelle
nach der Zäsur). Noch scheint es eine Laune (35: elusit) des
Feuers,
die den Brand verhindert, aber dann …
37-44: Geht mir fort mit ‚Schicksal‘! Auch
die schwatzhafte Fortuna soll sich nicht großtun mit ihrem Namen,
der doch kein Gewicht hat. Vom Himmel erstrahlte unversehens die
Wunderkraft. Die Jungfrau
von Nazareth wandte ab die Brände, die Jungfrau wandte die
Schwerter.
Der Jungfrau Werk ist es, die Jungfrau werde besungen: Singt von der
Jungfrau,
vermählte und unvermählte Mädchen, und laßt
zweifach
das Lied der Väter klingen!
Auf dem Höhepunkt des Gedichtes wendet sich der Sprecher fast
scheltend, wie es scheint, an die Zuhörer: Auferte fatum ist
zunächst wohl süddeut-scher Germanismus: ‚Geht’s mir weg mit
Fatum‘, d. h., die Bürger sollen nicht vom ‚Schicksal‘ schwatzen
oder gar vom ‚Glück‘ (fortuna), das die Residenz gehabt habe
(garrula überträgt dieses Schwatzen metonymisch auf die
Fortuna selber, die es gerne hat, daß man ihren Namen im Munde
führt). Das Unvorhergesehene im Eingreifen der Jungfrau
drückt sich auch metrisch aus, indem hier – nur hier – ein starker
Sinneinschnitt (Satzende) an eine andere Stelle als das Versende oder
die Zäsur gesetzt ist: Unmittelbar vor dem Versende (38) erscheint
ab aethere Marias ‚Wunderkraft‘ – virtus sagt Balde zunächst, weil
darin das ‚Mann‘-hafte noch deutlicher zu hören ist als in dem
üblichen Virgo, das dann in den folgenden drei Versen gleich
fünfmal emphatisch in verschiedenen Deklinationsformen wiederholt
wird (das ein Strophenenjambement einleitende zweite Virgo in 40
wiederholt den Effekt von ab aethere). Und ein zweiter Imperativ in
diesem Abschnitt fordert den Chor der Frauen 38)
auf,
das ‚Lied der Väter‘ zu singen – auch nach dem Anklang des
folgenden
Verses (45: Salve […] Regibus) höchstwahrscheinlich das
berühmte
Salve, Regina.
45-52: Sei gegrüßt du, die du
streng bist gegen grausame Könige, milde den gütigen! Du bist
mir eine liebere Faustina und Mutter der Kriegslager. Siehe, aus
parischem Berg gehauen, hat dir der Obelisk – des Führers
kniefällige Huldigung – einen hohen Altar errichtet; und nicht
kleiner als die in Latium hebt er von unten sich zu den Sternen empor
und durchschneidet groß die Lüfte.
Der Sprecher stimmt selber nur mit dem ersten Wort in das Salve, Regina
ein,
dann geht sein Gebet an Maria, die erst von hier an angeredet wird,
eigene
Wege. Sie ist ihm die carior Faustina, eine Anspielung auf Annia
Galeria
Faustina d. J., die Frau von Kaiser Marc Aurel, die, ihren Mann ins
pannonische
Kriegslager begleitend, als erste den Namen Mater castrorum erhielt.
39) Dies leitet über zum Gedanken an den
Kriegsherrn
Maximilian, der ihr mit der Marmorsäule – parischer Marmor (48)
40) ist der nobelste – ‚kniefällig‘
(supplex)
huldigt, dabei aber persönlich (in der Satzparenthese) ganz
bescheiden
zurücktritt, wie es ja auch dem CLIENTVM INFIMVS der Inschrift
angemessen
scheint. Sprachliches Subjekt ist, höchst preziös, der
Obelisk
selber, der Maria einen ehrenden Altar (offenbar in ihm selber
bestehend)
aufgerichtet habe. Bezugspunkt seiner Größe sind
natürlich
die diversen Säulen in Rom, die ja, wie erwähnt, für
Maximilian
Vorbild waren.
53-60: Du stehst auf dem glatten Marmor, in
deines goldenen Kleides Glanz. Unter dem Haar verbergen sich die
Schultern; es triumphiert dein gekröntes Haupt. Der Mond leckt die
Füße, an denen er liegt. Du, Morgenröte der Welt,
hältst Ausschau auf die andere, kleinere Morgenröte. Als
Sonne sitzt der Knabe auf den Armen und reicht dir mit schmeicheln-dem
Mund die lächelnden Strahlen.
Nachdem der Blick des Sprechers in die Höhe gewandert ist (50:
erexit; 51: consurgens), wird nun erst die Maria auf der Säule
ganz ins Auge gefaßt.41)
Während die erste
Strophe des Paars aufzählend ihre Gestalt als die der
triumphierenden
Königin würdigt – auch der Mond liegt ihr ja zu
Füßen,
nicht wie der Schemel im Psalm, sondern wie ein diese ‚leckendes‘
Hündchen
–, gibt die zweite eine Deutung, die das Jesuskind in ihrem Arm mit
einbezieht:
Wie dieses die ‚Sonne‘ der Welt ist, so ist sie die die Sonne
heraufführende
Aurora, welche – Maria schaut ja nach Osten (wo eben noch Hepburn
tobte)
– der anderen, irdischen Aurora entgegenblickt. Dabei ist ihr Licht ein
nur
erborgtes. Das Kind erst ‚serviert‘ (propinat) ihr seine Strahlen.
61-64: Das Heer der Feuer, die hierher
fliegen, wird des Nachts dir schöne Küsse bringen. Einen
ruhigen Sitz wird den erschöpften Sternen dein einer Hals bieten.
Die Vorstellungen von Liebe (59: blando) und Licht (renidenteis […]
ra-dios) setzen sich hier in die Nacht hinein fort (62: oscula; 61:
ignium). Inspiriert offenbar vom Sternenkranz der Madonna auf der
Säule prophezeit der Sprecher,
nun wieder (wie in 1) gleichsam verzückt, daß sich bei der
Mater
castrorum auch noch das Sternen-heer (61: exercitus) ver-sammeln, ja
auf
ihrem Hals geradezu sein Nachtquartier finden werde: wahrlich ein
nobleres
Militär als das der gröhlenden ‚Hunnen‘ (20)! 42)
65-72: Hierhin auch – ich prophezeie es –
wird das Volk mit Freude erzene Tafeln und Wachs legen; leuchtende
Fackeln wird geloben die Menge, die nach deinem heiligen Blick begehrt.
Dann wird die Bürgerschaft,
aus den Häusern gerissen beim Schall der Trompete mit gebeugtem
Knie
vornüber niedersinken; und fröhlich wird sie tönen von
einem
Schrei, der an die höchsten Wolken schlägt.
Nun spricht Balde explizit als Prophet, vates, wie die augusteischen
Dichter sagen (65: auguror):43) Das
futurische Tempus,
schon in der vori-gen Strophe für die auf die Feier folgende Nacht
verwendet,
greift aus auf die weitere Zukunft (66: gestiet usw.). In lebendigen
Bildern
– cerae und tabellae dürften vor allem auf Votivgaben zu deuten
sein,
taedae auf nächtliche Prozessionen 44)
– sieht er die Verehrung der Mariensäule durch die
Bürgerschaft vor sich: Wie am 7. November 1638 der Kurfürst
wird sie regelmäßig prona curuo poplite vor der ho-hen
Königin in die Knie sinken; aber dabei
dringt ihr von Trompeten unterstütztes Jauchzen – der letzte Vers
verweist
spielerisch auf den ersten des Gedichtes (nubila) – empor zu den Wolken.
Fassen wir unsere Beobachtungen zur Form dieses eigenartigen
Mariengedichts zusammen! Sicherlich ist es kein Marienhymnus, wie Balde
so viele geschrieben hat. Es enthält nur Teile eines solchen
Hymnus (53ff.), ist aber sonst vor allem Rede eines Bürgers an
seine Mitbürger, ad senatum populumque Monacensem, wie ja schon
die Überschrift sagt. Das erinnert zunächst an die Pose des
Horaz in seinen politischen Epoden (7 und 9), ähnlich auch in
seinem Festgedicht Carm. 3, 14, wo ja ebenfalls beiläufig
Anweisungen für eine Feier ge-geben werden. Aber noch wichtiger
als Vorbild ist hierin
vielleicht die erste Elegie im 2. Buch des Tibull. Auch dort gibt das
Gedicht
eine reli-giöse Feier (offenbar einen ländlichen Umzug)
wieder:
Der Sprecher, an den kultischen Vorgängen zwar nicht selber
beteiligt,
greift doch mit Bitte und Aufforderung an die Anwesenden in das
Geschehen
ein; und zum Schluß kommt gar auch noch die Nacht mit dem
‚heiteren
Reigen der Sterne‘ (Tib. 2, 1, 88). Wie die Forschung längst
weiß,
fas-sen wir hier einen schon auf die Hymnen des Kallimachos
zurückge-henden
– in Rom vor allem bei Horaz und Ovid häufigen – Gedichttypus,
45) in dem ein Geschehen nicht in retrospektiver
Erzählung, sondern als gleichzeitig mit dem Gedicht stattfindend
vergegenwärtigt wird.
Wie weit gehört Baldes Ode zu diesem Typus? Hat man sie sich als
während des Ablaufs der Feier gesprochen vorzustellen? Sicher ist
wohl, daß sie nicht selbst – wie etwa die durchaus
aufführbare Hoch-zeitskantate Catull 61 – Bestandteil der realen
Feier sein konnte;46)
im übrigen aber scheint der Dichter doch so etwas wie einen
zeitlichen
Verlauf markiert zu haben. In der zweiten Strophe befinden wir uns noch
vor
der eigentlichen Feier, jedenfalls vor den Worten von Adel und
Geistlichkeit
(8: bona verba dicant); die letzten drei Strophen, wenn sie an sich
auch
noch während der Feier gesprochen werden könnten, lenken den
Blick
doch schon auf die spätere Zukunft der Mariensäule. So ist es
wohl
nicht abwegig, auch sonst Bezugnahmen auf den Gang der Feier zu
vermuten.
Immerhin scheint doch 49 (supplex obsequium DVCIS) auf den bezeugten
Kniefall
des Kurfürsten vor der Statue hinzuweisen. Liegt es dann nicht
nahe
zu vermuten, daß diesem ein Salve, Regina, gesungen vom
Frauenchor
(42-44), vorhergegangen ist?
Und noch eine andere Vermutung drängt sich auf. Das Gedicht ist
zweigeteilt, wie wir gesehen haben. Zwischen einem je dreistrophigen
Prolog und Epilog stehen die beiden Hauptteile von jeweils 6 Strophen.
Der erste Hauptteil führt
bis zur größten Bedrohung der Stadt durch die Brandstiftung
Friedrichs;
der zweite bringt dann die Rettung, eingeleitet durch die
überraschende Wendung Auferte Fatum. Wir haben diesen sonderbaren
Ausdruck bisher nur als einen – fast humorvollen – Germanismus
betrachtet; aber wenn im Nachfolgenden Maria, die im ersten Hauptteil
überhaupt nicht, im Prolog nur kurz Erwähnte, nun
plötzlich in so emphatischer, vielfach anaphorischer Wiederholung
präsent ist (virtus […] Virgo […] Virgo […] usw.) – scheint es
nicht, als werde sie hier erst eigentlich sichtbar? Auferte Fatum
läßt dann nicht nur daran denken, daß hier ‚das Fatum
entfernt‘ werden muß, um Marias Leistung zu enthüllen,
son-dern daß vielleicht – viel konkreter – hier in der Mitte von
Gedicht und nachgebildeter Feier die eigentliche ‚Enthüllung‘ auch
der Statue stattfindet: Die Hülle fällt ab,
und vom blauen Äther (38: ab aethere) – denn der Föhn hat ja
die
Wolken vertrieben – strahlt auch für die Festversammlung des 7.
Novembers
1638 die wunderbare Jungfrau.
Wie dem auch sei – gewiß ist jedenfalls, daß Balde mit
dieser Ode wenn nicht das schönste, dann doch sicherlich das
dramatisch beweg-teste seiner Marienlieder gestaltet hat. Wie der
Kurfürst im Zentrum von Residenzstadt und Land Bayern seine
Mariensäule aufgerichtet hat, so hat Balde die große
Leistung seiner Heldin gerade im Zentrum der Ode (die ihrerseits im
Zentrum des Buches stand) visionär sichtbar werden lassen. Eine
Leistung, die – das sei doch am Schluß noch bemerkt – besonders
für München bestimmt war. Denn anders als der Kurfürst,
der in seinem inschriftlich verewigten Dedikationsspruch das Verdienst
der Gottesmutter um ihn selbst, sein Haus und Land und die
‚Städte‘ nur so im allgemeinen gewürdigt hatte – er war ja
auch Gustav Adolf in München nicht entgegengetreten –, stellt
Balde in seiner an die Bürger gerichteten Ode Maria speziell als
die Beschütze-rin von München dar. Die Mariensäule, vom
Landesvater selbstherrlich verfügt, 47)
entspringt an sich zwar dem obsequium DVCIS (49); aber sie wird, je
länger,
um so mehr von allen Bürgern geliebt und verehrt werden. Nicht das
Gebet
des Fürsten, sondern das laute Jauchzen der Bürgerschaft
bildet
den Schluß dieser im Fortissimo endenden Ode. Es gibt zu denken,
daß
es nicht etwa die Bürgerschaft, sondern ein Fürst und
Nachfolger
Maximilians, der aufgeklärte König Max I. Joseph, war, der
1803,
geniert von den Äußerungen einer allzu naiven
Volksfrömmigkeit,
die zumal bei norddeutschen Besuchern Anstoß erregt hatte,
48) die öffentliche Verehrung der
Mariensäule
ent-scheidend einschränkte, indem er das „an den Vorabenden eines
Frauentags
in hiesiger Stadt bisher gewöhnliche Absingen der Litaney bey der
marianischen
Säule“ ein für allemal verbot, da der Zweck der Erbauung hier
durch
die „unruhigen Geschäfte des Markts“ und durch die „Unreinlichkeit
des
Platzes“ vereitelt werde: „Wenn gleich ein Theil des Volks an dieser
Andachtsübung
Theil nimmt, so mißbilligt solche gewiß der
größere
Theil desselben, der reinere, und der Erha-benheit jeder
Andachtsübung
würdigere Begriffe hat.“49)
Auch
hier sind ‚Senat und Volk von München‘, an die Balde sich wandte,
nicht
wei-ter nach ihrer Ansicht befragt worden.
Hoffen wir um so mehr, daß demnächst Baldes 400.
Geburtsjahr, das Jahr 2004, den Münchnern ihren größten
Dichter, den Dichter nicht nur der Mariensäule, wieder etwas
näher bringen wird!
Anhang: Versübersetzung (von Wilfried Stroh)
Seht ihr’s? Wie teilen plötzlich die Wolken sich!
Droht auch der Südwind, daß er das feuchte Band
des Regens löse, sanfter dennoch
zieht an den Himmel der reine
Lufthauch.
Io! Nun löset, Bürger, die Bande euch,
5
löst eure Freuden aus der Gefangenschaft!
Es spreche Segensworte mit dem
Adel der große und
größre Priester.
Sie, eures Fürsten Zierde, die Göttliche,
sie schützt die Stadt und künftig die Tempel
euch, 10
die neulich erst des Nordens Zwingherrn
weg von den heiligen Laren fortstieß.
Als hoch aufrauschend strömte das Baltenmeer
und drohend sich in Wellen der Isar goß:
Weh, wie da weithin Bayerns Felsen
15
tönten von wilderem Flutentosen,
wie Mars den Marktplatz donnernd erschallen ließ!
Wird dies die Nachwelt später noch glauben? Hier,
wo jetzt wir stehen, hausten Schweden,
schmausten mit Heulen die
Hunnenscharen. 20
Hier blitzte Baners strahlende Waffenpracht.
Hier pflanzte Horn am Hügel den Lagerplatz.
Und drüben, wo die Sonne aufgeht,
schwenkte bistonische Lanzen Hepburn.
Der König selber lächelte falsch, dem Volk
25
hingießend goldne Ströme; es trog die Hand
des Gustav, der von wahrem Schrecknis
gerne die Herzen entlud, um heuchelnd
mit nichts zu schrecken; milde war sein Diktat,
sein Toben scherzhaft. Aber doch schlimmer nicht
30
war er als der verbannte Pfälzer,
welcher, der Schwarze, zu Glut und
Asche
die Stadt verdammte gänzlich. Am Fürstenhof
lag dreimal Feuer, aber den Frevel floh’s,
dreimal ihn höhnend; dreimal
nutzlos
35
wütete weinend der grause
Friedrich.
Fort mit dem Schicksal! Rühme Fortuna nicht,
die Schwätzerin, den nichtigen Namen! Hoch
vom Aether kam uns strahlend Hilfe:
Nazareths Jungfrau, die Jungfrau
scheuchte 40
hinweg die Fackeln, Schwerter, die Jungfrau war’s!
Die Jungfrau singet, lobet die Jungfrau, ihr,
vermählte Mädchen, unvermählte,
tönet im doppelten Lied der
Väter!
Heil dir, die du auch grausamen Fürsten wehrst,
45
sanft zu den Milden! Bist eine liebere
Faustina mir und Heeresmutter.
Siehe, aus parischem Fels gehauen,
errichtet sich – so huldigt der Führer selbst –
ein Hochaltar dir. Größres kennt Latium nicht:
50
Vom Grund bis zu den Sternen steigend
schneidet durch Lüfte die
hohe Säule.
Auf blankem Marmor stehst du und leuchtest hell
im goldnen Kleide, Schultern bedeckt das Haar;
es schmückt dein Haupt die
Siegeskrone,
55
während der Mond deine
Füße ableckt.
Der Welt Aurora, siehst du die andere,
geringre Röte; dir auf den Armen sitzt
der Sonnenknabe, er kredenzt dir
schmeichelnden Mundes die heitern
Strahlen. 60
Hierher in Nächten flattert der Feuer Heer,
in Schönheit bringen huldigend Küsse sie.
Dein einer Nacken gibt den müden
Sternen die Ruh und den stillen
Rastplatz.
Hier, prophezei’ ich, stellt seiner Tafeln Erz,
65
hier einst die Kerzen eifernden Sinns das Volk.
Voll Sehnsucht nach dem heilgen Antlitz
werden sie strahlende Fackeln weihen.
Gebeugten Knies singt dann dir die Bürgerschaft,
die der Trompete Ton aus den Häusern scheucht:
70
Sie wirft sich nieder, und die hohen
Wolken erbeben vom lauten Jauchzen.
.................
1) Dieser Beitrag erschien in einer ersten
Fassung
unter dem Obertitel „An Senat und Volk von München“ in: Literatur
in
Bayern Nr. 11, März 1988; er sollte seinerzeit mit dazu anregen,
das
350-jährige Jubiläum der Marien-säule zu feiern – wie
dann
dank Kardinal Wetter auch tatsächlich ge-schehen ist –, nachdem
1938,
gut fünfzig Stunden vor der aus unmittelbarer Nähe der
Mariensäule
dirigierten ‚Reichskristallnacht‘, die 300-Jahrfeier zu Ehren des
Mädchens
aus Nazareth von der Obrigkeit untersagt worden war. Meine in jener
Erstfassung
formulierte halb scherzhafte Prophezeiung, es könnten sich
dereinst
– „denn unmöglich ist ja gar nichts“ – wohl einmal die
Feministinnen
für Maria interessieren, ist inzwischen längst in
Erfüllung
gegangen. Im übrigen trugen mir die für Maria samt Balde
geäußerten
Sympathien verärgerte Leserbriefe meiner protestantischen
Glaubensgenos-sen
ein (Literatur in Bayern Nr. 12).
2) Einschlägig ist jetzt vor allem das Kapitel
„Pietas
Maximilianea“ in der monumentalen Biographie Albrechts 1998, 285-337
(zu
Maria bes. 293ff.).
3) Grundlegend zur Mariensäule, die
Vorbild
zahlreicher ähnlicher Säulen (z. B. auch in Wien und Prag)
wurde,
ist die Abhandlung von Schattenhofer 1970, vgl. jetzt bes. Tipton 1995;
wichtige
Hinweise bei Albrecht 1998, 295-296; neueste Literaturangaben bei
Graßmann
2000.
4) Die Tatsache, daß Balde mit seinem
Kommen
von Ingolstadt nach München i. J. 1637 auch zum Präses der
Größeren
Marianischen Kongregation ge-wählt wurde (Westermayer [1868] 1998,
130),
versinnbildlicht er dadurch, daß er in dem z. T. auf Ingolstadt
bezogenen
ersten Buch Maria ausspart, bis auf die beiden Schlußgedichte, in
denen
ihn zunächst Maria zu ihrem Sänger beruft (Lyr. 1, 42, 2: Me
suum
VIRGO iubet esse Vatem), worauf er sie seinerseits zum inspirierenden
Gegenstand
seiner Poesie erklärt (Lyr. 1, 43, 1-2: Quem, REGINA, tuo semel /
Afflaris
Zephyro […], nach Hor. Carm. 4, 3, 1-2: Quem tu, Melpomene, semel […]);
vgl.
Schäfer 1975, 219-220. Das zweite, fünfzig Gedichte
umfassende
Buch, beginnt dann sogleich mit einem allegorischen Celeusma Marianum,
dem
zwölf meist kürzere Marienoden in fast
regelmäßigem
Abstand folgen: 4, 7, 11, 14, 18, 24 / 26, 29, 32, 38, 41, 44, wobei
die
beiden Eröffnungsgedichte der Buchhälften 2, 1 und 2, 26
durch
Umfang wie durch alcäisches Versmaß – traditionell für
Maria
ist die auch von Balde bevorzugte sapphische Strophe – ausgezeich-net
sind;
ähn-lich gewichtig in beiderlei Hinsicht ist im dritten Buch, mit
insgesamt
zehn marianischen Nummern, die 15. Ode, die, als hymnos kletikos
beginnend
(Descende coelo, FILIA PRINCIPIS […]), eine mu-sikalische Andacht der
Kurfürstin
Maria Anna an der Münchner Marien-säule schildert bzw.
kom-mentierend
begleitet; Baldes eigenes Gebet an der Mariensäule (Lyr. 3, 28)
ist
dagegen sapphisch und ganz kurz. – Zu Balde als Mariendichter vgl.
ne-ben
dem einschlägigen Kapitel von Schäfer 1976 (218-232) jetzt
bes.
die Arbeit von Heider 1999, die eine bisher unbekannte Seite von Baldes
Marienfrömmigkeit
erschließt (Literaturhinweise auf S. 11-18); sonstige Literatur
bei
Beitinger / Stroh 2001 unter Nr. 239ff.
5) Vgl. dazu bes. Rystad 1980 und Albrecht
1998,
828-833 (Literaturhinweise in Anm. 219 auf 830).
6) Schattenhofer 1970, 6 (zu vergleichen ist
jetzt
vor allem Tipton 1995); im wesentlichen (vgl. aber unten Anm. 8) folge
ich
seiner Darstellung.
7) Staatsarchiv für Oberbayern GL 2708,
Nr.
568/6.
8) Schattenhofer 1970, 9 nimmt dies wohl zu
Unrecht
schon für den Plan von 1635 an.
9) Brugger, in: Brugger / Goerge 1974, 15-16;
gegen
Brugger hier richtig auch Tipton 1995, 378-379.
10) Immerhin war er bereits im März 1835
im
Münchner Jesuitenkolleg gewe-sen, um dort – als offenbar damals
schon
landesbester Redner – die Festrede auf die Rückkehr der
schwedischen
Geiseln zu halten (Albrecht 1998, 831).
11) Brugger, in: Brugger / Goerge 1974, 9-12.
12) Einschränkend dazu jetzt Tipton 1995,
389-390.
13) Vgl. Heider 1999, 13-14 über „spolia
vetustatis
im ‚heiligen Gebrauch‘“.
14) Stadtarchiv München,
Bürgermeister
und Rat 493/I.
15) Daß der Kurfürst die Inschrift
„höchst
eigenhändig“ verfaßt habe, meint etwa Johannes Schrott, Die
Mariensäule
in München – Geschichtliches und Beschreibendes gelegentlich ihrer
neuesten
Restaurirung, München 1870, 19: Nur er selbst hätte sich den
„submissen
Titel“ eines CLIENTVM INFIMVS beilegen können. Das ist
natürlich
richtig, was den Inhalt angeht, besagt aber nichts für die
Formulierung.
Im übrigen war Maximilian in der Tat ein unverächtlicher
Lateiner,
vgl. Helmut Dotterweich, Der junge Maxi-milian: Biographie eines
bayerischen
Prinzen, München 1980, 85ff. und jetzt Doris Wittmann,
Privatunterricht
Maximilians und Studium in Ingol-stadt: Nicht „als ein
unvernünftig
thier leben“, in: Maximilian I. von Bayern 1573-1651 (Ausstellung im
Stadtmuseum
Ingolstadt), Ingolstadt 2001, 35-40.
16) Diese lautet (vollständig): AD /
S.P.Q.M.
/ Cùm in Medio Foro D. Virg. / Erecta STATVA dedicaretur,
adiuncta
/ sequenti Inscriptione: / DEO OPT. etc., ‚An Senat und Volk von
München
(nach S.P.Q.R. = Senatus populus-que Romanus), als das mitten auf dem
Marktplatz
errichtete Standbild der Hl. Jungfrau geweiht wurde, unter Beigabe
folgender
Inschrift: Dem gütigsten Gott‘ etc.
17) Das sonst gut bezeugte BOICAE fehlt (wohl
versehentlich)
in Baldes gedrucktem Text.
18) Gemeint ist, wie schon Schattenhofer 1970,
19
zu Recht vermutet, der 1635 geborene Kurprinz Ferdinand Maria – Maria
als
zweiter männlicher Vorname wurde offenbar durch Maximilian
überhaupt
erst eingeführt –, den Balde in einer eigenen Ode (Lyr. 2, 44) der
Gottesmutter
ans Herz legt. Auf einem Kupferstich Johann Sadelers d. J. von 1639
(in:
Glaser 1980, II/2, Nr. 734, 455) heißt dieser SPES ALTERA BOIAE,
wobei
unter der ‚ersten Hoffnung‘ nicht, wie dort von Johannes Erichsen
vermutet,
die Gottesmutter, sondern wie der Vorbildvers Verg. Aen. 12, 168
(magnae
spes altera Romae: über Ascanius, den Sohn des Aeneas) beweist,
Kurfürst
Maximilian zu verstehen ist.
19) Wie die Erfahrung lehrt, können nur
wenige
Einheimische etwa mit ‚Balde-platz‘ und ‚ Baldehaus‘, die es beide in
München
gibt, einen Begriff verbin-den. Verdienstvoll war in diesem
Zusammenhang
die öffentli-che Erläute-rung der (richtig Balde
zugeschriebenen)
Mariensäuleninschrift durch den Didaktiker unseres Münchner
Instituts
für Klassische Philologie, Dr. Franz Peter Waiblinger, im Rahmen
seiner
Aktion Lapides Latini (zuerst im Som-mer 1999; vgl.
http://www.klassphil.uni-muen-chen.de/~waiblinger/lateinauf-stein.html).
20) Inv. Nr. 29912; eine Abbildung findet man
in:
Glaser 1980, II/2, Nr. 739, 457-458 mit einer Beschreibung von Dorothea
Diemer.
21) P. J. Mayr S. J., Die Saulen des Bayrlands
in
der Marianischen Saulen von Maximiliano I. […] aufgerichtet […],
München
1738. – Das Jubiläum 1838 wurde verschlafen (oder als peinlich
unterdrückt);
zu 1938 vgl. oben Anm. 1.
22) Dabei ist freilich schwer vorzustellen,
wie
der kränkelnde Bischof den Aufstieg zur rund 14 Meter hohen Krone
geschafft
haben sollte. Eher möchte man wohl daran denken, daß
während
der Feier nur eine Weihung der Reliquienkapsel stattfand und diese
später
an ihrem Ort deponiert wurde.
23) Nach einer späteren
Überlieferung
(Albrecht 1998, 296) soll Maximilian auch folgendes geradezu unheimlich
virtuose
(auf Balde zurückgehende?) Distichon bei der Einweihung gesprochen
haben:
Rem, regem, regimen, regionem, religionem / conserva Bavaris, Virgo
Maria,
tuis.
24) Nach der Erstausgabe von 1643
(Dünnhaupt
1990, Balde Nr. 14; Beitinger / Stroh 2001, Repertorium Nr. 12).
25) Eine französische Übersetzung
und
wenige (kaum erhellende) Noten gibt Andrée Thill (Hg.), Jacob
Balde,
Odes (Lyrica), Livres I-II, o. O. (Mul-house) 1987 (im wesentlichen
nach
der Ausg. von P. Benno Müller O. S. B., München 1844, 2.
Aufl.
1884, Ndr. 1977), aus der der Text übernommen ist; vgl. sonst
Beitinger
/ Stroh 2001, Repertorium unter Nr. 12. Deutsche Übersetzungen des
Gedichts
sind aufgelistet bei Jürgen Galle, Die lateinische Lyrik Jacob
Baldes
und die Geschichte ihrer Übertragungen, Münster 1973, 124.
26) Diese und besonders die anderen beiden
Oden
(Carm. 2, 19; 3, 25), in de-nen das lyrische Ich des Horaz als ein
ausdrücklich
verzücktes spricht, ha-ben bei Balde, der selber zu
enthusiastischen
Zuständen neigte, eine reiche Nachwirkung: Viele (in der Regel:
alcäische)
Oden sind geradezu mit En-thusiasmi überschrieben; vgl. dazu
Schäfer
1975, 178-188 und bes. Prom-berger (1995) 1998.
27) Nachgeahmt schon vom polnischen Horaz,
Sarbievius,
in dessen erster Marienode, Lyr. 2, 11, 21-22: Videtis? an me ludit
amabilis
/ Imago Divae? […], später (23ff.): Auditis? O quas praetereuntium
/
Lyrasque cantusque audio nubium! / Io triumphe! […] (bei Balde ist noch
ähnlich
Lyr. 3, 1, 77-78: […] fallor an audio / Per astra carmen?). Das
visionäre
‚Seht ihr’s?‘ findet sich auch bei Senecas Andromache (Tro. 684): […]
cernitis,
Danai, Hectorem?, später im Schlußmonolog von Schillers
Jungfrau
(5. Akt, 13. Sz.): „Seht ihr den Regenbogen in der Luft?“ (zur
Einleitung
einer Marienvision) und ebenso im Schlußmonolog von Wagners
Isolde
(Tristan, 3. Akt. 3. Auftr.): „seht ihr’s, Freunde? / Säh’t ihr’s
nicht?“
28) Ähnlich ist die Bildsprache in Lyr.
2,
3, 1ff., wo Balde die Gefühle beim Eintreffen der Siegesmeldung
von
der Schlacht am Weißen Berg wiedergibt: Haec illa lux est, quae
pepulit
metum, / Et atra belli nubila candida / Discussit astris […].
29) Sonstige Belege für bona uerba (in
diesem
und ähnlichem Sinn) bei Sinko, Thes. ling. Lat. II, 2093, 83ff.
30) Vgl. Ov. Fast. 1, 72-73: prospera lux
oritur,
linguis animisque fauete! / nunc dicenda bona sunt bona uerba die;
Trist.
5, 5, 5-6 und bes. auch Hor. Carm. 3, 14, 11-12: male ominatis /
parcite
uerbis.
31) Bei der Wiedereinweihung der Mariensäule
1970
hielt dann Oberbürger-meister Hans-Jochen Vogel eine vielbeachtete
Rede.
32) Daß hier, wie auch sonst in der
Regel,
der Eigenname ‚Maria‘ fehlt, hat vor allem prosodische Gründe, die
Balde
in dem halb scherzhaften Gedicht Lyr. 3, 38 darlegt; vgl. Schäfer
1975,
226.
33) Infusa […] inhorruit (13): eine Art
Enallage
von Verb und Partizip an Stelle des logisch korrekteren inhorrens
infusa
est.
34) Müller und Thill (s. oben Anm. 25)
rieten
sonderbarerweise auf Bethlen Gabór, der doch schon 1629
gestorben
ist. Zu Hepburn vgl. Rystad 1980, 425.
35) Merian, Topographia Bavariae 1644, 47.
36) Vgl. auch dazu mit Quellenhinweis Rystad
1980,
425: Gustav Adolf selbst soll den Gedanken an eine Einäscherung
der
Residenz entrüstet zurückge-wiesen haben.
37) Ilias 5, 436-437 usw.; s. zuletzt S. J.
Harrison
(Hg.), Vergil, Aeneid 10, Oxford 1991, 235 (zu 685-686).
38) Nach 43 und geminate in 44 ein Doppelchor?
39) P. v. Rohden, in: Pauly-Wissowa,
Realencyclopädie
der class. Altertumswiss., Bd. I/2, 1894, Sp. 2314 (abwegig Müller
und
Thill [vgl. oben Anm. 25] zur Stelle).
40) Zur Tegernseer Herkunft der real
existierenden
Marmorsäule vgl. Schatten-hofer 1970, 29.
41) Zur Geschichte der von Hubert Gebhard
geschaffenen
Figur s. jetzt bes. Tipton 1995, 385.
42) Die Anaphern huc – huc am Anfang der
dritt-
und zweitletzten Strophe ste-hen in gewolltem Gegensatz zu dem
anaphorischen
hic – hic – hoc der Beschreibung der Schweden in den Versen 20 bis 22:
der
Schrannenplatz einst und jetzt, in doppelter Vision
vergegenwärtigt.
43) Vgl. Wilfried Stroh, Horaz und Vergil in
ihren
prophetischen Gedichten, Gymnasium 100, 1993, 289-322; dort ist auch
auf
die sonstige Tradition prophetischen Sprechens bei römischen
Dichtern
– den Griechen scheint dies fast unbekannt – hingewiesen. Auch für
Balde
gehört das Propheten-tum zu seinem Sendungsbewußtsein als
vates;
vgl. Promberger (1995) 1998, 74ff.: zu Lyr. 1, 25, mit Verweis auf
Silv.
9, 24 und Epod. 20.
44) Zum späteren ‚Kult an der
Mariensäule‘
vgl. Tipton 1995, 381-383.
45) Zu ihm vor allem Albert 1988; dort zu
Horaz:
124-166 (vor allem Festge-dichte und ekstatische Gedichte haben bei ihm
stark
‚mimetischen‘ Charak-ter); zu Tibull 2, 1: 171-176.
46) Hier gilt dasselbe wie für Tibull 2,
1
(Albert 1988, 176; zu Catull 61: 110ff.).
47) Vgl. Reinhard Heydenreuter, Der Magistrat
als
Befehlsempfänger – die Disziplinierung der Stadtobrigkeit
1579-1651,
in: Richard Bauer (Hg.), Geschichte der Stadt München,
München
1992, 189-210, hier 209: „Dort, wo Reichsstädte Rolandssäulen
oder
Marktkreuze als Zeichen ihrer Freiheit aufrichten, steht in
München
ein Denkmal der Landesherrschaft.“ Hier haben sich die Zeiten denn doch
gebessert.
Etwa die einst von Franz Josef Strauß überdimensional
projektierte
Münchner Staatskanzlei wurde wegen der Proteste der
Bürgerschaft
von seinen Nachfolgern auf ein erträgli-ches Maß gestutzt.
Und
im kulturellen Bereich scheint die Konkurrenz von Stadt und Freistaat
durchaus
belebend zu wirken.
48) Der Berliner Friedrich Nicolai hielt die
Münchner
Mariensäule geradezu für ein „Denkmal stumpfer Bigotterie und
höchstverfehlter
Politik“ (Beschrei-bung einer Reise durch Deutschland und die Schweiz
im
Jahre 1781, Bd. 6, Berlin und Stettin 1785, 510; vgl. dort bes. auch
515
und 728: zu Balde).
49) Zitiert nach Schattenhofer 1970, 33.
Literatur
Albert, W., Das mimetische Gedicht in der Antike. Geschichte und
Typologie von den Anfängen bis in die augusteische Zeit, Frankfurt
a. M. 1988 (Beiträge
zur Klassischen Philologie 190 = Diss. München 1987).
Albrecht, D., Maximilian I. von Bayern 1573-1651, München 1998.
Beitinger, W. / Stroh, W., Bibliographie zu Jacobus Balde (1604-1668):
http://www.klassphil-uni-muenchen.de/~stroh/balde-bib.htm (wird
regelmäßig erneuert; zuerst in Westermayer (1868) 1998 [s.
unten], 17*ff.).
Brugger, W. / Goerge, R. (Hg.), 300 Jahre Freisinger Mariensäule
1674-1974. Eine Festschrift, Freising 1974.
Dünnhaupt, G., Personalbibliographien zu den Drucken des Barock,
Erster Teil, Stuttgart 1990, 378-400 (zu Balde).
Glaser, H. (Hg.), Wittelsbach und Bayern II: Um Glauben und Reich –
Kurfürst Maximilian I., Teil 1: Beiträge zur Bayerischen
Geschichte und Kunst 1573-1657; Teil 2: Katalog der Ausstellung in der
Residenz in München 12. Juni – 5. Oktober 1980, München 1980.
Graßmann, W., Die Münchner Mariensäule (16. 12. 2000),
http://www.sfn.uni-muenchen.de/krieg/m30jk/mariensaeule.htm.
Heider, A., Spolia vetustatis – Die Verwandlung der heidnisch-antiken
Tradition in Jakob Baldes marianischen Wallfahrten: Parthenia, Silvae
II 3 (1643), eingel.,
herausg., übers. u. erläutert v. A. H., München 1999
(Münchner
Baldestudien 1 = Diss. München 1992).
Promberger, B., Die ‚Enthusiasmen‘ in den lyrischen Werken Jacob Baldes
von 1643. Übersetzung und Kommentar, Diss. München 1995,
Ketsch
b. Mannheim 1998.
Rystad, G., Die Schweden in Bayern während des
Dreißigjährigen Krieges, in: Glaser 1980, II/1 (s. o.),
424-435.
Schäfer, E., Deutscher Horaz. Conrad Celtis, Georg Fabricius, Paul
Melissus, Jacob Balde. Die Nachwirkung des Horaz in der neulateinischen
Dichtung
Deutschlands, Wiesbaden 1976.
Schattenhofer, M., Die Mariensäule in München, München
1970 (21971).
Tipton, S., „Super aspidem et basiliscum ambulabis […]“. Zur Entstehung
der Mariensäulen im 17. Jahrhundert, in: Breuer, D. (Hg.),
Religion
und Religiosität im Zeitalter des Barocks, Wiesbaden 1995, Bd. I,
375-398.
Westermayer, G., Jacobus Balde (1604-1668), sein Leben und seine Werke,
Nachdr. d. Ausg. München 1868, hg. v. H. Pörnbacher / W.
Stroh,
m. einem Nachw. v. V. Lukas u. einer ausf. Bibl. v. W. Beitinger u. W.
Stroh,
Amsterdam / Maarssen 1998 (GLB S 3).
Nur noch hinweisen kann ich auf die materialreiche kunstgeschichtliche
Magi-sterarbeit von Cornelia Henrichs, Die Mariensäule in
München – ein zeitge-schichtliches Porträt,
Ludwig-Maximilians-Universität München, Sommerseme-ster 2001
(mir freundlicherweise zugänglich gemacht von Herrn Kollegen Prof.
Manfred Heim), dort S. 32-42 zu Entstehung und Einweihung der
Mariensäule.