Wilfried Stroh
Plan und Zufall in Jacob Baldes dichterischem Lebenswerk
„Alles in Allem genommen lassen sich in Balde’s Lebenstag vier
verschiedene poetische Lichtbrechungen nachweisen: ein epischer Morgen
(1626-37), ein lyrischer Mittag (1637-49), ein satirischer Abend
(1649-62) und eine elegische Dämmerung (1662-68).“ So hat Georg
Westermayer das kaum überschaubare Werk Jacob Baldes in
seiner bis heute grundlegenden Biographie (1868)1
eingeteilt,2 und er hat damit viel Zustimmung
gefunden.3 Wie aber haben wir uns die
Entstehung dieses großen Kosmos von Gattungen vorzustellen?
Folgte Balde etwa einem poetischen Lebensplan, so dass er nach
vorgefasstem Konzept ein Spektrum der literarischen genera durchmessen
hätte? Oder war es der Zufall wechselnder Gelegenheiten und
Aufträge, der
ihn bald auf dieses, bald auf jenes Gebiet führte? In letztere
Richtung
weist immerhin, wie es scheint, eine grundsätzliche
Äußerung Baldes, die er am Ende seines „Poema de vanitate
mundi“ (1638) zur Entstehung seiner Werke macht.4
Zum richtigen Vorverständnis sei sogleich gesagt: Es handelt sich
um ein Huldigungsgedicht an die Göttin „Elegia“, die sich
darüber beklagt, vom Dichter vernachlässigt worden zu sein,5
und die er nun also zu besänftigen hat:6
Adde: quòd ipse mei non
sim, dulcissima, juris.
Scribo,
quod ille iubet. canto, quod alter amat.
Seu jubeor festas sponsis
attollere tædas:
Assurgit
casto pronuba flamma toro.
Seu segmentatis vagitum sistere
cunis:7
More
tuo, Corybas, cymbala pulso manu. 8
Sive Iovi nostro surgentia
condere Templa:
Conor9,
vt Amphion, ædificare Lyra.10
Prælia quòd cecini
de Muribus aspera; non hæc
Nostra,
sed alterius dira cupido fuit.
Jephtiaden dedimus, populo
spectante, rogati.
Illa
quoque armatæ vota fuere preces.
A Duce sic miles, sic Dux
à Rege rogatur.
Non fuit
ingenio libera Musa suo.11
Um zu zeigen, wie wenig er in seinem Schaffen frei sei, lässt also
Balde hier zunächst drei Auftragswerke Revue passieren, die er in
den Dreißigerjahren gedichtet hat: das „Epithalamion“ für
Kurfürst Maximilian (1635), das Geburtstagsgedicht für den
Sohn von Werner Tilly (1630) und das Prosimetrum „Templum honoris“
für König Ferdinand III. (1637). Diese drei Gedichte, von
Balde auf Geheiß oder im Namen des Jesuitenordens verfasst,
würden immerhin auch wir zu den Gelegenheitsgedichten rechnen.12
Ein wenig anderer Natur war aber doch die zuletzt genannte
Tragödie „Jephte“ (aufgeführt 1637):
Zwar war Balde durch sein Rhetoriklehramt in Ingolstadt zur Anfertigung
eines
Dramas durchaus angehalten, aber Wahl und Behandlung des Stoffs, ja
auch
der Dramengattung (Tragödie oder Komödie) standen ihm doch
sicherlich
frei. Noch mehr überrascht es aber, dass Balde zu diesen
Auftragswerken
auch sein großes komisches Epos vom Froschmäusekrieg
(„Batrachomyomachia“, 1637) rechnet. Allerdings ist auch in dessen
Vorrede davon die Rede, dass ihm Freunde zu diesem scheinbar
geringfügigen Stoff als einem rhetorisch besonders dankbaren
geraten hätten,13 aber von
irgendeiner Nötigung ist dort jedenfalls keine Rede. Und wenn wir
vollends sehen, dass Balde aus diesem Überblick über fast
ein Jahrzehnt dichterischen Schaffens gerade die beiden Werke
weglässt,
die seine originellsten und auf die Dauer erfolgreichsten waren, „De
vanitate mundi“ (1636, bearbeitet 1638) und „Agathyrsus“ (1638)14,
so sind wir erst recht davor gewarnt, das humorvolle Zeugnis über
seine angeblich unfreie, nur fremdbestimmte Muse überzubewerten:
Hier spricht doch offenbar ein gutgelaunter Rhetoriker, der sich vor
der von ihm zurückgesetzten „Elegia“ zu rechtfertigen hat und der
dabei, um ihr Mitgefühl zu erregen, auch vor kleinen Retuschen an
der Wahrheit nicht zurückschreckt. Über die sozusagen
professionellen Gelegenheitsdichter, die umtriebig und wichtigtuerisch
in ihren Casualien und Aufträgen aufgehen,15
hat er zwanzig Jahre später in „De studio poetico“ (1658) ein
satirisch vernichtendes Urteil gesprochen:16
Poetam te, Crescenti, volo, non versificatorem. nam
isto hominum genere nihil est vilius. omnes parietes, ipsum pavimentum,
quod calcant, extemporalibus, & inficetis versiculis gaudent
incrustare: (an conspurcare?) Tales vestiunt muros, suspendunt
emblemata: ad ravim usque laudant vivos, functósque. imminent
tumulis, ac cunis. Rhythmicos dicas
pollinctores; circulatorios paranymphos, nuptiales agyrtas,
genethliacos chiromantas.17
Es ist klar, dass sich Balde zu diesen Dichtern nicht rechnen kann. Und
doch spielt er an anderer Stelle gerade dieses Werks auf seine eigenen
Gelegenheitsgedichte an:18
sed jam dialia petuntur ab iis, qui Musas servire cogunt
turpissimam servitutem. ad nutum cujusque succinctæ stare
coguntur: arridere infanti recèns effuso; ejus vagitum sistere;
quatere cymbala. Aliàs obnubere sponsam, formæ maculas
eluere, subligare flammeum, distinguere attollendas faces. [... Es
folgen weitere Beispiele] Quid facias? canendum est. raptim petita,
raptim da, securus famæ. quis talia curat?19
Schon die wörtlichen Anklänge an das zitierte Selbstzeugnis
aus „De vanitate mundi“ („vagitum sistere“, „quatere cymbala“20,
„attollendas faces“) zeigen, dass Balde hier auch eigene Gedichte wie
sein „Carmen geniale“ oder das „Epithalamion“ im Blick hat und sich
für deren Gelegenheitscharakter gewissermaßen entschuldigt.
Aber von seinem Lebenswerk ist gewiss nicht die Rede. So wollen wir,
ohne uns von solchen einzelnen
Zeugnissen beirren zu lassen, versuchen, zu einem Gesamtbild von Baldes
dichterischem Werden zu kommen.
Von seinen dichterischen Anfängen21
wissen wir nur, was er selber sagt (lyr. 3,32): dass er in seiner
Jugend einmal Satiriker gewesen sei, „immer wie ein Stachelschwein
bewaffnet“ (V. 17 f.)22. Diese Behauptung
widerspricht zwar Baldes späterer Theorie, wonach die Satire eine
Gattung erst für den gereiften Mann wäre (s. unten
S. ), aber das steigert doch eher noch den biographischen
Wert der Aussage: Wie man oft gefühlt hat, ist das Satirische ein
durchgängiges Element von Baldes sonst so vielgestaltiger
Dichtung. Das früheste datierbare Gedicht,23
eine heitere Elegie, „Silvarum libertas“, muss in die Zeit seines
Jurastudiums (1623/24) gehören.24
Zeitlich vor ihr liegt, als Baldes erstes gedrucktes „Werk“, seine
Magisterdissertation „De mutatione qualitatum“ (Vorrede datiert vom 14.
Mai 1623)25. Bereits sie zeigt Balde, wenn
auch noch auf dem Terrain der Prosa, als vielseitigen Stilisten:
Während die Dissertation selbst, genährt aus Aristoteles und
Thomas, im trockensten Scholastikerlatein verfasst ist,26
glänzt die Vorrede an Erzherzog Leopold von Österreich,
Bischof von Straßburg, den der Elsässer und präsumtive
Jurist Balde als seinen zukünftigen Dienstherrn anspricht, in
schöner ciceronischer Stilisierung – weit entfernt von Baldes
späterem Prosastil27 - und
überrascht, in ihren ersten beiden Sätzen, mit einer
Huldigung an Ovid, dessen ‚Metamorphosen‘ ja als eine Art
Vorläufer von Baldes Abhandlung angesehen werden können:28
OVIDIVS, ILLVD SINGVLARE TERRAE SVLMONENSIS
ingenium, fauente se Apolline29 jactabat,
carmina mutatas ho-
minum dicentia formas30
fundere. Et ego quoque non verebor
dicere, SERENISSIME ARCHIDVX, si modo sub Serenißimi
Nominis tui auspicijs philosophicas hasce Positiones in luce(m) exi-
re pateris, me non quidem de mutatis formis, sed de ipsa Mu-
tatione, non de varié alteratis per qualitates corporibus, sed
de ipsa Alteratione31,
non
denique sub vani cuiusdam ac ficticij, sed veri & Christiani
Apollinis præsidio dissere-
re. [...]32
Welcher „christliche Apollo“ natürlich der Erzherzog selber ist,
der sowohl den „seueriores Musae“ (der Wissenschaft) als auch den
„mansuetiores“ (der Poesie)33 gewogen sein
soll: Balde deutet wohl hier wie im Folgenden an, dass er sich seinen
Landesherrn auch als Patron seiner Dichtungen erhofft.34
Ein Jahr später, nach einer berühmten Maiennacht des Jahres
1624, war aus dem Elsässer Juristen ein bayerischer Jesuit
geworden.
Sein ebenso spektakuläres wie bekanntes Bekehrungserlebnis,35
bei dem er, seine Laute zerschlagend, der irdischen Liebe,
verkörpert in einer launischen Ingolstädterin, zugunsten des
geistlichen Lebens, zunächst unter Führung des Landsberger
Novizenmeisters, entsagte, sollte zunächst vielleicht sogar den
völligen Verzicht auch auf die Poesie in sich schließen –
wenn jedenfalls der Balde zugeschriebene Vers „Cantatum satis est:
frangito barbitum“ schon 1624 von ihm formuliert wurde36.
In der Tat hören wir nichts von poetischen Versuchen in seiner
Zeit im Landsberger Probationshaus (1624-1626)37;
umso mehr erfahren wir dann aber über seine sich
anschließende Tätigkeit am Münchner Jesuitengymnasium
(1626-1628), wo von ihm als Lehrer der Humanitäts- und später
der Rhetorikklasse das Dichten ja geradezu professionell gefordert war.
An Anregern dazu fehlte es im dortigen Jesuitencollegium nicht. Neben
anderen erlauchten Namen war es vor allem der Rektor des Kollegiums,
der nicht nur als Kontroverstheologe, sondern auch als Dramatiker und
Epiker bekannte Jakob Keller, der für Balde offenbar ein geradezu
begeisternder Lehrmeister der Dichtung wurde. In einer zu seinem Tod
(1631) verfassten Ode, die das zweite Buch der „Lyrica“ und damit die
erste Werkhälfte beschließt, beschreibt er nach
Würdigung von Kellers sozialen und
rhetorischen Tugenden vor allem diese poetische Didaktik, die sich zu
einem
„Gradus ad Parnassum“ in Form eines regelrechten Lehr- und Klettergangs
auf
den Musenberg38 auswächst (lyr.
2,50,25-40):
Præsertim nostri
prolatus origine cæli, 39
In nostram proclivior artem,40
Verba catenabas regalè
sonantia gemmis,
Pindarico succinctus amictu.41
Tu facileis solitus numeros
dictare,42
meumque
Auspicijs stimulare calorem:43
Audebas titulos, & plenum
laudibus ævum,
Et
magnos promittere menseis.44
Te duce nequidquam45
dignati repere,46
Montis
Aonii
conscendimus arcem,47
Non lento passu: (neque enim
tardare sinebas)
Sed
volucri quasi fulminis alâ.
Qualiter aëreum Capaneus
iter arbore mensus, 48
Se victam super extulit urbem.
Stabas inferiùs, donec de
rupe redissem,
Concussus præcordia Phœbo,49
Es ist aus anderen Zeugnissen klar, warum Keller in diese steilsten
Höhen nicht mehr folgen konnte: Schon sein Schmerbauch50
hinderte ihn daran – aber, Scherz beiseite, der große
Pädagoge muss bald die überlegene Begabung seines, wie wir
erfahren, bald schon mit Vorschusslorbeeren bedachten Schülers und
dessen Fähigkeit gerade zum enthusiastischen Höhenflug51
neidlos anerkannt haben (41-46):
Ast ego, pendenti capite
inter nubila mersus,
Enavi peregrina viarum.
Mox virgulta jugis, hederamque et
laurea serta,
Et
pennam de stante Caballo,52
Fragminaque ex alto mecum
Parnassia jeci;
Ut
scires superasse cacumen.53
Die Mitbringsel vom Parnassgipfel,54 darunter
eine dem leibhaftigen Pegasus ausgezupfte Feder,55
sollen also dem Zurückgebliebenen beweisen, dass Balde nicht
geflunkert hat. Aber Meister Keller gönnt ihm keine Schnaufpause
(47-52):
Quo tunc amborum salierunt
pectora motu,
Lætitiæ spirantia flammas!
Sicut adhuc steteram, rigidumque
horrore comarum,56 &
Ætherea fuligine sparsum,57
Protinus in dulci sudorem
abstergere Cirrha,
Atque
alio sudore jubebas. 58
Wenn Balde den einen „Schweiß mit dem anderen abzuwischen“ hat59,
so kann das, wenn man die Allegorie auflöst, nur heißen,
dass Keller seinen Schüler in immer wieder neue dichterische
Projekte hetzt. Schon in den ersten Versen der zitierten Partie war
andeutungsweise von prachtvollen pindarischen Gedichten (V. 28) und
einfacheren Rhythmen (V. 29), also wohl Hexameter und Elegie, die Rede
gewesen. Jetzt werden als poetische „Gaben“ Kellers in leichter
Verschleierung weitere Gattungen angeführt:
Accessere boni voltus
super omnia, & istis60
Dona
tuos imitantia moreis:
Aut tuba cantatrix Heroum, aut
fistula pacis,
Et ruri
testudo locuta. 61
Es ist deutlich, dass die drei Instrumente für drei poetische
Gattungen stehen: die Trompete für das heroische Epos, die
Schalmei für das bukolische Gedicht, die Leier bzw. das
Saitenspiel für eine ebenfalls ländlich getönte Lyrik.62
So war Balde gründlich und polymetrisch geschult für seinen
Münchner Gymnasialunterricht, den wir aus manchen (meist noch
ungedruckten)
Dokumenten kennen. Das Interessanteste für uns ist eine zu Anfang
des
Jahres 1628 veranstaltete römische Poetenrevue unter dem Titel
„Regnum
poetarum“,63 bei der nicht
weniger
als zwölf klassische Dichter, verkörpert durch die
Schüler
von Baldes Humanitäts-Klasse, öffentlich auftraten, um
jeweils
in ihrem Stil und Metrum ein Thema aus dem damals gerade zehn Jahre
alten
Dreißigjährigen Krieg zu behandeln.
[Titel:] DECLAMATIO64
seu Regnum65
Poëtarum In quo Stylus, cuius’que Poëtæ ad exemplum
veterum conformatur, eius’que diuersitas cum materiæ varietate
tum etiam alia atque alia Harmonia66
explicatur.
[Vorrede:] Bella hodie funera & triumphos cantaturis, quæso
ignoscite nobis, Auditores, si minus proposito nostro digni uideamur.
Spectastis
non ita pridem <pict>ores67,
nunc & Poëtas audite. [...] Producimus in medium Antiquissimos
Vates, uel potius Juuenes personam antiquissimorum Vatum referentes
[...]. [...] futuri carminis thema bellum Bohemicum erit. Stylos ita
moderabimur, ut
potius diuersitas dignosci possit, quàm ut meris affectibus, qui
cum
metro transeunt, seruiat<ur>68.69
Bei der Disposition des Ganzen wurde nicht nur, soweit möglich,
die historische Chronologie, sondern auch die Systematik der
Versmaße und die Dignität der Dichter beachtet. Am Anfang
(Nr.1) besingt Horaz in alcäischer Ode den über Prag im
Luftgespann fahrenden Kaiser Ferdinand; am Ende (Nr. 12) schildert
Vergil die (vorläufig) kriegsentscheidende Schlacht vom
Weißen Berg mit Kurfürst Maximilian I. als Helden (Nov.
1620): Nur diese beiden von den prominentesten Klassikern behandelten
Ereignisse fügen sich nicht ins chronologische Gerüst. Es
folgen auf Horaz die Hexameterdichter Lucrez (Nr. 2), der
Erläuterungen zum Kometen von 1618 gibt, und Lucan (Nr. 3), der
den Tod des Feldherrn Dampierre darstellt (Okt. 1620). Die Elegie
schließt sich an: Ovid (Nr. 4) lässt in einem heroischen
Brief den Winterkönig Friedrich von der Pfalz um seine Gattin
Elisabeth klagen (Winter 1620/21), wobei diese – cherchez la femme! –
als wahre Kriegsursache entlarvt wird.70
Dann kommen wir nach der Gattungsordnung der Horazischen Poetik
(Hexameter, Distichon, Jambus71)
zu den Jambikern: Martial (Nr. 5), der auch schon die bisherigen
Beiträge epigrammatisch resümiert hat, verhöhnt den
Winterkönig in Hinkjamben (etwa gleichzeitig zu Nr. 4), womit er
Plautus (Nr. 6) als konkurrierenden Spottdichter zu einem Duell der
römischen Komiker provoziert: Nur diese in absichtlich
verwahrloster Metrik72
verfasste Nummer hat keinen Bezug auf den Böhmischen Krieg, zu
welchem dann aber Catull (Nr. 7), mit strengsten „iambi puri“ den
Winterkönig schmähend (zeitlich wie Nr. 4 und 5),
zurücklenkt. Krönung jambischer Dichtung sind dann die
klassischen Trimeter, in denen der Tragiker Seneca seinen Boten von der
schrecklichen Hinrichtung der Prager Rebellen (Juni 1621) erzählen
lässt: Auch dass darauf ein Stück senecanischer Chorlyrik73
folgt, passt noch in das horazische Schema.74
Den Abschluss aber machen wieder vier Hexameterdichter. Der Epiker
Statius (Nr. 9) gestaltet den Tod des Feldherrn Bucquoy (Juli 1621);
der Panegyriker Claudian (Nr. 10) feiert General Tilly vor allem als
Sieger über den Dänenkönig Christian IV. (1626), und vor
dem krönenden Abschluss durch Vergil (12) wird noch dem Satiriker
Juvenal (Nr. 11) zu einer heftigen Schimpfrede auf die calvinistischen
Prediger das Wort erteilt.
Welch ein Werk! Es ist in der Tat erstaunlich, wie es hier dem
gerade erst vierundzwanzigjährigen Lehrer Balde gelungen ist, die
Stileigentümlichkeiten so vieler verschiedenartiger Dichter und
Gattungen nachzubilden,75 ohne
die Sache je ins Lächerliche zu treiben – es handelt sich ja um
keine „Parodien“ im heutigen Sinne - und vor allem ohne im
Übermaß Verse oder Versstücke aus den nachgeahmten
Autoren zu borgen.76 Kein
Zweifel: Hier wollte Balde seinem Lehrer Keller und vor allem sich
selber beweisen, dass er ein Dichter sei, der es auf allen Gebieten mit
den Klassikern aufnehmen könne. Und so liest sich denn dieses
„Königreich der
Dichter“ fast schon wie eine Art Potpourri-Ouverture zu Baldes
späterem Lebenswerk. Jedenfalls für die vier Abschnitte von
Westermayers eingangs genanntem Schema finden sich hier klare
Prototypen: Dem „epischen Morgen“ präludieren Vergil, Lucan und
Statius; dem „lyrischen Mittag“ entspricht auch hier schon Horaz; den
„satirischen Abend“ kündigt Juvenal an; für die „elegische
Dämmerung“ steht Ovid. Aber auch die übrigen Dichter werden
wir im späteren Werk Baldes vertreten finden: Claudian hat manche
Gelegenheitsgedichte inspiriert, Martial liefert die Metren zu „De
vanitate mundi“, an Seneca orientiert sich die Tragödie
„Jephtias“; auch Plautus und Catull wirken gelegentlich (wenn auch
spürbar schwächer). Heißt das aber auch, dass Balde
schon 1628 den Plan gehabt hätte, alle diese Gebiete der Poesie
durch repräsentative Werke zu erobern? Dies scheint doch fraglich,
wenn wir bedenken, dass viele der späteren Werke Baldes,
gerade auch der Jugendwerke, sich hier, im Zwölf-Poeten-Schema,
kaum einordnen lassen. Und eines vor allem hindert daran, hier schon
den ganzen Balde präformiert zu sehen: Es fehlt im „Regnum
poetarum“ alles spezifisch Christliche. Obwohl der
Dreißigjährige Krieg seinem Ursprung
nach ja ein Religionskrieg war, ist aus diesem Werk der Hader der
Konfessionen und mit ihm alle theologische Problematik verbannt worden.
Die antiken Dichter reden ganz aus ihrer heidnischen Weltsicht; und so
kann sich etwa der marienfromme Maximilian von Bayern ungeniert auf den
Willen der „Götter“ berufen.77
Dies gilt sogar für ein anderes kurioses Werkchen, das Balde
für seine Humanitätsklasse verfasst hat: „Pudicitia
vindicata“ (Die gerettete Keuschheit).78
Hier schildern die drei (uns aus dem „Regnum“ bekannten) Epiker
Statius, Lucan, Vergil eine Episode aus dem Leben des Heiligen
Nikolaus, der durch eine ebenso großzügige wie diskrete
Goldspende drei verarmte junge Mädchen vor dem Bordell, in das ihr
Vater sie liefern will, rettet. Selbst aus diesem Thema, das sich ja
doch mit Baldes eigener Bekehrungsgeschichte berührt, ist das im
christlichen Sinn Religiöse fast ausgeklammert. Bei Statius wird
das
Bischofsamt des Hl. Nikolaus statt mit dem t.t. „episcopus“ bezeichnet
durch
„mitratus honos cui uertice fulget“,79
Lucan redet wie üblich seine angeblich alles regierende
Lieblingsgöttin Fortuna an, und bei Vergil ergeht sich die fromme
Genoessa zwar in Gedanken wie „Deus, Deus ista peregit“ (was auch ein
Stoiker sagen könnte), aber das Bordell etwa ist ihr nicht Werk
des Teufels, sondern der Göttin vom Eryx, und ihren zur
Todesbereitschaft gehenden Keuschheitsbeschluss begründet sie
nicht mit christlicher Weltentsagung.
Diese Paganisierung der Stoffe, wenn man so sagen darf, betrifft aber
nur diejenigen dichterischen Arbeiten des jungen Balde, in denen er
sich
durch den Mund altrömischer Dichter äußert.80
Sie gilt nicht für das wahrscheinlich auch aus dieser ersten
Münchner Zeit stammende Epyllion „Juditha Holofernis
triumphatrix“, in dem die alttestamentarische Judith typologisch als
Maria gedeutet wird,81 und den
„Panegyricus de laudibus S. Catharinae“,82
wo der ebenfalls in eigener Person sprechende Balde zum ersten Mal
(literarisch) einen „enthusiasmus“ erlebt. Ihren Höhepunkt aber
hat Baldes damalige christliche Dichtung in einer Arbeit, die im selben
Handschriftenkonvolut wie das „Regnum poetarum“ enthalten ist und die
ebenfalls für die Öffentlichkeit des Jesuitengymnasiums
bestimmt war: ein Emblemzyklus von 65 „picturae“ und dazu
gehörigen teils prosaischen, teils poetischen „subscriptiones“,
heute üblicherweise benannt: „De Dei et mundi amore“.83
Schon die ersten Sätze der Vorrede geben einen Eindruck von Baldes
sinnreichem Pointenstil:
Quid tu putas, Lector, nos arbitramur inter Dei et mundi amorem,
inter Christum et Cupidinem, inter Deum Hominem, et hominem Diabolum
non
bene conuenire. Vterque arcum habet, uterque ferit [...] illius auia
mare
est,84 huius
mater
Maria [...].
Wie Günter Hess85
hervorgehoben hat, waren Balde und seine Schüler mit dieser
Konfrontation von weltlicher und göttlicher Liebe, verkörpert
in Christus und Cupido86, „auf
der Höhe der Zeit und dem aktuellen Stand christlicher
Emblembücher“: Otto Vaenius, der Lehrer Rubens‘, und vor allem
Hugo Herman mit seinen „Pia Desideria“ (1624)87
hatten ähnliche Werke geschaffen. Sie bildeten inhaltlich und
formal eine eigenständige, rein christliche Tradition, in der es,
die Grundgegebenheit des elegischen Distichons einmal vorausgesetzt,
nicht auf eine Konkurrenz mit der Dichtung der Antike ankam, so dass
diese gewissermaßen nur in der Form des heidnischen Liebesgotts
präsent war. Auf diese Bildersammlung, die vielleicht zum
Weihnachtsfest 1627 ausgehängt wurde, bezieht sich Balde, wenn er
etwa einen Monat später im „Regnum poetarum“ seine zwölf
altrömischen Dichter auf die Bühne bringt („spectastis non
ita pridem <Pict>ores“); diese beiden großen
Schulunternehmungen verkörpern zwei polar
verschiedene Möglichkeiten dessen, was im poetischen Unterricht
des
Jesuitengymnasiums gefordert und möglich war:
christlich-asketische
Erbauung und humanistische Sprachkunst. Beide Tendenzen werden von nun
an
Baldes Werk durchziehen.
Auch die folgenden Werke dieser Jahre sind von den Anforderungen der
Schule und des Ordens bestimmt. Als noch 1628 Ott Heinrich Fugger, ein
wichtiger Augsburger Mäzen der Jesuiten, vom spanischen König
Philipp IV. mit dem Goldenen Vlies ausgezeichnet und zum Ritter ernannt
wird, erhält Balde, eben erst Lehrer der Rhetorikklasse, den
ehrenvollen Auftrag, das Huldigungsgedicht zu verfassen.88
Balde wählt sich – darin dürfte er frei sein – Form und Stil
des spätlateinischen Panegyrikers Claudian, mit dem er ja
spätestens seit dem „Regnum poetarum“ vertraut war, und, da die
Zeit drängte – die
feierliche Übergabe von Vlies und Poem sollte schon am 27.
September 1628 stattfinden –, übertrug er, wie Veronika Lukas
entdeckt hat,89 von dort fast
sämtliche Verse, die auf den großen Tilly gemünzt
waren, auf den nicht ganz so großen Ott Heinrich. Nicht nur darum
ist dieses Gedicht, als „Panegyricus equestris“ mit prächtigem
Titelkupfer gedruckt, künstlerisch entschieden missraten. Claudian
war, wie man weiß, ein „Virtuose der ‚Überbietung‘“ (Ernst
Robert Curtius)90, dessen
Helden regelmäßig alle prominenten Vorläufer an Tugend
und Leistung übertreffen. Balde aber, in ziemlicher
Überschätzung seiner Kräfte, macht sich daran, Claudian
selber zu überbieten: Allein die ersten dreiundzwanzig Verse geben
(in zum Teil undurchsichtiger Periodisierung) einen Katalog poetischer
Sujets, deren Bewältigung sich der Dichter zutrauen würde –
darunter immerhin von Prominenten behandelte Großthemen wie
Thyestesmahl, trojanischer Krieg und Schlacht von Cannae
–; vor den Leistungen Ott Heinrichs dagegen müsse er verzagen und
könne, „zitternd und mit offenem Mund“ nur einen winzigen Teil
davon in Angriff
nehmen. Nie mehr, so weit ich weiß, hat sich Balde später
solche
Albernheiten geleistet.91 Dem
Prinzip
des „Regnum poetarum“ blieb er im Übrigen darin treu, dass das
Christliche
aus dem „Panegyricus“ fast ganz ausgeklammert wurde: Nur in den Versen
1348-1363
wird das Goldene Vlies von dem alttestamentarischen des Gideon
hergeleitet
und dieses wiederum typologisch auf Maria gedeutet, sonst bleiben wir
in
der heidnischen Welt von Claudians Dichtung. Schon zwei Jahre
später
konnte Balde zeigen, dass er in dieser Besseres leisten konnte.
Baldes nächstes Werk, die Komödie „Iocus serius theatralis“,
die er 1629 am Innsbrucker Gymnasium verfasste und mit zahlreichen
Akteuren aufführte – wir kennen sie leider nur in großen
Auszügen92 –, war so etwa
in allem das Gegenteil des anspruchsvollen „Panegyricus“: witzig,
unklassizistisch, sprachlich unprätentiös und – dezidiert
christlich. Wie in der Plautus-Szene des „Regnum poetarum“, aber noch
eindeutiger, ist das Versmaß zugunsten der Prosa
eliminiert. Durch nichts sollen sich die Innsbrucker Lateinschüler
in ihrem Ausdrucksbedürfnis gehemmt fühlen: Auch Germanismen
bzw. Tirolismen sind erlaubt, bis an die grammatikalische Schmerzgrenze.93
Formal ist das Stück eine fast völlige Neuerung im Rahmen der
Gattung. Statt eine einheitliche Handlung zu geben, wird der Gedanke,
dass aus Scherz oft Ernst wird („Iocus serius“), in acht verschiedenen
Episoden, ganz asymmetrisch auf drei Akte verteilt, durchgespielt: Wir
haben also wieder das mit der Antikennachahmung
konkurrierende zyklische Prinzip von „De Dei et mundi amore“. Hier
wirkt
es sich in der Weise aus, dass weder auf die Chronologie noch auf die
Einheit
des Orts geachtet wird: Wir kommen vom alten Ninive über England,
Japan,
das gegenwärtige Innsbruck, das mittelalterliche Byzanz bis zum
Rom
der Kaiserzeit. Dem Titel gemäß werden Scherz und Ernst bunt
durcheinander
gemischt. Erst die letzte Episode lässt das Stück in heiligem
Ernst
ausklingen: Der Komödiant Genesius (wie eine Verkörperung
dieser
Komödie selber) hat nach Willen Kaiser Diocletians einen Christen
zu
spielen; darüber wird er selber, paradoxe du comédien, zum
Christen
und muss schließlich das Martyrium leiden. Leider scheint Balde
nie
daran gedacht zu haben, diesem frischen und eigenwilligen Werk für
eine
Druckausgabe den letzten Schliff zu geben.94
Von 1630 an ist Balde wieder, befreit von schulischen Pflichten,
Student, diesmal der Theologie, in Ingolstadt. Hier entstehen vor allem
zwei große Werke, in denen er – auch wenn das eine davon sich als
im Auftrag geschrieben gibt – weithin seinem eigenen
Ausdrucksbedürfnis folgen dürfte: „Maximilianus I.
Austriacus“ (1631) und „Magnus Tillius redivivus“ (1632, postum
veröffentlicht 1678). Bei beiden Werken handelt es sich um
neuartige und unterschiedliche Formen des Prosimetrum,95
beide entstammen der unverhohlenen Begeisterung für große
Männer (die jeweils entschiedene Christen, aber keine Geistlichen
sind). Die Darstellung Kaiser Maximilians I.,96
der gerade in Innsbruck so viele Spuren hinterlassen hat, erhebt
sogleich – und dies zum ersten Mal bei Balde – den Anspruch, „in neuer
Schreibweise“ (novo scriptionis genere, S. 334) abgefasst zu sein. Sie
enthält nämlich keine chronologische Darstellung des Lebens,
sondern eine Art Wesensbeschreibung und zwar in der Art, dass Balde
zunächst einzelne „heldenhafte Taten“ (heroica facinora)
Maximilians vorstellt (S. 338), diese sodann „symbolisch“ als Siege
Maximilians über sich selber bzw. die Leidenschaften
(Perturbationes seu Affectiones)97
deutet, um schließlich auch die „Leistungen seiner Tapferkeit“
(animosae virtutes) zu feiern. Die Form der ersten fünf Kapitel,
in denen, beginnend mit „amor“, der Geschlechtsliebe,98
die Bezwingung einzelner Affekte dargestellt wird, ist unverkennbar
nach Art von Emblemen gestaltet, wie sie Balde ja aus eigener Praxis
wohl vertraut waren. Am Anfang wird ein Bild gemalt – Maximilian
bleibt unverletzt unter Blitzen und Geschossen, er gebietet seinen
rasenden Hunden Einhalt usw. –, dann wird dieses in einer Art
„subscriptio“ allegorisch interpretiert – Maximilian widersteht der
Liebesleidenschaft, er lässt sich von Begierden nicht
fortreißen usw. –, worauf weitere Erläuterungen zum
jeweiligen Affekt folgen.99
Aber auch in den letzten drei Kapiteln, wo Balde die allegorische
Darstellungsweise aufgibt,100
bleibt seine Darstellung „emblematisch“ insoweit als er immer von einem
vorstellbaren Bild ausgeht, so dass das Ganze fast wie ein Emblemzyklus
in Art von „De
Dei et mundi amore“ erscheint.
Vielleicht am interessantesten ist die Darstellung des Zorns (ira) im
fünften Kapitel. Statt diesen schlechtweg wie die Stoiker zu
verteufeln,
erkennt Balde (in aristotelischer Tradition) auch einen gerechten Zorn
an,
den Zorn vor allem gegen Häretiker und Türken. Von ihm
erfüllt
wendet sich Maximilian mit leidenschaftlicher Klage an Gott; und Balde
–
zum ersten Mal in der Rolle des augusteischen „vates“, genauer: des
Horaz
– stimmt (im Hinblick auf den zeitgenössischen christlichen
Bruderkrieg)
mit ein in diese Empörung (S. 411):
Tecum facio Augustissime Imperator. sunt & nostrorum
temporum calamitates istæ. nunc quoque Othomannidæ alienis
malis ferociunt; & absentes in Germanorum victoriis triumphant.
tria ferè lustra iam impendimus illi bello, in quo Christiani
vincunt, & Christiani vincuntur [...]. poterat isto milite, qui
bellis infamibus concisus fuit, Constantinopolis ac Hierusalem
recuperari. 101
In einer (hexametrischen) Vision des zukünftigen Türkenkriegs
sieht Balde sogar die christlichen Kaiser Konstantin und Ludwig aus
ihren Gräbern steigen, um in der entscheidenden Schlacht
mitzukämpfen. Es ist klar, dass die Darstellung des kriegswilden
Maximilian hier weit
über Baldes eigentlichen Plan hinausgeht, den Kaiser als ein
Muster
christlich-philosophischer Affektüberwindung vorzuführen. Im
siebten
Kapitel, wo er an dem so oft tollkühnen Maximilian ausgerechnet
den
Sieg über die „audacia“ zu demonstrieren hat, verwahrt er sich
gegen
kleinliche Kritiker des Manns, der mit Löwen gerungen und Lawinen
getrotzt
hat, durch Berufung auf dessen schiere Heldengröße, die ihn
zu
seinem Werk inspiriert zu haben scheint:
Et nos nempe heri nati in specu timoris, aut cavea psyllorum,
exprobrabimus audaciam tam glorioso Heroi? dicemus, incautius
nonnumquam egisse? obfuscabimus gloriam meticulosi homunciones? [...]
At me judice vile decus est, cui nullus horror prælusit.102
imbellis gloria, quam leo medulla sua non obsaturavit.103
nimis anguste expendimus Cæsarum animos, & vulgi pede metimur
grandia Gigantum vestigia. [...] at ij scire debent MAXIMILIANUM I.
inter Heroas
numerari.104
Balde hat seinen „Maximilianus“ im Namen der marianischen
Studentenkongregation von Ingolstadt dem Präfekten der
Kongregation gewidmet, als dieser an den Hof des Kurfürsten von
Köln berufen wurde – ein halbwegs passendes Abschiedgeschenk der
Sodales, da dieser Johann Maximilian Baron von Preysing wenigstens mit
seinem zweiten Namen105 dem
Kaiser entsprach und so zur Nachahmung von dessen Tugenden ermuntert
werden konnte (S. 335). Trotz Baldes Versicherung (S. 334) kann aber
dieses, wie schon Westermayer sah, unverkennbar noch von Innsbruck und
seinem Maximiliansgrab angeregte Werk nicht ursprünglich für
diesen wenig bedeutenden Baron gedacht gewesen sein. Wenn Balde,
besonders auch für seine leidenschaftlichen politischen Appelle,
einen bestimmten Adressaten im Auge hatte, denkt man eher an einen
Größeren: Baldes neuen Landesherrn, Kurfürst Maximilian.
Ingolstadt aber inspirierte ihn zu einem zweiten, noch weit
größeren106 Werk
von Helden und Heldenverehrung: „Magnus Tillius redivivus sive M.
Tillij parentalia“ (Der wiederbelebte große Tilly oder Des
großen Tilly Totenfeier).107
Wieder experimentiert der metrisch so vielseitige Dichter mit der Form
des Prosimetrum, die hier aber nicht aus dem (ja ebenfalls
prosimetrischen) Emblemzyklus erwächst, sondern in eigenartiger
Weise mit der Form der Tragödie108
verschmolzen wird. In der prosaischen Rahmenhandlung erzählt Balde
von einem erschütternden Besuch an der Leiche des großen
Feldherrn Tilly; die eigentliche „tragoedia“ resultiert dann aus einer
Art von kollektivem Enthusiasmus, den Balde mit zwei Freunden
erfährt:109 Sie
fühlen sich entrückt in eine Art Palast oder Tempel, wo
Tillys Leiche, umgeben von zehn geharnischten Männern, aufgebahrt
liegt. Nicht Menschen, sondern göttliche Wesen, die zur Steigerung
der Erhabenheit in Hexametern statt jambischen Trimetern sprechen,
halten ihm nun mit wechselnden Nachrufen die Totenfeier: Bojaria (die
dominiert), Austria, Gallia und andere; von den Heidengöttern
immerhin auch Mars, der Austria als Erinnerungsgabe von Tilly ein
Schwert hinterlässt, das dann Ausgangspunkt für eine sehr
bescheidene Intrige wird. Vier Chorlieder, die in fünf Akte
einteilen, unterstreichen den angestrebten Gattungscharakter der
Tragödie. Sonst hat das Werk aber mehr die Eigenart eines
feierlichen Oratoriums als die
eines Bühnenstücks; die Stimmung süßer Schwermut
und
schmerzlicher Milde, die es mitteilt, ist in Baldes Werk wohl
einzigartig. Erst gegen Ende erhalten wir einen Aufschluss für den
Obertitel „Magnus Tillius redivivus“ (S. 320):
Alphonsus: quid TILLIUM lugemus? ait: ita parentare mortuis, est
vivos orbi ostendere. Quid ampliùs exspectamus ab illo? audit,
videt, pugnat, vincit, vivit adhuc, & vivit gloriosè. quid
cupimus?
bella? hinc erumpunt. triumphos? ex hac tumba egrediuntur. consilia? ex
sepulcro consulit.110
Tilly ist unsterblich, nicht nur im Ruhm seiner Taten, sondern indem
auch seine Gesinnungen und Gedanken fortbestehen, nicht zuletzt durch
Baldes „Parentalia“, die ihn „wieder lebendig“ (redivivus) machen. Der
Größe des Gegenstands entsprechend hat der Dichter dieses
Werk keinem einzelnen gewidmet, sondern es allen „christlichen Helden“
(HEROIBUS Christianis) vor allem zur Nachahmung bestimmt (S. 2 f.).
Diese konnten es lange nicht zur Kenntnis nehmen: Erst zehn Jahre nach
Baldes Tod hat diese überdimensionale und allzu eigenwillige
Schöpfung, die Balde so wenig wie den „Maximilianus“ in seine
„Poemata“ aufnahm, einen Drucker gefunden (1678).
Mehr Glück in dieser Hinsicht haben naturgemäß die
Gelegenheitsgedichte dieser Jahre, auf die Balde ja später, wie
wir sahen (s. oben S. ), mit halb scherzhaftem Seufzen anspielt:
das Geburtstagsgedicht für den kleinen Neffen von General Tilly
(1630) und das Epithalamion für die (zweite) Hochzeit von
Kurfürst Maximilian (1635). Ausgerechnet hier, wo der Dichter
durch fremden Auftrag gebunden ist – das erste Gedicht wird im Namen
des Ingolstädter, das zweite in dem des Münchner
Jesuitenkollegiums veröffentlicht –, gelingen ihm, nun wieder ganz
auf dem Gebiet humanistischer Imitation, erste kleine Meisterwerke, die
den Vergleich mit Statius und
(wieder) Claudian111 nicht
scheuen
müssen. Im „Geniale ac praesagum carmen“ für das
Söhnlein
des Festungskommandanten singt er nach mancherlei Prophezeiungen dem
kleinen
Franz ein Wiegenlied von lauter heroischen Taten des Hercules und des
Onkels
Tilly, bis in den letzten drei Versen das Kind eingeschlafen ist: ein
erster,
erfolgreicher Versuch mit der Form des mimetischen Gedichts,112
die in Baldes späterer Lyrik großen Raum einnimmt. Noch
origineller ist das Hochzeitsgedicht,113
wo Balde, mittlerweile Rhetorikprofessor in Ingolstadt,114
einen kleinen Götterapparat einsetzt. Während in München
das göttliche Festkomitee noch gerade erst mit den Vorbereitungen
für den Empfang des Hochzeitspaars begonnen hat, vollzieht sich im
kaiserlichen Wien schon die Trauung: Rasch naht das Paar auf einem von
Löwen und
Adlern durch die Lüfte gezogenen Wagen, und Phoebus Apollo, der
als
maître de plaisir fungiert, hat kaum mehr Zeit, dem Chor, der –
gut
antik – zugleich singen und tanzen muss, die Festkantate
einzustudieren. Mit
köstlichem Humor schildert Balde, wie die Probe schief geht, wobei
der
hochstilisierte Text der Kantate in drolliger Weise mit den
Zwischenbemerkungen des über die Patzer besonders der Satyrn
verzweifelten Phoebus verknüpft wird. (Auch Lortzings
vergleichbare Chorprobe aus „Zar und Zimmermann“ ist nicht komischer.)
Und man ahnt angesichts solcher Vertraulichkeit,115
welches Band schon damals den Kurfürsten mit dem Dichter verbunden
haben mag, den er zwei Jahre später nach München holen sollte.
Es sind die wenigen Jahre als Ingolstädter Professor (1635-1637),
in denen nun Balde, auch außerhalb solcher Verpflichtungen, erste
Werke schafft, die bleibenden künstlerischen Wert haben und ihm,
wenigstens das eine von ihnen, deutschlandweiten Ruhm einbringen: das
komische Epos „Batrachomyomachia“ (Froschmäusekrieg, 1637116)
und das lateinisch-deutsche Mischgedicht „De vanitate mundi“ (Von der
Eitelkeit der Welt, zuerst 1636). Beiden gemeinsam ist der Humor, mit
dem Balde jeweils ein ernstes Thema behandelt – im Rückblick
merkt man erst, wie sehr dieser den beiden großen Prosimetra
gefehlt hat –; im Übrigen aber sind sie völlig verschieden,
wobei sie den beiden Grundtypen entsprechen, in denen sich Balde zuerst
als Dichter geäußert hat: das trotz Heiterkeit
klassizistische Epos steht in der Tradition des „Regnum poetarum“ (auch
durch den Bezug auf den großen Krieg), das populär reihende
und variierende Gedicht „De vanitate mundi“ gehört in die
Nachfolge des Emblemzyklus „De Dei et mundi amore“ (auch durch seine im
Kern christliche Thematik). Der „Froschmäusekrieg“, schon in
seiner Homer zugeschriebenen Urfassung von 303 Versen ein Text für
Kinder,117 wird auch von
Balde, der daraus fünf Bücher zu je etwa 400 Versen macht,
„der literaturbeflissenen Jugend“ (Iuventus studiosa literarum)
gewidmet, außerdem aber „allen Liebhabern des Humors unter den
Lateinern“ (& quisquis Romanas Musas serenâ fronte colis).
Freunde hätten ihn davon überzeugt, dass gerade ein junger
Dichter gut daran tue, einen geringfügigen, ja undankbaren
Gegenstand wie Frösche und Mäuse mit allen Mitteln der
Eloquenz aufzuputzen, um sich daran für erhabenere Stoffe zu
üben.118 Das lässt
vermuten, dass Balde bereits ein größeres episches Werk im
Sinn hat; und dies wird noch deutlicher, wenn er gleich zu Beginn
seiner Vorrede, um den spielerischen Charakter des Werks zu
rechtfertigen, eine entsprechende Äußerung des Statius
zitiert:
Iam dixi: Iuvenis lusi. neque quisquam illustrium
Poetarum est, ait Statius lib. I silvarum, in praefatione ad Stellam
Amicum, qui non aliquid
operibus suis stylo remissiore praeluserit. nam & Culicem (Maronis)
legimus; et Batrachomyomachiam (Homeri) agnoscimus.119
Offenbar soll seine eigene „Batrachomyomachia“ Praeludium zu einer
künftigen Aeneis oder Ilias sein. Auch in einer Ode zur
Veröffentlichung der „Batrachomyomachia“ bittet er den Dichtergott
Phoebus um ein würdigeres Thema.120
Fast nur durch einen Zufall erfahren wir sechs Jahre später aus
einer Ode der „Lyrica“ (1643), worin Baldes Plan bestanden hat. Als er
in Zusammenhang mit seiner Berufung nach München (1637)
Vorsitzender der Münchner Marianischen Kongregation und damit
Mariensänger wird, lässt er sich von Maria selber dazu
ermahnen, sein episches Projekt zurückzustellen (lyr. 1,42,17-20):
Noster es, nostris
agitande flammis,
Nos canes primum. celebris
sequetur
TILLIAS, magnam meditata famam,
&
Arma virumque.121
Ein Tilly-Epos war also geplant. Schon das Zitat des Aeneis-Anfangs
zeigt, dass dieses vor allem an Vergil orientiert sein sollte, wie ja
auch der Titel „Tillias“ analog zu „Aeneis“ gebildet ist. Freilich hat
auch schon das heitere Epos vom Krieg der Frösche und Mäuse
eine strukturelle Ähnlichkeit zur berühmten Aeneis, indem es
wie diese, anders als die homerischen Epen (von der „Batrachomyomachia“
ganz zu schweigen), auf die Gegenwart
ausgerichtet ist. Wie dort in prophetischen Durchblicken immer wieder
die
augusteische Zeit in den Blick kommt, so wird hier aus einer
altrömischen
Vergangenheit122 auf den
Dreißigjährigen
Krieg vorausgedeutet: Der Kampf der possierlichen Tiere ist selber ein
von
Jupiter für die Götter quasi als Gladiatorenspiel123
veranstaltetes Praeludium zum großen europäischen Krieg –
die Parallele zu Baldes eigenem Eposprojekt liegt auf der Hand –,
dessen furchtbarste Ereignisse bis zum Brand von Magdeburg vom
Göttervater in seherischer Ergriffenheit vorhergesagt werden. Und
damit auch nicht eine Entsprechung zum ominösen Schild des Aeneas
(Aen. 8) fehlt, enthält der Mantel der Pallas eine Gigantomachie
mit Belartus Frandildus (Albert Fridland, d.h. Wallenstein) als
finsterem Helden.124 Freilich
nicht auf diesen Zeitbezügen des Werks beruht der
große künstlerische Reiz dieses bis an die Grenzen des
Genozids führenden Rachefeldzugs der Mäuse gegen die
Frösche; er liegt, wie Balde sagt,
in „der mit Händen zu greifenden Hyperbole (Übertreibung)
oder
meistens in der offenen Ironie, die alle fünf Bücher wie eine
Seele
durchdringt.“125 Es ist
kaum
begreiflich, dass dieses Werk bis heute nicht die verdiente Anerkennung
gefunden
hat.
Neben den Humanisten tritt der Prediger Balde. Sein zunächst
„Hecatombe seu Ode Nova De Vanitate Mundi“ (so 1636) betiteltes Gedicht,126
das ihn rasch berühmt macht,127
ist in allem das Gegenstück zu seinem hochgelehrt geistreichen
Epos (wie zu den vorausgegangenen claudianischen
Gelegenheitsgedichten); es ist einfach, populär, derb und
völlig unklassisch. Durch die zweisprachige Form – lateinisch
links, deutsch rechts, wie in einer heutigen Tusculumausgabe – gibt es
sogleich zu erkennen, dass es für ein breites, auch lateinisch
minder gebildetes Publikum gedacht ist. Das Metrum ist, was wohl ein
Novum der deutschen Versgeschichte darstellt, im Lateinischen dem
Deutschen nachgebildet (ohne deswegen rhythmisch statt metrisch zu
werden):128 Wie man
längst weiß, hat Peter Francks Lied „Der grimme Tod mit
seinem Pfeil“ für die deutschen Strophen, aber eben nicht nur
für die deutschen, das Schema geliefert (str. 5)129:
Nil usque stat durabile,
Aut undequaque tutum.
Calcat myricas quadrupes,
Cedros trucidat Eurus.
Vrbes pavent Vesuvium,
Pontes timent
Araxen:
Valles inundant lachrymæ,
Montesque fulminantur.
Nichts kann ich sehn / das ewig
währt /
Nichts sichers kann ich
finden.
Zerschlagen wird das
Gstreiß vom Pferdt /
Gantz Wälder von den
Winden.
Der Mayn und Rhein / reisst
Brücken ein /
Das Thal versinckt im
Nebel:
Reichs- Städt und Märck
/ auch hohe Berg /
Förcht
Donnerklapff und Schwebel.
So konnte man, wenn man wollte, die „Ode“ zumindest auf Deutsch auch
singen.130 Populär war ja
auch ihr Inhalt: Die Eitelkeit, Vergänglichkeit alles Irdischen
war bekanntlich ein Lieblingsthema der Barockzeit, für das Balde
interessierte Leser nicht erst suchen musste; gerade wenn diese keine
oder brustschwache Lateiner waren, mögen sie sich darüber
gefreut haben, wie hier, nach anderen antiken Geistesgrößen,
auch die großen römischen Dichter wegen ihrer
Vergänglichkeit verhöhnt
werden (str. 39)131 :
Gestorben ist Virgilius,
und billich zubewainen.
Auffgmetzget
ist Horatius,
Halb leine und halb schweine.132
Nasonjs Zierd
/ hat vil verführt:
Ist aber selbst eingsessen;
Tibulli Schatz,
Catulli Spatz
Kann auch kein Käß mehr essen.
Der Untergang der lateinischen Klassiker kann sich nicht schöner
ausdrücken als gerade in den deutschen Versen dieses
halbbarbarischen
Gedichts. Sicherlich trug zu seiner Popularität auch die
Schlichtheit
der Form bei, die Emblemzyklen wie „De Dei et mundi amore“ entspricht:
In
hundert gleichgebauten Strophen – darum „Hekatombe“ – wird der Welt
unter
immer neuen Aspekten ihre Vergänglichkeit vor Augen gehalten oder,
wie Balde sagt, wird die „vanitas“ auf hundert Altären
geschlachtet.133
Trotz dankbarer Publikumsresonanz hat es Balde
verschmäht, auf diesem Weg des deutsch-lateinischen Mischgedichts
sogleich weiterzugehen. Er gebraucht zwar noch zweimal die hier
bewährte, eingängige Versform (die er „anakreonteisch“
nennt), aber das eine Mal für ein rein deutsches Marienlied, den
„Ehrenpreiß“, den er schon als Präsident der Münchner
Marianischen Kongregation, 1638, dichtet, das andere Mal für sein
übermütigstes und drolligstes Werk überhaupt, den
„Agathyrsus“ (1637), ein Lied zum Preis der Magerkeit und Hohn der
Dickwänste: ein einsamer und skurriler Vorläufer des im
neunzehnten Jahrhundert ausbrechenden kollektiven
europäischen Schlankheitswahns.134
In diesem Gedicht, das mit „De vanitate mundi“, neben der zyklischen
Variationsform, die leibfeindliche platonische Grundkonzeption
gemeinsam hat, gibt Balde nur
eine lateinische Fassung, was die Wirkung natürlich
einschränkt. Statt dem Erfolg von „De vanitate mundi“ nachzujagen,
stellt sich der Dichter eine andere, geradezu konträre Aufgabe.
Offenbar unzufrieden mit dem Allzupopulären von „De vanitate
mundi“, arbeitet er gerade dieses Werk in zwei Jahren zu einem
Glanzstück humanistischer Variationskunst um: Zu jeder
lateinisch-deutschen Strophe treten nun noch, mit derselben Thematik,
je zwei lateinische Elegien (von jeweils unterschiedlichem Charakter),
ein Gedicht in Hendecasyllaben und eines in Scazonten (Hinkjamben), zu
welch letzterem
Versmaß der Dichter eine solche Sympathie entwickelt, dass er mit
ihm,
dem personifizierten „Scazon“, das ganze Werk hindurch
Gespräche
führt.135 Welches Prinzip
steckt
hinter der Wahl gerade dieser Versmaße? Es sind die Metren des
großen
Epigrammatikers Martial, dem Balde schon im „Regnum poetarum“ vor
anderen
gehuldigt hat:136 Ihn, den
größten
Spötter der römischen Antike, wählt er sich also, wenn
auch
erst nachträglich, zum Schutzpatron seines ja ganz auf Spott
gestimmten
„Poema de vanitate mundi“ (wie es jetzt, 1638, heißt); er will
wohl
mit diesem großen Werk als „deutscher Martial“ gelten. Damit
verschlingen
sich hier wie noch nie zuvor bei Balde die beiden Traditionen, die von
Anfang
an sein Schaffen bestimmen: christliche Predigt137
und humanistischer Klassizismus.
Wenn Balde in diesen Werken seiner so fruchtbaren
Ingolstädter Jahre von 1635-1637 ganz frei war, gilt das nicht im
selben Maße für zwei weitere Aufgaben, die ihm gegen Ende
seiner Tätigkeit gestellt waren: die Aufführung einer
Tragödie mit seinen Schülern und ein Huldigungsgedicht
für den 1636 zum römischen König gewählten
Ferdinand III. Was das zweite angeht, „Templum honoris“ (1637),138
so benutzt Balde die Gelegenheit, seine experimentierende Arbeit an der
Form des Prosimetrum vor allem in der Gestalt, wie er sie für den
„Magnus Tillius“138 entwickelt
hatte, fortzusetzen: Es treten auf allegorische Gestalten wie Germania
und der Genius Imperii Romani; bei den 63 Liedstrophen, die von 63
Jünglingen zum Ruhme Ferdinands gesungen werden, erfindet Balde
wohl zum ersten Mal ganz neue Metren (von denen auch keines je
wiederholt wird). Nicht minder originell ist er in seiner Tragödie
„Jephte“ (ebenfalls 1637), die wir nur aus der Inhaltsangabe (Perioche)
und Baldes späterer Bearbeitung unter dem Titel „Jephtias“ kennen
(s. unten S. )140.
Hier versucht er, völlig anders als in der Innsbrucker
Komödie, seine christliche Botschaft – schon hier ist die Tochter
Jephtes ein Typus Christi – mit der streng klassischen Form Senecas
bzw. Horazens zu vereinen. Die Novität seines Unternehmens muss
ihm schon damals bewusst gewesen sein; mit der Ausarbeitung für
den Druck konnte er sich Zeit lassen. Nun rief ihn München. Vom
Oktober 1637 an lehrt er dort am Gymnasium, ein Jahr später ist er
am Hof des Kurfürsten.
Das „Poema de vanitate mundi“ in seiner zweiten
Fassung (1638) endet mit einem überraschenden Beschluss Baldes:
Weil er im Gespräch mit seinem „Scazon“ eingesehen habe, dass die
Poesie Hauptförderin der „vanitas“ ist, will er der Dichtung
gänzlich entsagen – man denkt wieder an „Cantatum satis est“ – und
schreibt sogar einen entsprechenden Kündigungsbrief an die Musen,
den der „Scazon“ als hinkender Postbote überbringen soll. Wir
wissen ex eventu, dass dieser Entschluss nicht ernst war: Aber musste
dies den Zeitgenossen ebenso klar sein? Auf jeden Fall hatte Balde,
wenn
er ernst genommen und mit Dichtungsaufträgen in Ruhe gelassen wurde141
– und letzteres zumindest scheint ja der Fall gewesen zu sein –, Zeit
für das größte dichterische Unternehmen, das er je
angreifen sollte: Es galt „deutscher Horaz“142
zu werden, ja, mehr als das, ein lyrisches Corpus zu schaffen, wie es
die Welt zumindest in lateinischer Sprache noch nicht gesehen hatte.143
Nach einer Publikationspause von fünf Jahren erscheinen 1643 zwei
Bände mit vier Büchern „Lyrica“, einem Buch „Epoden“144
und sieben Büchern „Sylvae“145
– ein Gesamtumfang also, der den zwölf Büchern der Aeneis
entspricht. Zum ersten Mal hat sich Balde, den wir bis ja bisher auf
den verschiedensten Gebieten rastlos experimentieren sahen, die Zeit
genommen, sich auf ein ganz neues und großes Werk zu
konzentrieren. Und er hat dafür auch
den ursprünglich nur zurückgestellten Plan einer „Tillias“
(lyr.
1,42, s. oben) endgültig aufgegeben, vielleicht tatsächlich
im
Empfinden – aber das bleibt Spekulation –, dass für ein Epos
dieses Gewichts die Lebenszeit nicht mehr ausreichen würde, wenn
er seine sonstigen
Pläne verwirklichen wollte. Auf jeden Fall war dieses lyrische
Corpus
ein nunmehr ganz aus eigenem Antrieb geschaffenes Werk. Balde
spürte ihn nicht erst in München: Schon in Ingolstadt nennt
er (in seinem Kommentar
zur „Batrachomyomachia“) Horaz beiläufig „Vates Venusinus, Ocellus
meus“146; und noch aus
Ingolstadt
stammen ja dann auch viele der Oden, die er in das erste Buch seiner
„Lyrica“
aufgenommen hat.147 Aus dem
Gefallen
an ihnen muss wohl allmählich der ganze, gewaltige Plan entstanden
sein.
Der überragende künstlerische Wert von
Baldes Marienoden, in denen Balde so ganz neue Töne poetischer
Innigkeit findet, kann leicht übersehen lassen, dass das
Christliche in seinem lyrischen Werk einen insgesamt nur relativ
bescheidenen Platz einnimmt: Gedichtüberschriften wie „Circulus
Platonicus“ (lyr. 1,22), „Lyra Pythagorae“ (2,21), „Symbola Pythagorae“
(3,10) verweisen auf die heidnisch-antike Philosophie. Vor allem ist es
die Stoa, von der ja auch der ältere, d.h. der Lyriker Horaz
angezogen war, die nun mit ihren großen Heldengestalten148
Balde zumindest zeitweilig begeistert.149
So enthält schon das erste Buch der „Lyrica“ stoisch gefärbte
Oden auf Thomas Morus (1,3), Gottfried Heinrich von Pappenheim (lyr.
1,19) und eine ausdrücklich so genannte „Consolatio Stoica“ (1,35)150;
im zweiten folgt eine Ode „Sub Porticu cantata“ (2,10) und ein
ebenfalls als stoisch bezeichnetes „Gaudium sapientis“ (2,34). Wie
ernst diese Bekenntnisse zunächst gemeint sind, zeigen gerade die
zwei Gedichte des dritten Buchs, in denen sich Balde von den Stoikern
ausdrücklich und spektakulär lossagt (3,12 und 3,16), vor
allem wegen ihrer Apathielehre, durch die er sich in seinem freien
„Mensch“-Sein (3,12,37) beschränkt glaubt.151
Aber nur einmal, in der Ode über Wigos „Meditationes“ (3,39), wird
christliche Gottesliebe gegen stoischen Tugenddünkel explizit
ausgespielt. Und
im größten Gedicht der „Lyrica“, der Ode an Kurfürst
Maximilian (4,1: „Omnia à divina Providentia pendere, &
gubernari“152), gelingt es
Balde, ohne spezifisch christliche Gedanken zu verwenden, seinen
Vorsehungsglauben mit dem der Stoiker auszugleichen.153
So überrascht es kaum, dass das vierte Buch eine zumindest
partielle Versöhnung mit den Stoikern (4,29) und weitere explizit
„stoische“ Oden bringt (4,30; 31; 33). Wie Horaz wollte Balde vor allem
auch philosophischer, nicht nur christlicher Lyriker sein. Verwandt
aber fühlt er sich ihm vor allem als Ekstatiker, der seine Horaz
vergleichbaren göttlichen Entrückungen immer wieder in
„enthusiasmi“ aufzeichnet.154
Die „Epoden“ sind in ihrem über das bloße
Metrum hinausgehenden jambisch- aggressiven Gattungscharakter von den
Oden der „Lyrica“ weniger scharf unterschieden als bei Horaz (der
„Epodi“ und
„Carmina“ ja auch in verschiedenen Lebensperioden verfasst hat).155
Ein Grund dafür liegt auf der Hand und wird in epod. 2 („Modus
vindicandi se Christianus“) ausgesprochen: Ein Christ soll sich an
seinem Feind nicht rächen, sondern ihm die berühmten
glühenden Kohlen aufs Haupt sammeln. Die von finsterer Wut, ja
Hass beseelten Epoden gegen Türken (1)156
und Juden (14)157 zeigen
freilich, dass diese Wohltat nicht allen gleichermaßen zugute
kommt. Neu gegenüber den Epoden des Horaz und den „Lyrica“ Baldes
ist, dass vier hintereinander kommende Gedichte in innerem Zusammenhang
stehen, einen Zyklus bilden: die Epoden 5-8, die sich auf eine
Wallfahrt Baldes zur Maria von Altötting beziehen.
Dieses Prinzip des Zyklus, das immerhin schon in den sechs
horazischen „Römeroden“, carm. 3,1-6, ein partielles
antikes Vorbild hatte, wird nun zum durchgängigen Bauprinzip der
„Sylvae“, in denen jedes der zunächst sieben Bücher selber
einen solchen Zyklus darstellt (oder, in einem Fall, mehrere in sich
enthält). Damit rücken die geistlichen Gedichte, die in den
„Lyrica“ verstreut waren, nunmehr zusammen (und die
übrigen Bücher werden umso entschieden säkularer). Das
zweite
Buch der „Sylvae“ enthält drei Christus und Maria huldigende
Gedichtsammlungen,158 das
abschließende siebte Buch heißt „Miscellanea Sacra“ und
bringt unter anderem die endgültige Versöhnung des Christen
Balde
mit der Stoa. In zwei Büchern sucht Balde wie früher im
„Maximilianus
I. Austriacus“ aktuell politische Wirkung. Das dritte Buch will Wege
aus
dem Sittenzerfall Deutschlands weisen („De moribus veteris ac Novae
Germaniae“),159
bezeichnenderweise ohne dass dabei an eine moralische Wirkung der
christlichen Religion gedacht würde (Balde erhofft eine Besinnung
auf das von Tacitus verherrlichte heidnische Germanentum); das eng
dazugehörige vierte Buch enthält „Klagen oder Trauerlieder
beim Anblick der Verwüstung Deutschlands“ (Threni sive
lamentationes videntis vastationem Germaniae), wobei z.T. Germania
selber als Trauersängerin der einzelnen „threnodiae“
eingeführt wird. Es ist leicht zu sehen, dass durch dieses
zyklische Prinzip die „Sylvae“ denjenigen Gedichten Baldes
angenähert werden, die in der Tradition
seines emblematischen Jugendwerks „De Dei et mundi amore“ als
Variationen
zu einem Thema angelegt sind. Das Vorbild des Horaz wird im
Übrigen
in den „Sylvae“ auch dadurch erweitert, dass neben die horazischen
Strophenformen
gelegentlich (aber dies nur in den beiden religiösen Büchern)
freirhythmische „Dithyramben“ treten. Der Schlusshymnus, der die
„Sehnsucht nach der ewigen Heimat“ ausdrückt (Hymnus aspirantis ad
Coelestem Patriam), hat zwar streng metrische Form, erweckt aber durch
die tendenzielle Regulierung des
Wortakzents160 den Eindruck
einer
rhythmischen Freizügigkeit, die alle Grenzen sprengt:
Lucidi caligo ponti,
Portus absorbens
carinas,
Grata tempestas
profundi,
Pax tumultuosa
merge,
Merge mitis turbo
Vatem.
Hic peritur enatando; salvus est,
qui mergitur.161
Hier ist das Metrum des „deutschen Horaz“ ebenso unhorazisch wie
der Gedanke.
Mit seinen zwölf Büchern horazischer oder fast-horazischer
Lyrik glaubte Balde sein lyrisches Werk abgeschlossen zu haben. Das
bezeugen die drei Putten, die auf dem Kupferstich am Ende des letzten
Sylven-Buchs ihre Lauten zerschlagen, mit der Inschrift: „cantatum
satis est, frangite barbita“162;
darauf weist noch eindeutiger das einleitende Gedicht dieses Buchs, wo
der Dichter erklärt, von Horaz zu Ovid, d.h. von der Lyrik zur
Elegie übergehen zu wollen (sylv. 7,1,1-4):
Paullatim emoveor Venusino languidus163
antro;
Sulmoque pellit Aufidum.
Tempus erit, quo te, NASONEM, FLACCE, relicto
Cultris sed exsectum sequar.164
Zum Thema des neuen großen elegischen Gedichts inspiriert der
Frühling: Maria soll es sein! (135-140)
Interdum numeris Ovidi miscebo
Tibullum,
Umbrique venam
masculi:
Sic tamen, ut castos faecundos
pectoris igneis
Damnare nullus
audeat.
Nam cur dissimulo? VIRGO, tua
vita canetur:
Tuos amores
inseram.165
Balde hat dieses doch gewiss wirklich geplante Werk einer
erotisch-elegischen Mariendichtung nie geschrieben, blieb vielmehr in
den folgenden Jahren gegen seine ursprüngliche Absicht im Banne
der Lyrik. Auf der einen Seite hatte ihm diese ja nicht nur
volkstümlichen Erfolg, sondern die Anerkennung auch vor allem der
Gebildeten in aller Welt eingebracht166
– so lag es nahe, die Zahl der „Sylvae“ um zwei Bücher zu
erweitern (1646), von denen eines, das letzte, seinem neuen prominenten
Gönner Claude de Mesme, Comte d’Avaux (genannt Memmius) gewidmet
wurde167 –; auf der
anderen Seite waren mit dem Horazcorpus die Möglichkeiten
lateinischer Lyrik noch nicht ausgeschöpft. In der „Philomela“
(1645), einer lyrischen Paraphrase zu der Bonaventura zugeschriebenen
„Philomena“,168 verwendet
Balde, wie er selber angibt,169
vor allem die Metren des Boethius (aus der „Consolatio philosophiae“),
nimmt aber auch, um den mittelalterlich-christlichen Charakter des
Werks zu betonen, die rhythmisch schmeichelnden Reimverse des Originals
mit auf:
PHILOMELA prævia temporis
amœni:
Quæ recessum nuncias imbris
atque cœni:
Dum mulcescis animos tuo cantu
leni,
Ave prudentissima: ad me
quæso, veni.170
Das Werk wirkt wie eine Art Ersatz für die von Balde geplante
elegische Mariendichtung: Es beginnt mit einer Marienode, und es endet
mit einem großen elegischen Heroidenbrief, geschrieben von der
schon seligen Philomele an ihre noch auf Erden schmachtende Schwester
Progne.
Balde nutzt die ihm bleibenden Münchner Jahre
nicht, um ein weiteres großes, dem lyrischen Corpus
vergleichbares
Projekt in Angriff zu nehmen; neben den erwähnten lyrischen
Ergänzungswerken arrondiert er nun vor allem das schon
Geschaffene. Der lateinische „Agathyrsus“ wird zu einem „Agathyrsus
Teutsch“ (1647) ausgebaut – dieses auch mit Noten versehene Meisterwerk
süddeutscher Sprachgewalt und urwüchsiger Komik ruft noch
immer nach seinem Interpreten, der vor allem auch die originellen
deutsch-lateinischen Mischstrophen zu würdigen hätte (str. 1):
Wolan
/ so will ich dann /
Lincks /
Rechts / Latein und Teutsch zugleich
Eins singen /
wie ich kann.
EXSULTA FELIX MACIES;
Lætare torva Facies;
Du stehst wol
an eim Mann.171
In Analogie dazu werden aus dem bisher nur deutschen „Ehrenpreiß“
(unter Mitwirkung mehrerer Freunde) die metrisch172
dem „Poema de vanitate mundi“ entsprechenden deutsch-lateinischen
„Olympia Sacra“ (1648).173 Und
alle bisher verfassten Marienoden sammelt er in den fünfzig „Odae
Partheniae“ (1648). Mit diesen zwei Werken scheint Balde zehn Jahre
Mariendichtung endgültig abschließen zu wollen: Das Ende
seines „lyrischen Jahrzehnts“ (Eckart Schäfer) beendet auch die
poetische Beschäftigung mit der Gottesmutter.
Ein Werk fällt aus der reichen Produktion
dieses Jahrzehnt völlig heraus: die zur Verherrlichung des
bayerisch-französischen Friedens von Ulm (14. März 1647)
verfasste „Poesis Osca sive Drama georgicum“ – kein eigentliches
Auftragswerk, auch wenn es von den Franzosen gewünscht und dem
Kurfürsten nicht unrecht war.174
Hier versucht Balde, die politische Gelegenheit beim Schopfe packend,
etwas völlig Neuartiges, wie schon der Titel andeutet: ein Drama
unter Bauern. Unter Fürsten spielte, nach ehernen Gesetzen, die
Tragödie; unter Bürgern die Komödie: Ein eigentliches
Drama175 für Bauern gab
es nicht.176 Wenn es
geschaffen werden sollte – und ein Drama über die Segnungen des
Friedens verlangte nach Bauern als dessen Hauptnutznießern -
musste die Sprache sozusagen noch unter das Komödienniveau
abgesenkt werden. Das erledigt heute etwa im Tegernseer Volkstheater
der natürliche Dialekt. Da es diesen für Baldes Bauern,
jedenfalls wenn sie Latein sprechen sollten, nicht gab, musste er ihn
erfinden. Gemäß der Annahme, dass das Land sprachlich
konservativ ist, rekonstruiert er also – nach schon im „Magnus Tillius“
gemachten Vorstudien177
- aus Grammatikerzeugnissen und sonstigen Sprachdokumenten178
ein Altlatein, dem er kühn den Namen „oskisch“ gibt.179
Etwa ein Marienhymnus klingt in dieser Sprache so:
SOLLA BELLA, qua cluente
Concta
fulgunt: SOLLA MALTA,
Qua vegente
concta nauscunt.
VIRGO
mustæ pulcritatis:
VIRGO malta
bella salve.
SOLLA BELLA, SOLLA MALTA, SOLLA
NYMPHE MALTHACA.
In der klassisch lateinischen Prosa-Übersetzung, die Balde
natürlich beigeben muss, heißt das:
Tota formosa, qua
splendente
Cuncta
fulgent: tota tenera,
Qua vegetante
omnia nascuntur.
Virgo recentis
ac vividæ pulcritudinis:
Virgo tenera
ac formosa salve:
Tota formosa, tota mollis, tenera.
Ein ganzes Drama in so künstlicher Sprache war für die
Bühne naturgemäß ungeeignet; im Gegensatz zu den
meisten anderen Werken Baldes kann es nur für sehr wenige
literarisch und linguistisch gewitzte Kenner, wie den
Widmungsadressaten Claude Mesme d’Avaux, bestimmt gewesen sein.
Vielleicht sollte dieses „Drama Georgicum“, in dem
der ja nicht unumstrittene Friede Maximilians I. gefeiert wurde, auch
eine
kleine Entschädigung dafür sein, dass Balde sein eigentliches
Auftragswerk in diesen Münchner Jahren nicht lieferte: die
Geschichte
des Dreißigjährigen Kriegs, für die ihn ja sein
Kurfürst
seit 1640 engagiert hatte. In einem berühmten, aber erst im
neunzehnten
Jahrhundert bekannt gewordenen Geheimdokument180
beklagt er sich über den selbst eines Plautus unwürdigen
„Mühlendienst
am Hofe“ sowie die „despotische Zensur“, mit der Maximilian seine
Historiographie gegängelt habe;181
der Wahrheit dürfte er vielleicht etwas näher kommen, wenn er
zugibt, dass er „in Blüte und Rausch seiner Lyrik“182
durch die „Mühsale eines verrußten Sklavendiensts“183
nicht habe gestört werden wollen.184
So stellte er die historische Arbeit zunächst zurück,185
kam aber auch später damit nicht recht weiter und steckte, als der
Kurfürst ihm, vom Münsteraner Friedenskongress 1648
zurückkehrend, Materialien zu Neuerem liefern wollte, noch immer
erst mitten im Böhmischen Krieg. Dies war dem Kurfürsten dann
doch zu wenig, und er entband Balde von einem Auftrag, dem sich dieser
selbst nunmehr schon acht Jahre lang erstaunlich erfolgreich entzogen
hatte.
Zwei letzte, ungewöhnliche lyrische Werke
stehen am Ende von Baldes Münchner Zeit. Der „Arion auf der
Schelde“ (Arion Scaldicus, 1649, veröffentlicht erst 1729), ein
„Drama auf der Wasserorgel“ (Drama hydraulicum), stellt im Munde des
berühmten Sängers und Delphinreiters Arion und des
Wassergotts Proteus, denen auch ein Chor assistiert, die Eroberung
Antwerpens durch Alessandro Farnese i.J. 1585 dar, aber nicht in
dramatischer Aktion und Wechselrede, sondern in ausschließlich
lyrisch erzählenden Gesängen (meist horazischen
Versmaßes). Das einem katholischen Helden gewidmete Stück
bleibt in antik-heidnischen Vorstellungen, soll aber zugleich laut
Titelblatt ein „Poema Allegoricum“ für Leben und siegreiches
Streiten eines Christenmenschen darstellen. Eckart Schäfer, der
soeben eine erste, geistreiche und bahnbrechende Interpretation dieses
von Balde nicht veröffentlichten und bisher so gut wie
unbeachteten Stücks vorgelegt hat,186
zeigt überzeugend, dass Anlass des Werks das Erscheinen des
zweiten Bands von
Famianus Strada S.J., „De bello Belgico“, war und dass es so in einem
Zusammenhang
mit Baldes eigener historiographischer Tätigkeit stehen
dürfte;
die formale Sonderbarkeit dieses lyrischen Dramas187
ist damit allerdings noch nicht erklärt.
Leichter zugänglich ist die „Chorea mortualis“
(Totentanz), die Balde 1649 zum Tod der im Wochenbett verstorbenen
Kaiserin Leopoldina verfasst hat. Hier versucht er ein letztes Mal an
den Erfolg seines
zweisprachigen „De vanitate mundi“ anzuknüpfen, wobei er – fast
eine
gänzliche Singularität – sich auch im Lateinischen
rhythmischer Verse bedient (die also wie die deutschen zum Gesang
bestimmt sind).188 Str. 1 (von
33):
Eheu, quid Homines sumus?
Vanescimus,
sicuti fumus.
Vana, vana Terrigenum Sors,
Cuncta dissipat improba Mors.
All Menschen
herkommen auß Erden!
Staub / Erden
sie widerum werden.
Ach Eytelkeit alles zumahl!
O Schwachheit! betrübender Fall!
Die anapästisch-daktylischen Rhythmen unterstreichen den
Tanzcharakter des ja von Totengerippen gesungenen Lieds; der
regelmäßige Reim (Sors – Mors) im 3. und 4. Vers jeder
Strophe (die letzten beiden ausgenommen) verdeutlicht, dass wir wieder,
wie in „De vanitate mundi“, ein Gedicht aus der Tradition der
Emblemzyklen vor uns haben.
Schon bevor Balde im Frühjahr 1649 München
verlässt, um nach Landshut versetzt zu werden, beginnt er, an
einer
neuen literarischen Aufgabe zu arbeiten. Das alte Projekt eines
Tilly-Epos
(s. oben S. ) war längst aufgegeben; aber auch der
neuere
Plan eines elegischen Marienwerks (S. ) lockte nun, nachdem mit
den
„Odae Partheniae“ die Mariendichtung zu einem Abschluss gebracht war
(S. ), nicht mehr. Mit seinem Buch „Medicinae gloria“
(1651)189 wird Balde nunmehr
Satiriker, wohl einer Überzeugung folgend, die er später in
„De studio poetico“ (1658) ausgesprochen hat:
Quid multis? alia pleraque Poemata imputes Iuventae, aetatis
humanae Veri, velut flores: aut aestati, ut segetes; SATYRA, virilis
animi, maturíque Iudicii fructus est, ac vitae debetur Autumno.
quem Juvenes optare quidem possunt, non item carpere.190
Wahrscheinlich hat sich Balde nicht klar gemacht, dass Horaz seine
Satiren in jüngeren Jahren, jedenfalls geraume Zeit vor der Lyrik
verfasst hat. Die modernen Horazausgaben mit ihrer Abfolge von (grob
genommen) Lyrik, Epoden, Satiren, Episteln konnten hier durchaus
verwirren.191 Neu
gegenüber den antiken Vorbildern, von denen Juvenal in der Vorrede
an den Leser, Lucilius, Juvenal und Persius192
im programmatischen ersten Gedicht193
genannt werden, ist auf jeden Fall, dass alle zweiundzwanzig Satiren
einem einzigen Thema gelten: Trotz dem absichtlich irreführenden
Titel „Medicinae gloria“ sind das die schlechten Ärzte, die
„Affen“ und Verderber der Heilkunst. Damit reiht Balde sein Werk trotz
entschiedenem Anschluss an die Antike unter seine zyklisch
strukturierten ein, ja er verbindet es in der Vorrede an die Ärzte
fast ausdrücklich mit „De vanitate mundi“. Wie er dort
erklärt hatte, als ein Priester die Eitelkeit auf hundert
Altären schlachten zu wollen, so will er auch jetzt, „vom Dichter
zum Priester geworden“, das böse Geschlecht der medizinischen
Scharlatane „mit dem Beile treffen und opfern“.194
Baldes entschiedene Vorliebe gilt Juvenal,195
den er nur in einem Punkt nicht erreichen zu können glaubt: in der
schonungslosen Schärfe der Kritik, welche für die Gegenwart
unerträglich geworden sei. Schon in der Vorrede an den Leser
kündigt er an, „die Empörungen
des Juvenal196 und die
Epilepsie
hauchenden Verse auf einen anderen Gegenstand aufzusparen“;197
und in der ersten Satire ersetzt er Juvenals berühmtes „Difficile
est saturam non scribere“ (1,30) durch ein vor eben dieser Aufgabe
resignierendes „Difficile hoc aevo est, sanctum proponere verum“ (med.
1,19: Schwierig ist es in diesem Zeitalter, die heilige Wahrheit
vorzustellen).198 So erneuert
er doch eher das mildere Programm des Horaz, „ridentem dicere verum“:
Wie es der Satiriker Horaz den Lehrern nachtun wollte, die ihre kleinen
Schüler mit süßen Plätzchen dazu verführen,
das ABC zu lernen,199 so wolle
er (zum Thema passend) den Ärzten folgen, die den Kranken Honig in
bittere
Arznei mischen (med. 1,48 f.).200
Dem philosophischen Satiriker Horaz folgt Balde, wenn er in die Mitte
seiner Sammlung (med. 12)201
ein Gedicht stellt, das, in Auseinandersetzung mit einem Atheisten, die
Grundzüge einer wahren Weltsicht erläutert202:
Von der Meditation eines Skeletts in der Aula des berühmten
Anatomen Andreas Vesalius203
ausgehend (V. 24-62), beweist er mit stoischer Argumentation die
Existenz Gottes und der Vorsehung (V. 67-97), mit platonischen Gedanken
die Unsterblichkeit der Seele (V. 98-136). (Das spezifisch Christliche
fehlt auch in diesem Gedicht, das man Baldes Antilucrez nennen
könnte.) Der turbulente Schluss, wo die Mitbürger dazu
aufgehetzt werden, den wahnsinnigen Gottesleugner Ciperus alsbald zu
fesseln, um ihn an weiterer Ausübung des Arztberufs zu hindern,
bringt das Gedicht dann wieder zurück in die fröhliche Welt
horazischer Satire.
In der Vorrede und im ersten Gedicht von „De medicinae gloria“ hatte
Balde angedeutet, dass bei ihm demnächst mit schärferen, mehr
juvenalischen Satiren zu rechnen wäre.204
Er stellt diese Absicht zurück, obwohl seine Medizinersatiren mit
nicht geringerem Beifall aufgenommen werden als einst das lyrische
Corpus.205 Wichtiger ist es
ihm nun offenbar, ein Werk zu vollenden, mit dessen Erscheinen wohl
kaum jemand gerechnet hatte: die 1637 aufgeführte Tragödie
„Jephte“: Deutsche Jesuitendramen, immer für die Schule bestimmt,
wurden, auch zu mehrmaligem Gebrauch, abgeschrieben, aber so gut wie
nie gedruckt.206 So bezeugt
schon die Drucklegung allein, welche Bedeutung Balde seiner
Tragödie, die er nun „Jephtias“ nannte, beigemessen hat. Er hat in
ihr den alttestamentarischen Stoff von Jephte, der, einem Gelübde
folgend, Gott seine eigene Tochter opfern muss, in neuer
christlich-theologischer Deutung – Jephtes Tochter präformiert
typologisch den geopferten Christus – so aufbereitet, dass daraus ein
fast völlig klassisches Drama nach den Regeln des Horaz und dem
Vorbild Senecas entstand: Es hat fünf Akte, die gegliedert durch
metrische Chorlieder sind; es verwendet den strengen klassischen
Trimeter ohne die sonst zugelassenen Lizenzen; es verzichtet auf die
üblichen allegorischen Personen; es verschmäht auch
grausliche Schaueffekte wie besonders die Opferung der Jephtetochter,
von der nur in Botenberichten erzählt wird. Schon eine Ode von
1637 (lyr. 1,33) zeigt, wie stolz Balde darauf war, christliche
Interpretation mit streng klassischer Form zu vereinen. Bei der
Neubearbeitung machte er nur ein Zugeständnis an die literarische
Mode (das sich immerhin durch Hinweis auf die berühmteste antike
Märtyrerin, die Antigone des Sophokles, rechtfertigen ließ):
Jephtes Tochter erhält nunmehr einen Liebhaber, einen jungen
Ägypter, der also in typologischer Deutung die Christus liebende
menschliche Seele verkörpert. In der tapsigen, aber liebenswerten
Gestalt dieses Jünglings hat Balde einiges von sich selber
dargestellt und damit den menschlichen Gehalt des Stücks wunderbar
bereichert.207
Trotz der gigantischen Länge von über fünftausend Versen
war dies keine Lesetragödie. In seiner kurzen, aber
aufschlussreichen Vorrede an den Leser nennt Balde, um
Missverständnisse auszuschließen, die noch viel
umfangreichere Tragödie eines Bernardus Stephonius, die trotz
Überlänge oft mit Erfolg gespielt worden sei. Dann
heißt es:
Dabimus fortasse verò nos & alias, stilo vet. haud
paullo breviores, si vita & otium suppetant; vix decem folijs
staturas. Me nunc saltem juverit, Germanum popularibus meis, insuetum
per iter, viam stravisse. Quod ipsum Lyricis ac Satyris tentavimus.
Acriora Ingenia, praevium minus habile<m>, provocata
feliciùs sequantur; ac, per me licet superent. Toto anno omnia
Theatra Tragoedijs personant. Eja, producantur in stabilem lucem: ne
doctos voluptate, Iuventutem eruditione; ornamentis Patriam defraudare
censeantur.208
Besonders aus diesen Worten geht hervor, wie hoch Balde seine
Tragödie (für deren Druckfassung er sich immerhin drei Jahre
Zeit genommen hat) einschätzt. Er stellt sie – man beachte die
Werkauswahl - neben seine lyrischen Oden und die Medizinsatiren, durch
die er jeweils deutschen Dichtern einen neuen Weg eröffnet habe.
Damit kann kaum etwas anderes gemeint sein, als dass diese drei Werke
strenger am klassischen Vorbild (Horaz, Juvenal, Seneca) orientiert
waren als vergleichbare Gedichte deutscher Poeten. Für alle drei
Gattungen, Lyrik, Satire, Tragödie, wünscht er sich
Nachfolger; für die Tragödie stellt er in Aussicht, selbst
weitere
Stücke „im Stil der Alten“ liefern zu wollen.
Dazu ist es bekanntlich nicht gekommen. Einen Grund
dafür deutet später Balde selbst an: Der allzu schlichte, auf
Rührung ausgehende Stil war bei manchen Lesern, die sich auch
hier, wie in enthusiastischen Oden „Donnerschläge in Wörtern
und Gedanken“ erhofft hatten, auf hämisch mitleidige Kritik
gestoßen: „Er wird alt. Die Schwäne, die anfangs aus seinem
Munde sangen, scheinen ihm jetzt schon das Haupthaar zu besetzen.“209
Ein anderer Grund dürfte noch wichtiger gewesen sein: Offenbar war
kein Jesuitengymnasium bereit, die künstlerisch anspruchsvolle,
aber äußerlich
effektarme und unspektakuläre „Jephtias“ aufzuführen und
dies,
obwohl Balde eigens, um eine Aufführung zu erleichtern,
rhythmische Alternativchorlieder verfasst und sogar mit Noten versehen
hatte. Wohl vor allem dieser ärgerliche Mangel an Resonanz – denn
die Tragödie braucht Zuschauer, nicht nur Leser - veranlasste
Balde sich auf die andere, erfolgreichere der von ihm in Angriff
genommenen Gattungen zu konzentrieren. Sein in Neuburg a. D.
entstandenes Alterswerk – Balde ist seit dem Jahr 1654
Hofprediger beim dortigen Pfalzgrafen - ist nunmehr bestimmt von
Satiren und satireähnlichen Hexametergedichten:210
„Satyra contra abusum tabaci“ (1657), ein ingeniöses Meisterwerk
der Gattung; „Torvitatis encomium“ (1658), ein Paradoxenkomion
ähnlich dem „Agathyrsus“; „Antagathyrsus“ (1658), ein Specimen der
„ars in utramque partem dicendi“; „Solatium podagricorum“ (1661)211,
wiederum z. T. ein Paradoxenkomion;212
„De eclipsi solari“ (1662), eine Satire gegen den astrologischen
Aberglauben.213
Damit rundete Balde sein Werk als „Deutscher Horaz“ ab: Insbesondere
die Satiren scheinen ihm ja diesen Titel verschafft zu haben. Nur ein
Werk des Horaz hatte bei Balde noch kein Äquivalent gefunden: das
Lehrgedicht „De arte poetica“214.
Angeblich
weil ihn ein junger Freund, Crescentius, dazu auffordert, schreibt
Balde
nunmehr eine entsprechende Abhandlung „De studio poetico“, die er
seinem
nur lose damit zusammenhängenden „Torvitatis encomium“ (1658)
vorausschickt,
in Prosa, nicht in Gedichtform (wie Balde ja überhaupt zunehmend
Freude auch an der Prosa hat). Zu einem großen Teil kommentiert
er darin
Horaz, wobei er aber, wie jetzt Thorsten Burkard gezeigt hat,215
dessen Absichten oft kühn verdreht bzw. zu seinen Zwecken umbiegt.
Sein Hauptziel ist jedenfalls ein ziemlich anderes. Wollte Horaz, vor
einem modischen Geniekult warnend, die Wichtigkeit sorgfältiger
Schulung des Dichters und selbstkritischer Arbeit am Dichtwerk dartun,216
kommt es Balde, der sich vor allem von schulmäßigen Poetiken
absetzt, auf das Schöpfertum des Dichters an:
Memento, Grajos eodem vocabulo Phoebi sacerdotem cohonestare quo
Deum: quem Poetam à faciendo, fingendóque
vocant. uterque statuit opus foras productum, quod paullò
antè in rerum natura non erat: Deus ex nihilo; Poeta ex cerebro.
Unde & Carmen condere dicitur, quo modo Deus Mundum
condidisse.217
Dieses Konzept, das auf die allem übergeordnete Forderung nach
„novitas“ hinausläuft, bringt Balde in Konflikt damit, dass
neulateinische Dichtung ja immer an die Imitation der vorbildlichen
Alten gebunden ist. So kommt er zu höchst differenzierten und
geistreichen Vorschriften über die hohe Kunst richtiger und doch
schöpferischer Imitation (ein Thema, das in ‚De arte poetica‘ kaum
eine Rolle gespielt hatte). Verschieden sind auch die vorzugsweise
traktierten Gattungen. Während es Horaz besonders um die
Tragödie ging, die ihm damals dichterisch nicht auf der Höhe
der Zeit schien, gipfelt „De studio poetico“ in einem Lobpreis der von
Balde nun vor allem gepflegten Satire, nicht nur wegen ihrer
gesellschaftlichen Funktion, sondern besonders auch weil sie wie keine
andere Gattung über sämtliche Ausdrucksmöglichkeiten
verfüge: „Ceterùm nulla Musa in Parnasso opulentiùs
coenat“ (Keine Muse tafelt üppiger auf dem Parnass).218
Der Satz
könnte auch von dieser Prosaschrift gelten: Sie bietet ein
Feuerwerk verschiedenster Einfälle, und in der verwirrend
assoziativen Kühnheit der Gedankenführung hat sie das Vorbild
des Horaz noch überboten.
Nicht nur von der Satire ist aber die Rede: Balde
nimmt besonders auch auf seine Lyrik Bezug und spricht einmal auch von
seinen (nicht vergessenen) elegischen Plänen:
An malles, & nostros Elegos absolvi? dabitur opera, simul
destinata expedivero, ea quoque de gratia: Ne solos se Ovidianos
putent, qui neque Lyrici, neque Satyrici sunt. A proposito non deterret
ullus, aevo nostro, mollium amorum, vel numerorum scriptor. [...] An
unicus Dan. Heinsius inter ignitos lapides novit ambulare? ego,
citra jactantiam, castiores illi gemmas opponam: quae nihilominus in
nova prorsus, quod sciam, teneráque, & ad delectandum
imprimis apta materia coruscabunt.219
Die Verheißung eines elegischen Werks kommt nicht ganz
überraschend. Beim „Regnum poetarum“ (1628) hatte Balde mit der
erotischen Heroidenepistel des Winterkönigs seinen
größten Erfolg gehabt. Am Schluss des „Poema de vanitate
mundi“ (1638) mahnte Frau Elegia ein entsprechendes Werk an, und nach
Abschluss der „Sylvae“ (1643) schien Balde in der Tat zu einer
großen, sein Marienwerk krönenden elegischen Dichtung
entschlossen. Wenn er davon immer wieder Abstand nahm und der Elegie
nur an wenig exponierter Stelle (wie gerade in „De vanitate mundi“)
Platz gab, könnte es damit zusammenhängen, dass er sich
dieser Form von Jugend an besonders sicher war, so dass er glaubte, er
werde ihr auch im Alter noch gewachsen sein
können. Dafür sprechen die oben zitierten hochgemuten
Sätze,
in denen Balde ja sein elegisches Alterswerk, die „Urania victrix“
(1663),
ankündigt, ein Gedicht, mit dem er, wie man liest, keinen
Geringeren
als den formvollendeten und ingeniösen Dichterphilologen Daniel
Heinsius
herausfordern will. Wie Wilhelm Kühlmann entdeckt hat,
äußert
sich Balde schon ein Jahr zuvor mit derselben Zuversicht in einem Brief
an Ferdinand von Fürstenberg und spricht auch von einer geplanten
Widmung
an Papst Alexander VII. (14.8.1657).220
Das Weitere liegt leider etwas im Dunkeln. Kühlmann nimmt an, dass
der uns bekannte, 1663 gedruckte, erste Teil der „Urania“ schon 1657
(nach dem zitierten Brief) an den Papst gesandt und sogleich (vor einem
Brief vom
19.9.1657221) von diesem mit
einer
Goldmünze regaliert wurde; aber das macht in sich chronologische
Schwierigkeiten
und lässt sich vor allem mit dem zitierten Zeugnis aus „De studio
poetico“,
wonach ja die „Urania“ auch in vorläufiger Form noch nicht
vollendet
sein kann, schwerlich vereinen.222
Sie dürfte also doch wohl langsamer und später entstanden
sein,223 großenteils
zugleich mit der Arbeit an den letzten Satiren.
Auf jeden Fall ist diese „Urania“224
von Balde als Abrundung eines Lebenswerks gedacht, das nach Lyrik und
Satire nun eben auch die Elegie umfassen soll. Das deutet er an in
mehreren Äußerungen,225
am klarsten in der Vorrede an den Leser:226
Mussabat nimirum aliquis: omninò debes adhuc gratiam
istam mansuetioribus Musis, ut tenerum vel masculum quodcunque
commentum, cum lauro meriturus et myrtum, numeris imparibus227
canas. [...] Sat esse datum Venusinis fidibus: sat Juvenalis et Horatij
ancipiti romphaeae. Sat denique enthusiasmis,228
et exoticorum conceptuum aestuosis torrentibus. moderandum nunc esse
ingenium, excutiendos vel refrenandos furores. Jactabant alij
callidiùs: facile esse nonnullis, dum fervet sanguis, in diversa
et quodammodo ab humanis usibus abstracta Themata, quasi lymphatos
rapi. illum Poetam magni nominis censendum, qui in certo pulcroque, sed
leniori argumento stabilem pedem haud inglorius fixisset. Elegiaco
stylo aliquid scribere, molli atque Jonico:229
hoc esse quod pervadat animos, et famam consummet. atque hoc
jactantiùs improperabant. credo ut periclitarentur, an ex
Satyrico Lyricoque Poeta, elegiacus fieri possem.230
Wenn sich Balde von dieser stichelnden Argumentation seiner Freunde
beeindruckt gibt, ist das sicherlich nicht völlig ernst zu nehmen:
Dass die (ja vorwiegend erotische) Elegie eine Gattung gerade für
das Alter sei, steht
in Widerspruch zu den Äußerungen der klassischen Elegiker;231
und auch dass sie eine besondere Herausforderung für den
arrivierten Dichter darstelle, wird man bezweifeln. Und doch ist
unverkennbar, dass sich hinter der offenkundigen Ironie dieser Vorrede
die wirkliche Sehnsucht verbirgt, durch Erschließung einer neuen
Gattung etwas zu schreiben, „quod famam consummet“.
Wohl kaum in einem anderen Werk ist Balde so sehr
die Vereinigung all dessen gelungen, worauf er sonst partiell abzielte
und was seine Dichtungen bestimmt hatte. Es ist ein durch und durch
christlich-platonisches Werk, in dem Urania, Personifikation der
für den Himmel bestimmten, dem Bräutigam Christus
versprochenen menschlichen Seele, von den fünf Sinnen, die sie von
dieser Berufung abziehen wollen, bedrängt wird; es ist ein strikt
an der Antike orientiertes Werk, dadurch dass diese Verführung
durch die als Freier auftretenden Sinne die Form eines
erotisch-elegischen Briefwechsels hat, der aus Ovids Heroiden, genauer
gesagt: aus deren Doppelbriefen entwickelt ist;232
und es hat schließlich die bei Balde so beliebte zyklische Form:
Jeder der fünf Sinne schreibt nicht nur selbst einen Werbebrief
und erhält darauf eine (abschlägige) Antwort, er wird
unterstützt von je zwei ihm zugeordneten Sekundanten – dem
Gesichtssinn (Visus) etwa assistieren ein Maler (Cinna) und ein
Astronom (Phisco) –, die ebenfalls Briefe schreiben und mit einem Korb
bedacht werden. So entsteht ein „gleichsam more geometrico
konzipierter Elegienzyklus“ (Kühlmann)233
aus dreißig Gedichten, in denen sich die ganze damalige Welt, im
Angebot besonders auch ihrer Künste und Wissenschaften
widerspiegelt. Am Ende steht, als Gipfel säkularer
Verführungsmacht, die Geschlechtsliebe selber, verkörpert im
Trabanten des „Tactus“, dem „ruhmredigen Soldaten“ Caspar Aruncus
Venantius Afer, der, wie Balde ausdrücklich angibt, kein anderer
ist als der Teufel selber. In seinem lasziv-dreisten Brief, der
in seiner noch ungenierteren Urfassung Baldes Zensoren verstört
hat,234 ist die
ovidianische Elegie235
in ihrem eigentlichsten Element (epist. 29, cap. 11):
Fortè times culpam?
simplex, ne rustica dicam, 236
Audacem et timidam non decet esse nimis.
Pecca, sed retice, modò
casta silentia serves,
quis prohibet
taciti dulcia furta tori?237
Hiermit kehrt Balde zugleich, noch handgreiflicher als in den vorigen
Briefen, zurück zum großen Thema seines ersten Werks „De Dei
et mundi amore“: Auch dort war ja schon der mit dem Teufel
gleichgesetzte
Cupido als Widersacher Christi im Kampf um die menschliche Seele
aufgetreten.
Aber zur selben Zeit, wo Balde an seiner „Urania“
arbeitet, die ja noch zwei weitere Teile haben sollte,238
beschäftigt ihn wiederum auch der Gegenstand seines zweiten
Jugendwerks, des „Regnum poetarum“. In seiner ein Jahr später
veröffentlichten „Expeditio polemico-poetica“ (1664)239
erscheinen noch einmal, vermehrt um wenige andere,240
jene zwölf Dichter, die er einst im Gymnasium hatte auftreten
lassen, um seinen Schülern ihre vor allem stilistische
Verschiedenheit zu demonstrieren (s. oben S. ).241
Diesmal sprechen sie weniger selbst – gelegentliche Verse sind
wörtliche Zitate aus ihren Werken –, als dass sie ihre jeweilige
Eigenart durch ihr Handeln und Denken verraten: Sie agieren
nämlich, unter der Oberleitung Vergils, bei einem Feldzug, den sie
gemeinsam gegen die im dickschädeligen Böotien gelegene Burg
der „Unwissenheit“ (Ignorantia) unternehmen. Da wird man sich zum
Beispiel rasch klar darüber, dass die „Majestas“ Vergils es
verbietet, ihn körperlich am Feldzug zu beteiligen; dasselbe
Privileg könnte natürlich auch der ebenso klassische Horaz in
Anspruch
nehmen, aber, geistig beeinträchtigt durch vortägigen
Weingenuss,242
erklärt er sich bereit, als Pfeifer zur Militärmusik
beizutragen. Was die Frage nach dem dazugehörigen Trommler
aufwirft: Der standesbewusste Claudian (dem Baldes besondere Sympathie
gehört) verhindert, dass man den dichterisch unbedarften Consular
Silius Italicus dazu bestimmt und versucht, den von ihm verachteten
Martial ins Gespräch zu bringen; der aber,
ein Speichellecker, rettet sich, indem er Claudian das berühmte
Hündchen Issa schenkt. Als man aber schließlich auf die Idee
kommt, den Grammatiker Priscian, und zwar den „Verprügelten
Priscian“ (Priscianus Vapulans), des Nicodemus Frischlin243
zum Trommler zu nominieren, ist Horaz so empört über die
Inferiorität dieses Musikerkollegen, dass er Pfeife und Leier
wegwirft (wie einst den Schild bei Philippi) und sich zur Truppe der
Satiriker schlägt, die über
diesen prominenten Zuwachs höchlichst erbaut sind – bis auf
Juvenal,
der um sein Unterkommando fürchtet, wo er ja doch nach seinem
Urteil
der viel kraftvollere Satiriker ist als Horaz.244
Und so geht es weiter245
mit vielen Eifersüchteleien der Poeten und Kalauern Baldes, die
aber doch zumindest dazu beitragen, dass sich der Leser, wenn die Burg
endlich erobert ist, wieder einige Eigentümlichkeiten der
betreffenden Dichter ins Gedächtnis gerufen und eingeprägt
hat. In diesem Sinn wird denn auch resümiert (an den jugendlichen
Adressaten Josephus Bertronius)
Habes igitur, Juvenis nobilissime, Veterum Poetarum (nam
Recentium censuram, delibando vix attigimus) ingenia geniumque,
stylorum & spirituum varietatem, atque diversos canendi modos,
militariter à nobis descriptos, non sine illecebra, ut putamus,
aliqua, conveniente tuae aetati, assumendos. Indue Vatis, qui
placuerit, ferociam & arma, quae mensurae respondeant.246
Aber dieser phantastische Feldzug ist mehr als nur eine humorvolle
Stilkritik zum Nutzen der Jugend. Dazu muss man die Rahmenhandlung
betrachten, die wir bisher außer Acht gelassen haben. Nicht aus
eigenem Antrieb nämlich haben sich die „Veteres Poetae“ daran
gemacht, die Burg der Ignoranz zu stürmen. Sie wurden dazu
aufgefordert von den „Neoterici“, den neulateinischen, humanistischen
Dichtern, die dasselbe unter Führung keines Geringeren als
Petrarca
versucht hatten, dabei aber kläglich gescheitert waren: Petrarcas
höchsteigenes Tintenfass, mit dessen Hilfe er schon –
humanistischer Überschwang!
– an einer „epistula ad amicos“ über die erfolgreiche Expedition
schrieb, wurde von einer Kugel zerschmettert, zusamt dem Bildnis seiner
Laura.247 Da
kommt Fracastoriu248
im Gespräch mit Hieronymus Vida auf den rettenden Einfall und vor
allem die richtige Diagnose:
numquid non praediximus? copias nostras immani huic speluncae
expugnandae non suffecturas; ut si centies numerosiores simus: arma
hebetia habemus. valentioribus machinis destituimur. Barbariem
eradicare volumus, ipsi semipagani. Veterum Poetarum
convocandae sunt vires. 249
Petrarca war nach Scaligers berühmtem Urteil (dem Balde zustimmt250)
der erste, der „es wagte, aus dem Schmutz der Barbarei sein Gesicht zum
Himmel zu erheben“251.
Mit ihm beginnen Humanismus und Bildungsreform, die am Ende des
fünfzehnten Jahrhunderts auch Deutschland erreichen. Von
dieser gegen die Kräfte der Ignoranz an Schulen und
Universitäten durchgekämpften Reform – „Barbariem eradicare
volumus“ – handelt die Allegorie dieser „Expeditio polemico-poetica“;252
und der Sinn der Erfindung ist, dass die wirkungsvolle Bekämpfung
der Ignoranz nicht möglich war ohne die Hilfe der wiedererweckten
antiken Autoren, dass der Humanismus auch eine Renaissance sein musste.
Darum hat Balde aus seinem Katalog neulateinischer
Dichter alle neueren Katholiken weggelassen: Rader, Gretser, Bidermann
haben
ja für die humanistische Bildungsreform, die bald nach der Mitte
des
sechzehnten Jahrhunderts abgeschlossen war, nichts mehr zu tun
brauchen.
Wir lesen also neben den Namen der großen Italiener des
fünfzehnten
und sechzehnten Jahrhunderts (Sannazarius, Maphaeus Vegius, Marullus
usw.)
als Deutsche nur die beiden Eobanus Hessus (1488-1540) und Joachim
Camerarius
(1500-1574), zwei um die deutschen „studia humanitatis“ hochverdiente
Dichter,
beide Protestanten, die Luther nahe gestanden haben. Baldes Bekenntnis
zu
einem echten, überkonfessionellen Humanismus in dieser letzten
größeren Schrift könnte nicht klarer und eindeutiger
sein.
Die letzten zwei Werke Baldes, „Urania“ und
„Expeditio“,253
zeigen noch einmal die Spannweite seines Schaffens: Er ist
Verkündiger einer christlichen, oft christlich-platonischen
Botschaft und er ist humanistischer Imitator der großen
klassischen Antike. Beides kann sich vereinigen, muss es aber nicht.
Die rein humanistische „Expeditio“ tritt neben die fromme (allerdings
auch von Ovid geprägte) „Urania“ wie einst die „Batrachomyomachia“
neben die Predigt von „De vanitate mundi“ (S. ). Die
Vorstellung, Dichtung der Jesuiten dürfe allemal nur der
Glaubenspropaganda dienen, ist, wie auch schon ein Blick in „De studio
poetico“ lehrt, ganz abwegig.254
Zu den genannten beiden Tendenzen tritt als Konstante eine dritte:
Baldes Streben nach Originalität, „novitas“. Im „Maximilianus I.
Austriacus“ erhebt er zuerst ausdrücklich den Anspruch auf Neuheit
(S. ), aber auch schon etwa sein „Regnum poetarum“
hat kein rechtes Vorbild, und die meisten Werke tragen die Züge
auch von Formexperimenten. Ein Teil dieser „novitas“ ist auch das
zyklische Prinzip, das in Emblemsammlungen wie „De Dei et mundi amore“
zu Hause ist, von Balde aber auch etwa auf die Komödie
(S. ), das Prosimetrum (S. ), das horazische Odenbuch
(S. ) und schließlich die Elegiensammlung
(S. ) ausgedehnt wird und das vor allem im
eigenwilligsten Werk, „De vanitate mundi“, triumphiert (S.
).
Wie weit ist nun – dies war ja unsere Ausgangsfrage
– in Baldes vielgestaltigem, die Gattungen durchschreitendem Lebenswerk
ein bestimmter Plan erkennbar? Wenn er als junger Lehrer im „Regnum
poetarum“ (1628) zeigt, dass er alle Ausdrucksmöglichkeiten der
klassischen Dichtung beherrscht (S. ), verbindet sich
das doch nicht mit dem Plan, in diesen diversen Stilen nun sukzessive
große Werke zu schreiben. Aus einem zufälligen Auftrag
seines Collegium entsteht im selben Jahr ein etwas problematischer
Claudian-Panegyricus (S. ), dem freilich bald
Besseres nachfolgt (S. ). Die Pflicht der Schule
führt ein Jahr später zu einem interessanten Formexperiment
mit der Komödie (S. ). Aus eigenem Antrieb und
sozusagen auf eigene Faust hält sich Balde gerade nicht an die
klassischen Gattungen, in denen er später so erfolgreich ist,
sondern experimentiert mit dem Prosimetrum, um im „Maximilianus“ (1631)
und „Magnus Tillius“ (1632) große Helden zu verherrlichen.
Während hier das Streben nach „novitas“ künstlerisch noch
weniger ertragreich ist, bringt das von antiken Vorbildern noch weiter
abführende Formexperiment von „De vanitate mundi“ (1636) dem
Dichter allerdings größten Erfolg. Gerade dieser befriedigt
ihn aber nicht: Er arbeitet seine schlichte „Ode“ um zum polymetrischen
Werk eines „deutschen Martial“ (S. ).
In diesen Jahren der Ingolstädter
Lehrtätigkeit entsteht nun zum ersten Mal der Ansatz zu einer
größeren Werkplanung, in der sich die beginnende Sorge um
ein „Lebenswerk“ abzeichnet. Die an sich schon stattliche
„Batrachomyomachia“ ist gedacht als heiteres Praeludium zu einem
großen Epos auf Tilly, mit dem Balde vielleicht so etwas wie ein
neuer Vergil werden möchte. Aber dieses epische Projekt bleibt im
Ansatz stecken: Etwa gleichzeitig mit der Berufung nach München
(1637) stellt Balde sein Epos zurück und plant nunmehr – die
frühere Verzettelung der Kräfte überwindend – das
große lyrische Corpus eines „deutschen Horaz“
(S. ), ein Unternehmen, das ihn dann gute
fünf Jahre (bis 1643) beschäftigt und mit dem er den
Ärger seines Kurfürsten riskiert (S. ).
Auch diese Lyrik scheint nur Teil eines schon umfangreicheren
Vorhabens. Balde beabsichtigt kein „lyrisches Jahrzehnt“, sondern
möchte nach den „Sylvae“ sogleich zur Elegie, genauer: zu einer
großen elegischen Mariendichtung übergehen (S.
). Aber die noch unausgeschöpften Möglichkeiten lyrischer
Dichtung halten ihn bei der Lyrik fest (S. ). Auch
dieser Plan wird aufgegeben, vorläufig.
Entschließt sich Balde nun, Satiriker und
damit in neuem Sinn „deutscher Horaz“ zu werden? So sieht es
zunächst aus, aber die Zeugnisse lehren doch ein wenig etwas
anderes. Als Pfarrer in Landshut und Amberg lässt er sowohl 1651
sein Satirenbuch „Medicinae gloria“ (S. ) als auch 1654
seine monumentale Tragödie „Jephtias“ erscheinen (S.
), weist sich also auf zwei völlig verschiedenen und für ihn
neuen Gebieten als Dichter aus. In den Vorreden zu beiden Werken stellt
er Nachfolgedichtungen in Aussicht, gewissermaßen, wenn man so
will, als Angebote an seine Leser. Wenn es dann zu dieser Fortsetzung
nur bei der Satire kam, lag das also wohl nicht an einem Plan Baldes,
sondern an der Publikumsreaktion: Während der Satiriker Balde
beklatscht wurde, blieb man dem Tragiker gegenüber kühl
(S. ): Bis heute hat ja die herrliche „Jephtias“ keine
Bühne gefunden. So kommt es, dass Balde, als er, den alten Plan
eines elegischen Werks wieder aufgreifend, in
Neuburg a.D. seine große elegische „Urania victrix“ (1663)
ausarbeitet, von sich immer nur als dem „lyricus“, „satyricus“,
„elegiacus“ spricht:255
Seine Hoffnung, auch als „tragicus“ eine Erneuerung der deutschen
Bühnendichtung zu erreichen, hat er aufgegeben. So hat
begreiflicherweise auch Westermayer in seiner Periodisierung von Baldes
Lebenswerk dem Drama keinen Platz gegeben.256
Was ist also abschließend über die vier
„Lichtbrechungen“ von Westermayers Schema zu sagen? Einen „epischen
Morgen“
hat Balde mehr gewollt als gehabt; der „lyrische Mittag“ hat sich ihm
länger
ausgedehnt, als er ursprünglich dachte; auch der nur „satirische
Abend“
entsprach wohl nicht ganz seinen Hoffnungen; erst in der „elegischen
Dämmerung“ scheinen sich Absicht und Verwirklichung in seinem
Schaffen voll zu decken. So können wir aber doch immerhin
feststellen, dass es Balde, dem unendlich Begabten und viel
Beanspruchten, von seiner Ingolstädter Zeit an zunehmend gelungen
ist, sein Schaffen planend zu strukturieren und unabhängig von
seinem äußeren Lebensweg, der ihn von Ingolstadt an den
Münchner Hof und dann wieder ins bescheidenere Neuburg
führte, mit insgesamt bewundernswerter Zielstrebigkeit, Klugheit
und Ausdauer ein Lebenswerk zu schaffen, das seinesgleichen sucht.
-------------------------
1 Georg Westermayer: Jacobus Balde, sein Leben
und seine Werke. Eine literärhistorische Skizze, München
1868, neu hg. v. Hans Pörnbacher und Wilfried Stroh, Amsterdam /
Maarssen 1998,
S. 31. Dieser Neudruck erhält ein bequemer Orientierung dienendes
Repertorium
von Baldes Werken und ein umfangreiches Literaturverzeichnis, das unter
www.klassphil.uni-muenchen.de/~stroh/balde-bib.htm
ständig erneuert wird. Baldes Werke werden im Folgenden, wenn
nicht anders angegeben, zitiert nach der umfangreichsten Ausgabe:
R.P. Balde è Societate Jesu Opera poetica omnia, 8 Bde.,
München 1729; Neudr. hg. und eingeleitet von Wilhelm Kühlmann
und Hermann Wiegand, Frankfurt a.M. 1990 (= Texte der frühen
Neuzeit 1), mit einer wertvollen Einleitung.
2 Sie findet eine gewisse Bestätigung schon in
der er noch unter Mitwirkung Baldes erschienenen Gesamtausgabe der
„Poemata“ von 1660, wo, ohne Berücksichtigung der Chronologie,
eingeteilt ist in:
Lyrik (Bd. 1), Epik (Bd. 2), Satiren (Bd. 3), Varia (Bd. 4). Dass Balde
selbst
an dieser Ausgabe, deren Aufbau noch nie genauer gewürdigt wurde,
beteiligt
war, ergibt sich schon aus einigen Autorenvarianten gegenüber den
früheren
Drucken; vgl. Thorsten Burkard (Hg.): J. Balde, Dissertatio de studio
poetico,
München 2004 (= Münchner Balde-Studien Bd. 3), S. LII ff.
3 Partieller Widerspruch immerhin bei Peter Lebrecht
Schmidt: Bemerkungen zu Biographie und Text im Werk des Jesuiten Jakob
Balde,
in: Acta Conventus Neo-Latini Hafniensis, Binghamton, N.Y. 1994 (=
Medieval
and Renaissance Studies 120), S. 97-119 Nachdruck in: P.L. Sch.,
Traditio
Latinitatis. Studien zur Rezeption und Überlieferung der
lateinischen
Literatur, hg. von Joachim Fugmann, Martin Hose, Bernhard Zimmermann,
Stuttgart
2000 [danach zitiert], S. 320-339, dort S. 326: „Balde war trotz der
Batrachomyomachia (1637) nie eigentlich Epiker.“
4 In ähnliche Richtung geht, was Balde im
„Solatium podagricorum“ sagt (Op. poet. omn. [s. oben Anm. 1] 4, S. 1
f.): „Deinde, nosti Fortunae meae rotam. Ab alijs movetur. Saepe
impellor ad ea, quae animus aversatur. Tandem incitatus, semel incepta,
si cum Authoris voto & presagitionibus non pugnant, omni studio
perurget.“
5 „Objicis ignavi temeratam crimine fastus, / Teque
tribus lustris displicuisse mihi“ (Op. poet. omn. [s. vorige Anm.] 7,
S. 196).
6 Op. poet. omn. [s. oben Anm. 1] 7, S. 197
7 In der Tat kommt in dem Gedicht, auf das Balde
anspielt (s. unten S. ) das schreiende Baby während
und in Folge eben des Gedichts zur Ruhe.
8 Der Lärm der Korybanten bzw. Kureten sollte das
Geschrei des neugeborenen Zeus übertönen und diesen vor
seinem
kinderfressenden Vater Kronos retten (Ovid, fast. 4,207-210).
9 So ist wohl zu lesen statt des überlieferten
„Cogor“, wodurch der schon in „jubeor“ enthaltene Begriff der
Nötigung unschön wiederholt würde.
10 Dass Amphion mit dem Klang seiner Leier Theben
erbaut habe, ist vor allem durch die allegorische Deutung des Horaz
(ars 394) bekannt geworden (vgl. zur sonstigen Bezeugung in Rom
Günter Wille, Musica Romana, Amsterdam 1967, 552 f., wo die
Horazstelle fehlt).
11 „Bedenke weiterhin, meine Süßeste, dass
ich nicht mein freier Herr bin. / Ich schreibe, was der eine befiehlt.
Ich singe, was dem andern beliebt. / Heißt man mich, festliche
Fackeln für Brautleute emporzuheben: / So steigt für ein
keusches Ehebett die hochzeitliche Flamme empor. / Oder soll ich das
Geplärr aus goldgesäumten Windeln aufhalten: / Dann schlage
ich in deiner Art, Corybant, die Zimbeln. / Oder soll ich unserem
Jupiter emporragende Tempel errichten: / So versuche ich, wie Amphion
mit der Leier zu bauen. / Dass ich schreckliche Schlachten von
Mäusen gesungen habe, das war nicht / unsere, sondern die schlimme
Begierde eines anderen. / Den Jephtiaden haben wir vor den Augen des
Volks aufgeführt, weil wir darum gebeten waren. / Auch diese
Wünsche waren Bitten mit der Gewalt von Waffen. / So wird vom
Feldherrn der Soldat, so der Feldherr vom König ‚gebeten‘. / Meine
Muse war nicht frei, ihrer eigenen Natur zu folgen.“
12 Auffallend ist die Auslassung des Maximilianus I.
(dazu unten S. ??)
13 Veronika Lukas (Hg.): Batrachomyomachia. Homers
Froschmäusekrieg auf römischer Trompete geblasen von Jacob
Balde S.J. (1637/1647), mit kritischer Ausgabe des ersten Buches,
Übersetzung und Kommentar, München 2001, S. 86. Von Freunden
zu einem Werk gedrängt worden zu sein, gehört zur festen
Vorredentopik auch bei Balde; vgl. jetzt den Beitrag von Thorsten
Burkard in diesem Band.
14 Dieser könnte allerdings auch erst nach der
Drucklegung der Neubearbeitung von „De vanitate mundi“ erschienen sein.
15 Wie Thorsten Burkard, Dissertatio (wie oben Anm. 2)
S. 100 (mit Verweis auf Lit.) zeigt, steht Balde mit dieser Abwertung
hier in einer von Opitz herkommenden Tradition.
16 S. 8 Burkard (wie oben Anm. 2)
17 „Ich will, dass du,
Crescentius, ein Dichter seist, kein Versemacher. Denn nichts ist
wertloser als diese Sorte von Mensch. Alle Wände, sogar den
Fußboden, auf den sie treten,
überziehen sie (oder soll ich sagen: beschmutzen sie?) voll
Freude
mit ihren improvisierten und witzlosen Versen. Solche Leute bekleiden
die
Wände, hängen ihre Embleme auf; bis zur Heiserkeit loben sie
Lebendige
und Verblichene. Sie bedrohen die Gräber und die Wiegen. Man
möchte
sie rhythmische Leichenkosmetiker nennen, hausiererische
Brautführer, hochzeitliche Bettler, geburtstägliche
Handleser“ (übersetzt unter Verwendung der Übersetzung von
Burkard, s. oben Anm. 2).
18 S. 38 Burkard (wie
oben Anm. 2)
19 „Aber jetzt verlangt
man Eintagswerke von denen, die ihre Musen dazu zwingen, in
schmählichster Knechtschaft zu dienen. Auf den Wink eines jeden
müssen sie gerüstet dastehen, sie müssen dem Kind
zulächeln, das eben zur Welt kam, sein Plärren aufhalten, die
Zimbeln schlagen. Ein anderes Mal die Braut verhüllen, die Makel
ihrer Schönheit abwaschen, den Brautschleier umbinden, die Fackeln
schmücken, die es zu heben gilt. [...] Was soll man tun? Man muss
singen. Was rasch gefordert wurde, gib rasch, unbesorgt um den Ruhm.
Wer kümmert sich um so was?“
20 Burkard (s. oben Anm.
2) S. 239 f., dem diese (kaum eruierbare) Anspielung entgangen ist,
vermutet, die „cymbala“ würden (wie unsere Glöckchen) zur
Beruhigung des Säuglings eingesetzt; sie dienen aber zur
Übertönung von dessen Geschrei (vgl. oben Anm. 7 und 11).
21 Dass er sich
früh zur Dichtung berufen weiß, bezeugt ein Erlebnis des
Sechzehnjährigen, der sich von einer Zigeunerin in Straßburg
Entsprechendes prophezeien lässt (sat. 1,19, 126 f. = Op. poet.
omn. 4, S. 431).
22 Op. poet. omn. 1, S.
161
23 Der Ansicht Georg
Westermayers u.a., Baldes Ode auf die Martinsgans (silv. 5,22)
gehöre noch in die Ensisheimer Zeit, ist von Peter L. Schmidt
(Biographie und Text [wie oben Anm. 3] S. 328-330 und mir (im Nachwort
zur Neuausgabe von Westermayer (wie oben Anm. 1) S. *5-*6 widersprochen
worden (Nachdruck des Nachworts, in: Wilfried Stroh: Baldeana.
Untersuchungen zum Lebenswerk von Bayerns größtem Dichter,
hg. von Bianca-Jeanette Schröder, München 2004 [=
Münchner Balde-Studien 4], S. 41-57, dort S. 45).
24 Richtig eingeordnet
von Peter L. Schmidt, Biographie und Text (wie oben Anm. 3), S. 325.
25 Bibliographisch
registriert im Repertorium der Werke Baldes (s. oben Anm. 1) unter Nr.
0, mit Verweis auf B1a. Dankbar verwendet (auch in Fotokopie) habe ich
das Exemplar der Universitätsbibliothek München
(Signatur: 4 Philos. 1581 # 3). Den ersten Hinweis auf diese
Schülerarbeit verdanke ich Dr. Helmut Zäh. Sie scheint bisher
in der Baldeforschung noch nie behandelt worden zu sein.
26 Es wäre zu
wünschen, dass der philosophische Gehalt dieser Schrift und
überhaupt der Inhalt von Baldes Philosophiestudium untersucht
würde: So hätten die Untersuchungen über sein
Verhältnis zu Stoa, Platon usw. ein festeres Fundament.
27 Wenn ich recht sehe,
ist Balde zumal in den früheren Werken, ein „Lipsianer“, aber das
bedarf dringend genauerer Untersuchung.
28 Zitat genau nach
Orthographie und Zeilenbruch der unpaginierten Vorrede von insgesamt
zwei Seiten.
29 Von einer
Unterstützung durch Apoll sagt Ovid nichts; Balde hat das
erfunden, um die spätere Pointe mit dem „Christianus Apollo“ (s.
unten) vorzubereiten.
30 „carmina ... formas“
ist ein kompletter Hexameter (angelehnt an Ovid, met. 1,1 f. „mutatas
dicere formas / corpora“), den Balde hier in seine Prosa gemogelt und
durch die spondeisch-kretische
Klausel „formas fundere“ kaschiert hat.
31 Nur „altero“ und
„alteratio“ sind unklassische Vokabeln (belegt zuerst bei Boethius),
die hier zur Beschreibung des Inhalts von Baldes Abhandlung eindringen;
„qualitas“ hat bekanntlich Cicero selbst schon gebildet. Sonst ist die
Vorrede auch in der Wortwahl rein
klassisch.
32 „Ovid, jenes
einzigartige Genie aus Sulmonas Land, rühmte sich, dass er, von
Apoll begnadet, Lieder singe, die von der Verwandlung menschlicher
Gestalten künden. Und so werde auch ich mich nicht scheuen,
ALLERGNÄDIGSTER ERZHERZOG, sofern du nur zulässt, dass im
Zeichen deines Allergnädigsten Namens
diese philosophischen Thesen ans Licht treten, zu sagen, dass ich
handeln
werde zwar nicht von verwandelten Gestalten, sondern von der
Verwandlung selber, nicht von Eigenschaften der Körper, die sich
verschiedentlich ändern, sondern von der Veränderung selbst,
und schließlich nicht unter dem Schutz eines nichtigen und
erdichteten, sondern eines wahren und christlichen Apolls.“
33 Der Ausdruck nach
Cicero, epist. 1,9,23, bei dem allerdings die „seueriores Musae“ die
Rhetorik, „mansuetiores Musae“ die Philosophie bezeichnen. Bei Balde
wird der Sinn eindeutig durch die folgende Benennung der Institutionen,
die Leopold mit apollinischer Gnade erleuchtet und gefördert habe:
„Florent complura Pieridum limina [...]; stant amplissimarum
Academiarum culmina [...].“
34 „Alium itaque
Patronum quærere non debui, quam eum, quo Musas ipsas iam pridem
vti sciebam [...]“, was hier allerdings in Bezug auf die Dissertation
selbst gesagt wird.
35 Zur
Überlieferung und (umstrittenen) Historizität der
Erzählung s. bes. die grundlegende Arbeit von Günter Hess:
Fracta Cithara oder Die zerbrochene Laute. Zur Allegorisierung der
Bekehrungsgeschichte Jacob Baldes
im 18. Jahrhundert. In: Walter Haug (Hg.), Formen und Funktionen der
Allegorie. Symposion Wolfenbüttel 1978, Stuttgart 1978 (=
Germanistische Symposien Berichtsbände 3), S. 605-631; mit
übertriebenem Skeptizismus weitergeführt von Peter L.
Schmidt, Biographie und Text (wie oben Anm. 3) S. 330-333, vgl. dagegen
W. Stroh im Nachwort zum Neudruck von Westermayer = Baldeana (wie oben
Anm. 24) S. 47-53 und Andreas Heider: Spolia vetustatis. Die
Verwandlung der heidnisch-antiken Tradition in Jakob Baldes
marianischen Wallfahrten: Parthenia, Silvae II Nr. 3 (1643),
München 1999 (Münchner Balde-Studien Bd. 1), S. 68-72.
36 Die frühesten
Anspielungen darauf finden sich am Schluss des „Ehrenpreiß“
(1638) und des siebten Buchs der „Sylvae“ (1643); die
Zuschreibung an Balde selbst gibt erst Mederer in seiner
Ingolstädter Universitätsgeschichte (1782); vgl. die oben
(Anm. 35) angeführte Literatur.
37 Was Joseph Bach
(Jakob Balde. Ein religiös-patriotischer Dichter aus dem Elsass,
Freiburg/Br. 1904, S. 20) darüber weiß, scheint frei erdacht.
38 Antike Vorbilder
für eine vergleichbare Besteigung des Musenbergs sind u.a. Lucrez
1,117-119 (über Ennius), Vergil, ecl. 6,65 (über Gallus),
georg. 3,11 und (scherzhaft) Catull 105. Nie ist dabei wie hier bei
Balde an einen poetischen Lehrgang gedacht. Vielleicht ist Balde in der
Tat von dem für Poetikhilfsbücher üblichen Werktitel
„Gradus ad Parnassum“ angeregt, obwohl dieser vor 1687 (Paul Aler S.J.)
noch nicht nachgewiesen scheint.
39 Der aus
Säckingen stammende Keller war ein Landsmann des Alemannen Balde.
40 Mit „ars nostra“ kann
im Gegensatz zur vorher behandelten Rhetorik nur die Poesie gemeint
sein: Alemannen haben zu ihr, wie Balde behauptet, eine besondere
Affinität.
41 Gemeint sein
müssen entweder pindarische Oden (wie sie unter den Neulateinern
vor allem Jean Dorat gepflegt hat) oder freirhythmisch-pindarische
„Dithyramben“ (dazu bes. Andreas Heider [wie oben Anm. 35] S. 181-216).
42 Zu den „einfachen
Rhythmen“ s. unten; „dictare“ ist wohl nicht für „Diktieren“,
sondern mit leichtem Germanismus (aber vgl. schon Thes. ling. Lat. V
1011, 62 ff. Graeber) für „Dichten“ gesagt.
43 Seit Ovid (fast. 6,5
„est deus in nobis, agitante calescimus illo“) bezeichnet „calor“ den
dichterischen Enthusiasmus (vgl. bes. Stat. Theb. 1,3).
44 Eine nicht ganz
durchsichtige Anspielung auf Verg. ecl. 4,12
45 Hier wie häufig
verwechselt Balde „nequicquam“ (vergeblich) mit „nequaquam“ (in keiner
Weise).
46 Mit Anspielung auf
die als niedrig empfundenen „sermones [...] repentes per humum“ (Horaz,
epist. 2,1,251) der horazischen Hexameterdichtung.
47 So wohl zu lesen statt des
überlieferten „arcum“. Vgl. etwa Ovid, met. 1,467 „Parnasi
constitit arce“ sowie zahlreiche weitere Belege in Thes. ling. Lat. II
741,52 ff. (Kempf).
48 Wie vor allem der von
Balde bewunderte Statius in seiner „Thebais“ dargestellt hat, drang
Capaneus mit Hilfe einer Leiter über die Mauern Thebens in die
Stadt. Die Wendung „iter aerium“ (Stat. Theb. 10,842), Luftweg,
bezeichnet (auch bei Balde) sonst metonymisch die Leiter selbst,
hier wörtlicher: den Weg durch
die Luft; als Metonymie für die Leiter dient dann „arbor“.
49 Op. poet. omn. 1,
S.118: „Und da du vor allem, unter unserem Himmel geboren, / zu unserer
Kunst besondere Neigung hattest, / verkettetest du Wörter mit
Edelsteinen, dass sie königlich tönten, gegürtet
mit der Gewandung Pindars. / Du pflegtest (aber auch) einfache Rhythmen
zu dichten und meine / Begeisterung durch deine Verheißungen
anzuspornen: / Du wagtest es, mir Ehrentitel, ein Leben voll von Ruhm
und große Monate zu verheißen. / Unter deiner Führung
– denn wir verachteten es ganz, am Boden zu kriechen –
bestiegen / wir den Gipfel des böotischen Bergs, / nicht in
trägem Schritt (denn langsamen Gang ließest du nicht zu), /
sondern wie auf Flügeln des gefiederten Blitzes. / Gleich wie
Capaneus, als er seine Luftreise auf dem Baum durchmessen hatte, / sich
emporhob über die besiegte Stadt. / Du standest weiter unten, bis
ich vom Felsen zurückgekehrt wäre,
/ noch im Innersten erregt von Phoebus.“ Eine geschickte
Versübersetzung der Partie gibt Georg Westermayer (wie Anm. 1) S.
29.
50 Agathyrsus str. 17-19
(Op. poet. omn. 7, S. 234-236)
51 Ein Kennzeichen
Baldes sind ja die im ganzen Werk verteilten „enthusiasmi“, in denen
der Dichter seinen „furor poeticus“ explizit darstellt (vgl. Beate
Promberger: Die „Enthusiasmen“ in den lyrischen Werken Jacob Baldes von
1643, Übersetzung und Kommentar, Diss. München 1995,
Mikroform-Diss. Ketsch bei Mannheim 1998). In diesem Gedicht fällt
auf, dass Balde den Enthusiasmus nur sich selber attestiert (V. 30, 40,
49 f.), nicht aber seinem Lehrer Keller.
52 Allein diese
Bezeichnung des erhabenen Dichterrosses als „Gaul“ (entlehnt aus dem
Satiriker Persius, prol. 1), zeigt den humoristischen Charakter dieser
Partie (nicht etwa des ganzen Gedichts).
53 „Aber ich, das
schwebende Haupt in die Wolken getaucht, / durchschwamm
fremdländische Pfade. /
Bald aber brachte ich Gebüsch vom Berg, Efeu und Kränze von
Lorbeer, / und eine Feder vom stehenden Gaul / und Bruchstücke vom
hohen Parnass mit mir herunter, / damit du wüsstest, dass ich den
Gipfel bezwungen hatte.“
54 Anreger ist Lucrez,
der Ennius einen Lorbeerkranz vom Helicon holen lässt (1,118).
55
Renaissancedarstellungen des Parnass zeigen regelmäßig das
Dichterross auf der Bergspitze.
56 Auch mit diesem
Sträuben der Haare ist der dichterische Enthusiasmus bezeichnet,
vgl. Balde, Sylvae 9,24,26 und 5,5,2 f.; Beate Promberger,
„Enthusiasmen“ (wie oben Anm. 51) S. 47.
57 Der feurige
Äther, in dem Balde „geschwommen“ ist, hat Verbrennungsspuren
hinterlassen.
58 „Wie stark
hüpfte da uns beiden die Brust / und hauchte aus die Flammen der
Freude! / So noch wie ich eben zum Halten gekommen war, im Starren
meiner gesträubten Haare / und bespritzt vom Ruße des
Äthers, / hießest du mich
alsbald den Schweiß in der süßen Cirrha – und mit
einem anderen
Schweiß abwischen.“
59 Der Text wäre
etwas leichter verständlich, wenn man in V. 52 statt „sudore“
lesen wollte „sudare“: Für die Bedeutung macht das aber keinen
wichtigen Unterschied.
60 Zu „istis“ ist
wiederum zu ergänzen „accessere“.
61 „Hinzu kam, über
dies alles hinaus, dein gütiger Blick, und zu ihm / Geschenke, die
ein Abbild deines Charakters waren: / entweder die Trompete, die von
Heroen
tönt, oder die Flöte, die vom Frieden spielt / und eine
Leier,
die auf dem Lande spricht.“
62 Diese
Charakterisierung muss sich auf eine Besonderheit Kellers beziehen, die
noch der Erhellung bedarf.
63 Genaueste
Beschreibung der Handschrift (clm 27271.III), die noch weitere Arbeiten
Baldes enthält, bei Peter Lebrecht Schmidt: Balde und Claudian:
Funktionsgeschichtliche Rezeption und poetische Modernität. In:
Jean-Marie Valentin (Hg.): Jacob Balde und seine Zeit, Bern u.a. 1986,
S. 157-184, dort S. 174-177; nachgedruckt in: Traditio Latinitatis (wie
oben Anm. 3) S. 365-372. Zum Werk vgl. auch Wilfried Stroh: Seneca in
Prag: ein tragisches Exercitium des jungen Jakob Balde S.J.,
herausgegeben und kritisch erläutert. In: Marianne Sammer (Hg.):
Leitmotive: Kulturgeschichtliche Studien zur Traditionsbildung
(Festschrift Dietz-Rüdiger Moser), Kallmünz 1999, 69-119;
Ndr. in: W. Stroh: Baldeana (wie oben Anm. 23) 59-119.
64 Generelle
Gattungsbezeichnung für alle rhetorischen Schuldarbietungen
(M[anfred] Kraus, „Exercitatio“. In: Historisches Wörterbuch der
Rhetorik, Bd. 3, Tübingen 1996, Sp. 71-123, bes. Sp. 104).
65 Wie Balde angibt,
spielt dieser Titel an auf einen Brauch, an Epiphanias „reges“ zu
wählen.
66 Mit „harmonia“, das
so in klassischem Latein nicht nachzuweisen ist, muss gemeint sein, was
sonst in der rhetorischen Stilistik „compositio uerborum“ heißt.
67 Überliefert ist
„flores“, was kaum richtig sein kann.
68 Alternative
Emendation des überlieferten „seruiat“: „seruiant“
(mündlicher Vorschlag von Jürgen Leonhardt). –
Gemeint ist wohl
in diesem schwierigen Satz, dass die Erkenntnis der poetischen
Stildifferenzen, auf die Balde abzielt, dem Schüler einen
bleibenden Gewinn bringt, im
Gegensatz zu einem bloßen emotionalen Kitzel, der auf den
Augenblick beschränkt bliebe.
69 „DECLAMATION oder
Königreich der Dichter, in welchem der Stil eines jeden Dichters
nach dem Beispiel der Alten nachgebildet wird und seine jeweilige
Verschiedenheit einmal im Hinblick auf die Unterschiedlichkeit des
Stoffs, zum andern aber auch durch die immer wieder andere Art der
Wortfügung erläutert wird. –
Wenn wir heute von Kriegen, Leichen und Triumphen singen, so verzeiht
uns bitte, ihr Hörer, wenn es scheint, dass wir unserem Vorhaben
nicht gerecht
werden können. Vor kurzer Zeit habt ihr Maler (?) gesehen, jetzt
hört
auch Dichter! [...] Wir lassen auftreten die ältesten Dichter,
oder
besser: junge Männer, die die Personen der ältesten Dichter
verkörpern
[...]. [...] Thema des künftigen Gedichts wird der Böhmische
Krieg
sein. Die (verschiedenen) Stile werden wir so einrichten, dass mehr
deren
Verschiedenheit erkennbar wird, als dass es nur auf die bloßen
Affekte
ankäme, die ja zugleich mit dem Versmaß vergehen.“
70 Dieser Brief ist
gesondert ediert und übersetzt von Wolfgang Schibel in: Parnassus
Palatinus. Humanistische Dichtung in Heidelberg und der alten Kurpfalz,
lateinisch-deutsch, hg. v.
Wilhelm Kühlmann und Hermann Wiegand, Heidelberg 1989, S. 212-227,
Erläuterungen
auf S. 259-263.
71 Horaz, ars 73-82; die
dort erst folgende Lyrik (83-85) hatte Horaz um des Kaiserlobs willen
schon an den Anfang gesetzt.
72 Die „Verse“ scheinen
jambischen Octonarii frei nachempfunden. Wahrscheinlich dachte Balde
bei dieser Nachgestaltung plautinischer Maße, deren Gesetze ja
erst im 19. Jahrhundert wirklich erforscht werden sollten, an Horaz,
der Plautus gerade wegen seiner unkultivierten Metrik (epist. 2,1,174;
ars 270) verspottet hatte.
73 Es beginnt mit
regelmäßigen Sapphikern und geht dann über in andere,
meist äolische Versmaße: eine erste Studie zu den (von den
polymetrischen Chorliedern Senecas inspirierten) „Dithyramben“, wie sie
Balde später oft gedichtet hat; vgl. bes. Andreas Heider (wie oben
Anm. 41).
74 S. oben Anm. 71
75 Gemäß der
Forderung des Horaz (ars 86) „descriptas seruare uices operumque
colores“ (die Opitz vier Jahre vorher vor sein „Buch von der Deutschen
Poeterey“ gesetzt hat).
76 Kritisch ediert (und
z.T. kommentiert) sind bisher nur der „Claudian“ von Peter L. Schmidt
und der „Seneca“ von Wilfried Stroh (s. oben Anm. 63); eine brauchbare
Edition mit Kommentar des „Lucan“ liegt mir vor in Form einer
Münchner Staatsexamensarbeit (2002) von Volker Berchtold.
77 W. Stroh, in:
Baldeana (wie oben Anm. 23 und 63) S. 117-119
78 Zuerst
veröffentlicht in Op. poet. omn. 3, 305-317; dazu Veronika Lukas:
Jacob Baldes Pudicitia vindicata. Einleitung, Übersetzung und
Kommentar, Magisterarbeit München 1992 (vorgesehen zur
Veröffentlichung in Münchner Balde-Studien).
79 S. 305 (die
Bezeichnung ausgerechnet an der Stelle, wo der Bischof dem Schlafgemach
der jungen Damen einen Incognitobesuch abstattet). Hier und
überhaupt spürt man in der „Pudicitia vindicata“, anders als
im „Regnum poetarum“, ein ästhetisches Vergnügen Baldes an
dem Kontrast zwischen der erhabenen Form und dem oft etwas banalen
Gegenstand („exile Thema“, S. 306).
80 Dazu gehört auch
die in der Handschrift auf das „Regnum poetarum“ folgende „In Comitem
Ernestum Mansfeldium Philippica poetarum“, deren Edition von P.L.
Schmidt geplant ist. In ihr verwandelt unter anderem ein als Ovid
agierender Schüler Graf Mansfeld in einen Raben.
81 Op. poet. omn. 3, S.
287-294. Den ersten Versuch einer kommentierten Edition dieses
überaus schwierigen Textes hat Florian Amselgruber in einer
Münchner Staatsexamensarbeit (2003) gemacht. Amselgruber
erwägt eine spätere Datierung.
82 Op. poet. omn. 3, S.
295-305
83 Die Blätter der
Handschrift müssen (trotz einiger überraschender
Schreibfehler) die Originale sein, die im Gymnasium ausgehängt
waren. Wie Hess (s. unten Anm. 85) S. 34, gegen Georg Westermayer u.a.,
richtig gesehen hat, handelt es sich nicht etwa um den Niederschlag
einer Aufführung lebender Bilder. Im Gegensatz zu solchen sind
Emblemausstellungen in der jesuitischen „Ratio studiorum“ vorgesehen.
84 Venus, Cupidos
Mutter, soll ja nach Hesiod aus dem Meer geboren sein (der Kalauer
„maria – Maria“ findet sich auch sonst).
85 G. H.: Amor in
München. Anmerkungen zu Jacob Baldes Emblem-Handschrift von 1628.
In: Wolfgang Harms / Dietmar Peil (Hg.): Polyvalenz und
Multifunktionalität der Emblematik (Akten des 5. Internationalen
Kongresses der Society for Emblem Studies), Teil I, Frankfurt a.M. 2002
(= Mikrokosmos. Beiträge zur Literaturwissenschaft und
Bedeutungsforschung Bd. 65), S. 25-46, dort S. 29. Günter Hess
bereitet zusammen mit Claudia Wiener eine Ausgabe vor.
86 Cupido
verkörpert sowohl, wie in der antiken Tradition, die
Geschlechtsliebe als auch allgemeiner die sich von Gott abwendende
sündhafte Begehrlichkeit (z. Bsp. auch die Habgier).
87 Zu deren Wirkung in
Deutschland vgl. jetzt auch die Literaturangaben bei Wilhelm
Kühlmann,
in: Jakob Balde, Urania Victrix - Die siegreiche Urania. Liber I-II –
Erstes
und zweites Buch, eingeleitet, herausgegeben, übersetzt und
kommentiert
von Lutz Claren, Wilhelm Kühlmann, Wolfgang Schibel, Robert Seidel
und Hermann Wiegand, Tübingen 2003 (= Frühe Neuzeit 85) S.
XIII
Anm. 13 (die Einleitung stammt von Kühlmann).
88 Jakob Balde,
Panegyricus Equestris (1628). Edition und Übersetzung mit einem
historischen Kommentar. Herausgegeben von Veronika Lukas und Stephanie
Haberer, Augsburg 2002. Den Auftragscharakter bezeugt sogleich der
erste Satz der Praefatio (S. 34): „[...] scripsi non iniussus, non
inuitus“. Schwer zu sagen, ob man hier ein leises Widerstreben gegen
die Zumutung herauslesen darf, vgl. Lukas a.O. S.
10 Anm. 18. Übrigens erschien das Werk ohne Nennung des
Verfassers, aber
auch nicht im Namen des Ordens (unrichtig Georg Westermayer [wie oben
Anm.
1] S. 36).
89 Lukas (wie oben Anm.
88) S. 24. Baldes Eile zeigt sich auch darin, dass er sonst vor allem
Claudians „Panegyricus de quarto consulatu Honorii Augusti“ ausgebeutet
hat (Lukas a.O. S. 14).
90 Europäische
Literatur und lateinisches Mittelalter, Bern / München ³1961,
S. 171
91 Dass das Gedicht ohne
seinen Namen erschien, mag ihm vielleicht recht gewesen sein; aber bei
der Zusammenstellung der Poemata omnia von 1660 hat er sich doch dazu
bekannt.
92 Die von Jean-Marie
Valentin angefertigte Transkription (Jakob Baldes „Jocus serius
theatralis“ (1629) mitgeteilt von J.-M. V., Euphorion 66, 1972, S.
412-436) ist fehlerhaft; geplant
ist von mir eine kommentierte Edition in den Münchner
Balde-Studien. Vgl. vorläufig W. Stroh: Balde auf der Bühne:
zum dramatischen Werk
des Jesuitendichters. In: W.S., Baldeana (s. oben Anm. 23) , S.
241-308, dort
S. 253-264.
93 Von der Theatergruppe
des Münchner Wilhelmsgymnasiums (Baldes alter Schule), die die
Komödie am 4. April 2004 (u.ö.) wiederaufführte, wurde
besonders dies dankbar registriert. –
Veronika Lukas (s. oben
Anm. 88) S. 12 Anm. 22 denkt an die Möglichkeit,
dass
das schlechte Latein z.T. von Baldes Schülern selber stammen
könnte.
94 Aus der Innsbrucker
Zeit sind sonst nur einzelne Elegien erhalten, zusammen mit
Stücken
aus den späteren Büchern der „Urania victrix“ gesammelt in:
Op.
poet. omn. 5, darunter (S. 318-322) die „Epistola Dianæ ad
Venerem
de morte Adonidis“ (s. Wilhelm Kühlmann, in: Urania Victrix [wie
oben
Anm. 87] S. XIV f., mit Hinweis auf eine Arbeit von Wolfgang Schibel,
der
das Gedicht wohl zu Unrecht später datiert).
95 Zur älteren
Tradition der Form vgl. man das gelehrte Werk von Bernhard Pabst:
Prosimetrum. Tradition und Wandel einer Literaturform zwischen
Spätantike und Spätmittelalter, 2 Bde., Köln u.a. 1994.
96 Op. poet. omn. 8, S.
333-436; vgl. die Interpretation von Karlheinz Töchterle in diesem
Band
97 In der Einteilung der
Affekte folgt Balde Thomas von Aquin (mir vermittelt durch J.
Hengelbrock, „Affekt“, in: Historisches Wörterbuch der
Philosophie, hg. von Joachim Ritter, Bd. 1, Basel/Stuttgart 1971, Sp.
89-93, dort Sp. 92 f.) bzw. Franz Suarez (vgl. Walter Michel: Die
Darstellung der Affekte auf der Jesuitenbühne, in: Günter
Holtus [Hg.], Theaterwesen und dramatische Literatur. Beiträge zur
Geschichte des Theaters [Mainzer Forschungen zu Drama und Theater Bd.
1], Tübingen 1987, S. 233-251, dort S. 233-235).
98 Der Kampf mit ihr
steht vom ersten bis zum letzten Werk Baldes (von „De Dei et mundi
amore“ bis zur Urania victrix“) im Zentrum von Baldes Werk. Man muss
schon ein eingefleischter Feind des „biographical approach“ sein, um
dies nicht im Zusammenhang mit Baldes Bekehrungserlebnis zu sehen.
99 Ausdrücklich auf
ein Emblem mit „subscriptum carmen“ und „Epigraphe“ bezieht sich Balde
bei der Darstellung des (ihm besonders geläufigen) Liebesgotts
Amor (S.
345): „Quae omnia pictor aliquando & Poeta in hunc modum expressere
[...]“. Hier sind auch Gedanken aus „De Dei et mundi amore“
übernommen.
100 Wie schon Georg Westermayer
(wie oben Anm. 1) 43 erkannt hat. Das Werk ist nicht in allem logisch
durchdacht.
101 „Ich stehe auf
deiner Seite, erhabenster Herrscher; diese deine
Unglücksfälle fallen auch in unsere Zeiten. Auch jetzt toben
die Ottomanen übermütig auf Grund fremder Leiden; und in
Abwesenheit feiern sie Triumphe, wenn Christen siegen. Schon fast drei
Lustren verwenden wir auf jenen Krieg, in dem Christen siegen und
Christen besiegt werden. [...] Mit den Soldaten, die in
ehrenrührigen Kriegen erschlagen wurden, hätten
Konstantinopel und Jerusalem wiedererobert werden können.“
102 Also umgekehrt wie
in Rilkes viel strapaziertem Wort, wonach „das Schöne“ nichts sei
„als des Schrecklichen Anfang“; allerdings ist „decus“, nicht nur
Schönheit, sondern auch Ruhm.
103 Der Sinn dieses
Satzes ist etwas dunkel.
104 „Und wir, die wir ja
doch erst gestern in der Furchthöhle oder im Flohkäfig
geboren
wurden, werden einem so ruhmreichen Helden Verwegenheit vorwerfen?
Werden
sagen, er habe sich mitunter unvorsichtig verhalten? Werden seinen Ruhm
verdunkeln, wir ängstliche Menschlein? [...] Aber nach meinem
Urteil ist die Schönheit gering, wenn ihr kein Schrecken ein
Vorspiel geliefert hat; ist der Ruhm ohne kriegerischen Glanz, wenn ihn
kein Löwe mit seinem Mark gesättigt hat. Allzu ängstlich
wägen wir die Gesinnungen von Caesaren und nehmen den Fuß
des Volks als Maß für die großen Schritte von Riesen.
[...] Diese Leute müssen wissen, dass Maximilian I. unter die
Heroen gerechnet wird.“
105 Georg Westermayer
(wie oben Anm.1) S. 43 Anm. 1 hat eruiert, dass von den beiden damals
in Ingolstadt immatrikulierten Baronen von Preysing keiner sich, auch
nicht mit zweitem Namen, als Maximilian führen lässt.
106 Mit 232 Seiten in den Opera
poetica omnia (8, S. 1-„332“: die Paginierung ist falsch) ist dies das
umfangreichste Werk von Balde überhaupt.
107 Vgl. dazu neben
Georg Westermayer (wie oben Anm. 1) S. 44-50 auch W. Stroh: Balde auf
der Bühne (wie oben Anm. 92) S. 266-271 (mit weiteren
Literaturhinweisen); dort ist ausgesprochen, dass ich das Innsbrucker
Maximiliansgrab für einen Anreger der Hauptidee von Baldes
Dichtung halte.
108 Vgl. W. Stroh: Balde
auf der Bühne (wie oben Anm. 92) S. 266 Anm. 73.
109 Aus verschiedenen
Andeutungen lässt sich vermuten, dass das Ganze auf eine
begeisterte poetische Improvisation Baldes im Kreis seiner Freunde
zurückgeht: Balde ist doch offenbar
der „Poeta“, von dem Freund Alphonsus spricht (S. 296) und der sich
selber
„Editorem hujus spectaculi“ (S. 298) nennt. Am Schluss wird die
Fiktion,
dass es sich um ein gemeinsames visionäres Erlebnis gehandelt
habe,
fast deutlich fallen gelassen, als es heißt (S. 331): „Alphonsus
atque
Symphorianus mihi gratiis actis [! ...], quod præterea dicerent,
non
habebant: illud unum rogantes, ut ad beneficia [!] adderem promissionem
diligentiæ
meæ: atque hæc Parentalia prorsus eo ordine funebrique luxu
&
dignitate, qua videramus celebrata, conscriberem: dictitantes, nullius
operæ
pretium majus facturum me esse.“ Die Prosakommentare, die z.T. auf die
Tragödienmonologe und Chorlieder folgen, dürften
tatsächliche Erörterungen
der Freunde im Anschluss an einzelne Improvisationen Baldes
widerspiegeln.
110 „Sprach Alphonsus:
Was betrauern wir TILLY? So die Toten zu feiern, das heißt sie
der
Welt als Lebende zu zeigen. Was erwarten wir mehr von ihm? Er
hört,
er sieht, er kämpft, er siegt, er lebt noch, und er lebt
ruhmreich.
Was wollen wir? Kriege? Von hier brechen sie aus. Triumphe? Aus diesem
Grabmal
kommen sie hervor. Ratschlüsse? Er gibt Rat aus dem Grabe.“
111 Vgl. Statius, silv.
2,7 (Genethliacon auf Lucan); 1,2 (Epithalamion für Stella und
Violentilla); Claudian 8/9 (Epithalamion für Honorius und Maria).
112 So nennt man heute
Gedichte, in denen auf eine außerhalb des Gedichts ablaufende
Handlung
Bezug genommen wird (dazu Winfried Albert: Das mimetische Gedicht in
der
Antike. Geschichte und Typologie von den Anfängen bis in die
augusteische
Zeit, Frankfurt a.M. 1988 [= Beiträge zur Klassischen Philologie
Bd.
190]). In lyr. 2,36 schläft Balde selbst am Ende seiner Ode ein.
113 Op. poet. omn. 3, S.
234-254
114 Das Verhältnis
von Baldes Lehrtätigkeit am Gymnasium und seiner nominellen
Zugehörigkeit zur Artistenfakultät der Universität ist
geklärt von Veronika Lukas (wie oben Anm. 13), S. 8 f.
115 Balde selbst
erinnert an die bei römischen Hochzeiten üblichen
„Fescennina“ mit ihrer Anzüglichkeit, von der er sich
natürlich rasch wieder distanziert; indes „neque nos voluimus
morosi esse“ (S. 235).
116 Gegen Georg
Westermayers (wie oben Anm. 1) S. 37 f. Frühdatierung
der Entstehung s. W. Stroh, Nachwort zu Westermayer, in Baldeana (wie
oben Anm. 23) S. 45 f. und Veronika Lukas (wie oben Anm. 13) S. 5 f.
117 Veronika Lukas (wie
oben Anm. 13) S. 10-14
118 Praefatio S. 86-91
Lukas (wie oben Anm. 13)
119 Praefatio S. 84
Lukas (wie oben Anm. 13): „Ich sagte schon: Als junger Mann habe ich
(dies) gespielt. Es gibt aber unter den berühmten Dichtern, wie
Statius im ersten Buch der ‚Silven‘ in der Vorrede zu seinem Freund
Stella schreibt, keinen, der zu seinen Werken nicht ein Vorspiel im
lässigeren Stil verfasst hätte; denn wir lesen ja auch den
‚Culex‘ (Mücke) Vergils und lassen die ‚Batrachomyomachia‘ Homers
gelten.“
120 Lyr. 1,23, 51-56
(Op. poet. omn. 1, S. 30); das Gedicht ist ausdrücklich auf 1637
datiert.
121 Op. poet. omn. 1,53
„Uns gehörst du, unsere Flammen sollen dich treiben, uns wirst du
zuerst besingen. Die berühmte TILLIAS wird folgen, sie, die auf
großen Ruhm sinnt und auf ‚Waffen und Mann‘ [Verg. Aen.1,1]“. Die
Verse sind richtig gedeutet von Lukas (wie oben Anm. 13) S. 52 f. Anm.
158, vgl. S. 3 mit Anm. 13 (gegen Peter L. Schmidts Bagatellisierung
von Baldes epischen Absichten).
122 Wie Veronika Lukas
(wie oben Anm. 13) S. 20 f. Anm. 85 scharfsinnig nachweist, ist die
Geschichte bei Balde zwischen den beiden Punischen Kriegen angesiedelt.
123 III 12, 90 f., vgl.
Lukas (wie oben Anm. 13) S. 51.
124 Vgl. Lukas (wie oben
Anm. 13 ) S. 51-54
125 Gegen Ende der
Praefatio (S. 90 Lukas [wie oben Anm. 13]): [...] usus vel
palpandâ HYPERBOLE; vel plerumque manifestâ IRONIA, quae
omnes V. libros velut anima percurrit (vielleicht nach Plutarch bei
Stobaios 4,20a,34 [Wachsmuth / Hense IV p. 444 f.]: Die Liebe ziehe
sich durch die Dramen des Menander wie ein gemeinsamer Atem).
Überraschend und erklärungsbedürftig ist es, wie hier
Baldes Ironiebegriff von der gängigen antiken, noch im 17.
Jahrhundert gültigen Definition (Sagen durch das Gegenteil)
abweicht.
126 Vgl. Rudolf Berger:
Jacob Balde. Die deutschen Dichtungen, Bonn 1972 (= Studien zur
Germanistik, Anglistik und Komparatistik 10), S. 93-118 (Bergers
Würdigung der deutschen Gedichte ist fundamental, leider noch
immer zu wenig bekannt); Wilfried Stroh:
Poema de vanitate mundi, in: Baldeana (wie oben Anm. 23) S. 123-131.
127 Belege bei Rudolf
Berger (wie oben Anm. 126) S. 26 f.
128 Es handelt sich um
einen Wechsel von akatalektischen und katalektischen jambischen
Dimetern,
eine Form, die so in der klassischen lateinischen Poesie nicht
vorkommt.
Balde folgt Matthaeus Raders Übersetzung von „Der grimme Tod“, s.
W.
Stroh, in: Baldeana (wie oben Anm. 126) S. 121 f.
129 Op. poet. omn. 7, S.
23 f.
130 Metrische
lateinische Texte hat Balde nie singen bzw. vertonen lassen.
131 Op. poet. omn. 7, S.
83
132 Mit Anspielung auf
Horazens Selbstbeschreibung als „Epicuri de grege porcus“ (epist.
1,4,16),
vgl. Eckart Schäfer: Deutscher Horaz: Conrad Celtis, Georg
Fabricius,
Paulus Melissus, Jakob Balde. Die Nachwirkung des Horaz in der
neulateinischen
Dichtung Deutschlands, Wiesbaden 1976, S. 139 f.
133 Dies nur in der
Erstausgabe (bzw. deren Nachdruck von 1637); moderner Nachdruck bei
Rudolf Berger (Hg.): Jacob Balde: Deutsche Dichtungen, Amsterdam /
Maarssen 1983.
134 Vgl. Rudolf Berger
(wie oben Anm. 126) bes. S. 132-146; Wilfried Stroh: Iss dich
schlank
mit Pater Balde! Sein Münchner Magerkeitsverein im Spiegel der
Dichtungen und eines neuen Handschriftenfunds, in: Baldeana (wie oben
Anm. 23) S. 209-240, bes. S. 213-222.
135 Diese sind in Prosa
geschrieben, bestehen aber aus Hinkjamben (da sich der „Scazon“ anders
offenbar nicht äußern kann).
136 Martial trägt nicht
nur, wie die anderen, ein eigenes Gedicht vor, sondern darf die
Gedichte der anderen epigrammatisch resümieren, und
schließlich verwickelt ihn Plautus in ein Streitgespräch
(das er siegreich besteht).
137 Gerade in der
zweiten Fassung wird das Christliche stärker betont als in der
ersten; s. W. Stroh, Poema, in: Baldeana (wie oben Anm. 126) S. 131.
138 Was über das so
gut wie unerforschte Gedicht (Op. poet. omn. 8, S. 437-490; im
Gegensatz
zum „Maximilianus“ auch schon im 4. Band der „Poemata“ von 1660)
bekannt
ist, steht bei Westermayer (wie oben Anm. 1) S. 63 f.; ein besonders
historischer Kommentar wäre erwünscht.
139 Sonderbarerweise
stellt Westermayer a.O. eine Nähe gerade zum „Maximilianus“ fest.
140 Vgl. jetzt besonders
Heidrun Führer: Studien zu Jacob Baldes ‚Jephtias‘. Ein
jesuitisches Meditationsdrama aus der Zeit der Gegenreformation, Lund
2003 (= Diss. Lund 2003); W. Stroh: Balde auf der Bühne, in:
Baldeana (wie oben Anm. 92), dort bes. S. 271-308 (mit Kritik an
Führer).
141 Seine Berufung zum
Hofprediger mag auch den Sinn gehabt haben, ihn von den poetischen
Arbeiten,
wie sie die Schule vom Rhetoriklehrer verlangte, zu entbinden. Die
kontraproduktive Berufung zum Hofhistoriographen kam ja dann erst
später.
142 Seit spätestens
der „Icon Authoris“ in der Ausgabe von 1729 (Op. poet. omn. 1, am
Anfang, ohne Paginierung) bezieht man diesen Titel, bei dem
ursprünglich wohl mehr an die Satire gedacht war (W. Stroh, in:
Baldeana [wie oben Anm. 23] S. 241 f. Anm. 2), ausschließlich auf
die Lyrik.
143 Wichtiger Anreger
war sicherlich der „polnische Horaz“ Sarbiewski, der Balde vielleicht
auch von seinen polnischen Schülern nahe gebracht wurde; vgl.
Schäfer (wie oben Anm. 132) S. 126.
144 Ich lasse mit
Absicht den deutschen Titel. Da Balde nie einen Nominativ, sondern nur
den (griechischen) Genitiv „Epodon“ gebraucht, und da er im
Inhaltsverzeichnis die einzelnen Gedichte jeweils „Ode“ nennt, ist zu
vermuten, dass ihm als Nominativform „Epode“ bzw. „Epodae“ vorschwebt;
vgl. zur Auffassung des horazischen Werktitels in der Renaissance
Eckart Schäfer (wie oben Anm. 132) S. 21 und 117 Anm. 45.
145 Die überragende
Gesamtwürdigung bietet immer noch Eckart Schäfer, Deutscher
Horaz (wie oben Anm. 132); wertvoll bleibt daneben Anton Henrich: Die
lyrischen Dichtungen Jakob Baldes, Straßburg 1915 (= Quellen und
Forschungen
zur Sprache und Culturgeschichte der germanischen Völker 122).
Einzelinterpretationen unterschiedlichen Werts gibt jetzt der
Sammelband von Eckard Lefèvre (Hg.): Balde und Horaz,
Tübingen 2002.
146 Op. poet. omn. 3,
S.104. Leider noch unediert ist die (im Motiv des Himmelsflugs den
späteren Balde schon vorwegnehmende) Horaz-Ode aus dem „Regnum
poetarum“. Einige horazische Oden finden sich auch schon im
„Maximilianus I. Austriacus“.
147 „Die Anordnung der
Gedichte ist im großen und ganzen [!] chronologisch“ (Henrich
[wie
oben Anm. 145] S. 219, mit sehr wertvollem Überblick über die
Datierung); dies gilt zumindest insoweit, als alle von Balde selbst
datierten
Gedichte (also nicht auch alle von uns datierbaren) in zeitlicher Folge
auf die Bücher verteilt sind: eine Abweichung von Horaz. So
ergeben
sich folgende Entsprechungen: Buch 1: 1637/38, Buch 2: 1638-1640, Buch
3:
1640/41, Buch 4: 1641/42. Den Übergang von Ingolstadt nach
München
markieren die beiden Gedichte, in denen Balde am Ende des ersten Buchs
(lyr.
1,42 und 1,43) seine Berufung zum Mariensänger ankündigt, die
er dann sogleich in lyr. 2,1 glanzvoll verwirklicht; vgl. W. Stroh,
„Die
Münchner Mariensäule und ihr Dichter Balde (lyr. 2,26)“
[zuerst
1988], in: Baldeana (wie oben Anm. 23) S. 187-208, dort S. 188 Anm. 4.
148 lyr. 3, 7-10: „Me
BRUTI effigies, & vox audita CATONIS / Nil animo servile ferentis;
/ Et duo praebentes ANNÆI colla Neroni / Impulerant admittere
gibbum“ (Op. poet. omn. 1, S. 142). Die beiden Annaei sind
natürlich Seneca und Lucan.
Es ist also der Todesmut dieser stoischen Helden (zu denen Brutus als
Akademiker streng genommen nicht gehört), der Balde von der
Richtigkeit ihrer
Lehre überzeugt hat.
149 Wichtig auch hier
Eckart Schäfer (wie oben Anm. 132) S. 195-218, wo aber manches bei
Balde zu pauschal als stoisch reklamiert wird. Einiges Neue brachte
Sabine Müller: Jacobus Balde und die Stoa, Zulassungsarbeit zum
Staatsexamen (masch.), München 1985. Wünschenswert wäre
vor allem eine Untersuchung des Verhältnisses von Stoizismus und
Platonismus bei Balde.
150 Stoischen Gehalt hat
besonders auch das „Carmen geniale“ 1,26, dann 2,6; 2,37.
151 Dazu kommt der
öfter erhobene Vorwurf der Heuchelei. –
Hochironisch ist die Einführung zur „cyno-stoischen Sekte“
in lyr. 3,23.
152 Also wie Augustus
von Horaz wird Maximilian von Balde erst im vierten Buch angeredet.
153 Stoisch ist vor
allem der Gedanke des göttlichen Weltregiments (V. 1 ff., vgl. bei
Seneca „De providentia“ und Phaedr. 959 ff.; vgl. bes. auch Proverbia
8,27 ff.) und
die Vorstellung, dass die vermeintlichen Leiden der Guten nur
Prüfungen sind (V. 113 ff. ). – Die
neuerdings vorgetragene Interpretation, dass das Gedicht vor allem
Maximilians Machtanspruch relativieren und kritisieren solle, ist nicht
leicht zu vereinen mit Baldes klarem Gedanken, dass Maximilian der von
Gott geschützte und geleitete Herrscher sei.
154 Dies ist der
Hauptgedanke des auch von Schäfer (wie oben Anm. 132) S. 148 f.
nicht voll erfassten Gedichts sylv. 5,4 mit dem paradoxen Titel
„Imitari se Horatium nonnumquam non imitando“: Das enthusiastische
Erlebnis ergibt eine „imitatio Horatii“, die gerade nicht bewusster
„imitatio“ entspringt.
155 Vgl. aber auch
Eckart Schäfer (wie oben Anm. 132), S. 172, der in Anm. 75 die
Entsprechungen von Horaz und Balde zusammenstellt. Festzuhalten ist,
dass sich der Grundcharakter zumindest der Schelte in allen Epoden des
Horaz durchhält.
156 Dazu Ulrich
Schmitzer: Die Erste Epode und die Türkenkriegsparainese im Werk
des Jakob Balde, in: Eckard Lefèvre: Balde und Horaz (wie
oben Anm. 145) 235-276.
157 Ein Gegenstück
zu Hor. epod. 5, vgl. Stefanie Grewe: Dirae in Judaeos: Antike und
zeitgenössische Vorbilder für Baldes Ritualmordschilderung in
Epode 14, in: Eckard Lefèvre: Balde und Horaz (wie oben Anm.
145) S. 253-276.
158 Davon ist vor allem die dritte Sammlung
(„Parthenia“) erschlossen durch Andreas Heider (wie oben Anm. 35).
159 Wilhelm
Kühlmann nennt das Buch eine „poetische Diatribe aus dem Geist der
althumanistischen Reichsmoralistik“ (Alamode-Satire, Kultursemiotik und
jesuitischer Reichspatriotismus - Zu einem Gedichtzyklus in den
‚Sylvae‘ (1643) des Elsässers Jacob Balde SJ, in: Simpliciana 22,
2000, S. 200-226.
160 Jede Strophe besteht
aus sechs akatalektischen und einem katalektischen trochäischen
Dimeter; die Wortakzente liegen mit zwei Ausnahmen auf den
ungeradzahligen Silben. Vgl. zum Metrischen Andreas Heider (wie oben
Anm. 35) S. 203-205.
161 Op. poet. omn. 2, S.
222: „Du Dunkel eines leuchtenden Meeres, du Hafen, der du die Schiffe
verschlingst, du lieblicher Sturm der hohen See, du kriegerischer
Friede, tauche, tauche unter, du sanfter Wirbel, den Dichter. Hier geht
man zu Grunde, wenn man schwimmt; gerettet ist, wer untertaucht.
162 Richtig
interpretiert bei Heider (wie oben Anm. 35) S. 71.
163 Zu diesem Wort
vergleiche man, dass Balde in der Vorrede zur „Philomela“ von seiner
„inutilis pæne jam & enervis Citharæ compages“ spricht
(Op. poet. omn. 6, S. 194).
164 Op. poet. omn. 2, S.
173: „Allmählich zieht es mich, den Erschlafften, aus der Grotte
von Venusia; und Sulmo vertreibt den Aufidus. Eine Zeit wird kommen, wo
ich
dich FLACCUS verlassen werde, um dem NASO zu folgen –
nachdem dieser freilich mit dem Messer kastriert ist.“
165 „Bisweilen werde ich
unter die Rhythmen des Ovid den Tibull mischen und den dichterischen
Fluss des männlichen Umbrers [= Properz], aber so, dass niemand es
wagen
darf, die keusche Glut der schöpferischen Brust zu verdammen. Denn
warum soll ich es verbergen? JUNGFRAU, dein Leben wird besungen werden,
die Empfindungen der Liebe zu dir will ich (dem Gedicht) einfügen“.
166 Somnium (wie unten
Anm. 180) S. 42: „Primo canendi proposito post edita poemata orbis
applausit [...]“, vgl. zu weiteren Zeugnissen bes. Georg Westermayer
(wie oben Anm. 1) S. 110 f.
167 Zu ihm und seinem
Einfluss auf Baldes Lyrik s. bes. Eckart Schäfer (wie oben Anm.
135), S. 130-132; dort behandelt Schäfer auch die geistreiche Art,
in der Balde 1646 zum zweiten Mal von der horazischen Lyrik Abschied
nimmt. Vgl. zu d’Avaux auch Wilhelm Kühlmann: „Ornamenta
Germaniae“ – Zur Bedeutung des Neulateinischen für die
ausländische Rezeption der Deutschen Barockliteratur. In: Leonhard
Forster (Hg.): Studien zur europäischen Rezeption deutscher
Barockliteratur, Wiesbaden 1983 (= Wolfenbütteler Arbeiten zur
Barockforschung 11), S. 13-36, dort S. 19-22.
168 Die einzige
Behandlung des Werks stammt von Andrée Thill: La Philomela,
création poétique dans une paraphrase néolatine
(zuerst 1980); in: A. Th., Jacob Balde. Dix ans de recherche, Paris
1991, S. 23-41; vgl. aber auch Eckart Schäfer (wie oben Anm 135)
S. 129.
169 Op. poet. omn. 6, S.
194: „horum argumento, Boethianis, ut plurimum, metris expresso,
quòd Horatianis, paullò antè plus satis [!]
indulseramus.“
170 Op. poet. omn. 6, S.
196: „Philomela, du Vorläuferin der lieblichen Jahreszeit, / die
du
das Verschwinden von Regen und Schmutz ankündigst – während
du
den Gemütern schmeichelst mit deinem sanften Gesang: Heil dir, du
klügster Vogel, komm, ich bitte dich, zu mir!“
171 Op. poet. omn. 7, S. 218.
Während die makkaronische Dichtung schon einiges philologische
Interesse gefunden hat, ist diese (schon mittelalterliche) Form der
Sprachenmischung m.W. nie eingehender behandelt worden.
172 Nur der
klumpfüßige Scazon, der sich mit Maria nicht verträgt,
ist höflicherweise ausgelassen.
173 Der
überraschende Titel erklärt sich aus der Vorstellung, dass
die mitarbeitenden Dichter in einen sportlichen Wettbewerb miteinander
treten; man lese das amüsante Vorwort: in: Op. poet. omn. 7, S.
326-330.
174 Die verbreitete
Behauptung, Maximilian habe das Werk in Auftrag gegeben, ist jedenfalls
nach Baldes Vorrede nicht richtig; s. Op. poet. omn. 6, S. 346.
175 Es sei denn, man
wollte die Bukolik hierher rechnen; in ihr hatte sich Balde immerhin
schon in den christlichen „Eclogae“ des zweiten Buchs der „Sylvae“
versucht. Von da könnte es stammen, dass Baldes Bauern in
Hexametern sprechen.
176 Immerhin rechnet
Jürgen Leonhardt (Philologie in Baldes Drama Georgicum, in:
Sebastian Neumeister / Conrad Wiedemann [Hg.]: Res Publica Litteraria.
Die Institutionen der Gelehrsamkeit in der frühen Neuzeit, Bd. 2,
Wiesbaden 1987 [= Wolfenbütteler Arbeiten zur Barockforschung 14/2
S. 475-484) damit, dass die Alte Komödie des Aristophanes hier
für Balde das Vorbild abgegeben habe.
177 Op. poet. omn. 8, S.
312 f. Später gebraucht Balde „oskische“ Verse noch im
„Solatium podagricorum“ (a.O. 4, S. 91 f.) und der „Eclipsis solaris“
(a.O. 4, S. 277
f.).
178 Wie leicht zu sehen
benutzt Balde vor allem die Grammatiker Festus und Nonius; für die
literarischen Bruchstücke stand ihm wohl die Sammlung von Robertus
/ Henricus Stephanus (Fragmenta Poetarum Veterum Latinorum, 1564) zur
Verfügung. Da Balde die sprachgeschichtlichen Vorstudien für
sein Werk nicht in den wenigen Monaten der Abfassung gemacht haben
kann, ist anzunehmen, dass er sich längst ein lateinisches Lexikon
angelegt hatte, in dem zu den normlateinischen
Vokabeln jeweils die „oskischen“ Varianten notiert waren. –
Zu wünschen wäre ein sprachlicher Kommentar wenigstens zu
ausgewählten
Partien.
179 Seine als Vorrede
fungierende Abhandlung „De veteri Oscorum lingua“ (Op. poet. omn. 6, S.
347-350) verdient einen Ehrenplatz in der Geschichte der lateinischen
Sprachwissenschaft.
180 Einem
handschriftlichen Kommentar zu sylv. 7,16, vorzüglich
herausgegeben (mit Versübersetzung von Eduard Schwarz!) und
eingeleitet von Joseph Bach: Jakob Balde. Interpretatio Somnii de cursu
Historiae Bavaricae, Straßburg 1904.
181 Somnium (wie oben
Anm. 180) S. 53: „Quis igitur furor fuit immittentium hominem in
pistrinum aulicum nec famelico Plauto subeundeum!“ Ebda.: „[...]
postquam [...] experimentum despoticae censurae ceperat [...].“ Mit
Recht stellt Bach a.O. (wie oben Anm. 180) S. XXXI f. fest, dass
Maximilians Beanstandungen an dem von Balde als Probestück
vorgelegten Text (s. S. 38-41) relativ geringfügig waren.
182 Somnium (wie oben
Anm. 180) S. 42: „[...] nam in medio flore et furore Lyricorum iamque
Silvas suas ingressus erat [...]“; vgl. sylv. 9,34.
183 Somnium (wie oben
Anm. 180) S. 42: „[...] fuliginosi servitii laboribus [...]“.
184 Eine Abneigung
Baldes gegen die Geschichtsschreibung bezeugt der „Magnus Tillius“ (Op.
poet. omn. 8, S. 40); dort ist aber nicht von einem großen Werk
zur Verherrlichung Tillys die Rede (so Bach, in: Somnium [wie oben Anm.
180] S. XXIII u.a.), sondern von einer bloßen Darstellung der
Belagerung von Ingolstadt.
185 Seine ernstliche
Absicht, das Werk durchzuführen, bezeugt er in Somnium (wie oben
Anm. 180) S. 42 und sylv. 9,34; vgl. Bach in Einl. zu Somnium S. XXVI f.
186 Leider ist mir Schäfers
wertvolle Arbeit erst bei Abschluss des Manuskripts bekannt geworden.
Ob
die Folgerungen, die er für Baldes Verhältnis zu Maximilian
daraus
zieht, stichhaltig sind, wird noch zu prüfen sein.
187 Nach Schäfers
früherer Ansicht (Deutscher Horaz [wie oben Anm. 135] S. 136)
„griff
er [Balde] auf Formen zurück, die er vor dem lyrischen Jahrzehnt
benutzt
hatte“. Die zumindest ist nicht richtig; die Prosimetra der
Dreißiger
Jahre waren ganz anders.
188 Die beigegebenen
Noten fehlen im Nachdruck Op. poet. omn. 7, S. 385-393.
189 Immer noch wertvoll
und unersetzt ist die Ausgabe von Johannes Neubig: Jakob Balde’s
Medizinische Satyren, urschriftlich, übersetzt und erläutert,
München 1833. Hilfreich über das Werk hinaus: Carl Joachim
Classen: Barocke Zeitkritik in antikem Gewande. Bemerkungen zu den
medizinischen Satiren des ‚Teutschen Horatius‘ Jacob Balde S.J., in:
Daphnis 5, 1976, S. 67-125. Zuletzt bes.: Hermann Wiegand: Ad vestras,
medici,
supplex prosternitur aras: Zu Jakob Baldes Medizinersatiren. In:
Udo Benzenhöfer u. Wilhelm Kühlmann (Hg.): Heilkunde und
Krankheitserfahrung in der frühen Neuzeit, Tübingen 1992, S.
247-269. Ein medizinhistorischer Kommentar ist ein dringendes Desiderat.
190 cap. 71, S. 66
Burkard (wie oben Anm. 2): „Kurz gesagt: Die meisten anderen Gedichte
mag man wohl der Jugend zuschreiben, dem Frühling des menschlichen
Lebens, wie Blumen; oder dem Sommer, wie Saaten: Die SATIRE ist die
Frucht eines männlichen Geistes und eines reifen Urteils, und sie
verdankt man dem Herbst des Lebens. Junge Leute können sich diese
Frucht zwar wünschen, nicht aber sie pflücken.“ Auf die
Wichtigkeit dieser Äußerung hat schon Georg Westermayer (wie
oben Anm. 1) S. 193 hingewiesen.
191 In „De studio
poetico“ heißt es, der Lyriker Horaz habe „bisweilen“ (per
intervalla) in Art des Lucilius gedichtet (cap. 69, S. 64 Burkard [wie
oben Anm. 2]).
192 Die Zahl von 22
Satiren bei Balde könnte sich erklären als die Summe derer
von Juvenal (16) und Persius (6).
193 Leider ist gerade
dieses Gedicht nicht behandelt in der sonst wertvollen Arbeit von Doris
Behrens: Jacob Baldes Auffassung von der Satire, in: Jean-Marie
Valentin (Hg.): Jacob Balde und seine Zeit: Akten des Ensisheimer
Kolloquiums 15.-16. Oktober 1982, Bern u.a. 1986 (= Jahrbuch für
Internationale Germanistik A 16), S.
109-126.
194 Op. poet. omn. 4, S.
369: „Ex Poeta Popa factus, potiùs profanum hoc genus hominum,
Satyrica securi percussum, immolandum putavi.“
195 Vgl. Thorsten
Burkard (wie oben Anm. 2) zu De stud. poet. 69, S. 330 f.
196 Natürlich mit
Anspielung auf Juvenal 1,79 si natura negat, facit indignatio versum.
197 Op. poet. omn. 4, S.
369: „Indignationes Juvenalis & versus epilepsiam spirantes alteri
materiae reserventur.“ Ähnlich in „De eclipsi solari“ (Op. poet.
omn. 4, S. 223).
198 Vgl. Thorsten
Burkard (wie oben Anm. 2) zu De stud. poet 72, S. 342. –
In der ersten Satire führt Balde vor, wie er sich selber in
juvenalisch-satirische Laune steigert, um sich dann zurückzurufen
(14 f.): „Sed lentius, ohe! / Ingrediamur aquas [...]; vgl. Horaz,
carm. 3,3,70.“ Zur alten Satirenfreiheit rechnet bei ihm auch, wie
klarer aus „De studio poetico“ (Burkard a.O. S. 68) hervorgeht, die
Freizügigkeit im obszönen Vokabular, die seiner Zeit nicht
mehr gestattet sei.
199 Hor. sat. 1,1,24-26;
Balde hat das kontaminiert mit Lucrez 4,11 ff.
200 Op. poet. omn. 4, S. 373:
„Illius exemplo, qui aegrotis crustula blanda / Offert, & succos
apianis condit amaros: / Nos melimella uno pariterque absinthia Libro /
Miscuimus [...]“. Das passt zu der Balde wohlbekannten Satirentheorie
von Jacobus Pontanus, wonach die Satire an sich eine Art Medizin ist;
s. die Arbeit von Doris Behrens (wie oben Anm. 193) S. 114.
201 Eine Aufbauanalyse
der Sammlung, die aus 2 mal 11 Gedichten komponiert zu scheint, ist m.
W.
noch nicht versucht worden.
202 Op. poet. omn. 4, S.
408-412; dazu bes. Hermann Wiegand (wie oben Anm. 189) S. 259-267
203 De humani corporis
fabrica, zuerst Basel 1543; s. Hermann Wiegand (wie oben Anm. 189) S.
261
ff. (mit Abbildung)
204 Darauf ist zu
beziehen außer dem oben Zitierten Med. glor. 1,21-25 (Op.
poet. omn. 4, S. 372), wo Balde sagt, er wolle sein satirisches
Rasiermesser zunächst nur schonend und die Spitzen der Haare
streifend gebrauchen, dann aber: „collum / Cornigeri Rheni & pectus
tentabimus Istri.“ Hier kann kaum, wie Johannes Neubig (wie oben Anm.
189) S. 6 meinte, daran gedacht sein, dass Balde das „Treiben der
Rhein- und Donauländer untersuchen“ wolle; offenbar beabsichtigt
der Barbier Balde, sich nunmehr an die schwer behaarten
Flussgötter
Rhein und Hister heranzuwagen.
205 S. bes. Georg
Westermayer (wie oben Anm. 1) S. 195 und Carl J. Classen (wie
oben Anm. 189) S. 67-70.
206 Vgl. besonders Fidel
Rädle: Lateinisches Theater fürs Volk: Zum Problem des
frühen Jesuitendramas. In: W. Raible (Hg.), Zwischen Festtag und
Alltag, Tübingen 1991, S. 133-147, dort S. 136-138.
207 Vgl. hierzu W.
Stroh, Balde auf der Bühne (wie oben Anm. 92), bes. S. 279 f.,
305-308; dort auch eine ausführliche Interpretation des ganzen
Dramas.
208 Op. poet. omn. 6, S.
11: „Wir werden aber vielleicht auch noch andere (Tragödien)
schaffen, im Stil der Alten, um nicht weniges kürzer, wenn Leben
und Muße dafür ausreichen, Stücke, die sich im Rahmen
von kaum zehn Folien halten sollen. Jetzt jedenfalls soll es mein
Vergnügen gewesen sein, dass ich als Deutscher meinen Landsleuten
auf unbekanntem Weg eine Straße gebahnt habe. Eben das habe ich
ja auch mit der Lyrik und den Satiren versucht. Nun mögen
stärkere Geister sich herausgefordert sehen, ihrem Vorgänger,
der weniger geschickt war, mit größerem Glück
nachzufolgen; und meinethalben mögen sie ihn übertreffen. Das
ganze Jahr tönen alle Theater von Tragödien. Hurra, sollen
diese doch in ein dauerhaftes Licht rücken: damit es nicht
heißt, die Gebildeten seien um ihren Genuss, die Jugend um ihre
Bildung, das Vaterland um seine Schmuckstücke betrogen worden.“
209 Im Argumentum zu „De
eclipsi solari“ (Op. poet. omn. 4, S. 221): „Enimverò hic vates
defecit à stylo suo, ab altissimo canendi genere. Sentit utique
aetatis injuriam. Senescit. Cygni, qui primò illius ore
cantabant, videntur jam capitis comas obsidere. Nam quantus olim in
Lyricis! [...] Enthusiasmi spirant ignem. [...] Quid, putas, fiet, ubi
primum cothurnum induerit! [...] Pro Jupiter! qualia verborum &
sententiarum rotabit tonitrua!“ Balde beruft sich
zur Verteidigung darauf, dass ein so hoher Stil, geeignet etwa für
Oedipus und Medea, zu seiner ebenso zarten wie mutigen Heldin nicht
gepasst hätte (was dem Gedanken in der Widmungsvorrede der
„Jephtias“ an Fürst von Auersperg entspricht, s. dazu Thorsten
Burkard, Baldes Vorreden, in diesem Band).
210 Hinzu kommen zwei im
Auftrag entstandene hexametrische Geburtstagsgedichte: eines auf
Eleonore, die Tochter des Pfalzgrafen, gewürdigt von Georg
Westermayer (wie oben Anm. 1) S. 204-207; ein anderes, „Musae
Neoburgicae“, auf dessen Sohn Johann Wilhelm, mit ansprechenden
Illustrationen und Übersetzung hg. von Wolfgang Beitinger (Die
Neuburger Musen in Festesfreude, Sonderdruck aus dem Kollektaneenblatt
140, Neuburg a.D. 1992).
211 Da, wie er sagt, die
Podagristen nicht gut auf dem Pegasus reiten können (d.h. zwar
Latein verstehen, aber keine literarische Bildung haben), schickt Balde
dem poetischen Buch ein prosaisches voraus (Op. poet. omn. 4, S. 14 f.).
212 Den Bitten der
Freunde, die ihn zu diesem Werk drängen, entgegnet Balde: „Tum,
occiditis me, dixi, Paradoxis vestris. Non satis est, ut vel proprijs
inventis conficiar“ (Op. poet. omn. 4, S. 9).
213 Wie die
vorausgehende Satire, auf deren Erfolg sich Balde am Anfang (Op. poet.
omn. 4, S. 129), bezieht, ist auch „De eclipsi“ in der Weise
prosimetrisch, dass das erste, wissenschaftliche Buch in Prosa, das
zweite, das die Erzählung von den Ereignissen in Amberg bei
der Sonnenfinsternis 1654 enthält, größtenteils in
Hexametern verfasst ist. Im „Argumentum“ zum zweiten Buch betont Balde
die Vielgestaltigkeit dieser Satire gegenüber der Einfachheit der
früheren, von „Medicinae gloria“ bis „Antagathyrsus“ (a.O. S. 218).
214 Unter diesem
überlieferten Titel zitiert Balde das Gedicht.
215 S. oben Anm. 2. Vgl.
S. XVIII-XXI („Balde und Horaz“) und vor allem zahlreiche Bemerkungen
im
Kommentarteil.
216 Dies scheint der
Sinn des Titels „De a r t e poetica“. Mit „De s t u d
i o poetico“ rückt Balde wohl leise davon ab: Die „ars“
steht für ihn nicht ebenso im Vordergrund.
217 cap. 9 = S. 14
Burkard (wie oben Anm. 2): „Denke daran, dass die Griechen den Priester
des Phoebus mit demselben Wort ehren wie Gott: Sie nennen ihn ‚Poeta‘
vom Machen und Erfinden. Beide schaffen ein Werk nach außen, das
kurz zuvor noch nicht in der Natur war: Gott aus dem Nichts, der
Dichter aus dem Hirn. Darum sagt man ja auch, er ‚schaffe ein Gedicht‘,
wie von Gott, er habe ‚die Welt geschaffen‘.“ Diese Gedanken hat Balde
nicht völlig erfunden (vgl. die Parallelen bei Burkard S. 135 f.);
aber er gibt ihnen einzigartige Kraft, indem er den ersten Teil der
Schrift in ihnen kulminieren lässt.
218 cap. 71 = S. 16
Burkard (wie oben Anm. 2)
219 De stud. poet. 70, Burkard
(wie oben Anm. 2) S. 64: „Oder wäre es dir lieber, wenn auch meine
Elegien beendet würden? Ich werde mir Mühe geben, sobald ich
meine
Vorhaben zu Ende gebracht habe, auch aus diesem Grund: dass sich die
nicht
für die einzigen Ovidianer halten, die weder Lyriker noch
Satiriker
sind. Von meinem Vorhaben wird mich in meinem Zeitalter kein Dichter
zärtlicher Liebschaften oder Rhythmen abhalten. [...] Oder
versteht es nur Daniel Heinsius über feurige Steine zu wandeln?
Ich werde ihm, in aller Bescheidenheit gesprochen, keuschere Edelsteine
entgegensetzen; und diese werden dennoch funkeln an einem Gegenstand,
der, soweit ich weiß, ganz neu ist, der zart und ganz besonders
geeignet ist, Vergnügen zu bereiten.“
220 „Difficile et arduum
opus molior, honori Sanctissimi Domini Nostri destinatum. Magnos iam
progressus feci, te calcaria admovente. Nec me Hermannus Hugo, nec
Vincartius, nec alij terrent. Ne ipse quidem Daniel Heinsius. Ut orbem
monstris impleam: ostendam Lyricum et Satyricum poetam, etiam Elegiarum
esse posse.“ Zitiert nach Wilhelm Kühlmann, in: Urania victrix
(wie oben Anm. 87) S. XIII.
221 „Tro[phaea],
applausus cum ipso [sac]ro aureo numismate accepi.“ Zitiert nach
Wilhelm Kühlmann, in: Urania victrix (wie oben Anm. 87) S. XV Anm.
20.
222 Nach Kühlmann
(Urania victrix [wie oben Anm. 87] S. 13 Anm. 12) stünde nach
einem
Brief vom 24.10.1658 zu diesem Zeitpunkt schon der zweite (ungedruckte)
Teil der Urania vor der Vollendung. Auch in diesem Brief bekundet
übrigens
Balde den Stolz auf seine generisch-metrische Versatilität: „[...]
etiam hoc mirabile, Lyricum et Satyricum Vatem in gratiam mitissimi ac
mirandi
Pontificis, potuisse elegiacé mansuescere.“
223 Nach der Neuburger
Chronik gehört die „Urania“ und das damit verbundene Goldgeschenk
des
Papstes in die letzte Lebenszeit Baldes: „Extremis laboribus Vraniam
facilibus
elegis descripsit, quod opus Summus Pontifex Alexander VII. ita
probauit,
ut missa aurea sui effigie sensum suum testaretur“; zitiert nach:
Wilfried Stroh: Die Lebensgeschichte des Jacobus Balde S.J.
(1604-1668) nach dem Neuburger Nekrolog, in: Stroh, Baldeana (wie oben
Anm. 23) S. 7-15.
Das „aureum numisma“ von 1657 (s. vorige Anm.) hat dann wohl nichts
damit
zu tun. Kühlmann versucht übrigens keine Erklärung
dafür, warum ein 1657 vollendetes Werk erst 1663 gedruckt sein
sollte.
224 Fundamental ist jetzt die
kommentierte, von Wilhelm Kühlmann eingeleitete Ausgabe der
Bücher I und II durch die Heidelberger „Sodalitas“ (wie Anm. 87);
es ist sehr zu wünschen, dass diese Arbeit fortgesetzt wird.
225 Vgl. oben die Anm.
220 und 222.
226 Zitiert nach: Urania
victrix (wie oben Anm. 87) S. 10 f., mit wertvollem Kommentar auf S.
207
f. (worauf summarisch verwiesen sei).
227 Formulierung des
Horaz für die Elegie (ars 75): „uersibus impariter iunctis“.
228 Die „Enthusiasmen“
(s. oben Anm. 51) gelten quasi als Inbegriff von Baldes bisheriger
Dichtung.
229 Gemeint ist nicht
„klassisch“ im Sinne irgendeiner Stildiskussion (wie Lutz Claren u.a.,
Urania victrix [wie oben Anm. 87] S. 208 annehmen), sondern
„weichlich“, wie bei Horaz, carm. 3,6,21 „motus [...]
Ionicos“, von lasziver Tanzmusik.
230 „Einer brummte ja:
‚Auf jeden Fall bist du diese Freundlichkeit den sanfteren Musen noch
schuldig, dass du irgendeine zarte oder männliche Erdichtung in
ungleichen Versen singst, um dir mit dem Lorbeer auch die Myrte zu
verdienen. [...]‘ Dem Saitenspiel des Horaz sei genug gehuldigt worden,
genug auch dem zweischneidigen Schwert des Juvenal und Horaz, genug
schließlich den Enthusiasmen und den wirbelnden Sturzbächen
ausgefallener Erfindungen. Jetzt gelte es, den Geist zu
zügeln, die Verzückungen abzuschütteln oder zu bremsen.
Andere
äußerten sich noch schlauer: Für manche Leute sei es
leicht,
sich, solange das Blut noch heiß ist, gleichsam im Wahnsinn zu
entlegenen
und gewissermaßen der Alltagswelt entrückten Themen tragen
zu
lassen. Der aber dürfe als Dichter großen Namens gelten, der
seinen
Fuß fest auf einen bestimmten, schönen, aber sanfteren
Gegenstand
nicht unrühmlich gesetzt hätte. Etwas im elegischen Stil zu
schreiben,
im weichen und jonischen, das sei es, was die Herzen durchdringe und
den
Ruhm vollende. Und dies hielten sie (mir) ganz nachdrücklich vor,
ich
glaube, um auszuprobieren, ob ich aus einem satirischen und lyrischen
Dichter
ein elegischer werden könnte.
231 Properz 2,10,7; Ovid
am. 3,1,27 f.
232 Zur Einordnung in
die Gattungsgeschichte: Heinrich Dörrie: Der heroische Brief.
Bestandsaufnahme, Geschichte, Kritik einer humanistisch-barocken
Literaturgattung, Berlin 1968, S. 404 f.
233 Urania victrix (wie
oben Anm. 87) S. XVIII.
234 S. das von Wilhelm
Kühlmann (nach Luzian Pfleger) in: Urania victrix (wie oben Anm.
87)
S. XVII f. abgedruckte Dokument; was wir jetzt lesen, ist danach eine
von
Balde gemilderte Fassung.
235 Absichtlich
lässt Balde seinen Caspar Aruncus die Schönheit Uranias mit
der der ovidischen Heroiden (cap. 7, S. 217) vergleichen: Hypsipyle,
Phyllis, Briseis, Laodamia, Ariadne.
236 Durch die Kursive
wird auf ein Ovidzitat verwiesen: epist. 16,287 „a nimium simplex
Helene, ne rustica dicam“.
237 Op. poet. omn. 5,
218: „Vielleicht fürchtest du die Verfehlung? Einfältige, um
nicht zu sagen, Tölpelhafte: Verwegen und furchtsam darfst du
nicht zu sehr sein. Sündige, aber sei schweigsam; wenn du nur
keusches Schweigen wahrst, wer verwehrt die süßen Freuden
eines Betts, von dem keiner hört?“ Das Eheversprechen, das Caspar
Aruncus eingangs gegeben hat, ist hier offenbar vergessen.
238 Zur Frage, wie weit
Balde diese schon vollendet hat, s. Wilhelm Kühlmann in: Urania
victrix (wie oben Anm. 87) S. XVI.
239 Die Schrift ist in
den Opera poetica omnia unter die „Dramatica“ gerechnet (6, S.
433-475).
Eine wertvolle Einführung gibt Peter L. Schmidt: „The Battle of
the
Books“ auf Neulatein: Jakob Baldes „Expeditio polemico-poetica“, Der
Altsprachliche Unterricht 27, 1984, Heft 6, S. 37-81; Ndr. in Traditio
Latinitatis (wie oben Anm. 3) S. 340-355; mit teilweisem Abdruck des
Texts und knappem Kommentar. Problematisch ist mir Schmidts These, dass
es Balde vor allem um die Kanondiskussion zu tun sei; jedenfalls betont
Balde, dass er mit seinen Urteilen über die Klassiker nur
übliche Ansichten wiedergebe (Op. poet. omn. 6, S. 476).
240 Ennius, Tibull,
Properz, Terenz, Persius, die aber jeweils kaum eine Rolle spielen.
241 Auf diesen Bezug
haben schon Wilhelm Kühlmann und Hermann Wiegand in ihrem Vorwort
zum Ndr. der Op. poet. omn. (wie oben Anm. 1) S. 10 f. hingewiesen;
weniger überzeugend ist ihre Ansicht, Balde beabsichtige hier, den
Dichter „aus den Fesseln einer streng klassizistischen Schulgrammatik
und Schuldichtung zu befreien“.
242 Vgl. die launige Kritik an
Horazens Alkoholismus in „De studio poetico“ 11, S. 18 Burkard (wie
oben
Anm. 2).
243 Der Held von
Frischlins 1580 erschienener Schulkomödie passt natürlich
kaum in die Reihe dieser Dichter, so wenig wie der zuvor erwogene
„Miles gloriosus“ des Plautus.
244 Balde bestätigt
diese Überlegenheit des Juvenal noch einmal im Anhang (S. 475);
vgl. oben Anm. 195.
245 Paraphrasiert habe
ich soeben die Abschnitte XVI bis XXII der „Expeditio“.
246 Op. poet. omn. 6, S.
474: „Hier hast du also, vornehmer Jüngling, Natur und Genius der
alten Dichter (denn die Beurteilung der Neueren haben wir kaum
gestreift), die
Vielfalt ihres Stils und Geistes und die verschiedenen Weisen, in denen
sie
singen. Wir haben sie in militärischer Weise beschrieben, nicht
ohne
einigen Humor, der, wie wir meinen, deinem Alter entspricht, damit du
sie
dir aneignen kannst. Lege dir den Kampfesmut desjenigen Dichters an,
der
dir gefällt, und die Waffen, die deiner Größe
entsprechen.“
247 Op. omn. 6, S.
445-450 = cap. I-XI.
248 Nach Scaligers
Urteil der beste neulateinische Dichter überhaupt; vgl. Walther
Ludwig: Julius Caesar Scaligers Kanon neulateinischer Dichter, in: W.
L.: Litterae Neolatinae. Schriften zur neulateinischen Literatur,
München 1989 (= Humanistische Bibliothek, Reihe I, Abhandlungen,
Bd. 35), S. 220-241, dort S. 235-238.
249 Op. poet. omn. 6, S.
450: „Haben wir es nicht vorhergesagt? Unsere Truppen werden zur
Eroberung
dieser ungeheuren Spelunke, auch wenn wir hundertmal zahlreicher
wären,
nicht ausreichen: Unsere Waffen sind stumpf. Es fehlt uns an
stärkeren
Maschinen. Wir wollen die Barbarei ausrotten und sind selber
Halbbarbaren.
Die Kräfte der alten Dichter müssen wir zusammenrufen.“
250 In der Widmung der
„Expeditio“ (Op. poet. omn. 6, S. 435): „Hic [sc. Petrarcha] ausus fuit
princeps, tandem aliquando vetulae & capitali bonarum literarum
hosti
[gemeint: die „Ignorantia“], serium bellum indicere.“
251 Poetices libri
septem (Lyon 1561) 6,4, S. 297.: „Primus, quod equidem sciam, Petrarcha
ex lutulenta barbarie os caelo attollere ausus est.“
252 Richtig erkannt von
Georg Westermayer (wie oben Anm. 1) S. 230: „eine allegorische
Darstellung des Wiederauflebens der klassischen Wissenschaften“, was
Peter L. Schmidt (wie oben Anm. 239) S. 38 Anm. 4 (= Traditio
Latinitatis, S. 341 Anm. 4) nicht
als irreführend hätte abtun sollen.
253 Wenn wir absehen von
dem 1664 gedruckten Hymnus „Paean Parthenius“ (verfasst in der
Strophenform von sylv. 7,19).
254 Vgl. Barbara Bauer:
Jesuitische ‚ars rhetorica‘ im Zeitalter der Glaubenskämpfe,
Frankfurt a.M. u.a. 1986 (= Mikrokosmos 18).
255 S. oben Anm. 219,
220, 222.
256 S. oben Anm. 1