Wilfried Stroh

Plan und Zufall in Jacob Baldes dichterischem Lebenswerk


„Alles in Allem genommen lassen sich in Balde’s Lebenstag vier verschiedene poetische Lichtbrechungen nachweisen: ein epischer Morgen (1626-37), ein lyrischer Mittag (1637-49), ein satirischer Abend (1649-62) und eine elegische Dämmerung (1662-68).“ So hat Georg Westermayer das  kaum überschaubare Werk Jacob Baldes in seiner bis heute grundlegenden Biographie (1868)1 eingeteilt,2 und er hat damit viel Zustimmung gefunden.3  Wie aber haben wir uns die Entstehung dieses großen Kosmos von Gattungen vorzustellen? Folgte Balde etwa einem poetischen Lebensplan, so dass er nach vorgefasstem Konzept ein Spektrum der literarischen genera durchmessen hätte? Oder war es der Zufall wechselnder Gelegenheiten und Aufträge, der ihn bald auf dieses, bald auf jenes Gebiet führte? In letztere Richtung weist immerhin, wie es scheint, eine grundsätzliche Äußerung Baldes, die er am Ende seines „Poema de vanitate mundi“ (1638) zur Entstehung seiner Werke macht.4  Zum richtigen Vorverständnis sei sogleich gesagt: Es handelt sich um ein Huldigungsgedicht an die Göttin „Elegia“, die sich darüber beklagt, vom Dichter vernachlässigt worden zu sein,5 und die er nun also zu besänftigen hat:6

       Adde: quòd ipse mei non sim, dulcissima, juris.
             Scribo, quod ille iubet. canto, quod alter amat.
        Seu jubeor festas sponsis attollere tædas:
             Assurgit casto pronuba flamma toro.
        Seu segmentatis vagitum sistere cunis:7
             More tuo, Corybas, cymbala pulso manu. 8
        Sive Iovi nostro surgentia condere Templa:
             Conor9, vt Amphion, ædificare Lyra.10
        Prælia quòd cecini de Muribus aspera; non hæc
             Nostra, sed alterius dira cupido fuit.
        Jephtiaden dedimus, populo spectante, rogati.
             Illa quoque armatæ vota fuere preces.
        A Duce sic miles, sic Dux à Rege rogatur.
             Non fuit ingenio libera Musa suo.11


Um zu zeigen, wie wenig er in seinem Schaffen frei sei, lässt also Balde hier zunächst drei Auftragswerke Revue passieren, die er in den Dreißigerjahren gedichtet hat: das „Epithalamion“ für Kurfürst Maximilian (1635), das Geburtstagsgedicht für den Sohn von Werner Tilly (1630) und das Prosimetrum „Templum honoris“ für König Ferdinand III. (1637). Diese drei Gedichte, von Balde auf Geheiß oder im Namen des Jesuitenordens verfasst, würden immerhin auch wir zu den Gelegenheitsgedichten rechnen.12  Ein wenig anderer Natur war aber doch die zuletzt genannte Tragödie „Jephte“ (aufgeführt 1637): Zwar war Balde durch sein Rhetoriklehramt in Ingolstadt zur Anfertigung eines Dramas durchaus angehalten, aber Wahl und Behandlung des Stoffs, ja auch der Dramengattung (Tragödie oder Komödie) standen ihm doch sicherlich frei. Noch mehr überrascht es aber, dass Balde zu diesen Auftragswerken auch sein großes komisches Epos vom Froschmäusekrieg („Batrachomyomachia“, 1637) rechnet. Allerdings ist auch in dessen Vorrede davon die Rede, dass ihm Freunde zu diesem scheinbar geringfügigen Stoff als einem rhetorisch besonders dankbaren geraten hätten,13  aber von irgendeiner Nötigung ist dort jedenfalls keine Rede. Und wenn wir vollends sehen, dass Balde aus diesem Überblick über fast ein Jahrzehnt dichterischen Schaffens gerade die beiden Werke weglässt, die seine originellsten und auf die Dauer erfolgreichsten waren, „De vanitate mundi“ (1636, bearbeitet 1638) und „Agathyrsus“ (1638)14, so sind wir erst recht davor gewarnt, das humorvolle Zeugnis über seine angeblich unfreie, nur fremdbestimmte Muse überzubewerten: Hier spricht doch offenbar ein gutgelaunter Rhetoriker, der sich vor der von ihm zurückgesetzten „Elegia“ zu rechtfertigen hat und der dabei, um ihr Mitgefühl zu erregen, auch vor kleinen Retuschen an der Wahrheit nicht zurückschreckt. Über die sozusagen professionellen Gelegenheitsdichter, die umtriebig und wichtigtuerisch in ihren Casualien und Aufträgen aufgehen,15 hat er zwanzig Jahre später in „De studio poetico“ (1658) ein satirisch vernichtendes Urteil gesprochen:16

Poetam te, Crescenti, volo, non versificatorem. nam isto hominum genere nihil est vilius. omnes parietes, ipsum pavimentum, quod calcant, extemporalibus, & inficetis versiculis gaudent incrustare: (an conspurcare?) Tales vestiunt muros, suspendunt emblemata: ad ravim usque laudant vivos, functósque. imminent tumulis, ac cunis. Rhythmicos dicas pollinctores; circulatorios paranymphos, nuptiales agyrtas, genethliacos chiromantas.17

Es ist klar, dass sich Balde zu diesen Dichtern nicht rechnen kann. Und doch spielt er an anderer Stelle gerade dieses Werks auf seine eigenen Gelegenheitsgedichte an:18

sed jam dialia petuntur ab iis, qui Musas servire cogunt turpissimam servitutem. ad nutum cujusque succinctæ stare coguntur: arridere infanti recèns effuso; ejus vagitum sistere; quatere cymbala. Aliàs obnubere sponsam, formæ maculas eluere, subligare flammeum, distinguere attollendas faces. [... Es folgen weitere Beispiele] Quid facias? canendum est. raptim petita, raptim da, securus famæ. quis talia curat?19

Schon die wörtlichen Anklänge an das zitierte Selbstzeugnis aus „De vanitate mundi“ („vagitum sistere“, „quatere cymbala“20, „attollendas faces“) zeigen, dass Balde hier auch eigene Gedichte wie sein „Carmen geniale“ oder das „Epithalamion“ im Blick hat und sich für deren Gelegenheitscharakter gewissermaßen entschuldigt. Aber von seinem Lebenswerk ist gewiss nicht die Rede. So wollen wir, ohne uns von solchen einzelnen Zeugnissen beirren zu lassen, versuchen, zu einem Gesamtbild von Baldes dichterischem Werden zu kommen.
Von seinen dichterischen Anfängen21 wissen wir nur, was er selber sagt (lyr. 3,32): dass er in seiner Jugend einmal Satiriker gewesen sei, „immer wie ein Stachelschwein bewaffnet“ (V. 17 f.)22. Diese Behauptung widerspricht zwar Baldes späterer Theorie, wonach die Satire eine Gattung erst für den gereiften Mann wäre (s. unten S.   ), aber das steigert doch eher noch den biographischen Wert der Aussage: Wie man oft gefühlt hat, ist das Satirische ein durchgängiges Element von Baldes sonst so vielgestaltiger Dichtung. Das früheste datierbare Gedicht,23 eine heitere Elegie, „Silvarum libertas“, muss in die Zeit seines Jurastudiums (1623/24) gehören.24 Zeitlich vor ihr liegt, als Baldes erstes gedrucktes „Werk“, seine Magisterdissertation „De mutatione qualitatum“ (Vorrede datiert vom 14. Mai 1623)25. Bereits sie zeigt Balde, wenn auch noch auf dem Terrain der Prosa, als vielseitigen Stilisten: Während die Dissertation selbst, genährt aus Aristoteles und Thomas, im trockensten Scholastikerlatein verfasst ist,26 glänzt die Vorrede an Erzherzog Leopold von Österreich, Bischof von Straßburg, den der Elsässer und präsumtive Jurist Balde als seinen zukünftigen Dienstherrn anspricht, in schöner ciceronischer Stilisierung – weit entfernt von Baldes späterem Prosastil27 - und überrascht, in ihren ersten beiden Sätzen, mit einer Huldigung an Ovid, dessen ‚Metamorphosen‘ ja als eine Art Vorläufer von Baldes Abhandlung angesehen werden können:28

OVIDIVS, ILLVD SINGVLARE TERRAE SVLMONENSIS
ingenium, fauente se Apolline29 jactabat, carmina mutatas ho-
minum dicentia formas
30 fundere. Et ego quoque non verebor
dicere, SERENISSIME ARCHIDVX, si modo sub Serenißimi
Nominis tui auspicijs philosophicas hasce Positiones in luce(m) exi-
re pateris, me non quidem de mutatis formis, sed de ipsa Mu-
tatione, non de varié alteratis per qualitates corporibus, sed de ipsa Alteratione
31, non
denique sub vani cuiusdam ac ficticij, sed veri  & Christiani Apollinis præsidio dissere-
re. [...]
32

Welcher „christliche Apollo“ natürlich der Erzherzog selber ist, der sowohl den „seueriores Musae“ (der Wissenschaft) als auch den „mansuetiores“ (der Poesie)33 gewogen sein soll: Balde deutet wohl hier wie im Folgenden an, dass er sich seinen Landesherrn auch als Patron seiner Dichtungen erhofft.34
Ein Jahr später, nach einer berühmten Maiennacht des Jahres 1624, war aus dem Elsässer Juristen ein bayerischer Jesuit geworden. Sein ebenso spektakuläres wie bekanntes Bekehrungserlebnis,35 bei dem er, seine Laute zerschlagend, der irdischen Liebe, verkörpert in einer launischen Ingolstädterin, zugunsten des geistlichen Lebens, zunächst unter Führung des Landsberger Novizenmeisters, entsagte, sollte zunächst vielleicht sogar den völligen Verzicht auch auf die Poesie in sich schließen – wenn jedenfalls der Balde zugeschriebene Vers „Cantatum satis est: frangito barbitum“ schon 1624 von ihm formuliert wurde36.
In der Tat hören wir nichts von poetischen Versuchen in seiner Zeit im Landsberger Probationshaus (1624-1626)37; umso mehr erfahren wir dann aber über seine sich anschließende Tätigkeit am Münchner Jesuitengymnasium (1626-1628), wo von ihm als Lehrer der Humanitäts- und später der Rhetorikklasse das Dichten ja geradezu professionell gefordert war. An Anregern dazu fehlte es im dortigen Jesuitencollegium nicht. Neben anderen erlauchten Namen war es vor allem der Rektor des Kollegiums, der nicht nur als Kontroverstheologe, sondern auch als Dramatiker und Epiker bekannte Jakob Keller, der für Balde offenbar ein geradezu begeisternder Lehrmeister der Dichtung wurde. In einer zu seinem Tod (1631) verfassten Ode, die das zweite Buch der „Lyrica“ und damit die erste Werkhälfte beschließt, beschreibt er nach Würdigung von Kellers sozialen und rhetorischen Tugenden vor allem diese poetische Didaktik, die sich zu einem „Gradus ad Parnassum“ in Form eines regelrechten Lehr- und Klettergangs auf den Musenberg38 auswächst (lyr. 2,50,25-40):
        
        Præsertim nostri prolatus origine cæli, 39
             In nostram proclivior artem,40
        Verba catenabas regalè sonantia gemmis,
             Pindarico succinctus amictu.
41
        Tu facileis solitus numeros dictare,
42 meumque
             Auspicijs stimulare calorem:
43
        Audebas titulos, & plenum laudibus ævum,
             Et magnos promittere menseis.
44
        Te duce nequidquam
45 dignati repere,46 Montis
             Aonii conscendimus arcem,
47
        Non lento passu: (neque enim tardare sinebas)
             Sed volucri quasi fulminis alâ.
        Qualiter aëreum Capaneus iter arbore mensus,
48
             Se victam super extulit urbem.
        Stabas inferiùs, donec de rupe redissem,
             Concussus præcordia Phœbo,
49        

Es ist aus anderen Zeugnissen klar, warum Keller in diese steilsten Höhen nicht mehr folgen konnte: Schon sein Schmerbauch50 hinderte ihn daran – aber, Scherz beiseite, der große Pädagoge muss bald die überlegene Begabung seines, wie wir erfahren, bald schon mit Vorschusslorbeeren bedachten Schülers und dessen Fähigkeit gerade zum enthusiastischen Höhenflug51 neidlos anerkannt haben (41-46):

        Ast ego, pendenti capite inter nubila mersus,
             Enavi peregrina viarum.
        Mox virgulta jugis, hederamque et laurea serta,
             Et pennam de stante Caballo,52

        Fragminaque ex alto mecum Parnassia jeci;
             Ut scires superasse cacumen.
53

Die Mitbringsel vom Parnassgipfel,54 darunter eine dem leibhaftigen Pegasus ausgezupfte Feder,55  sollen also dem Zurückgebliebenen beweisen, dass Balde nicht geflunkert hat. Aber Meister Keller gönnt ihm keine Schnaufpause (47-52):

        Quo tunc amborum salierunt pectora motu,
             Lætitiæ spirantia flammas!
        Sicut adhuc steteram, rigidumque horrore comarum,56
&
             Ætherea fuligine sparsum,57

        Protinus in dulci sudorem abstergere Cirrha,
             Atque alio sudore jubebas. 58


Wenn Balde den einen „Schweiß mit dem anderen abzuwischen“ hat59, so kann das, wenn man die Allegorie auflöst, nur heißen, dass Keller seinen Schüler in immer wieder neue dichterische Projekte hetzt. Schon in den ersten Versen der zitierten Partie war andeutungsweise von prachtvollen pindarischen Gedichten (V. 28) und einfacheren Rhythmen (V. 29), also wohl Hexameter und Elegie, die Rede gewesen. Jetzt werden als poetische „Gaben“ Kellers in leichter Verschleierung weitere Gattungen angeführt:

        Accessere boni voltus super omnia, & istis60
             Dona tuos imitantia moreis:
        Aut tuba cantatrix Heroum, aut fistula pacis,
             Et ruri testudo locuta. 61


Es ist deutlich, dass die drei Instrumente für drei poetische Gattungen stehen: die Trompete für das heroische Epos, die Schalmei für das bukolische Gedicht, die Leier bzw. das Saitenspiel für eine ebenfalls ländlich getönte Lyrik.62
So war Balde gründlich und polymetrisch geschult für seinen Münchner Gymnasialunterricht, den wir aus manchen (meist noch ungedruckten) Dokumenten kennen. Das Interessanteste für uns ist eine zu Anfang des Jahres 1628 veranstaltete römische Poetenrevue unter dem Titel „Regnum poetarum“,63 bei der nicht weniger als zwölf klassische Dichter, verkörpert durch die Schüler von Baldes Humanitäts-Klasse, öffentlich auftraten, um jeweils in ihrem Stil und Metrum ein Thema aus dem damals gerade zehn Jahre alten Dreißigjährigen Krieg zu behandeln.

[Titel:] DECLAMATIO64 seu Regnum65 Poëtarum In quo Stylus, cuius’que Poëtæ ad exemplum veterum conformatur, eius’que diuersitas cum materiæ varietate tum etiam alia atque alia Harmonia66 explicatur.
[Vorrede:] Bella hodie funera & triumphos cantaturis, quæso ignoscite nobis, Auditores, si minus proposito nostro digni uideamur. Spectastis non ita pridem <pict>ores67
, nunc & Poëtas audite. [...] Producimus in medium Antiquissimos Vates, uel potius Juuenes personam antiquissimorum Vatum referentes [...]. [...] futuri carminis thema bellum Bohemicum erit. Stylos ita moderabimur, ut potius diuersitas dignosci possit, quàm ut meris affectibus, qui cum metro transeunt, seruiat<ur>68.69

Bei der Disposition des Ganzen wurde nicht nur, soweit möglich, die historische Chronologie, sondern auch die Systematik der Versmaße und die Dignität der Dichter beachtet. Am Anfang (Nr.1) besingt Horaz in alcäischer Ode den über Prag im Luftgespann fahrenden Kaiser Ferdinand; am Ende (Nr. 12) schildert Vergil die (vorläufig) kriegsentscheidende Schlacht vom Weißen Berg mit Kurfürst Maximilian I. als Helden (Nov. 1620): Nur diese beiden von den prominentesten Klassikern behandelten Ereignisse fügen sich nicht ins chronologische Gerüst. Es folgen auf Horaz die Hexameterdichter Lucrez (Nr. 2), der Erläuterungen zum Kometen von 1618 gibt, und Lucan (Nr. 3), der den Tod des Feldherrn Dampierre darstellt (Okt. 1620). Die Elegie schließt sich an: Ovid (Nr. 4) lässt in einem heroischen Brief den Winterkönig Friedrich von der Pfalz um seine Gattin Elisabeth klagen (Winter 1620/21), wobei diese – cherchez la femme! – als wahre Kriegsursache entlarvt wird.70 Dann kommen wir nach der Gattungsordnung der Horazischen Poetik (Hexameter, Distichon, Jambus71) zu den Jambikern: Martial (Nr. 5), der auch schon die bisherigen Beiträge epigrammatisch resümiert hat, verhöhnt den Winterkönig in Hinkjamben (etwa gleichzeitig zu Nr. 4), womit er Plautus (Nr. 6) als konkurrierenden Spottdichter zu einem Duell der römischen Komiker provoziert: Nur diese in absichtlich verwahrloster Metrik72 verfasste Nummer hat keinen Bezug auf den Böhmischen Krieg, zu welchem dann aber Catull (Nr. 7), mit strengsten „iambi puri“ den Winterkönig schmähend (zeitlich wie Nr. 4 und 5), zurücklenkt. Krönung jambischer Dichtung sind dann die klassischen Trimeter, in denen der Tragiker Seneca seinen Boten von der schrecklichen Hinrichtung der Prager Rebellen (Juni 1621) erzählen lässt: Auch dass darauf ein Stück senecanischer Chorlyrik73 folgt, passt noch in das horazische Schema.74 Den Abschluss aber machen wieder vier Hexameterdichter. Der Epiker Statius (Nr. 9) gestaltet den Tod des Feldherrn Bucquoy (Juli 1621); der Panegyriker Claudian (Nr. 10) feiert General Tilly vor allem als Sieger über den Dänenkönig Christian IV. (1626), und vor dem krönenden Abschluss durch Vergil (12) wird noch dem Satiriker Juvenal (Nr. 11) zu einer heftigen Schimpfrede auf die calvinistischen Prediger das Wort erteilt.
Welch ein Werk! Es ist in der Tat erstaunlich, wie  es hier dem gerade erst vierundzwanzigjährigen Lehrer Balde gelungen ist, die Stileigentümlichkeiten so vieler verschiedenartiger Dichter und Gattungen nachzubilden,75 ohne die Sache je ins Lächerliche zu treiben – es handelt sich ja um keine „Parodien“ im heutigen Sinne - und vor allem ohne im Übermaß Verse oder Versstücke aus den nachgeahmten Autoren zu borgen.76 Kein Zweifel: Hier wollte Balde seinem Lehrer Keller und vor allem sich selber beweisen, dass er ein Dichter sei, der es auf allen Gebieten mit den Klassikern aufnehmen könne. Und so liest sich denn dieses „Königreich der Dichter“ fast schon wie eine Art Potpourri-Ouverture zu Baldes späterem Lebenswerk. Jedenfalls für die vier Abschnitte von Westermayers eingangs genanntem Schema finden sich hier klare Prototypen: Dem „epischen Morgen“ präludieren Vergil, Lucan und Statius; dem „lyrischen Mittag“ entspricht auch hier schon Horaz; den „satirischen Abend“ kündigt Juvenal an; für die „elegische Dämmerung“ steht Ovid. Aber auch die übrigen Dichter werden wir im späteren Werk Baldes vertreten finden: Claudian hat manche Gelegenheitsgedichte inspiriert, Martial liefert die Metren zu „De vanitate mundi“, an Seneca orientiert sich die Tragödie „Jephtias“; auch Plautus und Catull wirken gelegentlich (wenn auch spürbar schwächer). Heißt das aber auch, dass Balde schon 1628 den Plan gehabt hätte, alle diese Gebiete der Poesie durch repräsentative Werke zu erobern? Dies scheint doch fraglich, wenn wir bedenken, dass viele der späteren Werke Baldes,  gerade auch der Jugendwerke, sich hier, im Zwölf-Poeten-Schema, kaum einordnen lassen. Und eines vor allem hindert daran, hier schon den ganzen Balde präformiert zu sehen: Es fehlt im „Regnum poetarum“ alles spezifisch Christliche. Obwohl der Dreißigjährige Krieg seinem Ursprung nach ja ein Religionskrieg war, ist aus diesem Werk der Hader der Konfessionen und mit ihm alle theologische Problematik verbannt worden. Die antiken Dichter reden ganz aus ihrer heidnischen Weltsicht; und so kann sich etwa der marienfromme Maximilian von Bayern ungeniert auf den Willen der „Götter“ berufen.77
Dies gilt sogar für ein anderes kurioses Werkchen, das Balde für seine Humanitätsklasse verfasst hat: „Pudicitia vindicata“ (Die gerettete Keuschheit).78 Hier schildern die drei (uns aus dem „Regnum“ bekannten) Epiker Statius, Lucan, Vergil eine Episode aus dem Leben des Heiligen Nikolaus, der durch eine ebenso großzügige wie diskrete Goldspende drei verarmte junge Mädchen vor dem Bordell, in das ihr Vater sie liefern will, rettet. Selbst aus diesem Thema, das sich ja doch mit Baldes eigener Bekehrungsgeschichte berührt, ist das im christlichen Sinn Religiöse fast ausgeklammert. Bei Statius wird das Bischofsamt des Hl. Nikolaus statt mit dem t.t. „episcopus“ bezeichnet durch „mitratus honos cui uertice fulget“,79 Lucan redet wie üblich seine angeblich alles regierende Lieblingsgöttin Fortuna an, und bei Vergil ergeht sich die fromme Genoessa zwar in Gedanken wie „Deus, Deus ista peregit“ (was auch ein Stoiker sagen könnte), aber das Bordell etwa ist ihr nicht Werk des Teufels, sondern der Göttin vom Eryx, und ihren zur Todesbereitschaft gehenden Keuschheitsbeschluss begründet sie nicht mit christlicher Weltentsagung.
Diese Paganisierung der Stoffe, wenn man so sagen darf, betrifft aber nur diejenigen dichterischen Arbeiten des jungen Balde, in denen er sich durch den Mund altrömischer Dichter äußert.80 Sie gilt nicht für das wahrscheinlich auch aus dieser ersten Münchner Zeit stammende Epyllion „Juditha Holofernis triumphatrix“, in dem die alttestamentarische Judith typologisch als Maria gedeutet wird,81 und den „Panegyricus de laudibus S. Catharinae“,82 wo der ebenfalls in eigener Person sprechende Balde zum ersten Mal (literarisch) einen „enthusiasmus“ erlebt. Ihren Höhepunkt aber hat Baldes damalige christliche Dichtung in einer Arbeit, die im selben Handschriftenkonvolut wie das „Regnum poetarum“ enthalten ist und die ebenfalls für die Öffentlichkeit des Jesuitengymnasiums bestimmt war: ein Emblemzyklus von 65 „picturae“ und dazu gehörigen teils prosaischen, teils poetischen „subscriptiones“, heute üblicherweise benannt: „De Dei et mundi amore“.83 Schon die ersten Sätze der Vorrede geben einen Eindruck von Baldes sinnreichem Pointenstil:

Quid tu putas, Lector, nos arbitramur inter Dei et mundi amorem, inter Christum et Cupidinem, inter Deum Hominem, et hominem Diabolum non bene conuenire. Vterque arcum habet, uterque ferit [...] illius auia mare est,84 huius mater Maria [...].

Wie Günter Hess85 hervorgehoben hat, waren Balde und seine Schüler mit dieser Konfrontation von weltlicher und göttlicher Liebe, verkörpert in Christus und Cupido86, „auf der Höhe der Zeit und dem aktuellen Stand christlicher Emblembücher“: Otto Vaenius, der Lehrer Rubens‘, und vor allem Hugo Herman mit seinen „Pia Desideria“ (1624)87 hatten ähnliche Werke geschaffen. Sie bildeten inhaltlich und formal eine eigenständige, rein christliche Tradition, in der es, die Grundgegebenheit des elegischen Distichons einmal vorausgesetzt, nicht auf eine Konkurrenz mit der Dichtung der Antike ankam, so dass diese gewissermaßen nur in der Form des heidnischen Liebesgotts präsent war. Auf diese Bildersammlung, die vielleicht zum Weihnachtsfest 1627 ausgehängt wurde, bezieht sich Balde, wenn er etwa einen Monat später im „Regnum poetarum“ seine zwölf altrömischen Dichter auf die Bühne bringt („spectastis non ita pridem <Pict>ores“); diese beiden großen Schulunternehmungen verkörpern zwei polar verschiedene Möglichkeiten dessen, was im poetischen Unterricht des Jesuitengymnasiums gefordert und möglich war: christlich-asketische Erbauung und humanistische Sprachkunst. Beide Tendenzen werden von nun an Baldes Werk durchziehen.
Auch die folgenden Werke dieser Jahre sind von den Anforderungen der Schule und des Ordens bestimmt. Als noch 1628 Ott Heinrich Fugger, ein wichtiger Augsburger Mäzen der Jesuiten, vom spanischen König Philipp IV. mit dem Goldenen Vlies ausgezeichnet und zum Ritter ernannt wird, erhält Balde, eben erst Lehrer der Rhetorikklasse, den ehrenvollen Auftrag, das Huldigungsgedicht zu verfassen.88 Balde wählt sich – darin dürfte er frei sein – Form und Stil des spätlateinischen Panegyrikers Claudian, mit dem er ja spätestens seit dem „Regnum poetarum“ vertraut war, und, da die Zeit drängte – die feierliche Übergabe von Vlies und Poem sollte schon am 27. September 1628 stattfinden –, übertrug er, wie Veronika Lukas entdeckt hat,89 von dort fast sämtliche Verse, die auf den großen Tilly gemünzt waren, auf den nicht ganz so großen Ott Heinrich. Nicht nur darum ist dieses Gedicht, als „Panegyricus equestris“ mit prächtigem Titelkupfer gedruckt, künstlerisch entschieden missraten. Claudian war, wie man weiß, ein „Virtuose der ‚Überbietung‘“ (Ernst Robert Curtius)90, dessen Helden regelmäßig alle prominenten Vorläufer an Tugend und Leistung übertreffen. Balde aber, in ziemlicher Überschätzung seiner Kräfte, macht sich daran, Claudian selber zu überbieten: Allein die ersten dreiundzwanzig Verse geben (in zum Teil undurchsichtiger Periodisierung) einen Katalog poetischer Sujets, deren Bewältigung sich der Dichter zutrauen würde – darunter immerhin von Prominenten behandelte Großthemen wie Thyestesmahl, trojanischer Krieg und Schlacht von Cannae –; vor den Leistungen Ott Heinrichs dagegen müsse er verzagen und könne, „zitternd und mit offenem Mund“ nur einen winzigen Teil davon in Angriff nehmen. Nie mehr, so weit ich weiß, hat sich Balde später solche Albernheiten geleistet.91 Dem Prinzip des „Regnum poetarum“ blieb er im Übrigen darin treu, dass das Christliche aus dem „Panegyricus“ fast ganz ausgeklammert wurde: Nur in den Versen 1348-1363 wird das Goldene Vlies von dem alttestamentarischen des Gideon hergeleitet und dieses wiederum typologisch auf Maria gedeutet, sonst bleiben wir in der heidnischen Welt von Claudians Dichtung. Schon zwei Jahre später konnte Balde zeigen, dass er in dieser Besseres leisten konnte.
Baldes nächstes Werk, die Komödie „Iocus serius theatralis“, die er 1629 am Innsbrucker Gymnasium verfasste und mit zahlreichen Akteuren aufführte – wir kennen sie leider nur in großen Auszügen92 –, war so etwa in allem das Gegenteil des anspruchsvollen „Panegyricus“: witzig, unklassizistisch, sprachlich unprätentiös und – dezidiert christlich. Wie in der Plautus-Szene des „Regnum poetarum“, aber noch eindeutiger, ist das Versmaß zugunsten der Prosa  eliminiert. Durch nichts sollen sich die Innsbrucker Lateinschüler in ihrem Ausdrucksbedürfnis gehemmt fühlen: Auch Germanismen bzw. Tirolismen sind erlaubt, bis an die grammatikalische Schmerzgrenze.93 Formal ist das Stück eine fast völlige Neuerung im Rahmen der Gattung. Statt eine einheitliche Handlung zu geben, wird der Gedanke, dass aus Scherz oft Ernst wird („Iocus serius“), in acht verschiedenen Episoden, ganz asymmetrisch auf drei Akte verteilt, durchgespielt: Wir haben also wieder das mit der Antikennachahmung konkurrierende zyklische Prinzip von „De Dei et mundi amore“. Hier wirkt es sich in der Weise aus, dass weder auf die Chronologie noch auf die Einheit des Orts geachtet wird: Wir kommen vom alten Ninive über England, Japan, das gegenwärtige Innsbruck, das mittelalterliche Byzanz bis zum Rom der Kaiserzeit. Dem Titel gemäß werden Scherz und Ernst bunt durcheinander gemischt. Erst die letzte Episode lässt das Stück in heiligem Ernst ausklingen: Der Komödiant Genesius (wie eine Verkörperung dieser Komödie selber) hat nach Willen Kaiser Diocletians einen Christen zu spielen; darüber wird er selber, paradoxe du comédien, zum Christen und muss schließlich das Martyrium leiden. Leider scheint Balde nie daran gedacht zu haben, diesem frischen und eigenwilligen Werk für eine Druckausgabe den letzten Schliff zu geben.94    
Von 1630 an ist Balde wieder, befreit von schulischen Pflichten, Student, diesmal der Theologie, in Ingolstadt. Hier entstehen vor allem zwei große Werke, in denen er – auch wenn das eine davon sich als im Auftrag geschrieben gibt – weithin seinem eigenen Ausdrucksbedürfnis folgen dürfte: „Maximilianus I. Austriacus“ (1631) und „Magnus Tillius redivivus“ (1632, postum veröffentlicht 1678). Bei beiden Werken handelt es sich um neuartige und unterschiedliche Formen des Prosimetrum,95 beide entstammen der unverhohlenen Begeisterung für große Männer (die jeweils entschiedene Christen, aber keine Geistlichen sind). Die Darstellung Kaiser Maximilians I.,96 der gerade in Innsbruck so viele Spuren hinterlassen hat, erhebt sogleich – und dies zum ersten Mal bei Balde – den Anspruch, „in neuer Schreibweise“ (novo scriptionis genere, S. 334) abgefasst zu sein. Sie enthält nämlich keine chronologische Darstellung des Lebens, sondern eine Art Wesensbeschreibung und zwar in der Art, dass Balde zunächst einzelne „heldenhafte Taten“ (heroica facinora) Maximilians vorstellt (S. 338), diese sodann „symbolisch“ als Siege Maximilians über sich selber bzw. die Leidenschaften (Perturbationes seu Affectiones)97 deutet, um schließlich auch die „Leistungen seiner Tapferkeit“ (animosae virtutes) zu feiern. Die Form der ersten fünf Kapitel, in denen, beginnend mit „amor“, der Geschlechtsliebe,98 die Bezwingung einzelner Affekte dargestellt wird, ist unverkennbar nach Art von Emblemen gestaltet, wie sie Balde ja aus eigener Praxis wohl vertraut waren. Am Anfang wird ein Bild gemalt  – Maximilian bleibt unverletzt unter Blitzen und Geschossen, er gebietet seinen rasenden Hunden Einhalt usw. –, dann wird dieses in einer Art „subscriptio“ allegorisch interpretiert – Maximilian widersteht der Liebesleidenschaft, er lässt sich von Begierden nicht fortreißen usw. –, worauf weitere Erläuterungen zum jeweiligen Affekt folgen.99 Aber auch in den letzten drei Kapiteln, wo Balde die allegorische Darstellungsweise aufgibt,100 bleibt seine Darstellung „emblematisch“ insoweit als er immer von einem vorstellbaren Bild ausgeht, so dass das Ganze fast wie ein Emblemzyklus in Art von „De Dei et mundi  amore“ erscheint.
Vielleicht am interessantesten ist die Darstellung des Zorns (ira) im fünften Kapitel. Statt diesen schlechtweg wie die Stoiker zu verteufeln, erkennt Balde (in aristotelischer Tradition) auch einen gerechten Zorn an, den Zorn vor allem gegen Häretiker und Türken. Von ihm erfüllt wendet sich Maximilian mit leidenschaftlicher Klage an Gott; und Balde – zum ersten Mal in der Rolle des augusteischen „vates“, genauer: des Horaz – stimmt (im Hinblick auf den zeitgenössischen christlichen Bruderkrieg) mit ein in diese Empörung (S. 411):
    
Tecum facio Augustissime Imperator. sunt & nostrorum temporum calamitates istæ. nunc quoque Othomannidæ alienis malis ferociunt; & absentes in Germanorum victoriis triumphant. tria ferè lustra iam impendimus illi bello, in quo Christiani vincunt, & Christiani vincuntur [...]. poterat isto milite, qui bellis infamibus concisus fuit, Constantinopolis ac Hierusalem recuperari. 101

In einer (hexametrischen) Vision des zukünftigen Türkenkriegs sieht Balde sogar die christlichen Kaiser Konstantin und Ludwig aus ihren Gräbern steigen, um in der entscheidenden Schlacht mitzukämpfen. Es ist klar, dass die Darstellung des kriegswilden Maximilian hier weit über Baldes eigentlichen Plan hinausgeht, den Kaiser als ein Muster christlich-philosophischer Affektüberwindung vorzuführen. Im siebten Kapitel, wo er an dem so oft tollkühnen Maximilian ausgerechnet den Sieg über die „audacia“ zu demonstrieren hat, verwahrt er sich gegen kleinliche Kritiker des Manns, der mit Löwen gerungen und Lawinen getrotzt hat, durch Berufung auf dessen schiere Heldengröße, die ihn zu seinem Werk inspiriert zu haben scheint:

Et nos nempe heri nati in specu timoris, aut cavea psyllorum, exprobrabimus audaciam tam glorioso Heroi? dicemus, incautius nonnumquam egisse? obfuscabimus gloriam meticulosi homunciones? [...] At me judice vile decus est, cui nullus horror prælusit.102 imbellis gloria, quam leo medulla sua non obsaturavit.103 nimis anguste expendimus Cæsarum animos, & vulgi pede metimur grandia Gigantum vestigia. [...] at ij scire debent MAXIMILIANUM I. inter Heroas numerari.104  

Balde hat seinen „Maximilianus“ im Namen der marianischen Studentenkongregation von Ingolstadt dem Präfekten der Kongregation gewidmet, als dieser an den Hof des Kurfürsten von Köln berufen wurde – ein halbwegs passendes Abschiedgeschenk der Sodales, da dieser Johann Maximilian Baron von Preysing wenigstens mit seinem zweiten Namen105 dem Kaiser entsprach und so zur Nachahmung von dessen Tugenden ermuntert werden konnte (S. 335). Trotz Baldes Versicherung (S. 334) kann aber dieses, wie schon Westermayer sah, unverkennbar noch von Innsbruck und seinem Maximiliansgrab angeregte Werk nicht ursprünglich für diesen wenig bedeutenden Baron gedacht gewesen sein. Wenn Balde, besonders auch für seine leidenschaftlichen politischen Appelle, einen bestimmten Adressaten im Auge hatte, denkt man eher an einen Größeren: Baldes neuen Landesherrn, Kurfürst Maximilian.
Ingolstadt aber inspirierte ihn zu einem zweiten, noch weit größeren106 Werk von Helden und Heldenverehrung: „Magnus Tillius redivivus sive M. Tillij parentalia“ (Der wiederbelebte große Tilly oder Des großen Tilly Totenfeier).107 Wieder experimentiert der metrisch so vielseitige Dichter mit der Form des Prosimetrum, die hier aber nicht aus dem (ja ebenfalls prosimetrischen) Emblemzyklus erwächst, sondern in eigenartiger Weise mit der Form der Tragödie108 verschmolzen wird. In der prosaischen Rahmenhandlung erzählt Balde von einem erschütternden Besuch an der Leiche des großen Feldherrn Tilly; die eigentliche „tragoedia“ resultiert dann aus einer Art von kollektivem Enthusiasmus, den Balde mit zwei Freunden erfährt:109 Sie fühlen sich entrückt in eine Art Palast oder Tempel, wo Tillys Leiche, umgeben von zehn geharnischten Männern, aufgebahrt liegt. Nicht Menschen, sondern göttliche Wesen, die zur Steigerung der Erhabenheit in Hexametern statt jambischen Trimetern sprechen, halten ihm nun mit wechselnden Nachrufen die Totenfeier: Bojaria (die dominiert), Austria, Gallia und andere; von den Heidengöttern immerhin auch Mars, der Austria als Erinnerungsgabe von Tilly ein Schwert hinterlässt, das dann Ausgangspunkt für eine sehr bescheidene Intrige wird. Vier Chorlieder, die in fünf Akte einteilen, unterstreichen den angestrebten Gattungscharakter der Tragödie. Sonst hat das Werk aber mehr die Eigenart eines feierlichen Oratoriums als die eines Bühnenstücks; die Stimmung süßer Schwermut und schmerzlicher Milde, die es mitteilt, ist in Baldes Werk wohl einzigartig. Erst gegen Ende erhalten wir einen Aufschluss für den Obertitel „Magnus Tillius redivivus“ (S. 320):
    
Alphonsus: quid TILLIUM lugemus? ait: ita parentare mortuis, est vivos orbi ostendere. Quid ampliùs exspectamus ab illo? audit, videt, pugnat, vincit, vivit adhuc, & vivit gloriosè. quid cupimus? bella? hinc erumpunt. triumphos? ex hac tumba egrediuntur. consilia? ex sepulcro consulit.110

Tilly ist unsterblich, nicht nur im Ruhm seiner Taten, sondern indem auch seine Gesinnungen und Gedanken fortbestehen, nicht zuletzt durch Baldes „Parentalia“, die ihn „wieder lebendig“ (redivivus) machen. Der Größe des Gegenstands entsprechend hat der Dichter dieses Werk keinem einzelnen gewidmet, sondern es allen „christlichen Helden“ (HEROIBUS Christianis) vor allem zur Nachahmung bestimmt (S. 2 f.). Diese konnten es lange nicht zur Kenntnis nehmen: Erst zehn Jahre nach Baldes Tod hat diese überdimensionale und allzu eigenwillige Schöpfung, die Balde so wenig wie den „Maximilianus“ in seine „Poemata“ aufnahm, einen Drucker gefunden (1678).
Mehr Glück in dieser Hinsicht haben naturgemäß die Gelegenheitsgedichte dieser Jahre, auf die Balde ja später, wie wir sahen (s. oben S.  ), mit halb scherzhaftem Seufzen anspielt: das Geburtstagsgedicht für den kleinen Neffen von General Tilly (1630) und das Epithalamion für die (zweite) Hochzeit von Kurfürst Maximilian (1635). Ausgerechnet hier, wo der Dichter durch fremden Auftrag gebunden ist – das erste Gedicht wird im Namen des Ingolstädter, das zweite in dem des Münchner Jesuitenkollegiums veröffentlicht –, gelingen ihm, nun wieder ganz auf dem Gebiet humanistischer Imitation, erste kleine Meisterwerke, die den Vergleich mit Statius und (wieder) Claudian111 nicht scheuen müssen. Im „Geniale ac praesagum carmen“ für das Söhnlein des Festungskommandanten singt er nach mancherlei Prophezeiungen dem kleinen Franz ein Wiegenlied von lauter heroischen Taten des Hercules und des Onkels Tilly, bis in den letzten drei Versen das Kind eingeschlafen ist: ein erster, erfolgreicher Versuch mit der Form des mimetischen Gedichts,112 die in Baldes späterer Lyrik großen Raum einnimmt. Noch origineller ist das Hochzeitsgedicht,113 wo Balde, mittlerweile Rhetorikprofessor in Ingolstadt,114 einen kleinen Götterapparat einsetzt. Während in München das göttliche Festkomitee noch gerade erst mit den Vorbereitungen für den Empfang des Hochzeitspaars begonnen hat, vollzieht sich im kaiserlichen Wien schon die Trauung: Rasch naht das Paar auf einem von Löwen und Adlern durch die Lüfte gezogenen Wagen, und Phoebus Apollo, der als maître de plaisir fungiert, hat kaum mehr Zeit, dem Chor, der – gut antik – zugleich singen und tanzen muss, die Festkantate einzustudieren. Mit köstlichem Humor schildert Balde, wie die Probe schief geht, wobei der hochstilisierte Text der Kantate in drolliger Weise mit den Zwischenbemerkungen des über die Patzer besonders der Satyrn verzweifelten Phoebus verknüpft wird. (Auch Lortzings vergleichbare Chorprobe aus „Zar und Zimmermann“ ist nicht komischer.) Und man ahnt angesichts solcher Vertraulichkeit,115 welches Band schon damals den Kurfürsten mit dem Dichter verbunden haben mag, den er zwei Jahre später nach München holen sollte.
Es sind die wenigen Jahre als Ingolstädter Professor (1635-1637), in denen nun Balde, auch außerhalb solcher Verpflichtungen, erste Werke schafft, die bleibenden künstlerischen Wert haben und ihm, wenigstens das eine von ihnen, deutschlandweiten Ruhm einbringen: das komische Epos „Batrachomyomachia“ (Froschmäusekrieg, 1637116) und das lateinisch-deutsche Mischgedicht „De vanitate mundi“ (Von der Eitelkeit der Welt, zuerst 1636). Beiden gemeinsam ist der Humor, mit dem Balde jeweils ein  ernstes Thema behandelt – im Rückblick merkt man erst, wie sehr dieser den beiden großen Prosimetra gefehlt hat –; im Übrigen aber sind sie völlig verschieden, wobei sie den beiden Grundtypen entsprechen, in denen sich Balde zuerst als Dichter geäußert hat: das trotz Heiterkeit klassizistische Epos steht in der Tradition des „Regnum poetarum“ (auch durch den Bezug auf den großen Krieg), das populär reihende und variierende Gedicht „De vanitate mundi“ gehört in die Nachfolge des Emblemzyklus „De Dei et mundi amore“ (auch durch seine im Kern christliche Thematik). Der „Froschmäusekrieg“, schon in seiner Homer zugeschriebenen Urfassung von 303 Versen ein Text für Kinder,117 wird auch von Balde, der daraus fünf Bücher zu je etwa 400 Versen macht, „der literaturbeflissenen Jugend“ (Iuventus studiosa literarum) gewidmet, außerdem aber „allen Liebhabern des Humors unter den Lateinern“ (& quisquis Romanas Musas serenâ fronte colis). Freunde hätten ihn davon überzeugt, dass gerade ein junger Dichter gut daran tue, einen geringfügigen, ja undankbaren Gegenstand wie Frösche und Mäuse mit allen Mitteln der Eloquenz aufzuputzen, um sich daran für erhabenere Stoffe zu üben.118 Das lässt vermuten, dass Balde bereits ein größeres episches Werk im Sinn hat; und dies wird noch deutlicher, wenn er gleich zu Beginn seiner Vorrede, um den spielerischen Charakter des Werks zu rechtfertigen, eine entsprechende Äußerung des Statius zitiert:

Iam dixi: Iuvenis lusi. neque quisquam illustrium Poetarum est, ait Statius lib. I silvarum, in praefatione ad Stellam Amicum, qui non aliquid operibus suis stylo remissiore praeluserit. nam & Culicem (Maronis) legimus; et Batrachomyomachiam (Homeri) agnoscimus.119

Offenbar soll seine eigene „Batrachomyomachia“ Praeludium zu einer künftigen Aeneis oder Ilias sein. Auch in einer Ode zur Veröffentlichung der „Batrachomyomachia“ bittet er den Dichtergott Phoebus um ein würdigeres Thema.120 Fast nur durch einen Zufall erfahren wir sechs Jahre später aus einer Ode der „Lyrica“ (1643), worin Baldes Plan bestanden hat. Als er in Zusammenhang mit seiner Berufung nach München (1637) Vorsitzender der Münchner Marianischen Kongregation und damit Mariensänger wird, lässt er sich von Maria selber dazu ermahnen, sein episches Projekt zurückzustellen (lyr. 1,42,17-20):

        Noster es, nostris agitande flammis,
        Nos canes primum. celebris sequetur
        TILLIAS, magnam meditata famam, &
            Arma virumque.121


Ein Tilly-Epos war also geplant. Schon das Zitat des Aeneis-Anfangs zeigt, dass dieses vor allem an Vergil orientiert sein sollte, wie ja auch der Titel „Tillias“ analog zu „Aeneis“ gebildet ist. Freilich hat auch schon das heitere Epos vom Krieg der Frösche und Mäuse eine strukturelle Ähnlichkeit zur berühmten Aeneis, indem es wie diese, anders als die homerischen Epen (von der „Batrachomyomachia“ ganz zu schweigen), auf die Gegenwart ausgerichtet ist. Wie dort in prophetischen Durchblicken immer wieder die augusteische Zeit in den Blick  kommt, so wird hier aus einer altrömischen Vergangenheit122 auf den Dreißigjährigen Krieg vorausgedeutet: Der Kampf der possierlichen Tiere ist selber ein von Jupiter für die Götter quasi als Gladiatorenspiel123 veranstaltetes Praeludium zum großen europäischen Krieg – die Parallele zu Baldes eigenem Eposprojekt liegt auf der Hand –, dessen furchtbarste Ereignisse bis zum Brand von Magdeburg vom Göttervater in seherischer Ergriffenheit vorhergesagt werden. Und damit auch nicht eine Entsprechung zum ominösen Schild des Aeneas (Aen. 8) fehlt, enthält der Mantel der Pallas eine Gigantomachie mit Belartus Frandildus (Albert Fridland, d.h. Wallenstein) als finsterem Helden.124 Freilich nicht auf diesen Zeitbezügen des  Werks beruht der große künstlerische Reiz dieses bis an die Grenzen des Genozids führenden Rachefeldzugs der Mäuse gegen die Frösche; er liegt, wie Balde sagt, in „der mit Händen zu greifenden Hyperbole (Übertreibung) oder meistens in der offenen Ironie, die alle fünf Bücher wie eine Seele durchdringt.“125 Es ist  kaum begreiflich, dass dieses Werk bis heute nicht die verdiente Anerkennung gefunden hat.
Neben den Humanisten tritt der Prediger Balde. Sein zunächst „Hecatombe seu Ode Nova De Vanitate Mundi“ (so 1636) betiteltes Gedicht,126 das ihn rasch berühmt macht,127 ist in allem das Gegenstück zu seinem hochgelehrt geistreichen Epos (wie zu den vorausgegangenen claudianischen Gelegenheitsgedichten); es ist einfach, populär, derb und völlig unklassisch. Durch die zweisprachige Form – lateinisch links, deutsch rechts, wie in einer heutigen Tusculumausgabe – gibt es sogleich zu erkennen, dass es für ein breites, auch lateinisch minder gebildetes Publikum gedacht ist. Das Metrum ist, was wohl ein Novum der deutschen Versgeschichte darstellt, im Lateinischen dem Deutschen nachgebildet (ohne deswegen rhythmisch statt metrisch zu werden):128 Wie man längst weiß, hat Peter Francks Lied „Der grimme Tod mit seinem Pfeil“ für die deutschen Strophen, aber eben nicht nur für die deutschen, das Schema geliefert (str. 5)129:

        Nil usque stat durabile,
           Aut undequaque tutum.
        Calcat myricas quadrupes,
           Cedros trucidat Eurus.
        Vrbes pavent Vesuvium,
           Pontes timent Araxen:
        Valles inundant lachrymæ,
           Montesque fulminantur.

        Nichts kann ich sehn / das ewig währt /
           Nichts sichers kann ich finden.
        Zerschlagen wird das Gstreiß vom Pferdt /
           Gantz Wälder von den Winden.
        Der Mayn und Rhein / reisst Brücken ein /
           Das Thal versinckt im Nebel:
        Reichs- Städt und Märck / auch hohe Berg /
           Förcht Donnerklapff und Schwebel.

So konnte man, wenn man wollte, die „Ode“ zumindest auf Deutsch auch singen.130 Populär war ja auch ihr Inhalt: Die Eitelkeit, Vergänglichkeit alles Irdischen war bekanntlich ein Lieblingsthema der Barockzeit, für das Balde interessierte Leser nicht erst suchen musste; gerade wenn diese keine oder brustschwache Lateiner waren, mögen sie sich darüber gefreut haben, wie hier, nach anderen antiken Geistesgrößen, auch die großen römischen Dichter wegen ihrer Vergänglichkeit verhöhnt werden (str. 39)131 :

            Gestorben ist Virgilius,
               und billich zubewainen.
            Auffgmetzget ist Horatius,
               Halb leine und halb schweine.132

            Nasonjs Zierd / hat vil verführt:
               Ist aber selbst eingsessen;
            Tibulli Schatz, Catulli Spatz
               Kann auch kein Käß mehr essen.


Der Untergang der lateinischen Klassiker kann sich nicht schöner ausdrücken als gerade in den deutschen Versen dieses halbbarbarischen Gedichts. Sicherlich trug zu seiner Popularität auch die Schlichtheit der Form bei, die Emblemzyklen wie „De Dei et mundi amore“ entspricht: In hundert gleichgebauten Strophen – darum „Hekatombe“ – wird der Welt unter immer neuen Aspekten ihre Vergänglichkeit vor Augen gehalten oder, wie Balde  sagt, wird die „vanitas“ auf hundert Altären geschlachtet.133
    Trotz dankbarer Publikumsresonanz hat es Balde verschmäht, auf diesem Weg des deutsch-lateinischen Mischgedichts sogleich weiterzugehen. Er gebraucht zwar noch zweimal die hier bewährte, eingängige Versform (die er „anakreonteisch“ nennt), aber das eine Mal für ein rein deutsches Marienlied, den „Ehrenpreiß“, den er schon als Präsident der Münchner Marianischen Kongregation, 1638, dichtet, das andere Mal für sein übermütigstes und drolligstes Werk überhaupt, den „Agathyrsus“ (1637), ein Lied zum Preis der Magerkeit und Hohn der Dickwänste: ein einsamer und skurriler Vorläufer des im neunzehnten Jahrhundert ausbrechenden kollektiven europäischen Schlankheitswahns.134 In diesem Gedicht, das mit „De vanitate mundi“, neben der zyklischen Variationsform, die leibfeindliche platonische Grundkonzeption gemeinsam hat, gibt Balde nur eine lateinische Fassung, was die Wirkung natürlich einschränkt. Statt dem Erfolg von „De vanitate mundi“ nachzujagen, stellt sich der Dichter eine andere, geradezu konträre Aufgabe. Offenbar unzufrieden mit dem  Allzupopulären von „De vanitate mundi“, arbeitet er gerade dieses Werk in zwei Jahren zu einem Glanzstück humanistischer Variationskunst um: Zu jeder lateinisch-deutschen Strophe treten nun noch, mit derselben Thematik, je zwei lateinische Elegien (von jeweils unterschiedlichem Charakter), ein Gedicht in Hendecasyllaben und eines in Scazonten (Hinkjamben), zu welch letzterem Versmaß der Dichter eine solche Sympathie entwickelt, dass er mit ihm, dem personifizierten „Scazon“, das  ganze Werk hindurch Gespräche führt.135 Welches Prinzip steckt hinter der Wahl gerade dieser Versmaße? Es sind die Metren des großen Epigrammatikers Martial, dem Balde schon im „Regnum poetarum“ vor anderen gehuldigt hat:136 Ihn, den größten Spötter der römischen Antike, wählt er sich also, wenn auch erst nachträglich, zum Schutzpatron seines ja ganz auf Spott gestimmten „Poema de vanitate mundi“ (wie es jetzt, 1638, heißt); er will wohl mit diesem großen Werk als „deutscher Martial“ gelten. Damit verschlingen sich hier wie noch nie zuvor bei Balde die beiden Traditionen, die von Anfang an sein Schaffen bestimmen: christliche Predigt137 und humanistischer Klassizismus.
    Wenn Balde in diesen Werken seiner so fruchtbaren Ingolstädter Jahre von 1635-1637 ganz frei war, gilt das nicht im selben Maße für zwei weitere Aufgaben, die ihm gegen Ende seiner Tätigkeit gestellt waren: die Aufführung einer Tragödie mit seinen Schülern und ein Huldigungsgedicht für den 1636 zum römischen König gewählten Ferdinand III. Was das zweite angeht, „Templum honoris“ (1637),138 so benutzt Balde die Gelegenheit, seine experimentierende Arbeit an der Form des Prosimetrum vor allem in der Gestalt, wie er sie für den „Magnus Tillius“138 entwickelt hatte, fortzusetzen: Es treten auf allegorische Gestalten wie Germania und der Genius Imperii Romani; bei den 63 Liedstrophen, die von 63 Jünglingen zum Ruhme Ferdinands gesungen werden, erfindet Balde wohl zum ersten Mal ganz neue Metren (von denen auch keines je wiederholt wird). Nicht minder originell ist er in seiner Tragödie „Jephte“ (ebenfalls 1637), die wir nur aus der Inhaltsangabe (Perioche) und Baldes späterer Bearbeitung unter dem Titel „Jephtias“ kennen (s. unten S.   )140. Hier versucht er, völlig anders als in der Innsbrucker Komödie, seine christliche Botschaft – schon hier ist die Tochter Jephtes ein Typus Christi – mit der streng klassischen Form Senecas bzw. Horazens zu vereinen. Die Novität seines Unternehmens muss ihm schon damals bewusst gewesen sein; mit der Ausarbeitung für den Druck konnte er sich Zeit lassen. Nun rief ihn München. Vom Oktober 1637 an lehrt er dort am Gymnasium, ein Jahr später ist er am Hof des Kurfürsten.
    Das „Poema de vanitate mundi“ in seiner zweiten Fassung (1638) endet mit einem überraschenden Beschluss Baldes: Weil er im Gespräch mit seinem „Scazon“ eingesehen habe, dass die Poesie Hauptförderin der „vanitas“ ist, will er der Dichtung gänzlich entsagen – man denkt wieder an „Cantatum satis est“ – und schreibt sogar einen entsprechenden Kündigungsbrief an die Musen, den der „Scazon“ als hinkender Postbote überbringen soll. Wir wissen ex eventu, dass dieser Entschluss nicht ernst war: Aber musste dies den Zeitgenossen ebenso klar sein? Auf jeden Fall hatte Balde, wenn er ernst genommen und mit Dichtungsaufträgen in Ruhe gelassen wurde141 – und letzteres zumindest scheint ja der Fall gewesen zu sein –, Zeit für das größte dichterische Unternehmen, das er je angreifen sollte: Es galt „deutscher Horaz“142 zu werden, ja, mehr als das, ein lyrisches Corpus zu schaffen, wie es die Welt zumindest in lateinischer Sprache noch nicht gesehen hatte.143 Nach einer Publikationspause von fünf Jahren erscheinen 1643 zwei Bände mit vier Büchern „Lyrica“, einem Buch „Epoden“144 und sieben Büchern „Sylvae“145 – ein Gesamtumfang also, der den zwölf Büchern der Aeneis entspricht. Zum ersten Mal hat sich Balde, den wir bis ja bisher auf den verschiedensten Gebieten rastlos experimentieren sahen, die Zeit genommen, sich auf ein ganz neues und großes Werk zu konzentrieren. Und er hat dafür auch den ursprünglich nur zurückgestellten Plan einer „Tillias“ (lyr. 1,42, s. oben) endgültig aufgegeben, vielleicht tatsächlich im Empfinden – aber das bleibt Spekulation –, dass für ein Epos dieses Gewichts die Lebenszeit nicht mehr ausreichen würde, wenn er seine sonstigen Pläne verwirklichen wollte. Auf jeden Fall war dieses lyrische Corpus ein nunmehr ganz aus eigenem Antrieb geschaffenes Werk. Balde spürte ihn nicht erst in München: Schon in Ingolstadt nennt er (in seinem Kommentar zur „Batrachomyomachia“) Horaz beiläufig „Vates Venusinus, Ocellus meus“146; und noch aus Ingolstadt stammen ja dann auch viele der Oden, die er in das erste Buch seiner „Lyrica“ aufgenommen hat.147 Aus dem Gefallen an ihnen muss wohl allmählich der ganze, gewaltige Plan entstanden sein.
    Der überragende künstlerische Wert von Baldes Marienoden, in denen Balde so ganz neue Töne poetischer Innigkeit findet, kann leicht übersehen lassen, dass das Christliche in seinem lyrischen Werk einen insgesamt nur relativ bescheidenen Platz einnimmt: Gedichtüberschriften wie „Circulus Platonicus“ (lyr. 1,22), „Lyra Pythagorae“ (2,21), „Symbola Pythagorae“ (3,10) verweisen auf die heidnisch-antike Philosophie. Vor allem ist es die Stoa, von der ja auch der ältere, d.h. der Lyriker Horaz angezogen war, die nun mit ihren großen Heldengestalten148 Balde zumindest zeitweilig begeistert.149 So enthält schon das erste Buch der „Lyrica“ stoisch gefärbte Oden auf Thomas Morus (1,3), Gottfried Heinrich von Pappenheim (lyr. 1,19) und eine ausdrücklich so genannte „Consolatio Stoica“ (1,35)150; im zweiten folgt eine Ode „Sub Porticu cantata“ (2,10) und ein ebenfalls als stoisch bezeichnetes „Gaudium sapientis“ (2,34). Wie ernst diese Bekenntnisse zunächst gemeint sind, zeigen gerade die zwei Gedichte des dritten Buchs, in denen sich Balde von den Stoikern ausdrücklich und spektakulär lossagt (3,12 und 3,16), vor allem wegen ihrer Apathielehre, durch die er sich in seinem freien „Mensch“-Sein (3,12,37) beschränkt glaubt.151 Aber nur einmal, in der Ode über Wigos „Meditationes“ (3,39), wird christliche Gottesliebe gegen stoischen Tugenddünkel explizit ausgespielt. Und im größten Gedicht der „Lyrica“, der Ode an Kurfürst Maximilian (4,1: „Omnia à divina Providentia pendere, & gubernari“152), gelingt es Balde, ohne spezifisch christliche Gedanken zu verwenden, seinen Vorsehungsglauben mit dem der Stoiker auszugleichen.153 So überrascht es kaum, dass das vierte Buch eine zumindest partielle Versöhnung mit den Stoikern (4,29) und weitere explizit „stoische“ Oden bringt (4,30; 31; 33). Wie Horaz wollte Balde vor allem auch philosophischer, nicht nur christlicher Lyriker sein. Verwandt aber fühlt er sich ihm vor allem als Ekstatiker, der seine Horaz vergleichbaren göttlichen Entrückungen immer wieder in „enthusiasmi“ aufzeichnet.154
    Die „Epoden“ sind in ihrem über das bloße Metrum hinausgehenden jambisch- aggressiven Gattungscharakter von den Oden der „Lyrica“ weniger scharf unterschieden als bei Horaz (der „Epodi“ und „Carmina“ ja auch in verschiedenen Lebensperioden verfasst hat).155 Ein Grund dafür liegt auf der Hand und wird in epod. 2 („Modus vindicandi se Christianus“) ausgesprochen: Ein Christ soll sich an seinem Feind nicht rächen, sondern ihm die berühmten glühenden Kohlen aufs Haupt sammeln. Die von finsterer Wut, ja Hass beseelten Epoden gegen Türken (1)156 und Juden (14)157 zeigen freilich, dass diese Wohltat nicht allen gleichermaßen zugute kommt. Neu gegenüber den Epoden des Horaz und den „Lyrica“ Baldes ist, dass vier hintereinander kommende Gedichte in innerem Zusammenhang stehen, einen Zyklus bilden: die Epoden 5-8, die sich auf eine Wallfahrt Baldes zur Maria von Altötting beziehen.
Dieses Prinzip des Zyklus, das immerhin schon in den sechs horazischen  „Römeroden“,  carm. 3,1-6, ein partielles antikes Vorbild hatte, wird nun zum durchgängigen Bauprinzip der „Sylvae“, in denen jedes der zunächst sieben Bücher selber einen solchen Zyklus darstellt (oder, in einem Fall, mehrere in sich enthält). Damit rücken die geistlichen Gedichte, die in den „Lyrica“ verstreut waren, nunmehr zusammen (und die übrigen Bücher werden umso entschieden säkularer). Das zweite Buch der „Sylvae“ enthält drei Christus und Maria huldigende Gedichtsammlungen,158 das abschließende siebte Buch heißt „Miscellanea Sacra“ und bringt unter anderem die endgültige Versöhnung des Christen Balde mit der Stoa. In zwei Büchern sucht Balde wie früher im „Maximilianus I. Austriacus“ aktuell politische Wirkung. Das dritte Buch will Wege aus dem Sittenzerfall Deutschlands weisen („De moribus veteris ac Novae Germaniae“),159 bezeichnenderweise ohne dass dabei an eine moralische Wirkung der christlichen Religion gedacht würde (Balde erhofft eine Besinnung auf das von Tacitus verherrlichte heidnische Germanentum); das eng dazugehörige vierte Buch enthält „Klagen oder Trauerlieder beim Anblick der Verwüstung Deutschlands“ (Threni sive lamentationes videntis vastationem Germaniae), wobei z.T. Germania selber als Trauersängerin der einzelnen „threnodiae“ eingeführt wird. Es ist leicht zu sehen, dass durch dieses zyklische Prinzip die „Sylvae“ denjenigen Gedichten Baldes angenähert werden, die in der Tradition seines emblematischen Jugendwerks „De Dei et mundi amore“ als Variationen zu einem Thema angelegt sind. Das Vorbild des Horaz wird im Übrigen in den „Sylvae“ auch dadurch erweitert, dass neben die horazischen Strophenformen gelegentlich (aber dies nur in den beiden religiösen Büchern) freirhythmische „Dithyramben“ treten. Der Schlusshymnus, der die „Sehnsucht nach der ewigen Heimat“ ausdrückt (Hymnus aspirantis ad Coelestem Patriam), hat zwar streng metrische Form, erweckt aber durch die tendenzielle Regulierung des Wortakzents160 den Eindruck einer rhythmischen Freizügigkeit, die alle Grenzen sprengt:

          Lucidi caligo ponti,
            Portus absorbens carinas,
            Grata tempestas profundi,
            Pax tumultuosa merge,
            Merge mitis turbo Vatem.
        Hic peritur enatando; salvus est, qui mergitur.161


Hier ist das  Metrum des „deutschen Horaz“ ebenso unhorazisch wie der Gedanke.
Mit seinen zwölf Büchern horazischer oder fast-horazischer Lyrik glaubte Balde sein lyrisches Werk abgeschlossen zu haben. Das bezeugen die drei Putten, die auf dem Kupferstich am Ende des letzten Sylven-Buchs ihre Lauten zerschlagen, mit der Inschrift: „cantatum satis est, frangite barbita“162; darauf weist noch eindeutiger das einleitende Gedicht dieses Buchs, wo der Dichter erklärt, von Horaz zu Ovid, d.h. von der Lyrik zur Elegie übergehen zu wollen (sylv. 7,1,1-4):

Paullatim emoveor Venusino languidus163 antro;
    Sulmoque pellit Aufidum.
Tempus erit, quo te, NASONEM, FLACCE, relicto
    Cultris sed exsectum sequar.164


Zum Thema des neuen großen elegischen Gedichts inspiriert der Frühling: Maria soll es sein! (135-140)

       Interdum numeris Ovidi miscebo Tibullum,
            Umbrique venam masculi:
        Sic tamen, ut castos faecundos pectoris igneis
            Damnare nullus audeat.
        Nam cur dissimulo? VIRGO, tua vita canetur:
            Tuos amores inseram.165


Balde hat dieses doch gewiss wirklich geplante Werk einer erotisch-elegischen Mariendichtung nie geschrieben, blieb vielmehr in den folgenden Jahren gegen seine ursprüngliche Absicht im Banne der Lyrik. Auf der einen Seite hatte ihm diese ja nicht nur volkstümlichen Erfolg, sondern die Anerkennung auch vor allem der Gebildeten in aller Welt eingebracht166  – so lag es nahe, die Zahl der „Sylvae“ um zwei Bücher zu erweitern (1646), von denen eines, das letzte, seinem neuen prominenten Gönner Claude de Mesme, Comte d’Avaux (genannt Memmius) gewidmet wurde167 –; auf der anderen Seite waren mit dem Horazcorpus die Möglichkeiten lateinischer Lyrik noch nicht ausgeschöpft. In der „Philomela“ (1645), einer lyrischen Paraphrase zu der Bonaventura zugeschriebenen „Philomena“,168 verwendet Balde, wie er selber angibt,169 vor allem die Metren des Boethius (aus der „Consolatio philosophiae“), nimmt aber auch, um den mittelalterlich-christlichen Charakter des Werks zu betonen, die rhythmisch schmeichelnden Reimverse des Originals mit auf:

       PHILOMELA prævia temporis amœni:
        Quæ recessum nuncias imbris atque cœni:
        Dum mulcescis animos tuo cantu leni,
        Ave prudentissima: ad me quæso, veni.170


Das Werk wirkt wie eine Art Ersatz für die von Balde geplante elegische Mariendichtung: Es beginnt mit einer Marienode, und es endet mit einem großen elegischen Heroidenbrief, geschrieben von der schon seligen Philomele an ihre noch auf Erden schmachtende Schwester Progne.
    Balde nutzt die ihm bleibenden Münchner Jahre nicht, um ein weiteres großes, dem lyrischen Corpus vergleichbares Projekt in Angriff zu nehmen; neben den erwähnten lyrischen Ergänzungswerken arrondiert er nun vor allem das schon Geschaffene. Der lateinische „Agathyrsus“ wird zu einem „Agathyrsus Teutsch“ (1647) ausgebaut – dieses auch mit Noten versehene Meisterwerk süddeutscher Sprachgewalt und urwüchsiger Komik ruft noch immer nach seinem Interpreten, der vor allem auch die originellen deutsch-lateinischen Mischstrophen zu würdigen hätte (str. 1):

            Wolan / so will ich dann /
            Lincks / Rechts / Latein und Teutsch zugleich
            Eins singen / wie ich kann.
                EXSULTA FELIX MACIES;
                Lætare torva Facies;
            Du stehst wol an eim Mann.171


In Analogie dazu werden aus dem bisher nur deutschen „Ehrenpreiß“ (unter Mitwirkung mehrerer Freunde) die metrisch172 dem „Poema de vanitate mundi“ entsprechenden deutsch-lateinischen „Olympia Sacra“ (1648).173 Und alle bisher verfassten Marienoden sammelt er in den fünfzig „Odae Partheniae“ (1648). Mit diesen zwei Werken scheint Balde zehn Jahre Mariendichtung endgültig abschließen zu wollen: Das Ende seines „lyrischen Jahrzehnts“ (Eckart Schäfer) beendet auch die poetische Beschäftigung mit der Gottesmutter.
    Ein Werk fällt aus der reichen Produktion dieses Jahrzehnt völlig heraus: die zur Verherrlichung des bayerisch-französischen Friedens von Ulm (14. März 1647) verfasste „Poesis Osca sive Drama georgicum“ – kein eigentliches Auftragswerk, auch wenn es von den Franzosen gewünscht und dem Kurfürsten nicht unrecht war.174 Hier versucht Balde, die politische Gelegenheit beim Schopfe packend, etwas völlig Neuartiges, wie schon der Titel andeutet: ein Drama unter Bauern. Unter Fürsten spielte, nach ehernen Gesetzen, die Tragödie; unter Bürgern die Komödie: Ein eigentliches Drama175 für Bauern gab es nicht.176 Wenn es geschaffen werden sollte – und ein Drama über die Segnungen des Friedens verlangte nach Bauern als dessen Hauptnutznießern - musste die Sprache sozusagen noch unter das Komödienniveau abgesenkt werden. Das erledigt heute etwa im Tegernseer Volkstheater der natürliche Dialekt. Da es diesen für Baldes Bauern, jedenfalls wenn sie Latein sprechen sollten, nicht gab, musste er ihn erfinden. Gemäß der Annahme, dass das Land sprachlich konservativ ist, rekonstruiert er also – nach schon im „Magnus Tillius“ gemachten Vorstudien177 -  aus Grammatikerzeugnissen und sonstigen Sprachdokumenten178 ein Altlatein, dem er kühn den Namen „oskisch“ gibt.179 Etwa ein Marienhymnus klingt in dieser Sprache so:

         SOLLA BELLA, qua cluente
            Concta fulgunt: SOLLA MALTA,
            Qua vegente concta nauscunt.
            VIRGO mustæ pulcritatis:
            VIRGO malta bella salve.
        SOLLA BELLA, SOLLA MALTA, SOLLA NYMPHE MALTHACA.


In der klassisch lateinischen Prosa-Übersetzung, die Balde natürlich beigeben muss, heißt das:

         Tota formosa, qua splendente
            Cuncta fulgent: tota tenera,
            Qua vegetante omnia nascuntur.
            Virgo recentis ac vividæ pulcritudinis:
            Virgo tenera ac formosa salve:
        Tota formosa, tota mollis, tenera.


Ein ganzes Drama in so künstlicher Sprache war für die Bühne naturgemäß ungeeignet; im Gegensatz zu den meisten anderen Werken Baldes kann es nur für sehr wenige literarisch und linguistisch gewitzte Kenner, wie den Widmungsadressaten Claude Mesme d’Avaux, bestimmt gewesen sein.
    Vielleicht sollte dieses „Drama Georgicum“, in dem der ja nicht unumstrittene Friede Maximilians I. gefeiert wurde, auch eine kleine Entschädigung dafür sein, dass Balde sein eigentliches Auftragswerk in diesen Münchner Jahren nicht lieferte: die Geschichte des Dreißigjährigen Kriegs, für die ihn ja sein Kurfürst seit 1640 engagiert hatte. In einem berühmten, aber erst im neunzehnten Jahrhundert bekannt gewordenen Geheimdokument180 beklagt er sich über den selbst eines Plautus unwürdigen „Mühlendienst am Hofe“ sowie die „despotische Zensur“, mit der Maximilian seine Historiographie gegängelt habe;181 der Wahrheit dürfte er vielleicht etwas näher kommen, wenn er zugibt, dass er „in Blüte und Rausch seiner Lyrik“182 durch die „Mühsale eines verrußten Sklavendiensts“183  nicht habe gestört werden wollen.184 So stellte er die historische Arbeit zunächst zurück,185 kam aber auch später damit nicht recht weiter und steckte, als der Kurfürst ihm, vom Münsteraner Friedenskongress 1648 zurückkehrend, Materialien zu Neuerem liefern wollte, noch immer erst mitten im Böhmischen Krieg. Dies war dem Kurfürsten dann doch zu wenig, und er entband Balde von einem Auftrag, dem sich dieser selbst nunmehr schon acht Jahre lang erstaunlich erfolgreich entzogen hatte.
    Zwei letzte, ungewöhnliche lyrische Werke stehen am Ende von Baldes Münchner Zeit. Der „Arion auf der Schelde“ (Arion Scaldicus, 1649, veröffentlicht erst 1729), ein „Drama auf der Wasserorgel“ (Drama hydraulicum), stellt im Munde des berühmten Sängers und Delphinreiters Arion und des Wassergotts Proteus, denen auch ein Chor assistiert, die Eroberung Antwerpens durch Alessandro Farnese i.J. 1585 dar, aber nicht in dramatischer Aktion und Wechselrede, sondern in ausschließlich lyrisch erzählenden Gesängen (meist horazischen Versmaßes). Das einem katholischen Helden gewidmete Stück bleibt in antik-heidnischen Vorstellungen, soll aber zugleich laut Titelblatt ein „Poema Allegoricum“ für Leben und siegreiches Streiten eines Christenmenschen darstellen. Eckart Schäfer, der soeben eine erste, geistreiche und bahnbrechende Interpretation dieses von Balde nicht veröffentlichten und bisher so gut wie unbeachteten Stücks vorgelegt hat,186 zeigt überzeugend, dass Anlass des Werks das Erscheinen des zweiten Bands von Famianus Strada S.J., „De bello Belgico“, war und dass es so in einem Zusammenhang mit Baldes eigener historiographischer Tätigkeit stehen dürfte; die formale Sonderbarkeit dieses lyrischen Dramas187 ist damit allerdings noch nicht erklärt.
    Leichter zugänglich ist die „Chorea mortualis“ (Totentanz), die Balde 1649 zum Tod der im Wochenbett verstorbenen Kaiserin Leopoldina verfasst hat. Hier versucht er ein letztes Mal an den Erfolg seines zweisprachigen „De vanitate mundi“ anzuknüpfen, wobei er – fast eine gänzliche Singularität – sich auch im Lateinischen rhythmischer Verse bedient (die also wie die deutschen zum Gesang bestimmt sind).188 Str. 1 (von 33):

         Eheu, quid Homines sumus?
            Vanescimus, sicuti fumus.
                 Vana, vana Terrigenum Sors,
                 Cuncta dissipat improba Mors.

            All Menschen herkommen auß Erden!
            Staub / Erden sie widerum werden.
                 Ach Eytelkeit alles zumahl!
                 O Schwachheit! betrübender Fall!


Die anapästisch-daktylischen Rhythmen unterstreichen den Tanzcharakter des ja von Totengerippen gesungenen Lieds; der regelmäßige Reim (Sors – Mors) im 3. und 4. Vers jeder Strophe (die letzten beiden ausgenommen) verdeutlicht, dass wir wieder, wie in „De vanitate mundi“, ein Gedicht aus der Tradition der Emblemzyklen vor uns haben.
    Schon bevor Balde im Frühjahr 1649 München verlässt, um nach Landshut versetzt zu werden, beginnt er, an einer neuen literarischen Aufgabe zu arbeiten. Das alte Projekt eines Tilly-Epos (s. oben S.   ) war längst aufgegeben; aber auch der neuere Plan eines elegischen Marienwerks (S.  ) lockte nun, nachdem mit den „Odae Partheniae“ die Mariendichtung zu einem Abschluss gebracht war (S.    ), nicht mehr. Mit seinem Buch „Medicinae gloria“ (1651)189 wird Balde nunmehr Satiriker, wohl einer Überzeugung folgend, die er später in „De studio poetico“ (1658) ausgesprochen hat:

Quid multis? alia pleraque Poemata imputes Iuventae, aetatis humanae Veri, velut flores: aut aestati, ut segetes; SATYRA, virilis animi, maturíque Iudicii fructus est, ac vitae debetur Autumno. quem Juvenes optare quidem possunt, non item carpere.190

Wahrscheinlich hat sich Balde nicht klar gemacht, dass Horaz seine Satiren in jüngeren Jahren, jedenfalls geraume Zeit vor der Lyrik verfasst hat. Die modernen Horazausgaben mit ihrer Abfolge von (grob genommen) Lyrik, Epoden, Satiren, Episteln konnten hier durchaus verwirren.191 Neu gegenüber den antiken Vorbildern, von denen Juvenal in der Vorrede an den Leser, Lucilius, Juvenal und Persius192 im programmatischen ersten Gedicht193 genannt werden, ist auf jeden Fall, dass alle zweiundzwanzig Satiren einem einzigen Thema gelten: Trotz dem absichtlich irreführenden Titel „Medicinae gloria“ sind das die schlechten Ärzte, die „Affen“ und Verderber der Heilkunst. Damit reiht Balde sein Werk trotz entschiedenem Anschluss an die Antike unter seine zyklisch strukturierten ein, ja er verbindet es in der Vorrede an die Ärzte fast ausdrücklich mit „De vanitate mundi“. Wie er dort erklärt hatte, als ein Priester die Eitelkeit auf hundert Altären schlachten zu wollen, so will er auch jetzt, „vom Dichter zum Priester geworden“, das böse Geschlecht der medizinischen Scharlatane „mit dem Beile treffen und opfern“.194
Baldes entschiedene Vorliebe gilt Juvenal,195 den er nur in einem Punkt nicht erreichen zu können glaubt: in der schonungslosen Schärfe der Kritik, welche für die Gegenwart unerträglich geworden sei. Schon in der Vorrede an den Leser kündigt er an, „die Empörungen des Juvenal196 und die Epilepsie hauchenden Verse auf einen anderen Gegenstand aufzusparen“;197 und in der ersten Satire ersetzt er Juvenals berühmtes „Difficile est saturam non scribere“ (1,30) durch ein vor eben dieser Aufgabe resignierendes „Difficile hoc aevo est, sanctum proponere verum“ (med. 1,19: Schwierig ist es in diesem Zeitalter, die heilige Wahrheit vorzustellen).198 So erneuert er doch eher das mildere Programm des Horaz, „ridentem dicere verum“: Wie es der Satiriker Horaz den Lehrern nachtun wollte, die ihre kleinen Schüler mit süßen Plätzchen dazu verführen, das ABC zu lernen,199 so wolle er (zum Thema passend) den Ärzten folgen, die den Kranken Honig in bittere Arznei mischen (med. 1,48 f.).200 Dem philosophischen Satiriker Horaz folgt Balde, wenn er in die Mitte seiner Sammlung (med. 12)201 ein Gedicht stellt, das, in Auseinandersetzung mit einem Atheisten, die Grundzüge einer wahren Weltsicht erläutert202: Von der Meditation eines Skeletts in der Aula des berühmten Anatomen Andreas Vesalius203 ausgehend (V. 24-62), beweist er mit stoischer Argumentation die Existenz Gottes und der Vorsehung (V. 67-97), mit platonischen Gedanken die Unsterblichkeit der Seele (V. 98-136). (Das spezifisch Christliche fehlt auch in diesem Gedicht, das man Baldes Antilucrez nennen könnte.) Der turbulente Schluss, wo die Mitbürger dazu aufgehetzt werden, den wahnsinnigen Gottesleugner Ciperus alsbald zu fesseln, um ihn an weiterer Ausübung des Arztberufs zu hindern, bringt das Gedicht dann wieder zurück in die fröhliche Welt horazischer Satire.
In der Vorrede und im ersten Gedicht von „De medicinae gloria“ hatte Balde angedeutet, dass bei ihm demnächst mit schärferen, mehr juvenalischen Satiren zu rechnen wäre.204 Er stellt diese Absicht zurück, obwohl seine Medizinersatiren mit nicht geringerem Beifall aufgenommen werden als einst das lyrische Corpus.205 Wichtiger ist es ihm nun offenbar, ein Werk zu vollenden, mit dessen Erscheinen wohl kaum jemand gerechnet hatte: die 1637 aufgeführte Tragödie „Jephte“: Deutsche Jesuitendramen, immer für die Schule bestimmt, wurden, auch zu mehrmaligem Gebrauch, abgeschrieben, aber so gut wie nie gedruckt.206 So bezeugt schon die Drucklegung allein, welche Bedeutung Balde seiner Tragödie, die er nun „Jephtias“ nannte, beigemessen hat. Er hat in ihr den alttestamentarischen Stoff von Jephte, der, einem Gelübde folgend, Gott seine eigene Tochter opfern muss, in neuer christlich-theologischer Deutung – Jephtes Tochter präformiert typologisch den geopferten Christus – so aufbereitet, dass daraus ein fast völlig klassisches Drama nach den Regeln des Horaz und dem Vorbild Senecas entstand: Es hat fünf Akte, die gegliedert durch metrische Chorlieder sind; es verwendet den strengen klassischen Trimeter ohne die sonst zugelassenen Lizenzen; es verzichtet auf die üblichen allegorischen Personen; es verschmäht auch grausliche Schaueffekte wie besonders die Opferung der Jephtetochter, von der nur in Botenberichten erzählt wird. Schon eine Ode von 1637 (lyr. 1,33) zeigt, wie stolz Balde darauf war, christliche Interpretation mit streng klassischer Form zu vereinen. Bei der Neubearbeitung machte er nur ein Zugeständnis an die literarische Mode (das sich immerhin durch Hinweis auf die berühmteste antike Märtyrerin, die Antigone des Sophokles, rechtfertigen ließ): Jephtes Tochter erhält nunmehr einen Liebhaber, einen jungen Ägypter, der also in typologischer Deutung die Christus liebende menschliche Seele verkörpert. In der tapsigen, aber liebenswerten Gestalt dieses Jünglings hat Balde einiges von sich selber dargestellt und damit den menschlichen Gehalt des Stücks wunderbar bereichert.207
Trotz der gigantischen Länge von über fünftausend Versen war dies keine Lesetragödie. In seiner kurzen, aber aufschlussreichen Vorrede an den Leser nennt Balde, um Missverständnisse auszuschließen, die noch viel umfangreichere Tragödie eines Bernardus Stephonius, die trotz Überlänge oft mit Erfolg gespielt worden sei. Dann heißt es:

Dabimus fortasse verò nos & alias, stilo vet. haud paullo breviores, si vita & otium suppetant; vix decem folijs staturas. Me nunc saltem juverit, Germanum popularibus meis, insuetum per iter, viam stravisse. Quod ipsum Lyricis ac Satyris tentavimus. Acriora Ingenia, praevium minus habile<m>, provocata feliciùs sequantur; ac, per me licet superent. Toto anno omnia Theatra Tragoedijs personant. Eja, producantur in stabilem lucem: ne doctos voluptate, Iuventutem eruditione; ornamentis Patriam defraudare censeantur.208

Besonders aus diesen Worten geht hervor, wie hoch Balde seine Tragödie (für deren Druckfassung er sich immerhin drei Jahre Zeit genommen hat) einschätzt. Er stellt sie – man beachte die Werkauswahl - neben seine lyrischen Oden und die Medizinsatiren, durch die er jeweils deutschen Dichtern einen neuen Weg eröffnet habe. Damit kann kaum etwas anderes gemeint sein, als dass diese drei Werke strenger am klassischen Vorbild (Horaz, Juvenal, Seneca) orientiert waren als vergleichbare Gedichte deutscher Poeten. Für alle drei Gattungen, Lyrik, Satire, Tragödie, wünscht er sich Nachfolger; für die Tragödie stellt er in Aussicht, selbst weitere Stücke „im Stil der Alten“ liefern zu wollen.
    Dazu ist es bekanntlich nicht gekommen. Einen Grund dafür deutet später Balde selbst an: Der allzu schlichte, auf Rührung ausgehende Stil war bei manchen Lesern, die sich auch hier, wie in enthusiastischen Oden „Donnerschläge in Wörtern und Gedanken“ erhofft hatten, auf hämisch mitleidige Kritik gestoßen: „Er wird alt. Die Schwäne, die anfangs aus seinem Munde sangen, scheinen ihm jetzt schon das Haupthaar zu besetzen.“209 Ein anderer Grund dürfte noch wichtiger gewesen sein: Offenbar war kein Jesuitengymnasium bereit, die künstlerisch anspruchsvolle, aber äußerlich effektarme und unspektakuläre „Jephtias“ aufzuführen und dies, obwohl Balde eigens, um eine Aufführung zu erleichtern, rhythmische Alternativchorlieder verfasst und sogar mit Noten versehen hatte. Wohl vor allem dieser ärgerliche Mangel an Resonanz – denn die Tragödie braucht Zuschauer, nicht nur Leser - veranlasste Balde sich auf die andere, erfolgreichere der von ihm in Angriff genommenen Gattungen zu konzentrieren. Sein in Neuburg a. D. entstandenes Alterswerk – Balde ist seit dem Jahr 1654 Hofprediger beim dortigen Pfalzgrafen - ist nunmehr bestimmt von Satiren und satireähnlichen Hexametergedichten:210 „Satyra contra abusum tabaci“ (1657), ein ingeniöses Meisterwerk der Gattung; „Torvitatis encomium“ (1658), ein Paradoxenkomion ähnlich dem „Agathyrsus“; „Antagathyrsus“ (1658), ein Specimen der „ars in utramque partem dicendi“; „Solatium podagricorum“ (1661)211, wiederum z. T. ein Paradoxenkomion;212 „De eclipsi solari“ (1662), eine Satire gegen den astrologischen Aberglauben.213  
Damit rundete Balde sein Werk als „Deutscher Horaz“ ab: Insbesondere die Satiren scheinen ihm ja diesen Titel verschafft zu haben. Nur ein Werk des Horaz hatte bei Balde noch kein Äquivalent gefunden: das Lehrgedicht „De arte poetica“214. Angeblich weil ihn ein junger Freund, Crescentius, dazu auffordert, schreibt Balde nunmehr eine entsprechende Abhandlung „De studio poetico“, die er seinem nur lose damit zusammenhängenden „Torvitatis encomium“ (1658) vorausschickt, in Prosa, nicht in Gedichtform (wie Balde ja überhaupt zunehmend Freude auch an der Prosa hat). Zu einem großen Teil kommentiert er darin Horaz, wobei er aber, wie jetzt Thorsten Burkard gezeigt hat,215 dessen Absichten oft kühn verdreht bzw. zu seinen Zwecken umbiegt. Sein Hauptziel ist jedenfalls ein ziemlich anderes. Wollte Horaz, vor einem modischen Geniekult warnend, die Wichtigkeit sorgfältiger Schulung des Dichters und selbstkritischer Arbeit am Dichtwerk dartun,216  kommt es Balde, der sich vor allem von schulmäßigen Poetiken absetzt, auf das Schöpfertum des Dichters an:

Memento, Grajos eodem vocabulo Phoebi sacerdotem cohonestare quo Deum: quem Poetam à faciendo, fingendóque vocant. uterque statuit opus foras productum, quod paullò antè in rerum natura non erat: Deus ex nihilo; Poeta ex cerebro. Unde & Carmen condere dicitur, quo modo Deus Mundum condidisse.217

Dieses Konzept, das auf die allem übergeordnete Forderung nach „novitas“ hinausläuft, bringt Balde in Konflikt damit, dass neulateinische Dichtung ja immer an die Imitation der vorbildlichen Alten gebunden ist. So kommt er zu höchst differenzierten und geistreichen Vorschriften über die hohe Kunst richtiger und doch schöpferischer Imitation (ein Thema, das in ‚De arte poetica‘ kaum eine Rolle gespielt hatte). Verschieden sind auch die vorzugsweise traktierten Gattungen. Während es Horaz besonders um die Tragödie ging, die ihm damals dichterisch nicht auf der Höhe der Zeit schien, gipfelt „De studio poetico“ in einem Lobpreis der von Balde nun vor allem gepflegten Satire, nicht nur wegen ihrer gesellschaftlichen Funktion, sondern besonders auch weil sie wie keine andere Gattung über sämtliche Ausdrucksmöglichkeiten verfüge: „Ceterùm nulla Musa in Parnasso opulentiùs coenat“ (Keine Muse tafelt üppiger auf dem Parnass).218  Der Satz könnte auch von dieser Prosaschrift gelten: Sie bietet ein Feuerwerk verschiedenster Einfälle, und in der verwirrend assoziativen Kühnheit der Gedankenführung hat sie das Vorbild des Horaz noch überboten.

    Nicht nur von der Satire ist aber die Rede: Balde nimmt besonders auch auf seine Lyrik Bezug und spricht einmal auch von seinen (nicht vergessenen) elegischen Plänen:

An malles, & nostros Elegos absolvi? dabitur opera, simul destinata expedivero, ea quoque de gratia: Ne solos se Ovidianos putent, qui neque Lyrici, neque Satyrici sunt. A proposito non deterret ullus, aevo nostro, mollium amorum, vel numerorum scriptor. [...] An unicus Dan. Heinsius inter ignitos lapides  novit ambulare? ego, citra jactantiam, castiores illi gemmas opponam: quae nihilominus in nova prorsus, quod sciam, teneráque, & ad delectandum imprimis apta materia coruscabunt.219

Die Verheißung eines elegischen Werks kommt nicht ganz überraschend. Beim „Regnum poetarum“ (1628) hatte Balde mit der erotischen Heroidenepistel des Winterkönigs seinen größten Erfolg gehabt. Am Schluss des „Poema de vanitate mundi“ (1638) mahnte Frau Elegia ein entsprechendes Werk an, und nach Abschluss der „Sylvae“ (1643) schien Balde in der Tat zu einer großen, sein Marienwerk krönenden elegischen Dichtung entschlossen. Wenn er davon immer wieder Abstand nahm und der Elegie nur an wenig exponierter Stelle (wie gerade in „De vanitate mundi“) Platz gab, könnte es damit zusammenhängen, dass er sich dieser Form von Jugend an besonders sicher war, so dass er glaubte, er werde ihr auch im Alter noch gewachsen sein können. Dafür sprechen die oben zitierten hochgemuten Sätze, in denen Balde ja sein elegisches Alterswerk, die „Urania victrix“ (1663), ankündigt, ein Gedicht, mit dem er, wie man liest, keinen Geringeren als den formvollendeten und ingeniösen Dichterphilologen Daniel Heinsius herausfordern will. Wie Wilhelm Kühlmann entdeckt hat, äußert sich Balde schon ein Jahr zuvor mit derselben Zuversicht in einem Brief an Ferdinand von Fürstenberg und spricht auch von einer geplanten Widmung an Papst Alexander VII. (14.8.1657).220 Das Weitere liegt leider etwas im Dunkeln. Kühlmann nimmt an, dass der uns bekannte, 1663 gedruckte, erste Teil der „Urania“ schon 1657 (nach dem zitierten Brief) an den Papst gesandt und sogleich (vor einem Brief vom 19.9.1657221) von diesem mit einer Goldmünze regaliert wurde; aber das macht in sich chronologische Schwierigkeiten und lässt sich vor allem mit dem zitierten Zeugnis aus „De studio poetico“, wonach ja die „Urania“ auch in vorläufiger Form noch nicht vollendet sein kann, schwerlich vereinen.222  Sie dürfte also doch wohl langsamer und später entstanden sein,223 großenteils zugleich mit der Arbeit an den letzten Satiren.
Auf jeden Fall ist diese „Urania“224 von Balde als Abrundung eines Lebenswerks gedacht, das nach Lyrik und Satire nun eben auch die Elegie umfassen soll. Das deutet er an in mehreren Äußerungen,225 am klarsten in der Vorrede an den Leser:226

Mussabat nimirum aliquis: omninò debes adhuc gratiam istam mansuetioribus Musis, ut tenerum vel masculum quodcunque commentum, cum lauro meriturus et myrtum, numeris imparibus227 canas. [...] Sat esse datum Venusinis fidibus: sat Juvenalis et Horatij ancipiti romphaeae. Sat denique enthusiasmis,228 et exoticorum conceptuum aestuosis torrentibus. moderandum nunc esse ingenium, excutiendos vel refrenandos furores. Jactabant alij callidiùs: facile esse nonnullis, dum fervet sanguis, in diversa et quodammodo ab humanis usibus abstracta Themata, quasi lymphatos rapi. illum Poetam magni nominis censendum, qui in certo pulcroque, sed leniori argumento stabilem pedem haud inglorius fixisset. Elegiaco stylo aliquid scribere, molli atque Jonico:229 hoc esse quod pervadat animos, et famam consummet. atque hoc jactantiùs improperabant. credo ut periclitarentur, an ex Satyrico Lyricoque Poeta, elegiacus fieri possem.230

Wenn sich Balde von dieser stichelnden Argumentation seiner Freunde beeindruckt gibt, ist das sicherlich nicht völlig ernst zu nehmen: Dass die (ja vorwiegend erotische) Elegie eine Gattung gerade für das Alter sei, steht in Widerspruch zu den Äußerungen der klassischen Elegiker;231 und auch dass sie eine besondere Herausforderung für den arrivierten Dichter darstelle, wird man bezweifeln. Und doch ist unverkennbar, dass sich hinter der offenkundigen Ironie dieser Vorrede die wirkliche Sehnsucht verbirgt, durch Erschließung einer neuen Gattung etwas zu schreiben, „quod famam consummet“.
    Wohl kaum in einem anderen Werk ist Balde so sehr die Vereinigung all dessen gelungen, worauf er sonst partiell abzielte und was seine Dichtungen bestimmt hatte. Es ist ein durch und durch christlich-platonisches Werk, in dem Urania, Personifikation der für den Himmel bestimmten, dem Bräutigam Christus versprochenen menschlichen Seele, von den fünf Sinnen, die sie von dieser Berufung abziehen wollen, bedrängt wird; es ist ein strikt an der Antike orientiertes Werk, dadurch dass diese Verführung durch die als Freier auftretenden Sinne die Form eines erotisch-elegischen Briefwechsels hat, der aus Ovids Heroiden, genauer gesagt: aus deren Doppelbriefen entwickelt ist;232 und es hat schließlich die bei Balde so beliebte zyklische Form: Jeder der fünf Sinne schreibt nicht nur selbst einen Werbebrief und erhält darauf eine (abschlägige) Antwort, er wird unterstützt von je zwei ihm zugeordneten Sekundanten – dem Gesichtssinn (Visus) etwa assistieren ein Maler (Cinna) und ein Astronom (Phisco) –, die ebenfalls Briefe schreiben und mit einem Korb bedacht werden. So entsteht ein „gleichsam more geometrico konzipierter Elegienzyklus“ (Kühlmann)233 aus dreißig Gedichten, in denen sich die ganze damalige Welt, im Angebot besonders auch ihrer Künste und Wissenschaften widerspiegelt. Am Ende steht, als Gipfel säkularer Verführungsmacht, die Geschlechtsliebe selber, verkörpert im Trabanten des „Tactus“, dem „ruhmredigen Soldaten“ Caspar Aruncus Venantius Afer, der, wie Balde ausdrücklich angibt, kein anderer ist als der Teufel selber. In seinem lasziv-dreisten Brief, der in seiner noch ungenierteren Urfassung Baldes Zensoren verstört hat,234 ist die ovidianische Elegie235 in ihrem eigentlichsten Element (epist. 29, cap. 11):

        Fortè times culpam? simplex, ne rustica dicam, 236
             Audacem et timidam non decet esse nimis.
        Pecca, sed retice, modò casta silentia serves,
            quis prohibet taciti dulcia furta tori?
237

Hiermit kehrt Balde zugleich, noch handgreiflicher als in den vorigen Briefen, zurück zum großen Thema seines ersten Werks „De Dei et mundi amore“: Auch dort war ja schon der mit dem Teufel gleichgesetzte Cupido als Widersacher Christi im Kampf um die menschliche Seele aufgetreten.
    Aber zur selben Zeit, wo Balde an seiner „Urania“ arbeitet, die ja noch zwei weitere Teile haben sollte,238 beschäftigt ihn wiederum auch der Gegenstand seines zweiten Jugendwerks, des „Regnum poetarum“. In seiner ein Jahr später veröffentlichten „Expeditio polemico-poetica“ (1664)239 erscheinen noch einmal, vermehrt um wenige andere,240 jene zwölf Dichter, die er einst im Gymnasium hatte auftreten lassen, um seinen Schülern ihre vor allem stilistische Verschiedenheit zu demonstrieren (s. oben S.   ).241  Diesmal sprechen sie weniger selbst – gelegentliche Verse sind wörtliche Zitate aus ihren Werken –, als dass sie ihre jeweilige Eigenart durch ihr Handeln und Denken verraten: Sie agieren nämlich, unter der Oberleitung Vergils, bei einem Feldzug, den sie gemeinsam gegen die im dickschädeligen Böotien gelegene Burg der „Unwissenheit“ (Ignorantia) unternehmen. Da wird man sich zum Beispiel rasch klar darüber, dass die „Majestas“ Vergils es verbietet, ihn körperlich am Feldzug zu beteiligen; dasselbe Privileg könnte natürlich auch der ebenso klassische Horaz in Anspruch nehmen, aber, geistig beeinträchtigt durch vortägigen Weingenuss,242 erklärt er sich bereit, als Pfeifer zur Militärmusik beizutragen. Was die Frage nach dem dazugehörigen Trommler aufwirft: Der standesbewusste Claudian (dem Baldes besondere Sympathie gehört) verhindert, dass man den dichterisch unbedarften Consular Silius Italicus dazu bestimmt und versucht, den von ihm verachteten Martial ins Gespräch zu bringen; der aber, ein Speichellecker, rettet sich, indem er Claudian das berühmte Hündchen Issa schenkt. Als man aber schließlich auf die Idee kommt, den Grammatiker Priscian, und zwar den „Verprügelten Priscian“ (Priscianus Vapulans), des Nicodemus Frischlin243 zum Trommler zu nominieren, ist Horaz so empört über die Inferiorität dieses Musikerkollegen, dass er Pfeife und Leier wegwirft (wie einst den Schild bei Philippi) und sich zur Truppe der Satiriker schlägt, die über diesen prominenten Zuwachs höchlichst erbaut sind – bis auf Juvenal, der um sein Unterkommando fürchtet, wo er ja doch nach seinem Urteil der viel kraftvollere Satiriker ist als Horaz.244 Und so geht es weiter245 mit vielen Eifersüchteleien der Poeten und Kalauern Baldes, die aber doch zumindest dazu beitragen, dass sich der Leser, wenn die Burg endlich erobert ist, wieder einige Eigentümlichkeiten der betreffenden Dichter ins Gedächtnis gerufen und eingeprägt hat. In diesem Sinn wird denn auch resümiert (an den jugendlichen Adressaten Josephus Bertronius)

Habes igitur, Juvenis nobilissime, Veterum Poetarum (nam Recentium censuram, delibando vix attigimus) ingenia geniumque, stylorum & spirituum varietatem, atque diversos canendi modos, militariter à nobis descriptos, non sine illecebra, ut putamus, aliqua, conveniente tuae aetati, assumendos. Indue Vatis, qui placuerit, ferociam & arma, quae mensurae respondeant.246

Aber dieser phantastische Feldzug ist mehr als nur eine humorvolle Stilkritik zum Nutzen der Jugend. Dazu muss man die Rahmenhandlung betrachten, die wir bisher außer Acht gelassen haben. Nicht aus eigenem Antrieb nämlich haben sich die „Veteres Poetae“ daran gemacht, die Burg der Ignoranz zu stürmen. Sie wurden dazu aufgefordert von den „Neoterici“, den neulateinischen, humanistischen Dichtern, die dasselbe unter Führung keines Geringeren als Petrarca versucht hatten, dabei aber kläglich gescheitert waren: Petrarcas höchsteigenes Tintenfass, mit dessen Hilfe er schon – humanistischer Überschwang! – an einer „epistula ad amicos“ über die erfolgreiche Expedition schrieb, wurde von einer Kugel zerschmettert, zusamt dem Bildnis seiner Laura.247 Da kommt Fracastoriu248 im Gespräch mit Hieronymus Vida auf den rettenden Einfall und vor allem die richtige Diagnose:

numquid non praediximus? copias nostras immani huic speluncae expugnandae non suffecturas; ut si centies numerosiores simus: arma hebetia habemus. valentioribus machinis destituimur. Barbariem eradicare volumus, ipsi semipagani. Veterum Poetarum convocandae sunt vires. 249

Petrarca war nach Scaligers berühmtem Urteil (dem Balde zustimmt250) der erste, der „es wagte, aus dem Schmutz der Barbarei sein Gesicht zum Himmel zu erheben“251. Mit ihm beginnen Humanismus und Bildungsreform, die am Ende des fünfzehnten Jahrhunderts  auch Deutschland erreichen. Von dieser gegen die Kräfte der Ignoranz an Schulen und Universitäten durchgekämpften Reform – „Barbariem eradicare volumus“ – handelt die Allegorie dieser „Expeditio polemico-poetica“;252 und der Sinn der Erfindung ist, dass die wirkungsvolle Bekämpfung der Ignoranz nicht möglich war ohne die Hilfe der wiedererweckten antiken Autoren, dass der Humanismus auch eine Renaissance sein musste.
    Darum hat Balde aus seinem Katalog neulateinischer Dichter alle neueren Katholiken weggelassen: Rader, Gretser, Bidermann haben ja für die humanistische Bildungsreform, die bald nach der Mitte des sechzehnten Jahrhunderts abgeschlossen war, nichts mehr zu tun brauchen. Wir lesen also neben den Namen der großen Italiener des fünfzehnten und sechzehnten Jahrhunderts (Sannazarius, Maphaeus Vegius, Marullus usw.) als Deutsche nur die beiden Eobanus Hessus (1488-1540) und Joachim Camerarius (1500-1574), zwei um die deutschen „studia humanitatis“ hochverdiente Dichter, beide Protestanten, die Luther nahe gestanden haben. Baldes Bekenntnis zu einem echten, überkonfessionellen Humanismus in dieser letzten größeren Schrift könnte nicht klarer und eindeutiger sein.
    Die letzten zwei Werke Baldes, „Urania“ und „Expeditio“,253 zeigen noch einmal die Spannweite seines Schaffens: Er ist Verkündiger einer christlichen, oft christlich-platonischen Botschaft und er ist humanistischer Imitator der großen klassischen Antike. Beides kann sich vereinigen, muss es aber nicht. Die rein humanistische „Expeditio“ tritt neben die fromme (allerdings auch von Ovid geprägte) „Urania“ wie einst die „Batrachomyomachia“ neben die Predigt von „De vanitate mundi“ (S.   ). Die Vorstellung, Dichtung der Jesuiten dürfe allemal nur der Glaubenspropaganda dienen, ist, wie auch schon ein Blick in „De studio poetico“ lehrt, ganz abwegig.254 Zu den genannten beiden Tendenzen tritt als Konstante eine dritte: Baldes Streben nach Originalität, „novitas“. Im „Maximilianus I. Austriacus“ erhebt er zuerst ausdrücklich den Anspruch auf Neuheit (S.    ), aber auch schon etwa sein „Regnum poetarum“ hat kein rechtes Vorbild, und die meisten Werke tragen die Züge auch von Formexperimenten. Ein Teil dieser „novitas“ ist auch das zyklische Prinzip, das in Emblemsammlungen wie „De Dei et mundi amore“ zu Hause ist, von Balde aber auch etwa auf die Komödie (S.   ), das Prosimetrum (S.  ), das horazische Odenbuch (S.   ) und schließlich die Elegiensammlung (S.    ) ausgedehnt wird und das vor allem im eigenwilligsten Werk, „De vanitate mundi“, triumphiert (S.   ).
    Wie weit ist nun – dies war ja unsere Ausgangsfrage – in Baldes vielgestaltigem, die Gattungen durchschreitendem Lebenswerk ein bestimmter Plan erkennbar? Wenn er als junger Lehrer im „Regnum poetarum“ (1628) zeigt, dass er alle Ausdrucksmöglichkeiten der klassischen Dichtung beherrscht (S.    ), verbindet sich das doch nicht mit dem Plan, in diesen diversen Stilen nun sukzessive große Werke zu schreiben. Aus einem zufälligen Auftrag seines Collegium entsteht im selben Jahr ein etwas problematischer Claudian-Panegyricus (S.     ), dem freilich bald Besseres nachfolgt (S.    ). Die Pflicht der Schule führt ein Jahr später zu einem interessanten Formexperiment mit der Komödie (S.    ). Aus eigenem Antrieb und sozusagen auf eigene Faust hält sich Balde gerade nicht an die klassischen Gattungen, in denen er später so erfolgreich ist, sondern experimentiert mit dem Prosimetrum, um im „Maximilianus“ (1631) und „Magnus Tillius“ (1632) große Helden zu verherrlichen. Während hier das Streben nach „novitas“ künstlerisch noch weniger ertragreich ist, bringt das von antiken Vorbildern noch weiter abführende Formexperiment von „De vanitate mundi“ (1636) dem Dichter allerdings größten Erfolg. Gerade dieser befriedigt ihn aber nicht: Er arbeitet seine schlichte „Ode“ um zum polymetrischen Werk eines „deutschen Martial“ (S.    ).
    In diesen Jahren der Ingolstädter Lehrtätigkeit entsteht nun zum ersten Mal der Ansatz zu einer größeren Werkplanung, in der sich die beginnende Sorge um ein „Lebenswerk“ abzeichnet. Die an sich schon stattliche „Batrachomyomachia“ ist gedacht als heiteres Praeludium zu einem großen Epos auf Tilly, mit dem Balde vielleicht so etwas wie ein neuer Vergil werden möchte. Aber dieses epische Projekt bleibt im Ansatz stecken: Etwa gleichzeitig mit der Berufung nach München (1637) stellt Balde sein Epos zurück und plant nunmehr – die frühere Verzettelung der Kräfte überwindend – das große lyrische Corpus eines „deutschen Horaz“ (S.    ), ein Unternehmen, das ihn dann gute fünf Jahre (bis 1643) beschäftigt und mit dem er den Ärger seines Kurfürsten riskiert (S.    ). Auch diese Lyrik scheint nur Teil eines schon umfangreicheren Vorhabens. Balde beabsichtigt kein „lyrisches Jahrzehnt“, sondern möchte nach den „Sylvae“ sogleich zur Elegie, genauer: zu einer großen elegischen Mariendichtung übergehen (S.   ). Aber die noch unausgeschöpften Möglichkeiten lyrischer Dichtung halten ihn bei der Lyrik fest (S.    ). Auch dieser Plan wird aufgegeben, vorläufig.
    Entschließt sich Balde nun, Satiriker und damit in neuem Sinn „deutscher Horaz“ zu werden? So sieht es zunächst aus, aber die Zeugnisse lehren doch ein wenig etwas anderes. Als Pfarrer in Landshut und Amberg lässt er sowohl 1651 sein Satirenbuch „Medicinae gloria“ (S.   ) als auch 1654 seine monumentale Tragödie „Jephtias“ erscheinen (S.   ), weist sich also auf zwei völlig verschiedenen und für ihn neuen Gebieten als Dichter aus. In den Vorreden zu beiden Werken stellt er Nachfolgedichtungen in Aussicht, gewissermaßen, wenn man so will, als Angebote an seine Leser. Wenn es dann zu dieser Fortsetzung nur bei der Satire kam, lag das also wohl nicht an einem Plan Baldes, sondern an der Publikumsreaktion: Während der Satiriker Balde beklatscht wurde, blieb man dem Tragiker gegenüber kühl (S.   ): Bis heute hat ja die herrliche „Jephtias“ keine Bühne gefunden. So kommt es, dass Balde, als er, den alten Plan eines elegischen Werks wieder aufgreifend, in Neuburg a.D. seine große elegische „Urania victrix“ (1663) ausarbeitet, von sich immer nur als dem „lyricus“, „satyricus“, „elegiacus“ spricht:255 Seine Hoffnung, auch als „tragicus“ eine Erneuerung der deutschen Bühnendichtung zu erreichen, hat er aufgegeben. So hat begreiflicherweise auch Westermayer in seiner Periodisierung von Baldes Lebenswerk dem Drama keinen Platz gegeben.256
    Was ist also abschließend über die vier „Lichtbrechungen“ von Westermayers Schema zu sagen? Einen „epischen Morgen“ hat Balde mehr gewollt als gehabt; der „lyrische Mittag“ hat sich ihm länger ausgedehnt, als er ursprünglich dachte; auch der nur „satirische Abend“ entsprach wohl nicht ganz seinen Hoffnungen; erst in der „elegischen Dämmerung“ scheinen sich Absicht und Verwirklichung in seinem Schaffen voll zu decken. So können wir aber doch immerhin feststellen, dass es Balde, dem unendlich Begabten und viel Beanspruchten, von seiner Ingolstädter Zeit an zunehmend gelungen ist, sein Schaffen planend zu strukturieren und unabhängig von seinem äußeren Lebensweg, der ihn von Ingolstadt an den Münchner Hof und dann wieder ins bescheidenere Neuburg führte, mit insgesamt bewundernswerter Zielstrebigkeit, Klugheit und Ausdauer ein Lebenswerk zu schaffen, das seinesgleichen sucht.

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1  Georg Westermayer: Jacobus Balde, sein Leben und seine Werke. Eine literärhistorische Skizze, München 1868, neu hg. v. Hans Pörnbacher und Wilfried Stroh, Amsterdam / Maarssen 1998, S. 31. Dieser Neudruck erhält ein bequemer Orientierung dienendes Repertorium von Baldes Werken und ein umfangreiches Literaturverzeichnis, das unter www.klassphil.uni-muenchen.de/~stroh/balde-bib.htm ständig erneuert wird. Baldes Werke werden im Folgenden, wenn nicht anders angegeben, zitiert nach der umfangreichsten Ausgabe:  R.P. Balde è Societate Jesu Opera poetica omnia, 8 Bde., München 1729; Neudr. hg. und eingeleitet von Wilhelm Kühlmann und Hermann Wiegand, Frankfurt a.M. 1990 (= Texte der frühen Neuzeit 1), mit einer wertvollen Einleitung.
2  Sie findet eine gewisse Bestätigung schon in der er noch unter Mitwirkung Baldes erschienenen Gesamtausgabe der „Poemata“ von 1660, wo, ohne Berücksichtigung der Chronologie, eingeteilt ist in:  Lyrik (Bd. 1), Epik (Bd. 2), Satiren (Bd. 3), Varia (Bd. 4). Dass Balde selbst an dieser Ausgabe, deren Aufbau noch nie genauer gewürdigt wurde, beteiligt war, ergibt sich schon aus einigen Autorenvarianten gegenüber den früheren Drucken; vgl. Thorsten Burkard (Hg.): J. Balde, Dissertatio de studio poetico, München 2004 (= Münchner Balde-Studien Bd. 3), S. LII ff.
3  Partieller Widerspruch immerhin bei Peter Lebrecht Schmidt: Bemerkungen zu Biographie und Text im Werk des Jesuiten Jakob Balde, in: Acta Conventus Neo-Latini Hafniensis, Binghamton, N.Y. 1994 (= Medieval and Renaissance Studies 120), S. 97-119 Nachdruck in: P.L. Sch., Traditio Latinitatis. Studien zur Rezeption und Überlieferung der lateinischen Literatur, hg. von Joachim Fugmann, Martin Hose, Bernhard Zimmermann, Stuttgart 2000 [danach zitiert], S. 320-339, dort S. 326: „Balde war trotz der Batrachomyomachia (1637) nie eigentlich Epiker.“
4  In ähnliche Richtung geht, was Balde im „Solatium podagricorum“ sagt (Op. poet. omn. [s. oben Anm. 1] 4, S. 1 f.): „Deinde, nosti Fortunae meae rotam. Ab alijs movetur. Saepe impellor ad ea, quae animus aversatur. Tandem incitatus, semel incepta, si cum Authoris voto & presagitionibus non pugnant, omni studio perurget.“
5  „Objicis ignavi temeratam crimine fastus, / Teque tribus lustris displicuisse mihi“ (Op. poet. omn. [s. vorige Anm.] 7, S. 196).
Op. poet. omn. [s. oben Anm. 1] 7, S. 197
7  In der Tat kommt in dem Gedicht, auf das Balde anspielt (s. unten S.   ) das schreiende Baby während und in Folge eben des Gedichts zur Ruhe.
8  Der Lärm der Korybanten bzw. Kureten sollte das Geschrei des neugeborenen Zeus übertönen und diesen vor seinem kinderfressenden Vater Kronos retten (Ovid, fast. 4,207-210).
9  So ist wohl zu lesen statt des überlieferten „Cogor“, wodurch der schon in  „jubeor“ enthaltene Begriff der Nötigung unschön wiederholt würde.
10  Dass Amphion mit dem Klang seiner Leier Theben erbaut habe, ist vor allem durch die allegorische Deutung des Horaz (ars 394) bekannt geworden (vgl. zur sonstigen Bezeugung in Rom Günter Wille, Musica Romana, Amsterdam 1967, 552 f., wo die Horazstelle fehlt).
11  „Bedenke weiterhin, meine Süßeste, dass ich nicht mein freier Herr bin. / Ich schreibe, was der eine befiehlt. Ich singe, was dem andern beliebt. / Heißt man mich, festliche Fackeln für Brautleute emporzuheben: / So steigt für ein keusches Ehebett die hochzeitliche Flamme empor. / Oder soll ich das Geplärr aus goldgesäumten Windeln aufhalten: / Dann schlage ich in deiner Art, Corybant, die Zimbeln. / Oder soll ich unserem Jupiter emporragende Tempel errichten: / So versuche ich, wie Amphion mit der Leier zu bauen. / Dass ich schreckliche Schlachten von Mäusen gesungen habe, das war nicht / unsere, sondern die schlimme Begierde eines anderen. / Den Jephtiaden haben wir vor den Augen des Volks aufgeführt, weil wir darum gebeten waren. / Auch diese Wünsche waren Bitten mit der Gewalt von Waffen. / So wird vom Feldherrn der Soldat, so der Feldherr vom König ‚gebeten‘. / Meine Muse war nicht frei, ihrer eigenen Natur zu folgen.“
12  Auffallend ist die Auslassung des Maximilianus I. (dazu unten S. ??)
13  Veronika Lukas (Hg.): Batrachomyomachia. Homers Froschmäusekrieg auf römischer Trompete geblasen von Jacob Balde S.J. (1637/1647), mit kritischer Ausgabe des ersten Buches, Übersetzung und Kommentar, München 2001, S. 86. Von Freunden zu einem Werk gedrängt worden zu sein, gehört zur festen Vorredentopik auch bei Balde; vgl. jetzt den Beitrag von Thorsten Burkard in diesem Band.
14  Dieser könnte allerdings auch erst nach der Drucklegung der Neubearbeitung von „De vanitate mundi“ erschienen sein.
15  Wie Thorsten Burkard, Dissertatio (wie oben Anm. 2) S. 100 (mit Verweis auf Lit.) zeigt, steht Balde mit dieser Abwertung hier in einer von Opitz herkommenden Tradition.
16  S. 8 Burkard (wie oben Anm. 2)

17  „Ich will, dass du, Crescentius, ein Dichter seist, kein Versemacher. Denn nichts ist wertloser als diese Sorte von Mensch. Alle Wände, sogar den Fußboden, auf den sie treten, überziehen sie (oder soll ich sagen:  beschmutzen sie?) voll Freude mit ihren improvisierten und witzlosen Versen. Solche Leute bekleiden die Wände, hängen ihre Embleme auf; bis zur Heiserkeit loben sie Lebendige und Verblichene. Sie bedrohen die Gräber und die Wiegen. Man möchte sie rhythmische Leichenkosmetiker nennen, hausiererische Brautführer, hochzeitliche Bettler, geburtstägliche Handleser“ (übersetzt unter Verwendung der Übersetzung von Burkard, s. oben Anm. 2).
18  S. 38 Burkard (wie oben Anm. 2)
19  „Aber jetzt verlangt man Eintagswerke von denen, die ihre Musen dazu zwingen, in schmählichster Knechtschaft zu dienen. Auf den Wink eines jeden müssen sie gerüstet dastehen, sie müssen dem Kind zulächeln, das eben zur Welt kam, sein Plärren aufhalten, die Zimbeln schlagen. Ein anderes Mal die Braut verhüllen, die Makel ihrer Schönheit abwaschen, den Brautschleier umbinden, die Fackeln schmücken, die es zu heben gilt. [...] Was soll man tun? Man muss singen. Was rasch gefordert wurde, gib rasch, unbesorgt um den Ruhm. Wer kümmert sich um so was?“
20  Burkard (s. oben Anm. 2) S. 239 f., dem diese (kaum eruierbare) Anspielung entgangen ist, vermutet, die „cymbala“ würden (wie unsere Glöckchen) zur Beruhigung des Säuglings eingesetzt; sie dienen aber zur Übertönung von dessen Geschrei (vgl. oben Anm. 7 und 11).
21  Dass er sich früh zur Dichtung berufen weiß, bezeugt ein Erlebnis des Sechzehnjährigen, der sich von einer Zigeunerin in Straßburg Entsprechendes prophezeien lässt (sat. 1,19, 126 f. = Op. poet. omn. 4, S. 431).
22  Op. poet. omn. 1, S. 161
23  Der Ansicht Georg Westermayers u.a., Baldes Ode auf die Martinsgans (silv. 5,22) gehöre noch in die Ensisheimer Zeit, ist von Peter L. Schmidt (Biographie und Text [wie oben Anm. 3] S. 328-330 und mir (im Nachwort zur Neuausgabe von Westermayer (wie oben Anm. 1) S. *5-*6 widersprochen worden (Nachdruck des Nachworts, in: Wilfried Stroh: Baldeana. Untersuchungen zum Lebenswerk von Bayerns größtem Dichter, hg. von Bianca-Jeanette Schröder, München 2004 [= Münchner Balde-Studien 4], S. 41-57, dort S. 45).
24  Richtig eingeordnet von Peter L. Schmidt, Biographie und Text (wie oben Anm. 3), S. 325.
25  Bibliographisch registriert im Repertorium der Werke Baldes (s. oben Anm. 1) unter Nr. 0, mit Verweis auf B1a. Dankbar verwendet (auch in Fotokopie) habe ich das Exemplar der Universitätsbibliothek München
(Signatur: 4 Philos. 1581 # 3). Den ersten Hinweis auf diese Schülerarbeit verdanke ich Dr. Helmut Zäh. Sie scheint bisher in der Baldeforschung noch nie behandelt worden zu sein.
26  Es wäre zu wünschen, dass der philosophische Gehalt dieser Schrift und überhaupt der Inhalt von Baldes Philosophiestudium untersucht würde: So hätten die Untersuchungen über sein Verhältnis zu Stoa, Platon usw. ein festeres Fundament.
27  Wenn ich recht sehe, ist Balde zumal in den früheren Werken, ein „Lipsianer“, aber das bedarf dringend genauerer Untersuchung.
28  Zitat genau nach Orthographie und Zeilenbruch der unpaginierten Vorrede von insgesamt zwei Seiten.
29  Von einer Unterstützung durch Apoll sagt Ovid nichts; Balde hat das erfunden, um die spätere Pointe mit dem „Christianus Apollo“ (s. unten) vorzubereiten.
30  „carmina ... formas“ ist ein kompletter Hexameter (angelehnt an Ovid, met. 1,1 f. „mutatas dicere formas / corpora“), den Balde hier in seine Prosa gemogelt und durch die spondeisch-kretische Klausel „formas fundere“ kaschiert hat.
31  Nur „altero“ und „alteratio“ sind unklassische Vokabeln (belegt zuerst bei Boethius), die hier zur Beschreibung des Inhalts von Baldes Abhandlung eindringen; „qualitas“ hat bekanntlich Cicero selbst schon gebildet. Sonst ist die Vorrede auch in der Wortwahl rein klassisch.
32  „Ovid, jenes einzigartige Genie aus Sulmonas Land, rühmte sich, dass er, von Apoll begnadet, Lieder singe, die von der Verwandlung menschlicher Gestalten künden. Und so werde auch ich mich nicht scheuen, ALLERGNÄDIGSTER ERZHERZOG, sofern du nur zulässt, dass im Zeichen deines Allergnädigsten Namens diese philosophischen Thesen ans Licht treten, zu sagen, dass ich handeln werde zwar nicht von verwandelten Gestalten, sondern von der Verwandlung selber, nicht von Eigenschaften der Körper, die sich verschiedentlich ändern, sondern von der Veränderung selbst, und schließlich nicht unter dem Schutz eines nichtigen und erdichteten, sondern eines wahren und christlichen Apolls.“
33  Der Ausdruck nach Cicero, epist. 1,9,23, bei dem allerdings die „seueriores Musae“ die Rhetorik, „mansuetiores Musae“ die Philosophie bezeichnen. Bei Balde wird der Sinn eindeutig durch die folgende Benennung der Institutionen, die Leopold mit apollinischer Gnade erleuchtet und gefördert habe: „Florent complura Pieridum limina [...]; stant amplissimarum Academiarum culmina [...].“
34  „Alium itaque Patronum quærere non debui, quam eum, quo Musas ipsas iam pridem vti sciebam [...]“, was hier allerdings in Bezug auf die Dissertation selbst gesagt wird.
35  Zur Überlieferung und (umstrittenen) Historizität der Erzählung s. bes. die grundlegende Arbeit von Günter Hess: Fracta Cithara oder Die zerbrochene Laute. Zur Allegorisierung der Bekehrungsgeschichte Jacob Baldes
im 18. Jahrhundert. In: Walter Haug (Hg.), Formen und Funktionen der Allegorie. Symposion Wolfenbüttel 1978, Stuttgart 1978 (= Germanistische Symposien Berichtsbände 3), S. 605-631; mit übertriebenem Skeptizismus weitergeführt von Peter L. Schmidt, Biographie und Text (wie oben Anm. 3) S. 330-333, vgl. dagegen W. Stroh im Nachwort zum Neudruck von Westermayer = Baldeana (wie oben Anm. 24) S. 47-53 und Andreas Heider: Spolia vetustatis. Die Verwandlung der heidnisch-antiken Tradition in Jakob Baldes marianischen Wallfahrten: Parthenia, Silvae II Nr. 3 (1643), München 1999 (Münchner Balde-Studien Bd. 1), S. 68-72.
36  Die frühesten Anspielungen darauf finden sich am Schluss des „Ehrenpreiß“ (1638) und des siebten Buchs der  „Sylvae“ (1643); die Zuschreibung an Balde selbst gibt erst Mederer in seiner Ingolstädter Universitätsgeschichte (1782); vgl. die oben (Anm. 35) angeführte Literatur.
37  Was Joseph Bach (Jakob Balde. Ein religiös-patriotischer Dichter aus dem Elsass, Freiburg/Br. 1904, S. 20) darüber weiß, scheint frei erdacht.
38  Antike Vorbilder für eine vergleichbare Besteigung des Musenbergs sind u.a. Lucrez 1,117-119 (über Ennius), Vergil, ecl. 6,65 (über Gallus), georg. 3,11 und (scherzhaft) Catull 105. Nie ist dabei wie hier bei Balde an einen poetischen Lehrgang gedacht. Vielleicht ist Balde in der Tat von dem für Poetikhilfsbücher üblichen Werktitel „Gradus ad Parnassum“ angeregt, obwohl dieser vor 1687 (Paul Aler S.J.) noch nicht nachgewiesen scheint.
39  Der aus Säckingen stammende Keller war ein Landsmann des Alemannen Balde.
40  Mit „ars nostra“ kann im Gegensatz zur vorher behandelten Rhetorik nur die Poesie gemeint sein: Alemannen haben zu ihr, wie Balde behauptet, eine besondere Affinität.
41  Gemeint sein müssen entweder pindarische Oden (wie sie unter den Neulateinern vor allem Jean Dorat gepflegt hat) oder freirhythmisch-pindarische „Dithyramben“ (dazu bes. Andreas Heider [wie oben Anm. 35] S. 181-216).
42  Zu den „einfachen Rhythmen“ s. unten; „dictare“ ist wohl nicht für „Diktieren“, sondern mit leichtem Germanismus (aber vgl. schon Thes. ling. Lat. V 1011, 62 ff. Graeber) für „Dichten“ gesagt.
43  Seit Ovid (fast. 6,5 „est deus in nobis, agitante calescimus illo“) bezeichnet „calor“ den dichterischen Enthusiasmus (vgl. bes. Stat. Theb. 1,3).
44  Eine nicht ganz durchsichtige Anspielung auf  Verg. ecl. 4,12
45  Hier wie häufig verwechselt Balde „nequicquam“ (vergeblich) mit „nequaquam“ (in keiner Weise).
46  Mit Anspielung auf die als niedrig empfundenen „sermones [...] repentes per humum“ (Horaz, epist. 2,1,251) der horazischen Hexameterdichtung.
47 So wohl zu lesen statt des überlieferten „arcum“. Vgl. etwa Ovid, met. 1,467 „Parnasi constitit arce“ sowie zahlreiche weitere Belege in Thes. ling. Lat. II 741,52 ff. (Kempf).
48  Wie vor allem der von Balde bewunderte Statius in seiner „Thebais“ dargestellt hat, drang Capaneus mit Hilfe einer Leiter über die Mauern Thebens in die Stadt. Die Wendung „iter aerium“ (Stat. Theb. 10,842), Luftweg, bezeichnet (auch bei Balde) sonst metonymisch die Leiter selbst,  hier wörtlicher: den Weg durch die Luft; als Metonymie für die Leiter dient dann „arbor“.
49  Op. poet. omn. 1, S.118: „Und da du vor allem, unter unserem Himmel geboren, / zu unserer Kunst besondere Neigung hattest, / verkettetest du Wörter mit Edelsteinen, dass sie königlich tönten,  gegürtet mit der Gewandung Pindars. / Du pflegtest (aber auch) einfache Rhythmen zu dichten und meine / Begeisterung durch deine Verheißungen anzuspornen: / Du wagtest es, mir Ehrentitel, ein Leben voll von Ruhm und große Monate zu verheißen. / Unter deiner Führung – denn wir verachteten es ganz, am Boden zu kriechen – bestiegen / wir den Gipfel des böotischen Bergs, / nicht in trägem Schritt (denn langsamen Gang ließest du nicht zu), / sondern wie auf Flügeln des gefiederten Blitzes. / Gleich wie Capaneus, als er seine Luftreise auf dem Baum durchmessen hatte, / sich emporhob über die besiegte Stadt. / Du standest weiter unten, bis ich vom Felsen zurückgekehrt wäre, / noch im Innersten erregt von Phoebus.“ Eine geschickte Versübersetzung der Partie gibt Georg Westermayer (wie Anm. 1) S. 29.
50  Agathyrsus str. 17-19 (Op. poet. omn. 7, S. 234-236)
51  Ein Kennzeichen Baldes sind ja die im ganzen Werk verteilten „enthusiasmi“, in denen der Dichter seinen „furor poeticus“ explizit darstellt (vgl. Beate Promberger: Die „Enthusiasmen“ in den lyrischen Werken Jacob Baldes von 1643, Übersetzung und Kommentar, Diss. München 1995, Mikroform-Diss. Ketsch bei Mannheim 1998). In diesem Gedicht fällt auf, dass Balde den Enthusiasmus nur sich selber attestiert (V. 30, 40, 49 f.), nicht aber seinem Lehrer Keller.
52   Allein diese Bezeichnung des erhabenen Dichterrosses als „Gaul“ (entlehnt aus dem Satiriker Persius, prol. 1), zeigt den humoristischen Charakter dieser Partie (nicht etwa des ganzen Gedichts).
53  „Aber ich, das schwebende Haupt in die Wolken getaucht, / durchschwamm fremdländische Pfade. / Bald aber brachte ich Gebüsch vom Berg, Efeu und Kränze von Lorbeer, / und eine Feder vom stehenden Gaul / und Bruchstücke vom hohen Parnass mit mir herunter, / damit du wüsstest, dass ich den Gipfel bezwungen hatte.“
54  Anreger ist Lucrez, der Ennius einen Lorbeerkranz vom Helicon holen lässt (1,118).
55  Renaissancedarstellungen des Parnass zeigen regelmäßig das Dichterross auf der Bergspitze.
56  Auch mit diesem Sträuben der Haare ist der dichterische Enthusiasmus bezeichnet, vgl. Balde, Sylvae 9,24,26 und 5,5,2 f.; Beate Promberger, „Enthusiasmen“ (wie oben Anm. 51) S. 47.
57  Der feurige Äther, in dem Balde „geschwommen“ ist, hat Verbrennungsspuren hinterlassen.
58  „Wie stark hüpfte da uns beiden die Brust / und hauchte aus die Flammen der Freude! / So noch wie ich eben zum Halten gekommen war, im Starren meiner gesträubten Haare / und bespritzt vom Ruße des Äthers, / hießest du mich alsbald den Schweiß in der süßen Cirrha – und mit einem anderen Schweiß abwischen.“
59  Der Text wäre etwas leichter verständlich, wenn man in V. 52 statt „sudore“ lesen wollte „sudare“: Für die Bedeutung macht das aber keinen wichtigen Unterschied.
60  Zu „istis“ ist wiederum zu ergänzen „accessere“.
 
61 „Hinzu kam, über dies alles hinaus, dein gütiger Blick, und zu ihm / Geschenke, die ein Abbild deines Charakters waren: / entweder die Trompete, die von Heroen tönt, oder die Flöte, die vom Frieden spielt / und eine Leier, die auf dem Lande spricht.“
62  Diese Charakterisierung muss sich auf eine Besonderheit Kellers beziehen, die noch der Erhellung bedarf.
63  Genaueste Beschreibung der Handschrift (clm 27271.III), die noch weitere Arbeiten Baldes enthält, bei Peter Lebrecht Schmidt: Balde und Claudian: Funktionsgeschichtliche Rezeption und poetische Modernität. In: Jean-Marie Valentin (Hg.): Jacob Balde und seine Zeit, Bern u.a. 1986, S. 157-184, dort S. 174-177; nachgedruckt in: Traditio Latinitatis (wie oben Anm. 3) S. 365-372. Zum Werk vgl. auch Wilfried Stroh: Seneca in Prag: ein tragisches Exercitium des jungen Jakob Balde S.J., herausgegeben und kritisch erläutert. In: Marianne Sammer (Hg.): Leitmotive: Kulturgeschichtliche Studien zur Traditionsbildung (Festschrift Dietz-Rüdiger Moser), Kallmünz 1999, 69-119; Ndr. in: W. Stroh: Baldeana (wie oben Anm. 23) 59-119.
64  Generelle Gattungsbezeichnung für alle rhetorischen Schuldarbietungen (M[anfred] Kraus, „Exercitatio“. In: Historisches Wörterbuch der Rhetorik, Bd. 3, Tübingen 1996, Sp. 71-123, bes. Sp. 104).
65  Wie Balde angibt, spielt dieser Titel an auf einen Brauch, an Epiphanias „reges“ zu wählen.
66  Mit „harmonia“, das so in klassischem Latein nicht nachzuweisen ist, muss gemeint sein, was sonst in der rhetorischen Stilistik „compositio uerborum“ heißt.
67  Überliefert ist „flores“, was kaum richtig sein kann.
68  Alternative Emendation des überlieferten „seruiat“: „seruiant“ (mündlicher Vorschlag von Jürgen Leonhardt). Gemeint ist wohl in diesem schwierigen Satz, dass die Erkenntnis der poetischen Stildifferenzen, auf die Balde abzielt, dem Schüler einen bleibenden Gewinn bringt, im Gegensatz zu einem bloßen emotionalen Kitzel, der auf den Augenblick beschränkt bliebe.
69  „DECLAMATION oder Königreich der Dichter, in welchem der Stil eines jeden Dichters nach dem Beispiel der Alten nachgebildet wird und seine jeweilige Verschiedenheit einmal im Hinblick auf die Unterschiedlichkeit des Stoffs, zum andern aber auch durch die immer wieder andere Art der Wortfügung erläutert wird. Wenn wir heute von Kriegen, Leichen und Triumphen singen, so verzeiht uns bitte, ihr Hörer, wenn es scheint, dass wir unserem Vorhaben nicht gerecht werden können. Vor kurzer Zeit habt ihr Maler (?) gesehen, jetzt hört auch Dichter! [...] Wir lassen auftreten die ältesten Dichter, oder besser: junge Männer, die die Personen der ältesten Dichter verkörpern [...]. [...] Thema des künftigen Gedichts wird der Böhmische Krieg sein. Die (verschiedenen) Stile werden wir so einrichten, dass mehr deren Verschiedenheit erkennbar wird, als dass es nur auf die bloßen Affekte ankäme, die ja zugleich mit dem Versmaß vergehen.“
70  Dieser Brief ist gesondert ediert und übersetzt von Wolfgang Schibel in: Parnassus Palatinus. Humanistische Dichtung in Heidelberg und der alten Kurpfalz, lateinisch-deutsch, hg. v. Wilhelm Kühlmann und Hermann Wiegand, Heidelberg 1989, S. 212-227, Erläuterungen auf S. 259-263.
71  Horaz, ars 73-82; die dort erst folgende Lyrik (83-85) hatte Horaz um des Kaiserlobs willen schon an den Anfang gesetzt.
72  Die „Verse“ scheinen jambischen Octonarii frei nachempfunden. Wahrscheinlich dachte Balde bei dieser Nachgestaltung plautinischer Maße, deren Gesetze ja erst im 19. Jahrhundert wirklich erforscht werden sollten, an Horaz, der Plautus gerade wegen seiner unkultivierten Metrik (epist. 2,1,174; ars 270) verspottet hatte.
73  Es beginnt mit regelmäßigen Sapphikern und geht dann über in andere, meist äolische Versmaße: eine erste Studie zu den (von den polymetrischen Chorliedern Senecas inspirierten) „Dithyramben“, wie sie Balde später oft gedichtet hat; vgl. bes. Andreas Heider (wie oben Anm. 41).
74  S. oben Anm. 71
75  Gemäß der Forderung des Horaz (ars 86) „descriptas seruare uices operumque colores“ (die Opitz vier Jahre vorher vor sein „Buch von der Deutschen Poeterey“ gesetzt hat).
76  Kritisch ediert (und z.T. kommentiert) sind bisher nur der „Claudian“ von Peter L. Schmidt und der „Seneca“ von Wilfried Stroh (s. oben Anm. 63); eine brauchbare Edition mit Kommentar des „Lucan“ liegt mir vor in Form einer Münchner Staatsexamensarbeit (2002) von Volker Berchtold.
77  W. Stroh, in: Baldeana (wie oben Anm. 23 und 63) S. 117-119
78  Zuerst veröffentlicht in Op. poet. omn. 3, 305-317; dazu Veronika Lukas: Jacob Baldes Pudicitia vindicata. Einleitung, Übersetzung und Kommentar, Magisterarbeit München 1992 (vorgesehen zur Veröffentlichung in Münchner Balde-Studien).
79  S. 305 (die Bezeichnung ausgerechnet an der Stelle, wo der Bischof dem Schlafgemach der jungen Damen einen Incognitobesuch abstattet). Hier und überhaupt spürt man in der „Pudicitia vindicata“, anders als im „Regnum poetarum“, ein ästhetisches Vergnügen Baldes an dem Kontrast zwischen der erhabenen Form und dem oft etwas banalen Gegenstand („exile Thema“, S. 306).
80  Dazu gehört auch die in der Handschrift auf das „Regnum poetarum“ folgende „In Comitem Ernestum Mansfeldium Philippica poetarum“, deren Edition von P.L. Schmidt geplant ist. In ihr verwandelt unter anderem ein als Ovid agierender Schüler Graf Mansfeld in einen Raben.
81  Op. poet. omn. 3, S. 287-294. Den ersten Versuch einer kommentierten Edition dieses überaus schwierigen Textes hat Florian Amselgruber in einer Münchner Staatsexamensarbeit (2003) gemacht. Amselgruber erwägt eine spätere Datierung.
82  Op. poet. omn. 3, S. 295-305
83  Die Blätter der Handschrift müssen (trotz einiger überraschender Schreibfehler) die Originale sein, die im Gymnasium ausgehängt waren. Wie Hess (s. unten Anm. 85) S. 34, gegen Georg Westermayer u.a., richtig gesehen hat, handelt es sich nicht etwa um den Niederschlag einer Aufführung lebender Bilder. Im Gegensatz zu solchen sind Emblemausstellungen in der jesuitischen „Ratio studiorum“ vorgesehen.
84  Venus, Cupidos Mutter, soll ja nach Hesiod aus dem Meer geboren sein (der Kalauer „maria – Maria“ findet sich auch sonst).
85  G. H.: Amor in München. Anmerkungen zu Jacob Baldes Emblem-Handschrift von 1628. In: Wolfgang Harms / Dietmar Peil (Hg.): Polyvalenz und Multifunktionalität der Emblematik (Akten des 5. Internationalen Kongresses der Society for Emblem Studies), Teil I, Frankfurt a.M. 2002 (= Mikrokosmos. Beiträge zur Literaturwissenschaft und Bedeutungsforschung Bd. 65), S. 25-46, dort S. 29. Günter Hess bereitet zusammen mit Claudia Wiener eine Ausgabe vor.
86  Cupido verkörpert sowohl, wie in der antiken Tradition, die Geschlechtsliebe als auch allgemeiner die sich von Gott abwendende sündhafte Begehrlichkeit (z. Bsp. auch die Habgier).
87  Zu deren Wirkung in Deutschland vgl. jetzt auch die Literaturangaben bei Wilhelm Kühlmann, in: Jakob Balde, Urania Victrix - Die siegreiche Urania. Liber I-II – Erstes und zweites Buch, eingeleitet, herausgegeben, übersetzt und kommentiert von Lutz Claren, Wilhelm Kühlmann, Wolfgang Schibel, Robert Seidel und Hermann Wiegand, Tübingen 2003 (= Frühe Neuzeit 85) S. XIII Anm. 13 (die Einleitung stammt von Kühlmann).
88  Jakob Balde, Panegyricus Equestris (1628). Edition und Übersetzung mit einem historischen Kommentar. Herausgegeben von Veronika Lukas und Stephanie Haberer, Augsburg 2002. Den Auftragscharakter bezeugt sogleich der erste Satz der Praefatio (S. 34): „[...] scripsi non iniussus, non inuitus“. Schwer zu sagen, ob man hier ein leises Widerstreben gegen die Zumutung herauslesen darf, vgl. Lukas a.O. S. 10 Anm. 18. Übrigens erschien das Werk ohne Nennung des Verfassers, aber auch nicht im Namen des Ordens (unrichtig Georg Westermayer [wie oben Anm. 1] S. 36).
89  Lukas (wie oben Anm. 88) S. 24. Baldes Eile zeigt sich auch darin, dass er sonst vor allem Claudians „Panegyricus de quarto consulatu Honorii Augusti“ ausgebeutet hat (Lukas a.O. S. 14).
90  Europäische Literatur und lateinisches Mittelalter, Bern / München ³1961, S. 171
91  Dass das Gedicht ohne seinen Namen erschien, mag ihm vielleicht recht gewesen sein; aber bei der Zusammenstellung der Poemata omnia von 1660 hat er sich doch dazu bekannt.
92  Die von Jean-Marie Valentin angefertigte Transkription (Jakob Baldes „Jocus serius theatralis“ (1629) mitgeteilt von J.-M. V., Euphorion 66, 1972, S. 412-436) ist fehlerhaft; geplant ist von mir eine kommentierte Edition in den Münchner Balde-Studien. Vgl. vorläufig W. Stroh: Balde auf der Bühne: zum dramatischen Werk des Jesuitendichters. In: W.S., Baldeana (s. oben Anm. 23) , S. 241-308, dort S. 253-264.
93  Von der Theatergruppe des Münchner Wilhelmsgymnasiums (Baldes alter Schule), die die Komödie am 4. April 2004 (u.ö.) wiederaufführte, wurde besonders dies dankbar registriert.  Veronika Lukas (s. oben Anm. 88)   S. 12  Anm. 22 denkt an die Möglichkeit, dass das schlechte Latein z.T. von Baldes Schülern selber stammen könnte.
94  Aus der Innsbrucker Zeit sind sonst nur einzelne Elegien erhalten, zusammen mit Stücken aus den späteren Büchern der „Urania victrix“ gesammelt in: Op. poet. omn. 5, darunter (S. 318-322) die „Epistola Dianæ ad Venerem de morte Adonidis“ (s. Wilhelm Kühlmann, in: Urania Victrix [wie oben Anm. 87] S. XIV f., mit Hinweis auf eine Arbeit von Wolfgang Schibel, der das Gedicht wohl zu Unrecht später datiert).
95  Zur älteren Tradition der Form vgl. man das gelehrte Werk von Bernhard Pabst: Prosimetrum. Tradition und Wandel einer Literaturform zwischen Spätantike und Spätmittelalter, 2 Bde., Köln u.a. 1994.
96  Op. poet. omn. 8, S. 333-436; vgl. die Interpretation von Karlheinz Töchterle in diesem Band
97  In der Einteilung der Affekte folgt Balde Thomas von Aquin (mir vermittelt durch J. Hengelbrock, „Affekt“, in: Historisches Wörterbuch der Philosophie, hg. von Joachim Ritter, Bd. 1, Basel/Stuttgart 1971, Sp. 89-93, dort Sp. 92 f.) bzw.  Franz Suarez (vgl. Walter Michel: Die Darstellung der Affekte auf der Jesuitenbühne, in: Günter Holtus [Hg.], Theaterwesen und dramatische Literatur. Beiträge zur Geschichte des Theaters [Mainzer Forschungen zu Drama und Theater Bd. 1], Tübingen 1987, S. 233-251, dort S. 233-235).
98  Der Kampf mit ihr steht vom ersten bis zum letzten Werk Baldes (von „De Dei et mundi amore“ bis zur Urania victrix“) im Zentrum von Baldes Werk. Man muss schon ein eingefleischter Feind des „biographical approach“ sein, um dies nicht im Zusammenhang mit Baldes Bekehrungserlebnis zu sehen.
99  Ausdrücklich auf ein Emblem mit „subscriptum carmen“ und „Epigraphe“ bezieht sich Balde bei der Darstellung des (ihm besonders geläufigen) Liebesgotts Amor (S. 345): „Quae omnia pictor aliquando & Poeta in hunc modum expressere [...]“. Hier sind auch Gedanken aus „De Dei et mundi amore“ übernommen.
100  Wie schon Georg Westermayer (wie oben Anm. 1) 43 erkannt hat. Das Werk ist nicht in allem logisch durchdacht.
101  „Ich stehe auf deiner Seite, erhabenster Herrscher; diese deine Unglücksfälle fallen auch in unsere Zeiten. Auch jetzt toben die Ottomanen übermütig auf Grund fremder Leiden; und in Abwesenheit feiern sie Triumphe, wenn Christen siegen. Schon fast drei Lustren verwenden wir auf jenen Krieg, in dem Christen siegen und Christen besiegt werden. [...] Mit den Soldaten, die in ehrenrührigen Kriegen erschlagen wurden, hätten Konstantinopel und Jerusalem wiedererobert werden können.“
102  Also umgekehrt wie in Rilkes viel strapaziertem Wort, wonach „das Schöne“ nichts sei „als des Schrecklichen Anfang“; allerdings ist „decus“, nicht nur Schönheit, sondern auch Ruhm.
103  Der Sinn dieses Satzes ist etwas dunkel.
104  „Und wir, die wir ja doch erst gestern in der Furchthöhle oder im Flohkäfig geboren wurden, werden einem so ruhmreichen Helden Verwegenheit vorwerfen? Werden sagen, er habe sich mitunter unvorsichtig verhalten? Werden seinen Ruhm verdunkeln, wir ängstliche Menschlein? [...] Aber nach meinem Urteil ist die Schönheit gering, wenn ihr kein Schrecken ein Vorspiel geliefert hat; ist der Ruhm ohne kriegerischen Glanz, wenn ihn kein Löwe mit seinem Mark gesättigt hat. Allzu ängstlich wägen wir die Gesinnungen von Caesaren und nehmen den Fuß des Volks als Maß für die großen Schritte von Riesen. [...] Diese Leute müssen wissen, dass Maximilian I. unter die Heroen gerechnet wird.“
105  Georg Westermayer (wie oben Anm.1) S. 43 Anm. 1 hat eruiert, dass von den beiden damals in Ingolstadt immatrikulierten Baronen von Preysing keiner sich, auch nicht mit zweitem Namen, als Maximilian führen lässt.
106  Mit 232 Seiten in den Opera poetica omnia (8, S. 1-„332“: die Paginierung ist falsch) ist dies das umfangreichste Werk von Balde überhaupt.
107  Vgl. dazu neben Georg Westermayer (wie oben Anm. 1) S. 44-50 auch W. Stroh: Balde auf der Bühne (wie oben Anm. 92) S. 266-271 (mit weiteren Literaturhinweisen); dort ist ausgesprochen, dass ich das Innsbrucker Maximiliansgrab für einen Anreger der Hauptidee von Baldes Dichtung halte.
108  Vgl. W. Stroh: Balde auf der Bühne (wie oben Anm. 92) S. 266 Anm. 73.
109  Aus verschiedenen Andeutungen lässt sich vermuten, dass das Ganze auf eine begeisterte poetische Improvisation Baldes im Kreis seiner Freunde zurückgeht: Balde ist doch offenbar der „Poeta“, von dem Freund Alphonsus spricht (S. 296) und der sich selber „Editorem hujus spectaculi“ (S. 298) nennt. Am Schluss wird die Fiktion, dass es sich um ein gemeinsames visionäres Erlebnis gehandelt habe, fast deutlich fallen gelassen, als es heißt (S. 331): „Alphonsus atque Symphorianus mihi gratiis actis [! ...], quod præterea dicerent, non habebant: illud unum rogantes, ut ad beneficia [!] adderem promissionem diligentiæ meæ: atque hæc Parentalia prorsus eo ordine funebrique luxu & dignitate, qua videramus celebrata, conscriberem: dictitantes, nullius operæ pretium majus facturum me esse.“ Die Prosakommentare, die z.T. auf die Tragödienmonologe und Chorlieder folgen, dürften tatsächliche Erörterungen der Freunde im Anschluss an einzelne Improvisationen Baldes widerspiegeln.
110  „Sprach Alphonsus: Was betrauern wir TILLY? So die Toten zu feiern, das heißt sie der Welt als Lebende zu zeigen. Was erwarten wir mehr von ihm? Er hört, er sieht, er kämpft, er siegt, er lebt noch, und er lebt ruhmreich. Was wollen wir? Kriege? Von hier brechen sie aus. Triumphe? Aus diesem Grabmal kommen sie hervor. Ratschlüsse? Er gibt Rat aus dem Grabe.“
111  Vgl. Statius, silv. 2,7 (Genethliacon auf Lucan); 1,2 (Epithalamion für Stella und Violentilla); Claudian 8/9 (Epithalamion für Honorius und Maria).
112  So nennt man heute Gedichte, in denen auf eine außerhalb des Gedichts ablaufende Handlung Bezug genommen wird (dazu Winfried Albert: Das mimetische Gedicht in der Antike. Geschichte und Typologie von den Anfängen bis in die augusteische Zeit, Frankfurt a.M. 1988 [= Beiträge zur Klassischen Philologie Bd. 190]). In lyr. 2,36 schläft Balde selbst am Ende seiner Ode ein.
113  Op. poet. omn. 3, S. 234-254
114  Das Verhältnis von Baldes Lehrtätigkeit am Gymnasium und seiner nominellen Zugehörigkeit zur Artistenfakultät der Universität ist geklärt von Veronika Lukas (wie oben Anm. 13), S. 8 f.
115  Balde selbst erinnert an die bei römischen Hochzeiten üblichen „Fescennina“ mit ihrer Anzüglichkeit, von der er sich natürlich rasch wieder distanziert; indes „neque nos voluimus morosi esse“ (S. 235).
116  Gegen Georg Westermayers (wie oben Anm. 1) S. 37 f.   Frühdatierung der Entstehung s. W. Stroh, Nachwort zu Westermayer, in Baldeana (wie oben Anm. 23) S. 45 f. und Veronika Lukas (wie oben Anm. 13) S. 5 f.
117  Veronika Lukas (wie oben Anm. 13) S. 10-14
118  Praefatio S. 86-91 Lukas (wie oben Anm. 13)
119  Praefatio S. 84 Lukas (wie oben Anm. 13): „Ich sagte schon: Als junger Mann habe ich (dies) gespielt. Es gibt aber unter den berühmten Dichtern, wie Statius im ersten Buch der ‚Silven‘ in der Vorrede zu seinem Freund Stella schreibt, keinen, der zu seinen Werken nicht ein Vorspiel im lässigeren Stil verfasst hätte; denn wir lesen ja auch den ‚Culex‘ (Mücke) Vergils und lassen die ‚Batrachomyomachia‘ Homers gelten.“
120  Lyr. 1,23, 51-56 (Op. poet. omn. 1, S. 30); das Gedicht ist ausdrücklich auf 1637 datiert.
121  Op. poet. omn. 1,53 „Uns gehörst du, unsere Flammen sollen dich treiben, uns wirst du zuerst besingen. Die berühmte TILLIAS wird folgen, sie, die auf großen Ruhm sinnt und auf ‚Waffen und Mann‘ [Verg. Aen.1,1]“. Die Verse sind richtig gedeutet von Lukas (wie oben Anm. 13) S. 52 f. Anm. 158, vgl. S. 3 mit Anm. 13 (gegen Peter L. Schmidts Bagatellisierung von Baldes epischen Absichten).
122  Wie Veronika Lukas (wie oben Anm. 13) S. 20 f. Anm. 85 scharfsinnig nachweist, ist die Geschichte bei Balde zwischen den beiden Punischen Kriegen angesiedelt.
123   III 12, 90 f., vgl. Lukas (wie oben Anm. 13) S. 51.
124  Vgl. Lukas (wie oben Anm. 13 ) S. 51-54
125  Gegen Ende der Praefatio (S. 90 Lukas [wie oben Anm. 13]): [...] usus vel palpandâ HYPERBOLE; vel plerumque manifestâ IRONIA, quae omnes V. libros velut anima percurrit (vielleicht nach Plutarch bei Stobaios 4,20a,34 [Wachsmuth / Hense IV p. 444 f.]: Die Liebe ziehe sich durch die Dramen des Menander wie ein gemeinsamer Atem). Überraschend und erklärungsbedürftig ist es, wie hier Baldes Ironiebegriff von der gängigen antiken, noch im 17. Jahrhundert gültigen Definition (Sagen durch das Gegenteil) abweicht.
126  Vgl. Rudolf Berger: Jacob Balde. Die deutschen Dichtungen, Bonn 1972 (= Studien zur Germanistik, Anglistik und Komparatistik 10), S. 93-118 (Bergers Würdigung der deutschen Gedichte ist fundamental, leider noch immer zu wenig bekannt); Wilfried Stroh: Poema de vanitate mundi, in: Baldeana (wie oben Anm. 23) S. 123-131.
127  Belege bei Rudolf Berger (wie oben Anm. 126) S. 26 f.
128  Es handelt sich um einen Wechsel von akatalektischen und katalektischen jambischen Dimetern, eine Form, die so in der klassischen lateinischen Poesie nicht vorkommt. Balde folgt Matthaeus Raders Übersetzung von „Der grimme Tod“, s. W. Stroh, in: Baldeana (wie oben Anm. 126) S. 121 f.
129  Op. poet. omn. 7, S. 23 f.
130  Metrische lateinische Texte hat Balde nie singen bzw. vertonen lassen.
131  Op. poet. omn. 7, S. 83
132  Mit Anspielung auf Horazens Selbstbeschreibung als „Epicuri de grege porcus“ (epist. 1,4,16), vgl. Eckart Schäfer: Deutscher Horaz: Conrad Celtis, Georg Fabricius, Paulus Melissus, Jakob Balde. Die Nachwirkung des Horaz in der neulateinischen Dichtung Deutschlands, Wiesbaden 1976, S. 139 f.
133  Dies nur in der Erstausgabe (bzw. deren Nachdruck von 1637); moderner Nachdruck bei Rudolf Berger (Hg.): Jacob Balde: Deutsche Dichtungen, Amsterdam / Maarssen 1983.
134  Vgl. Rudolf Berger (wie oben Anm. 126) bes.  S. 132-146; Wilfried Stroh: Iss dich schlank mit Pater Balde! Sein Münchner Magerkeitsverein im Spiegel der Dichtungen und eines neuen Handschriftenfunds, in: Baldeana (wie oben Anm. 23) S. 209-240, bes. S. 213-222.
135  Diese sind in Prosa geschrieben, bestehen aber aus Hinkjamben (da sich der „Scazon“ anders offenbar nicht äußern kann).
136  Martial trägt nicht nur, wie die anderen, ein eigenes Gedicht vor, sondern darf die Gedichte der anderen epigrammatisch resümieren, und schließlich verwickelt ihn Plautus in ein Streitgespräch (das er siegreich besteht).
137  Gerade in der zweiten Fassung wird das Christliche stärker betont als in der ersten; s. W. Stroh, Poema, in: Baldeana (wie oben Anm. 126) S. 131.
138  Was über das so gut wie unerforschte Gedicht (Op. poet. omn. 8, S. 437-490; im Gegensatz zum „Maximilianus“ auch schon im 4. Band der „Poemata“ von 1660) bekannt ist, steht bei Westermayer (wie oben Anm. 1) S. 63 f.; ein besonders historischer Kommentar wäre erwünscht.
139  Sonderbarerweise stellt Westermayer a.O. eine Nähe gerade zum „Maximilianus“ fest.
140  Vgl. jetzt besonders Heidrun Führer: Studien zu Jacob Baldes ‚Jephtias‘. Ein jesuitisches Meditationsdrama aus der Zeit der Gegenreformation, Lund 2003 (= Diss. Lund 2003); W. Stroh: Balde auf der Bühne, in: Baldeana (wie oben Anm. 92), dort bes. S. 271-308 (mit Kritik an Führer).
141  Seine Berufung zum Hofprediger mag auch den Sinn gehabt haben, ihn von den poetischen Arbeiten, wie sie die Schule vom Rhetoriklehrer verlangte, zu entbinden. Die kontraproduktive Berufung zum Hofhistoriographen kam ja dann erst später.
142  Seit spätestens der „Icon Authoris“ in der Ausgabe von 1729 (Op. poet. omn. 1, am Anfang, ohne Paginierung) bezieht man diesen Titel, bei dem ursprünglich wohl mehr an die Satire gedacht war (W. Stroh, in: Baldeana [wie oben Anm. 23] S. 241 f. Anm. 2), ausschließlich auf die Lyrik.
143  Wichtiger Anreger war sicherlich der „polnische Horaz“ Sarbiewski, der Balde vielleicht auch von seinen polnischen Schülern nahe gebracht wurde; vgl. Schäfer (wie oben Anm. 132) S. 126.
144  Ich lasse mit Absicht den deutschen Titel. Da Balde nie einen Nominativ, sondern nur den (griechischen) Genitiv „Epodon“ gebraucht, und da er im Inhaltsverzeichnis die einzelnen Gedichte jeweils „Ode“ nennt, ist zu vermuten, dass ihm als Nominativform „Epode“ bzw. „Epodae“ vorschwebt; vgl. zur Auffassung des horazischen Werktitels in der Renaissance Eckart Schäfer (wie oben Anm. 132) S. 21 und 117 Anm. 45.
145  Die überragende Gesamtwürdigung bietet immer noch Eckart Schäfer, Deutscher Horaz (wie oben Anm. 132); wertvoll bleibt daneben Anton Henrich: Die lyrischen Dichtungen Jakob Baldes, Straßburg 1915 (= Quellen und Forschungen zur Sprache und Culturgeschichte der germanischen Völker 122). Einzelinterpretationen unterschiedlichen Werts gibt jetzt der Sammelband von Eckard Lefèvre (Hg.): Balde und Horaz, Tübingen 2002.
146  Op. poet. omn. 3, S.104. Leider noch unediert ist die (im Motiv des Himmelsflugs den späteren Balde schon vorwegnehmende) Horaz-Ode aus dem „Regnum poetarum“. Einige horazische Oden finden sich auch schon im „Maximilianus I. Austriacus“.
147  „Die Anordnung der Gedichte ist im großen und ganzen [!] chronologisch“ (Henrich [wie oben Anm. 145] S. 219, mit sehr wertvollem Überblick über die Datierung); dies gilt zumindest insoweit, als alle von Balde selbst datierten Gedichte (also nicht auch alle von uns datierbaren) in zeitlicher Folge auf die Bücher verteilt sind: eine Abweichung von Horaz. So ergeben sich folgende Entsprechungen: Buch 1: 1637/38, Buch 2: 1638-1640, Buch 3: 1640/41, Buch 4: 1641/42. Den Übergang von Ingolstadt nach München markieren die beiden Gedichte, in denen Balde am Ende des ersten Buchs (lyr. 1,42 und 1,43) seine Berufung zum Mariensänger ankündigt, die er dann sogleich in lyr. 2,1 glanzvoll verwirklicht; vgl. W. Stroh, „Die Münchner Mariensäule und ihr Dichter Balde (lyr. 2,26)“ [zuerst 1988], in: Baldeana (wie oben Anm. 23) S. 187-208, dort S. 188 Anm. 4.
148  lyr. 3, 7-10: „Me BRUTI effigies, & vox audita CATONIS / Nil animo servile ferentis; / Et duo praebentes ANNÆI colla Neroni / Impulerant admittere gibbum“ (Op. poet. omn. 1, S. 142). Die beiden Annaei sind natürlich Seneca und Lucan. Es ist also der Todesmut dieser stoischen Helden (zu denen Brutus als Akademiker streng genommen nicht gehört), der Balde von der Richtigkeit ihrer Lehre überzeugt hat.
149  Wichtig auch hier Eckart Schäfer (wie oben Anm. 132) S. 195-218, wo aber manches bei Balde zu pauschal als stoisch reklamiert wird. Einiges Neue brachte Sabine Müller: Jacobus Balde und die Stoa, Zulassungsarbeit zum Staatsexamen (masch.), München 1985. Wünschenswert wäre vor allem eine Untersuchung des Verhältnisses von Stoizismus und Platonismus bei Balde.
150  Stoischen Gehalt hat besonders auch das „Carmen geniale“ 1,26,  dann 2,6; 2,37.
151  Dazu kommt der öfter erhobene Vorwurf der Heuchelei. Hochironisch ist die Einführung  zur „cyno-stoischen Sekte“ in lyr. 3,23.
152  Also wie Augustus von Horaz wird Maximilian von Balde erst im vierten Buch angeredet.
153  Stoisch ist vor allem der Gedanke des göttlichen Weltregiments (V. 1 ff., vgl. bei Seneca „De providentia“ und Phaedr. 959 ff.; vgl. bes. auch Proverbia 8,27 ff.) und die Vorstellung, dass die vermeintlichen Leiden der Guten nur Prüfungen sind (V. 113 ff. ). Die neuerdings vorgetragene Interpretation, dass das Gedicht vor allem Maximilians Machtanspruch relativieren und kritisieren solle, ist nicht leicht zu vereinen mit Baldes klarem Gedanken, dass Maximilian der von Gott geschützte und geleitete Herrscher sei.
154  Dies ist der Hauptgedanke des auch von Schäfer (wie oben Anm. 132) S. 148 f. nicht voll erfassten Gedichts sylv. 5,4 mit dem paradoxen Titel „Imitari se Horatium nonnumquam non imitando“: Das enthusiastische Erlebnis ergibt eine „imitatio Horatii“, die gerade nicht bewusster „imitatio“ entspringt.
155  Vgl. aber auch Eckart Schäfer (wie oben Anm. 132), S. 172, der in Anm. 75 die Entsprechungen von Horaz und Balde zusammenstellt. Festzuhalten ist, dass sich der Grundcharakter zumindest der Schelte in allen Epoden des Horaz durchhält.
156  Dazu Ulrich Schmitzer: Die Erste Epode und die Türkenkriegsparainese im Werk des Jakob Balde, in:  Eckard Lefèvre: Balde und Horaz (wie oben Anm. 145) 235-276.
157  Ein Gegenstück zu Hor. epod. 5, vgl. Stefanie Grewe: Dirae in Judaeos: Antike und zeitgenössische Vorbilder für Baldes Ritualmordschilderung in Epode 14, in: Eckard Lefèvre: Balde und Horaz (wie oben Anm. 145) S. 253-276.
158
  Davon ist vor allem die dritte Sammlung („Parthenia“) erschlossen durch Andreas Heider (wie oben Anm. 35).
159  Wilhelm Kühlmann nennt das Buch eine „poetische Diatribe aus dem Geist der althumanistischen Reichsmoralistik“ (Alamode-Satire, Kultursemiotik und jesuitischer Reichspatriotismus - Zu einem Gedichtzyklus in den ‚Sylvae‘ (1643) des Elsässers Jacob Balde SJ, in: Simpliciana 22, 2000, S. 200-226.
160  Jede Strophe besteht aus sechs akatalektischen und einem katalektischen trochäischen Dimeter; die Wortakzente liegen mit zwei Ausnahmen auf den ungeradzahligen Silben. Vgl. zum Metrischen Andreas Heider (wie oben Anm. 35) S. 203-205.
161  Op. poet. omn. 2, S. 222: „Du Dunkel eines leuchtenden Meeres, du Hafen, der du die Schiffe verschlingst, du lieblicher Sturm der hohen See, du kriegerischer Friede, tauche, tauche unter, du sanfter Wirbel, den Dichter. Hier geht man zu Grunde, wenn man schwimmt; gerettet ist, wer untertaucht.
162  Richtig interpretiert bei Heider (wie oben Anm. 35) S. 71.
163  Zu diesem Wort vergleiche man, dass Balde in der Vorrede zur „Philomela“ von seiner „inutilis pæne jam & enervis Citharæ compages“ spricht (Op. poet. omn. 6, S. 194).
164  Op. poet. omn. 2, S. 173: „Allmählich zieht es mich, den Erschlafften, aus der Grotte von Venusia; und Sulmo vertreibt den Aufidus. Eine Zeit wird kommen, wo ich dich FLACCUS verlassen werde, um dem NASO zu folgen nachdem dieser freilich mit dem Messer kastriert ist.“
165  „Bisweilen werde ich unter die Rhythmen des Ovid den Tibull mischen und den dichterischen Fluss des männlichen Umbrers [= Properz], aber so, dass niemand es wagen darf, die keusche Glut der schöpferischen Brust zu verdammen. Denn warum soll ich es verbergen? JUNGFRAU, dein Leben wird besungen werden, die Empfindungen der Liebe zu dir will ich (dem Gedicht) einfügen“.
166  Somnium (wie unten Anm. 180) S. 42: „Primo canendi proposito post edita poemata orbis applausit [...]“, vgl. zu weiteren Zeugnissen bes. Georg Westermayer (wie oben Anm. 1) S. 110 f.
167  Zu ihm und seinem Einfluss auf Baldes Lyrik s. bes. Eckart Schäfer (wie oben Anm. 135), S. 130-132; dort behandelt Schäfer auch die geistreiche Art, in der Balde 1646 zum zweiten Mal von der horazischen Lyrik Abschied nimmt. Vgl. zu d’Avaux auch Wilhelm Kühlmann: „Ornamenta Germaniae“ – Zur Bedeutung des Neulateinischen für die ausländische Rezeption der Deutschen Barockliteratur. In: Leonhard Forster (Hg.): Studien zur europäischen Rezeption deutscher Barockliteratur, Wiesbaden 1983 (= Wolfenbütteler Arbeiten zur Barockforschung 11), S. 13-36, dort S. 19-22.
168  Die einzige Behandlung des Werks stammt von Andrée Thill: La Philomela, création poétique dans une paraphrase néolatine (zuerst 1980); in: A. Th., Jacob Balde. Dix ans de recherche, Paris 1991, S. 23-41; vgl. aber auch Eckart Schäfer (wie oben Anm 135) S. 129.
169  Op. poet. omn. 6, S. 194: „horum argumento, Boethianis, ut plurimum, metris expresso, quòd Horatianis, paullò antè plus satis [!] indulseramus.“
170  Op. poet. omn. 6, S. 196: „Philomela, du Vorläuferin der lieblichen Jahreszeit, / die du das Verschwinden von Regen und Schmutz ankündigst – während du den Gemütern schmeichelst mit deinem sanften Gesang: Heil dir, du klügster Vogel, komm, ich bitte dich, zu mir!“
171  Op. poet. omn. 7, S. 218. Während die makkaronische Dichtung schon einiges philologische Interesse gefunden hat, ist diese (schon mittelalterliche) Form der Sprachenmischung m.W. nie eingehender behandelt worden.
172  Nur der klumpfüßige Scazon, der sich mit Maria nicht verträgt, ist höflicherweise ausgelassen.
173  Der überraschende Titel erklärt sich aus der Vorstellung, dass die mitarbeitenden Dichter in einen sportlichen Wettbewerb miteinander treten; man lese das amüsante Vorwort: in: Op. poet. omn. 7, S. 326-330.
174  Die verbreitete Behauptung, Maximilian habe das Werk in Auftrag gegeben, ist jedenfalls nach Baldes Vorrede nicht richtig; s. Op. poet. omn. 6, S. 346.
175  Es sei denn, man wollte die Bukolik hierher rechnen; in ihr hatte sich Balde immerhin schon in den christlichen „Eclogae“ des zweiten Buchs der „Sylvae“ versucht. Von da könnte es stammen, dass Baldes Bauern in Hexametern sprechen.
176  Immerhin rechnet Jürgen Leonhardt (Philologie in Baldes Drama Georgicum, in: Sebastian Neumeister / Conrad Wiedemann [Hg.]: Res Publica Litteraria. Die Institutionen der Gelehrsamkeit in der frühen Neuzeit, Bd. 2, Wiesbaden 1987 [= Wolfenbütteler Arbeiten zur Barockforschung 14/2 S. 475-484) damit, dass die Alte Komödie des Aristophanes hier für Balde das Vorbild abgegeben habe.
177  Op. poet. omn. 8, S. 312 f.  Später gebraucht Balde „oskische“ Verse noch im „Solatium podagricorum“ (a.O. 4, S. 91 f.) und der „Eclipsis solaris“ (a.O. 4, S. 277 f.).
178  Wie leicht zu sehen benutzt Balde vor allem die Grammatiker Festus und Nonius; für die literarischen Bruchstücke stand ihm wohl die Sammlung von Robertus / Henricus Stephanus (Fragmenta Poetarum Veterum Latinorum, 1564) zur Verfügung. Da Balde die sprachgeschichtlichen Vorstudien für sein Werk nicht in den wenigen Monaten der Abfassung gemacht haben kann, ist anzunehmen, dass er sich längst ein lateinisches Lexikon angelegt hatte, in dem zu den normlateinischen Vokabeln jeweils die „oskischen“ Varianten notiert waren. Zu wünschen wäre ein sprachlicher Kommentar wenigstens zu ausgewählten Partien.
179  Seine als Vorrede fungierende Abhandlung „De veteri Oscorum lingua“ (Op. poet. omn. 6, S. 347-350) verdient einen Ehrenplatz in der Geschichte der lateinischen Sprachwissenschaft.
180  Einem handschriftlichen Kommentar zu sylv. 7,16, vorzüglich herausgegeben (mit Versübersetzung von Eduard Schwarz!) und eingeleitet von Joseph Bach: Jakob Balde. Interpretatio Somnii de cursu Historiae Bavaricae, Straßburg 1904.
181  Somnium (wie oben Anm. 180) S. 53: „Quis igitur furor fuit immittentium hominem in pistrinum aulicum nec famelico Plauto subeundeum!“ Ebda.: „[...] postquam [...] experimentum despoticae censurae ceperat [...].“ Mit Recht stellt Bach a.O. (wie oben Anm. 180) S. XXXI f. fest, dass Maximilians Beanstandungen an dem von Balde als Probestück vorgelegten Text (s.  S. 38-41) relativ geringfügig waren.
182  Somnium (wie oben Anm. 180) S. 42: „[...] nam in medio flore et furore Lyricorum iamque Silvas suas ingressus erat [...]“; vgl. sylv. 9,34.
183  Somnium (wie oben Anm. 180) S. 42: „[...] fuliginosi servitii laboribus [...]“.
184  Eine Abneigung Baldes gegen die Geschichtsschreibung bezeugt der „Magnus Tillius“ (Op. poet. omn. 8, S. 40); dort ist aber nicht von einem großen Werk zur Verherrlichung Tillys die Rede (so Bach, in: Somnium [wie oben Anm. 180] S. XXIII u.a.), sondern von einer bloßen Darstellung der Belagerung von Ingolstadt.
185  Seine ernstliche Absicht, das Werk durchzuführen, bezeugt er in Somnium (wie oben Anm. 180) S. 42 und sylv. 9,34; vgl. Bach in Einl. zu Somnium S. XXVI f.
186  Leider ist mir Schäfers wertvolle Arbeit erst bei Abschluss des Manuskripts bekannt geworden. Ob die Folgerungen, die er für Baldes Verhältnis zu Maximilian daraus zieht, stichhaltig sind, wird noch zu prüfen sein.
187  Nach Schäfers früherer Ansicht (Deutscher Horaz [wie oben Anm. 135] S. 136) „griff er [Balde] auf Formen zurück, die er vor dem lyrischen Jahrzehnt benutzt hatte“. Die zumindest ist nicht richtig; die Prosimetra der Dreißiger Jahre waren ganz anders.
188  Die beigegebenen Noten fehlen im Nachdruck Op. poet. omn. 7, S. 385-393.
189  Immer noch wertvoll und unersetzt ist die Ausgabe von Johannes Neubig: Jakob Balde’s Medizinische Satyren, urschriftlich, übersetzt und erläutert, München 1833. Hilfreich über das Werk hinaus: Carl Joachim Classen: Barocke Zeitkritik in antikem Gewande. Bemerkungen zu den medizinischen Satiren des ‚Teutschen Horatius‘ Jacob Balde S.J., in: Daphnis 5, 1976, S. 67-125. Zuletzt bes.: Hermann Wiegand: Ad vestras, medici,
supplex prosternitur aras: Zu Jakob Baldes Medizinersatiren. In: Udo Benzenhöfer u. Wilhelm Kühlmann (Hg.): Heilkunde und Krankheitserfahrung in der frühen Neuzeit, Tübingen 1992, S. 247-269. Ein medizinhistorischer Kommentar ist ein dringendes Desiderat.
190  cap. 71, S. 66 Burkard (wie oben Anm. 2): „Kurz gesagt: Die meisten anderen Gedichte mag man wohl der Jugend zuschreiben, dem Frühling des menschlichen Lebens, wie Blumen; oder dem Sommer, wie Saaten: Die SATIRE ist die Frucht eines männlichen Geistes und eines reifen Urteils, und sie verdankt man dem Herbst des Lebens. Junge Leute können sich diese Frucht zwar wünschen, nicht aber sie pflücken.“ Auf die Wichtigkeit dieser Äußerung hat schon Georg Westermayer (wie oben Anm. 1) S. 193 hingewiesen.
191  In „De studio poetico“ heißt es, der Lyriker Horaz habe „bisweilen“ (per intervalla) in Art des Lucilius gedichtet (cap. 69, S. 64 Burkard [wie oben Anm. 2]).
192  Die Zahl von 22 Satiren bei Balde könnte sich erklären als die Summe derer von Juvenal (16) und Persius (6).
193  Leider ist gerade dieses Gedicht nicht behandelt in der sonst wertvollen Arbeit von Doris Behrens: Jacob Baldes Auffassung von der Satire, in: Jean-Marie Valentin (Hg.): Jacob Balde und seine Zeit: Akten des Ensisheimer Kolloquiums 15.-16. Oktober 1982, Bern u.a. 1986 (= Jahrbuch für Internationale Germanistik A 16), S. 109-126.
194  Op. poet. omn. 4, S. 369: „Ex Poeta Popa factus, potiùs profanum hoc genus hominum, Satyrica securi percussum, immolandum putavi.“
195  Vgl. Thorsten Burkard (wie oben Anm. 2) zu De stud. poet. 69, S. 330 f.
196  Natürlich mit Anspielung auf Juvenal 1,79 si natura negat, facit indignatio versum.
197  Op. poet. omn. 4, S. 369: „Indignationes Juvenalis & versus epilepsiam spirantes alteri materiae reserventur.“ Ähnlich in „De eclipsi solari“ (Op. poet. omn. 4, S. 223).
198  Vgl. Thorsten Burkard (wie oben Anm. 2) zu De stud. poet 72, S. 342. In der ersten Satire führt Balde vor, wie er sich selber in juvenalisch-satirische Laune steigert, um sich dann zurückzurufen (14 f.): „Sed lentius, ohe! / Ingrediamur aquas [...]; vgl. Horaz, carm. 3,3,70.“ Zur alten Satirenfreiheit rechnet bei ihm auch, wie klarer aus „De studio poetico“ (Burkard a.O. S. 68) hervorgeht, die Freizügigkeit im obszönen Vokabular, die seiner Zeit nicht mehr gestattet sei.
199  Hor. sat. 1,1,24-26; Balde hat das kontaminiert mit Lucrez 4,11 ff.
200  Op. poet. omn. 4, S. 373: „Illius exemplo, qui aegrotis crustula blanda / Offert, & succos apianis condit amaros: / Nos melimella uno pariterque absinthia Libro / Miscuimus [...]“. Das passt zu der Balde wohlbekannten Satirentheorie von Jacobus Pontanus, wonach die Satire an sich eine Art Medizin ist; s. die Arbeit von Doris Behrens (wie oben Anm. 193) S. 114.
201  Eine Aufbauanalyse der Sammlung, die aus 2 mal 11 Gedichten komponiert zu scheint, ist m. W. noch nicht versucht worden.
202  Op. poet. omn. 4, S. 408-412; dazu bes. Hermann Wiegand (wie oben Anm. 189) S. 259-267
203  De humani corporis fabrica, zuerst Basel 1543; s. Hermann Wiegand (wie oben Anm. 189) S. 261 ff. (mit Abbildung)
204  Darauf ist zu beziehen außer dem oben  Zitierten Med. glor. 1,21-25 (Op. poet. omn. 4, S. 372), wo Balde sagt, er wolle sein satirisches Rasiermesser zunächst nur schonend und die Spitzen der Haare streifend gebrauchen, dann aber: „collum / Cornigeri Rheni & pectus tentabimus Istri.“ Hier kann kaum, wie Johannes Neubig (wie oben Anm. 189) S. 6 meinte, daran gedacht sein, dass Balde das „Treiben der Rhein- und Donauländer untersuchen“ wolle; offenbar beabsichtigt der Barbier Balde, sich nunmehr an die schwer behaarten Flussgötter Rhein und Hister heranzuwagen.
205  S. bes. Georg Westermayer  (wie oben Anm. 1) S. 195 und Carl J. Classen (wie oben Anm. 189) S. 67-70.
206  Vgl. besonders Fidel Rädle: Lateinisches Theater fürs Volk: Zum Problem des frühen Jesuitendramas. In: W. Raible (Hg.), Zwischen Festtag und Alltag, Tübingen 1991, S. 133-147, dort S. 136-138.
207  Vgl. hierzu W. Stroh, Balde auf der Bühne (wie oben Anm. 92), bes. S. 279 f., 305-308; dort auch eine ausführliche Interpretation des ganzen Dramas.
208  Op. poet. omn. 6, S. 11: „Wir werden aber vielleicht auch noch andere (Tragödien) schaffen, im Stil der Alten, um nicht weniges kürzer, wenn Leben und Muße dafür ausreichen, Stücke, die sich im Rahmen von kaum zehn Folien halten sollen. Jetzt jedenfalls soll es mein Vergnügen gewesen sein, dass ich als Deutscher meinen Landsleuten auf unbekanntem Weg eine Straße gebahnt habe. Eben das habe ich ja auch mit der Lyrik und den Satiren versucht. Nun mögen stärkere Geister sich herausgefordert sehen, ihrem Vorgänger, der weniger geschickt war, mit größerem Glück nachzufolgen; und meinethalben mögen sie ihn übertreffen. Das ganze Jahr tönen alle Theater von Tragödien. Hurra, sollen diese doch in ein dauerhaftes Licht rücken: damit es nicht heißt, die Gebildeten seien um ihren Genuss, die Jugend um ihre Bildung, das Vaterland um seine Schmuckstücke betrogen worden.“
209  Im Argumentum zu „De eclipsi solari“ (Op. poet. omn. 4, S. 221): „Enimverò hic vates defecit à stylo suo, ab altissimo canendi genere. Sentit utique aetatis injuriam. Senescit. Cygni, qui primò illius ore cantabant, videntur jam capitis comas obsidere. Nam quantus olim in Lyricis! [...] Enthusiasmi spirant ignem. [...] Quid, putas, fiet, ubi primum cothurnum induerit! [...] Pro Jupiter! qualia verborum & sententiarum rotabit tonitrua!“ Balde beruft sich zur Verteidigung darauf, dass ein so hoher Stil, geeignet etwa für Oedipus und Medea, zu seiner ebenso zarten wie mutigen Heldin nicht gepasst hätte (was dem Gedanken in der Widmungsvorrede der „Jephtias“ an Fürst von Auersperg entspricht, s. dazu Thorsten Burkard, Baldes Vorreden, in diesem Band).
210  Hinzu kommen zwei im Auftrag entstandene hexametrische Geburtstagsgedichte: eines auf Eleonore, die Tochter des Pfalzgrafen, gewürdigt von Georg Westermayer (wie oben Anm. 1) S. 204-207; ein anderes, „Musae Neoburgicae“, auf dessen Sohn Johann Wilhelm, mit ansprechenden Illustrationen und Übersetzung hg. von Wolfgang Beitinger (Die Neuburger Musen in Festesfreude, Sonderdruck aus dem Kollektaneenblatt 140, Neuburg a.D. 1992).
211  Da, wie er sagt, die Podagristen nicht gut auf dem Pegasus reiten können (d.h. zwar Latein verstehen, aber keine literarische Bildung haben), schickt Balde dem poetischen Buch ein prosaisches voraus (Op. poet. omn. 4, S. 14 f.).
212  Den Bitten der Freunde, die ihn zu diesem Werk drängen, entgegnet Balde: „Tum, occiditis me, dixi, Paradoxis vestris. Non satis est, ut vel proprijs inventis conficiar“ (Op. poet. omn. 4, S. 9).
213  Wie die vorausgehende Satire, auf deren Erfolg sich Balde am Anfang (Op. poet. omn. 4, S. 129), bezieht, ist auch „De eclipsi“ in der Weise prosimetrisch, dass das erste, wissenschaftliche Buch in Prosa, das zweite, das die Erzählung von den Ereignissen  in Amberg bei der Sonnenfinsternis 1654 enthält, größtenteils in Hexametern verfasst ist. Im „Argumentum“ zum zweiten Buch betont Balde die Vielgestaltigkeit dieser Satire gegenüber der Einfachheit der früheren, von „Medicinae gloria“ bis „Antagathyrsus“ (a.O. S. 218).
214  Unter diesem überlieferten Titel zitiert Balde das Gedicht.
215  S. oben Anm. 2. Vgl. S. XVIII-XXI („Balde und Horaz“) und vor allem zahlreiche Bemerkungen im Kommentarteil.
216  Dies scheint der Sinn des Titels „De  a r t e  poetica“. Mit „De  s t u d i o  poetico“ rückt Balde wohl leise davon ab: Die „ars“ steht für ihn nicht ebenso im Vordergrund.
217  cap. 9 = S. 14 Burkard (wie oben Anm. 2): „Denke daran, dass die Griechen den Priester des Phoebus mit demselben Wort ehren wie Gott: Sie nennen ihn ‚Poeta‘ vom Machen und Erfinden. Beide schaffen ein Werk nach außen, das kurz zuvor noch nicht in der Natur war: Gott aus dem Nichts, der Dichter aus dem Hirn. Darum sagt man ja auch, er ‚schaffe ein Gedicht‘, wie von Gott, er habe ‚die Welt geschaffen‘.“ Diese Gedanken hat Balde nicht völlig erfunden (vgl. die Parallelen bei Burkard S. 135 f.); aber er gibt ihnen einzigartige Kraft, indem er den ersten Teil der Schrift in ihnen kulminieren lässt.
218  cap. 71 = S. 16 Burkard (wie oben Anm. 2)
219  De stud. poet. 70, Burkard (wie oben Anm. 2) S. 64: „Oder wäre es dir lieber, wenn auch meine Elegien beendet würden? Ich werde mir Mühe geben, sobald ich meine Vorhaben zu Ende gebracht habe, auch aus diesem Grund: dass sich die nicht für die einzigen Ovidianer halten, die weder Lyriker noch Satiriker sind. Von meinem Vorhaben wird mich in meinem Zeitalter kein Dichter zärtlicher Liebschaften oder Rhythmen abhalten. [...] Oder versteht es nur Daniel Heinsius über feurige Steine zu wandeln? Ich werde ihm, in aller Bescheidenheit gesprochen, keuschere Edelsteine entgegensetzen; und diese werden dennoch funkeln an einem Gegenstand, der, soweit ich weiß, ganz neu ist, der zart und ganz besonders geeignet ist, Vergnügen zu bereiten.“
220  „Difficile et arduum opus molior, honori Sanctissimi Domini Nostri destinatum. Magnos iam progressus feci, te calcaria admovente. Nec me Hermannus Hugo, nec Vincartius, nec alij terrent. Ne ipse quidem Daniel Heinsius. Ut orbem monstris impleam: ostendam Lyricum et Satyricum poetam, etiam Elegiarum esse posse.“ Zitiert nach Wilhelm Kühlmann, in: Urania victrix (wie oben Anm. 87) S. XIII.
 
221 „Tro[phaea], applausus cum ipso [sac]ro aureo numismate accepi.“ Zitiert nach Wilhelm Kühlmann, in: Urania victrix (wie oben Anm. 87) S. XV Anm. 20.
222  Nach Kühlmann (Urania victrix [wie oben Anm. 87] S. 13 Anm. 12) stünde nach einem Brief vom 24.10.1658 zu diesem Zeitpunkt schon der zweite (ungedruckte) Teil der Urania vor der Vollendung. Auch in diesem Brief bekundet übrigens Balde den Stolz auf seine generisch-metrische Versatilität: „[...] etiam hoc mirabile, Lyricum et Satyricum Vatem in gratiam mitissimi ac mirandi Pontificis, potuisse elegiacé mansuescere.“
223  Nach der Neuburger Chronik gehört die „Urania“ und das damit verbundene Goldgeschenk des Papstes in die letzte Lebenszeit Baldes: „Extremis laboribus Vraniam facilibus elegis descripsit, quod opus Summus Pontifex Alexander VII. ita probauit, ut missa aurea sui effigie sensum suum testaretur“; zitiert nach: Wilfried  Stroh: Die Lebensgeschichte des Jacobus Balde S.J. (1604-1668) nach dem Neuburger Nekrolog, in: Stroh, Baldeana (wie oben Anm. 23) S. 7-15. Das „aureum numisma“ von 1657 (s. vorige Anm.) hat dann wohl nichts damit zu tun. Kühlmann versucht übrigens keine Erklärung dafür, warum ein 1657 vollendetes Werk erst 1663 gedruckt sein sollte.
224  Fundamental ist jetzt die kommentierte, von Wilhelm Kühlmann eingeleitete Ausgabe der Bücher I und II durch die Heidelberger „Sodalitas“ (wie Anm. 87); es ist sehr zu wünschen, dass diese Arbeit fortgesetzt wird.
225  Vgl. oben die Anm. 220 und 222.
226  Zitiert nach: Urania victrix (wie oben Anm. 87) S. 10 f., mit wertvollem Kommentar auf S. 207 f. (worauf summarisch verwiesen sei).
227  Formulierung des Horaz für die Elegie (ars  75): „uersibus impariter iunctis“.
228  Die „Enthusiasmen“ (s. oben Anm. 51) gelten quasi als Inbegriff von Baldes bisheriger Dichtung.
229  Gemeint ist nicht „klassisch“ im Sinne irgendeiner Stildiskussion (wie Lutz Claren u.a., Urania victrix [wie oben Anm. 87] S. 208 annehmen), sondern „weichlich“, wie bei Horaz, carm. 3,6,21   „motus [...] Ionicos“, von lasziver Tanzmusik.
230  „Einer brummte ja: ‚Auf jeden Fall bist du diese Freundlichkeit den sanfteren Musen noch schuldig, dass du irgendeine zarte oder männliche Erdichtung in ungleichen Versen singst, um dir mit dem Lorbeer auch die Myrte zu verdienen. [...]‘ Dem Saitenspiel des Horaz sei genug gehuldigt worden, genug auch dem zweischneidigen Schwert des Juvenal und Horaz, genug schließlich den Enthusiasmen und den wirbelnden Sturzbächen ausgefallener Erfindungen. Jetzt gelte es, den Geist zu zügeln, die Verzückungen abzuschütteln oder zu bremsen. Andere äußerten sich noch schlauer: Für manche Leute sei es leicht, sich, solange das Blut noch heiß ist, gleichsam im Wahnsinn zu entlegenen und gewissermaßen der Alltagswelt entrückten Themen tragen zu lassen. Der aber dürfe als Dichter großen Namens gelten, der seinen Fuß fest auf einen bestimmten, schönen, aber sanfteren Gegenstand nicht unrühmlich gesetzt hätte. Etwas im elegischen Stil zu schreiben, im weichen und jonischen, das sei es, was die Herzen durchdringe und den Ruhm vollende. Und dies hielten sie (mir) ganz nachdrücklich vor, ich glaube, um auszuprobieren, ob ich aus einem satirischen und lyrischen Dichter ein elegischer werden könnte.
231  Properz 2,10,7; Ovid am. 3,1,27 f.
232  Zur Einordnung in die Gattungsgeschichte: Heinrich Dörrie: Der heroische Brief. Bestandsaufnahme, Geschichte, Kritik einer humanistisch-barocken Literaturgattung, Berlin 1968, S. 404 f.
233  Urania victrix (wie oben Anm. 87) S. XVIII.
234  S. das von Wilhelm Kühlmann (nach Luzian Pfleger) in: Urania victrix (wie oben Anm. 87) S. XVII f. abgedruckte Dokument; was wir jetzt lesen, ist danach eine von Balde gemilderte Fassung.
235  Absichtlich lässt Balde seinen Caspar Aruncus die Schönheit Uranias mit der der ovidischen Heroiden (cap. 7, S. 217) vergleichen: Hypsipyle, Phyllis, Briseis, Laodamia, Ariadne.
236  Durch die Kursive wird auf ein Ovidzitat verwiesen: epist. 16,287 „a nimium simplex Helene, ne rustica dicam“.
237  Op. poet. omn. 5, 218: „Vielleicht fürchtest du die Verfehlung? Einfältige, um nicht zu sagen, Tölpelhafte: Verwegen und furchtsam darfst du nicht zu sehr sein. Sündige, aber sei schweigsam; wenn du nur keusches Schweigen wahrst, wer verwehrt die süßen Freuden eines Betts, von dem keiner hört?“ Das Eheversprechen, das Caspar Aruncus eingangs gegeben hat, ist hier offenbar vergessen.
238  Zur Frage, wie weit Balde diese schon vollendet hat, s. Wilhelm Kühlmann in: Urania victrix (wie oben Anm. 87) S. XVI.
239  Die Schrift ist in den Opera poetica omnia unter die „Dramatica“ gerechnet (6, S. 433-475). Eine wertvolle Einführung gibt Peter L. Schmidt: „The Battle of the Books“ auf Neulatein: Jakob Baldes „Expeditio polemico-poetica“, Der Altsprachliche Unterricht 27, 1984, Heft 6, S. 37-81; Ndr. in Traditio Latinitatis (wie oben Anm. 3) S. 340-355; mit teilweisem Abdruck des Texts und knappem Kommentar. Problematisch ist mir Schmidts These, dass es Balde vor allem um die Kanondiskussion zu tun sei; jedenfalls betont Balde, dass er mit seinen Urteilen über die Klassiker nur übliche Ansichten wiedergebe (Op. poet. omn. 6, S. 476).
240  Ennius, Tibull, Properz, Terenz, Persius, die aber jeweils kaum eine Rolle spielen.
241  Auf diesen Bezug haben schon Wilhelm Kühlmann und Hermann Wiegand in ihrem Vorwort zum Ndr. der Op. poet. omn. (wie oben Anm. 1) S. 10 f. hingewiesen; weniger überzeugend ist ihre Ansicht, Balde beabsichtige hier, den Dichter „aus den Fesseln einer streng klassizistischen Schulgrammatik und Schuldichtung zu befreien“.
242  Vgl. die launige Kritik an Horazens Alkoholismus in „De studio poetico“ 11, S. 18 Burkard (wie oben Anm. 2).
243  Der Held von Frischlins 1580 erschienener Schulkomödie passt natürlich kaum in die Reihe dieser Dichter, so wenig wie der zuvor erwogene „Miles gloriosus“ des Plautus.
244  Balde bestätigt diese Überlegenheit des Juvenal noch einmal im Anhang (S. 475); vgl. oben Anm. 195.
245  Paraphrasiert habe ich soeben die Abschnitte XVI bis XXII der „Expeditio“.
246  Op. poet. omn. 6, S. 474: „Hier hast du also, vornehmer Jüngling, Natur und Genius der alten Dichter (denn die Beurteilung der Neueren haben wir kaum gestreift), die Vielfalt ihres Stils und Geistes und die verschiedenen Weisen, in denen sie singen. Wir haben sie in militärischer Weise beschrieben, nicht ohne einigen Humor, der, wie wir meinen, deinem Alter entspricht, damit du sie dir aneignen kannst. Lege dir den Kampfesmut desjenigen Dichters an, der dir gefällt, und die Waffen, die deiner Größe entsprechen.“
247  Op. omn. 6, S. 445-450 = cap. I-XI.
248  Nach Scaligers Urteil der beste neulateinische Dichter überhaupt; vgl. Walther Ludwig: Julius Caesar Scaligers Kanon neulateinischer Dichter, in: W. L.: Litterae Neolatinae.  Schriften zur neulateinischen Literatur, München 1989 (= Humanistische Bibliothek, Reihe I, Abhandlungen, Bd. 35), S. 220-241, dort S. 235-238.
249  Op. poet. omn. 6,  S. 450: „Haben wir es nicht vorhergesagt? Unsere Truppen werden zur Eroberung dieser ungeheuren Spelunke, auch wenn wir hundertmal zahlreicher wären, nicht ausreichen: Unsere Waffen sind stumpf. Es fehlt uns an stärkeren Maschinen. Wir wollen die Barbarei ausrotten und sind selber Halbbarbaren. Die Kräfte der alten Dichter müssen wir zusammenrufen.“
250  In der Widmung der „Expeditio“ (Op. poet. omn. 6, S. 435): „Hic [sc. Petrarcha] ausus fuit princeps, tandem aliquando vetulae & capitali bonarum literarum hosti [gemeint: die „Ignorantia“], serium bellum indicere.“
251  Poetices libri septem (Lyon 1561) 6,4, S. 297.: „Primus, quod equidem sciam, Petrarcha ex lutulenta barbarie os caelo attollere ausus est.“
252  Richtig erkannt von Georg Westermayer (wie oben Anm. 1) S. 230: „eine allegorische Darstellung des Wiederauflebens der klassischen Wissenschaften“, was Peter L. Schmidt (wie oben Anm. 239) S. 38 Anm. 4 (= Traditio Latinitatis, S. 341 Anm. 4) nicht als irreführend hätte abtun sollen.
253  Wenn wir absehen von dem 1664 gedruckten Hymnus „Paean Parthenius“ (verfasst in der Strophenform von sylv. 7,19).
254  Vgl. Barbara Bauer: Jesuitische ‚ars rhetorica‘ im Zeitalter der Glaubenskämpfe, Frankfurt a.M. u.a. 1986 (= Mikrokosmos 18).
255  S. oben Anm. 219, 220, 222. 
256 S. oben Anm. 1