Und dabei war alles so gut durchdacht gewesen! Er, Roms Dictator,
würde am Lupercalienfest in pupurner Robe auf dem goldenen Amtsstuhl
thronen. Einer der Lupercuspriester, die, nackt bis auf eine Unterhose
aus Ziegenfell, um den Palatin liefen, sein Freund Marc Anton, sollte
aus dem Rudel der Priester plötzlich heraustreten und ihm, dem
Thronenden, wie in einem lustig improvisierten Überfall, das
leibhaftige Diadem anbieten - das den Römern leider noch immer so
verhasste Symbol des Königtums. Applaudierte das Volk, wie der Dictator
sehnsüchtig hoffte, wäre er seinem Ziel, König von Rom zu werden, ein
gutes Stück näher gekommen. Applaudierte man nicht, könnte er immer
noch publikumswirksam das Diadem zurückweisen und sich zur guten alten
Republik bekennen. Ärgerlicherweise war nun dieses zweite der Fall
gewesen - aber was schlimmer war: ohne dass er selbst es merkte, die
Besten von Rom durchschauten eben damals endgültig seine Pläne. Bei
aller Spaßhaftigkeit der Inszenierung, dieser Mächtige wollte im Ernst
auch noch König werden, und, bei Roms Ehre, das durfte nicht sein.
Erst einen Monat später, an den Iden des März, als Caesar die Dolche in
der Curie gegen sich gezückt sah, stellte er fest - ja was stellte er
fest? dass er am Lupercalienfest - „den Bogen überspannt hatte“?,
„einen
Schritt zu weit gegangen war“?, „eine Grube gegraben hatte, in die er
selbst fallen sollte“? Keine dieser gebräuchlichen Wendungen wollte
passen, und der sonst so redegewandte Caesar rang innerlich nach dem
geeigneten Wort, bis er, unter dreiundzwanzig Stichen zusammenbrechend,
sich zu dem sprachlich problemlosen, abgebrochenen Sätzchen entschloss:
„Auch du, mein Sohn ...“.
Wir wissen heute, welches Wort dem Möchtegernkönig Caesar fehlte. Denn
nicht den Römern, erst uns hat es der größte aller Monarchen, König
Fußball, geliefert: Ein Eigentor, own goal, war es gewesen, das
er am Lupercalienfest geschossen hatte und das er nun zu spät bereute.
Denn zum Eigentor gehört, dass man nicht nur das Beste gewollt hat,
sondern es auch am schmerzlichsten und spektakulärsten verfehlt.
So widmet Literareon diesen Band, die weltweit erste
Monographie
zum Thema Eigentor (De porta propria), nicht Meister Olli Kahn
oder Kaiser Franz (im Hinblick auf seine späten Jahre, bevor er ins
demokratische Amerika musste), sondern dem Manne, der allen Kaisern den
Namen und allen Eigentorjägern das Vorbild gegeben hat: Gaius Julius
Caesar.