Konzert

in memoriam Jan Novák

Stadthaus Ulm, 7. April 2001
Universität München, Große Aula, 8. April 2001

Aus unvorhersehbaren Gründen musste das Programm des Konzerts kurzfristig geändert werden. Zu hören sind nunmehr (in Abweichung vom gdruckten Programmheft) die folgenden Stücke in der angegebenen Reihenfolge:

1. Marsyas (1983), für Piccoloflöte und Klavier:
Lento - Allegro moderato - Lento - Vivo - Allegro

2. Aus: Odae (1980), für Klavier:
Ad Apollinem - Threnus

3. Toccata chromatica (1957), für Klavier

4. Due preludi e fughe (1979), für Querflöte:
Praeludium et fuga in do
Praeludium et fuga in la

5. Furens tympanotriba (1970):
Carmen phalaeceum - Gedicht in Hendecasyllaben

6. Sonata super Hoson zes (1981), für Querflöte und Klavier:
Allegro molto - Andante - Allegro

Ausführende:

Clara Nováková (Paris), Quer- und Piccoloflöte

Dora Novak (München), Klavier

Jean-Bernard Marie (Paris), Klavier

Wilfried Stroh (München), Rezitation und Moderation

Zusätzlicher Text:
 
Furens tympanotriba (1970)

Qui loqui nequeunt, licet quibus non
se defendere torva cum manus iam
fauces strangulat opprimitque vocem,
qui mansereque sub iugo furoris
fratres et socii patres amici,
vivis pro omnibus hisce mortuisque
orator sum ego factus et poeta
et trux tympanotriba, verba quamquam
et facundia vis potentia illa
Tulliana mihi aut Catulliana
sunt nusquam. Scelus istud at nefandum
quem non permoveat, cui tamen non
vires roboret addat augeatque?

Factum est ecce diem ante ter quaternum
Septembres - niger est dies - Kalendas:
ut fures bene nocte se tegentes
cum satellitibus suis in armis
turba barbara turpis et ferox et
saeva sordida militum rubrorum
invasit patriam meam quietam,
abundant ubi aquis amoena prata,
veris flos ubi floret atque vernat
in saxis ubi pinus et susurrat,
terram mellifluam diisque gratam,
invasit spoliavit occupavit
immanem horribilemque et intulit vim
et cultae bene comi et hospitali
genti, quae sua curat arva aratque
libertatis amans piaeque pacis.
invasere nihil nihil verentes,
invasere nihil nihil pudentes,
in tantum valet usque vis superba
et licentia - ius potentiorum.

Conclamant homines et unica est vox
audita undique consona atque fortis:
HEUS QUID RUSSE VENIS? TIBI QUID HIC VIS?
QUIDVE OPTAS? AGE IAM DOMUM FACESSE!

In via lapides vocant iacentes
omnis et paries in urbe tota
et muri quoque murmurant monentque:
HEUS QUID RUSSE VENIS? TIBI QUID HIC VIS?
QUIDVE OPTAS? AGE IAM DOMUM FACESSE!

Centuplo reboant sonore turres
columnae statuae domus et omnes,
quod non os habet haudque fatur umquam,
hoc nunc proloquitur profatur urget
clamat et furit et tumultuatur:
HEUS QUID RUSSE VENIS? TIBI QUID HIC VIS?
QUIDVE OPTAS? AGE IAM DOMUM FACESSE!

Responsum proprium dedere currus
armati chalybe horridi strepente
ignes telaque mortis evomentes:

floret ex maculis humi rubens flos.

Quid prodest lapides trabes lagoenas
iactare aut manibus minas et iras
nudis tollere? quid mala imprecari,
diras expetere os in exsecratum?
victi perfidia superbiaque
victi barbarica ferocitate
prostrati misere iacemus hoc in
terrae pulvere, pulvere in tepenti
terrae mellifluae diisque gratae,
in saxis ubi pinus ah susurrat,
veris flos ubi floret atque vernat,
abundant ubi aquis amoena prata.

Flores at maculant humum rubentes,
umbris obruta terra vix anhelat.

Nunc pauper fugitivus et vagans, nunc
exspes et patriae domoque ego exsul
vocem tollo nimis dolore fractam
et raucam nimis atque exasperatam,
vocem tollo tamen furenter atque
tundo tympana turturesque turbo,
tundo tympana torpet et manus iam,
usque at tympana tundo ego tonanter
crebris verberibus ciens severos
versus verbaque veritatem amaram:
o gentes, populi, cavete et omnes
qui ius fasque fragrans opusque pacis
vitam liberam amatis atque rectam,
percauti sitis et cavete rursum:
per terras maria arduosque caelos
ambit Russa manus, manus cruenta
pestem perniciem serens ubique,
ambit continuoque et appropinquat:
PROXIMUS PARIES videte IAM ARDET

Der rasende Paukenschläger

Die nicht reden, die sich nicht verteidigen
können, wenn ihnen schon die schreckliche Hand
die Kehle abwürgt und die Stimme erstickt,
sie, die unter dem Joch des Wahnsinns geblieben sind,
Brüder, Genossen, Väter und Freunde,
für diese alle, die Lebenden und die Toten,
bin ich erstanden als ein Redner und ein Dichter
und ein grimmiger Paukenschläger, wenn ich auch nie
die Worte, der Rede Kraft und Wucht
eines Tullius oder eines Catullus
habe. Wen aber müsste dieses grässliche Verbrechen
nicht so erschüttern, dass es ihm
nicht die Kräfte stärkt und mächtig wachsen lässt?

Es geschah, am zwölften Tag - einem schwarzen Tag -
vor den Kalenden des September, seht nur:
Wie die Diebe, die sich schlau in der Nacht verbergen,
mit ihren Trabanten, alle in Waffen,
kam die Barbarenschar, die wüste, wilde,
wütende Horde roter Soldaten,
brach ein in meine Heimat, die so ruhig war,
wo die schönen Wiesen überquellen von Wassern,
wo des Frühlings Blume blüht und in Felsen
die Fichte grünt und rauscht;
in das Land, das von Honig fließt, das den Göttern lieb ist,
brach sie ein und raubte und besetzte,
übte schreckliche, scheußliche Gewalttat,
an meinem Volk, das so mild ist, freundlich
und gastlich, das seine Äcker pflegt und pflügt,
das die Freiheit liebt und den frommen Frieden.
Brachen ein, ganz ohne, ohne Scheu,
brachen ein ganz ohne, ohne Scham,
ja so viel vermag des frechen Hochmuts Macht
und die Willkür - das Recht der Stärkeren!

Da schreien die Menschen gemeinsam und nur eine Stimme
hört man im Einklang überall und mit Macht:
HALLO, RUSSE, WAS KOMMST DU? WAS WILLST DU HIER?
WAS WÜNSCHST DU DIR? AUF, GEH AB NACH HAUSE!

Die Steine rufen es, die auf der Straße liegen,
und jede Wand in der ganzen Stadt
und es flüstern's sogar die Mauern und sie mahnen:
HALLO, RUSSE, WAS KOMMST DU? WAS WILLST DU HIER?
WAS WÜNSCHST DU DIR? AUF, GEH AB NACH HAUSE!

Von hundertfachem Schall tönen es die Türme,
die Säulen, die Statuen und alle Häuser,
auch was keinen Mund hat, was nie reden kann,
bricht nun aus in Rede und Sprache, klagt an
und schreit und tobt und wütet:
HALLO RUSSE WAS KOMMST DU?WAS WILLST DU HIER
WAS WÜNSCHST DU DIR? AUF, GEH AB NACH HAUSE!

Da gaben ihre eigene Antwort die Wagen,
die schrecklichen, in Waffen aus tönendem Stahl,
die Feuer spien und des Todes Geschosse:

Aus den Flecken blüht am Boden eine rote Blume.

Was nützt es, Steine, Scheite und Flaschen 
zu schleudern und mit nackten Händen zu drohen
und zu zürnen? Was hilft es, zu verwünschen
und zu maledeien gegen das verfluchte Gesicht?
Besiegt von Betrug und Übermut,
besiegt von barbarischer Grausamkeit,
liegen wir elend da, im Staub
dieses Landes hingestreckt, im warmen Staub
des Lands, das von Honig fließt und den Göttern lieb ist,
in den Felsen wo, ach, die Fichte flüstert,
wo die Blume des Frühlings grünt und blüht,
wo die schönen Wiesen überfließen von Wassern.

Doch rote Blumen beflecken den Boden,
von Schatten bedeckt kann kaum die Erde atmen.

Ich jetzt, der arme, flüchtige Wanderer,
ohne Hoffnung verbannt, ohne Heimat und Haus,
ich erhebe meine Stimme, die vom übergroßen Schmerz schon
geschwächt und heiser ist und rauh geworden,
trotzdem erheb ich im rasenden Leid die Stimme
und pauke die Pauken und verstöre die Turteltauben
und pauke die Pauken, ist die Hand auch schon lahm,
immer pauk ich die Pauken mit Donnerpauken,
mit dem häufigen Hiebe hau ich heraus die ernsten
Verse und Worte und die bittere Wahrheit:
O ihr Völker, Nationen, hütet euch und ihr alle,
die ihr Treu und Recht liebt und des Friedens duftendes Werk,
die ihr das freie und das rechte Leben liebhabt,
seid argwöhnisch und seht euch immer wieder vor:
Über die Länder und Meere, über den hohen Himmel
geht aus die Schar der Russen, ihre blutige Hand
sät überall Pest und Verderben,
sie geht um und alsbald ist sie schon nahe:
DIE WAND NEBEN EUCH - seht - SIE BRENNT SCHON.