Wilfried Stroh
Cicero im Wahlkampf
In Wahljahr 2009 lohnt es sich daran zu erinnern, dass die Römer
Erfinder zwar nicht der Demokratie, wohl aber des Wahlkampfs waren: Kein
Weg führte zur politischen Macht als der über Wahlen, keine Wahl fand
statt ohne einen energisch geführten Wahlkampf, der oft noch in einem
Prozesskrieg fortgesetzt wurde. Mit welcher geradezu wissenschaftlichen
Gründlichkeit man dabei vorging, zeigt vor allem die Schrift Quintus
Ciceros Commentariolum petitionis
(Handbuch für die Amtsbewerbung), die er, als erster spin doctor der Geschichte, seinem
Bruder, dem berühmten Redner Cicero, für dessen Wahlkampf im Jahr 64
schrieb. Auch zwei Prozessreden Ciceros selbst, Pro Murena und Pro Plancio, geben tiefe Einblicke
in die Psychologie des römischen Wählerverhaltens und die
Werbestrategien der Kandidaten. Fast nichts davon ist überholt.