Wilfried Stroh

Antikes Politmarketing: zum Wahlkampf im Alten Rom

Festvortrag von Wilfried Stroh zum zehnjährigen Bestehen der Gesellschaft für innovatives Marketing e.V.,
Nürnberg, 9. Oktober 2003

Quod bonum felix fortunatumque sit. Saluto vos omnes, qui sodales huc convenistis eius sodalitatis, quae in naturam commutationis mercium via ac ratione inquirit, eamque iam decem per annos novis praeceptis adiuvare et augere conatur, gratulorque vobis hoc quasi die natali ex animo.
Auf deutsch: Ich begrüße und beglückwünsche alle Mitglieder der Wissenschaftliches Gesellschaft für innovatives Marketing e.V. zu deren zehntem Geburtstag.
Es ist mir eine große Freude, vor Ihnen, auf Einladung Ihres Präsidenten, Hermann Diller, einen Vortrag über Marketing halten und damit über Dinge sprechen zu dürfen, von denen ich als klassischer Philologe und Lateiner keinerlei Ahnung habe, getreu dem Grundsatz Ciceros, dass der humanistische Redner bereit sein müsse, immer und über jedes Thema mit solchem Wortschwall zu sprechen, dass selbst die Fachleute auf ihn hereinfallen. Eine noch viel größere Genugtuung bereitet es mir aber, dass ich dies gerade in Nürnberg tun darf, war doch diese freie Reichsstadt in ihren größten Zeiten nicht nur eine europäisches Zentrum von Handel und Marketing, sondern auch eine Hochburg des Lateinhumanismus: Hier lebte als Politiker und Gelehrter der große Willibald Pirckheimer; hier wirkte auch der Mann, der vor allem als Freund Albrecht Dürers noch heute weithin bekannt ist und der mehr für die literarische Bildung in Deutschand getan hat als ein anderer: der Erzhumanist Conrad Celtis, als zeitweiliger Professor unserer Universität mein mittelbarer Amtsvorgänger und mein unmittelbares persönliches Vorbild. Dieser Mann, der hier auf der Nürnberger Burg 1487 als erster Deutscher vom Kaiser zum Dichter gekrönt wurde, zum ersten poeta laureatus, hat beides, Lateinertum und Marketingforschung, vereinigt, als er in seiner lateinischen Schrift über Nürnberg, „Norimberga“, diese Stadt gerade wegen ihres einzigartigen Produktangebots (commeatus abundantia) gepriesen hat, wobei er hervorhob, dass auch die Preise, als zweiter Teil der Marketingpolitik, richtig und legitim seien (iusto et legitimo pretio), Preise, von denen er im übrigen fachmännisch feststellt, dass sie aus dem Zusammenspiel von „Angebot und Nachfrage“ hervorgehen (quod inter licentem vendentemque conveniat). Somit könnten sich die Nürnberger, sagt er, dank ihres kommerziellen Reichtums alles leisten und – ich zitiere nach der Übersetzung meines Kollegen, des hier anwesenden Nürnbergers Gerhard Fink – „so leben sie, wie sie selbst sagen, nicht von der Erde, dem Himmel oder der Luft, sondern allein vom Geld (solo nummo)“. Kein Wunder, dass der Wahlnürnberger Celtis auch einen lateinischen Ausdruck für Marketing zu bieten hat; es heißt bei ihm mercium commutatio, „Austausch von Waren“ – was, wie Sie sehen, gar nicht so weit entfernt ist von Hermann Dillers Definition des Marketing: „Austausch von Werten“.
So läge es für den klassischen Philologen tatsächlich nahe, in dieser Stadt des Markts und Mammons vom kommerziellen Marketing der alten Römer zu sprechen, umso mehr als ja nicht nur das Wort „Marketing“ vom römischen „mercatus“ kommt – Ihrem Vereins-Epitheton „innovativ“ sieht man den lateinischen Ursprung sowieso gleich an der Nase an -, sondern die Römer zum Geld immer eine ganz besonders unverkrampfte Einstellung gehabt haben (und dies obwohl ihrer Oberschicht, dem senatorischen Adel, eigentliche Handelsgeschäfte verboten waren): rem facias, rem (zu deutsch: „Make money!“) ist laut Horaz die erste Regel, die ein römischer Vater seinem Sprössling auf den Lebensweg mitgibt; sogar der hochgeistige Cicero rühmt das Geld als nervus rerum („Muskelkraft der Welt“), und noch berühmter ist der Spruch, mit dem der knauserige Kaiser Vespasian den aus seiner berüchtigten Urinsteuer eingenommenen Gewinn zu rechtfertigen suchte: Non olet, „Geld stinkt nicht“ (übrigens eine Anregung für Hans Eichel, denn von allen menschlichen Tätigkeiten ist ja das Pinkeln eine der regelmäßigsten und notwendigsten). So ist es klar, dass es für den großen Markt Rom und seine Lieferanten auch große Marketingstrategien gegeben haben muss; nicht nur Rom, das ganze Imperium wurde ja von mächtigen Firmen bzw. Fabriken beliefert, mit Utensilien und Viktualien, wie, um nur  irgend ein Beispiel zu nennen, der schwer herzustellenden, aber für die römische Küche unentbehrlichen Fischsauce, namens garum, die vor allem von Spanien aus weltweit verbreitet wurde. Aber über alle hierher gehörigen Marketingunternehmungen haben wir kaum unmittelbare Quellen, wie nur durch Zufall einmal ein paar Reklameinschriften aus Pompeii (wo etwa ein Kneipenwirt für seine Weine wirbt und die Preise mitteilt) oder Ciceros lichtvolle Darlegungen über das Zustandekommen des Getreidepreises in Sizilien (was aber wohl eher in einen Teil der Nationalökonomie gehört). So finden wir in den an sich durchaus vorhandenen Wirtschaftsgeschichten Roms bzw. der alten Welt fast gar nichts über Marketing im eigentlichen Sinne; diese Dinge müssten allererst einmal durch umfängliche Studien an Hand minuziöser literarischer, inschriftlicher und vor allem auch archäologischer Dokumente rekonstruiert werden – eine Forschungsaufgabe also, kein Thema für einen Festvortrag.
Dagegen gibt es nun aber einen Spezialbereich des Marketing, wo gerade in Rom die Quellen reichlich fließen, weil es sich hier, im Gegensatz zum kommerziellen Handel, um eine Tätigkeit der regierenden und literarisch interessierten Oberschicht handelt, nämlich denjenigen Bereich des „social marketing“, den man auch in Deutschland seit genau zwanzig Jahren, als Übersetzung aus dem Amerikanischen, „politisches Marketing“ oder  (seltener) abgekürzt „Politmarketing“ nennt. Gerade in den allerletzten Jahren hat der Gebrauch der Vokabel stark zugenommen, so dass etwa die Suchmaschine Google bereits etwa 13.000 deutschsprachige Eintragungen aufweist. Schuld daran dürften vor allem diejenigen neueren Persönlichkeiten sein, die in besonders erfolgreicher Weise Politik mit Geschäftstüchtigkeit, Mediengewandtheit und vor allem Schauspielerei vereinen; hier denke ich natürlich weniger an unseren Edmund Stoiber, der schon vor ebenfalls zwanzig Jahren in einem noch immer interessanten Aufsatz über „Marketing und Politik“ darzutun versucht hat, dass die beiden ganz verschiedene Ziele hätten (und seine biedere Homepage unter dem Motto „Handeln statt Reden“ könnte dies in der Tat bestätigen), als vielmehr an so farbig schillernde Männer wie Silvio Berlusconi oder Arnold Schwarzenegger, dessen kalifornischer Wahlkampf soeben im Österreichischen Fernsehen von einer Runde aus Meinungsforschern und Politmarketing-Experten ausführlichst analysiert wurde. Dort waren sich immerhin alle einig in diesem Punkt: Die Bedeutung von Politmarketing ist gar nicht zu überschätzen. Denn es gilt, was schon vor fast einem halben Jahrhundert Richard Nixon feststellte: Wie jedes andere Produkt, so muss auch ein Politiker vermarktet werden.
Ich denke nun nicht daran, diesen Begriff des Politmarketing näher zu analysieren oder mich gar auf die sehr akademische Frage einzulassen, ob und wie weit sich Politik überhaupt als eine Form des Marketing beschreiben lasse, sondern halte fest, dass, wiederum nach übereinstimmender Meinung der Fachleute, das von Nixon Behauptete, von tausend anderen Wiederholte, vor allem in Bezug auf  e i n e  fundamentale Institution der modernen Demokratien gilt: die Wahlen bzw. den Wahlkampf (lateinisch: petitio). Keineswegs sind ja Wahlen, wie Stoiber annahm, in erster Linie dazu da, dass der Wähler, dem er den Bundesrechnungshof zur Seite stellt, rückblickend über die Effizienz einer bestimmten Politik urteilt – allenfalls das bayerische Wählerverhalten kann einen CSU-Politiker auf diese Idee oder Wunschvorstellung bringen -, sondern bei Wahlen findet eben das statt, was nach Hermann Dillers schon zitierter Definition das Wesen des Marketing ausmacht: der „Austausch von Werten“. Der Wähler gibt dem Kandidaten Macht durch seine Wählerstimme, der Kandidat verspricht ihm dafür die Vertretung seiner Interessen. Und der mit Wahlen verbundene Wahlkampf ist nichts anderes als die Summe aller einschlägigen Marketingunternehmungen, den man also wohl  „Politmarketingmix“ zu nennen hätte.
    Somit ist klar, dass Politmarketing ein Phänomen auch schon des Alten Rom gewesen sein muss, nicht etwa wegen des Schlagworts „Brot und Spiele“ (panem et circenses), wie soeben der Marketingforscher Thomas Butter gemeint hat – dieses berühmte Dictum war jedenfalls nie ein politischer Wahlslogan, sondern drückt nach dem Satiriker Juvenal gerade die unpolitische Haltung des an Wahlen nicht mehr interessierten römischen Spießbürgers in der Kaiserzeit aus –, vielmehr darum, weil die Römer, was mir erst bei der Vorbereitung dieses Vortrags so richtig klar geworden ist, überhaupt die Erfinder des Wahlkampfs waren und weil sie als erste (und, wenn ich recht sehe, fast zweitausend Jahre lang als einzige) Wahl und Wahlkampf auch theoretisch durchdrungen haben: Das kleine Handbuch von Ciceros Bruder Quintus über den Wahlkampf (Commentariolum petitionis) gibt eine z.T. noch heute gültige Anleitung für effektives Marketing im politischen Bereich. - Ich erwähne nur nebenbei als eine auffallende Parallele dazu, dass gerade die Römer auch das erste Lehrbuch des erotischen Marketing hervorgebracht haben: Ovids Liebeskunst, die berühmte Ars amatoria, die ja keine Anweisung zur Liebe à la Romeo und Julia gibt, sondern, vor allem im dritten Buch für leichtere Damen, Ratschläge, wie man sich im Rahmen des erotischen Angebots erfolgreich vermarktet (leider würde uns die nähere Erläuterung dieser Dinge, die von den Feministen oft missverstanden werden, jetzt etwas zu weit führen).  
Aber wie kann es sein, dass gerade die Römer als Erfinder des Politmarketing zu gelten haben? Haben wir nicht in der Schule gelernt, dass die Wiege der Demokratie in Athen steht? Und ist das nicht einer der Gründe, warum man noch heute, z.B. in Nürnberg, im Gymnasium Griechisch lernen kann? Ich antworte darauf: Demokratie erfordert nicht unbedingt Wahlkampf; Wahlkampf ist umgekehrt nicht einmal notwendig an Demokratie gebunden. In Athen wurde das demokratische Prinzip der bürgerlichen Gleichheit (égalité) so weit ins Extrem getrieben, dass sogar die wichtigsten Ämter und politischen Machtstellen nicht durch Wahlen, sondern durch Losentscheid vergeben wurden. Fast nur bei den militärischen Führungsposten, den zehn strategoí, stellte man das Prinzip des Sachverstands über das der Gleichheit und ließ sie nach Vorschlag der zehn Stadtbezirke, der Phylen, vom Volk wählen; aber hier war offenbar jeweils die Kompetenz so eindeutig, dass wir, soweit ich sehe, aus der Überlieferung nichts von irgendwelchen Wahlkämpfen erfahren.
Völlig anders in Rom. Hier gibt es zwar keine eigentliche Demokratie, sondern, wie Cicero meinte, eine gemischte Verfassung oder, wie heute die meisten sagen würden, eine Oligarchie bzw. Aristokratie, bei der die politische Entscheidung im wesentlichen bei einer kleinen Schicht reicher Grundbesitzer lag, die dank ihrer Einkünfte aus der Landwirtschaft weder auf Handel noch sonst ein Gewerbe angewiesen waren, so dass sie allesamt quasi Berufspolitiker sein konnten. Aus ihnen rekrutierten sich, als Regierungsspitze, die zwei Oberbeamten, consules bzw. Consuln; aus ihnen bildete sich vor allem der Senat, der sämtliche gewesenen Beamten in sich vereinte und die höchste Autorität (auctoritas) hatte. Aber diese Oberschicht der Nobilität verzichtete darauf, Beamte bzw. Senat durch selbstherrliche Kooptation zu ergänzen (was bei der Rivalität der vermögenden Adelsfamilien vielleicht zur Selbstzerfleischung geführt hätte), sondern sie ließen, um auch das Volk in wenig schädlicher Weise an der Machtvergabe teilhaben zu lassen, sämtliche höheren Beamten durch die Versammlung eben des Volks, d.h. der Idee nach von allen römischen Bürgern, wählen. Zwar ging damit noch nicht, wie in einer Demokratie,  a l l e  Macht vom Volke aus; wohl aber wurde dem einzelnen Politiker seine Macht in der Tat vom Volke verliehen (natürlich mit der Erwartung einer entsprechenden Gegenleistung, so dass also das völlige Schema des Marketing gegeben ist). Da nun jedes Jahr, neben den Consuln, auch noch eine ganze Reihe weiterer Beamter (magistratus) zu wählen war - in aufsteigender Folge: Quaestoren, Aedilen,Volkstribunen und Praetoren -, so war in Rom praktisch immer Wahlkampf. Gelegentlich schon bevor die Consuln im Sommer eines Jahres für das jeweils nächste Jahr gewählt wurden, begannen vorsorgliche Consulkandidaten bereits für das übernächste Jahr mit der Vorbereitung ihrer Kampagne, die dann schließlich einige Wochen vor der aktuellen Wahl bei den Betroffenen und ihren Freunden ein förmliches und sichtbares Wahlfieber auslöste. Allmorgendlich spie dann das Haus des Kandidaten ganze Heerscharen von sogenannten salutatores, „Grüßgottsagern“ aus, die ihm zur Bekundung ihrer Solidarität in aller Frühe die Aufwartung gemacht hatten. Ein Teil von ihnen begleitete ihn auf dem Weg zum Forum als „Geleiter“, deductores; manche blieben bei ihm sogar den ganzen Tag als unzertrennliche assectatores (man könnte sie nach Analogie der berühmten Kurschatten die „Wahlschatten“ nennen). Auf dem Forum versuchte der Kandidat, als solcher ausgewiesen durch eine toga candida, eine speziell mit Kreide geweißte Toga – unser Wort „Kandidat“ kommt ja von eben dieser toga candida der römischen candidati -, möglichst viele Personen anzusprechen, sie mit Namen zu grüßen (nomenclatio), ihre Hände zu schütteln (prensatio) und dabei leutselige Worte zu finden. Dieses Herumgehen bei den Leuten, die „face to face communication“ (als Teil des noch zu besprechenden „Kommunikationsmix“), wurde von den Römern als so charakteristisch für den Wahlkampf empfunden, dass danach das ganze Bemühen um Wählerstimmen ambitio (von ambire, „herumgehen“) genannt wurde. (Auch das hat sich übrigens noch im modernen Sprachgebrauch niedergeschlagen: „ambition“ bezeichnet im Englischen und anderen Sprachen den Ehrgeiz, wir Deutsche sprechen in ähnlichem Sinn von „Ambitionen“ und „ambitiös“.) Während diese ambitio ein korrektes, ja vom Kandidaten geradezu erwartetes Verhalten darstellt, ist das ähnlich aussehende, ebenfalls von ambire abgeleitete, Wort ambitus die Bezeichnung einer ordnungswidrigen, ja kriminellen Wählerbeeinflussung, vor allem der Wahlbestechung, also einer sehr unerfreulichen Form des Marketing. Es gab in Rom einen eigenen Schwurgerichtshof, der speziell für dieses Delikt des ambitus eingerichtet war und dem es alljährlich an Beschäftigung nicht mangelte. Auch eine solche Institution dürfte zumindest in der alten Welt einmalig gewesen sein.

Wenn wir diesen Wahlkampf des republikanischen Rom so genau kennen, dass wir über ihn ohne weiteres ein ganzes Buch schreiben könnten, das es sonderbarerweise noch nicht gibt – viel Anschauungsmaterial finden Sie etwas in dem klassischen Werk der amerikanischen Historikerin Lily Ross Taylor über „Party politics in the age of Caesar“, und zum Grundsätzlichen sagt viel Wichtiges unser emeritierter Münchner Kollege Christian Meier in seiner „Res publica amissa“ -, dann verdanken wir das neben unzähligen kleineren Zeugnissen in Geschichtswerken, Briefen und auch Gedichten, vor allem drei Schriften, die in Zusammenhang mit dem heute immer wieder zu nennenden Namen Cicero stehen, also dem Mann, der für römisches Empfinden (und sein eigenes) die freie römische Republik geradezu verkörperte. Denken Sie nur: Als Brutus an den Iden des März nach Cäsars Ermordung, den blutigen Dolch aus der Curie aufs Forum trug, tat er dies mit dem Ruf „Cicero“, denn Cicero stand für die von Cäsar unterminierte  römische Republik, er stand für die vor allem auch in freien Wahlen verkörperte „Freiheit“, libertas, des römischen Volkes.
Ich möchte Ihnen diese drei Dokumente wenigstens kurz vorstellen. Zweimal hat Cicero in ambitus-Prozessen, also Kriminalverfahren wegen angeblicher Wählerbestechung, den gewählten Kandidaten und damit auch die Entscheidung des römischen Volks verteidigt. Einmal, in seinem eigenen Konsulatsjahr 63 v.Chr., dem Jahr der berühmten Catilinarischen Verschwörung, sprach er für seinen Nachfolger, einen gewissen Murena, der vor allem als Militär populär geworden und bei der Wahl siegreich gewesen war, gegen seinen eigenen Freund, den bei der Wahl durchgefallenen Ankläger Sulpicius Rufus, der bis heute vor allem als Jurist namhaft ist, was aber damals zum Wahlsieg nicht ausgereicht hatte. (Klar, dass bei solchen Prozessen, der Verlierer dasjenige nachträglich vor Gericht zu erstreiten sucht, was ihm an der Wahlurne versagt geblieben ist.) Hier hatte Cicero vor allem zu zeigen, dass Murena auf Bestechung gar nicht angewiesen war, da ihm bei seinen kriegerischen Erfolgen in Kleinasien die Herzen und Wählerstimmen ohnehin zugefallen seien, wogegen die Juristerei doch ein viel weniger attraktives, eher kleinkariertes Geschäft für Stubenhocker darstelle. Diese Rede, die Cicero von den Juristen bis heute so übel genommen wird, dass sie gelegentlich das Gerücht verbreiten, Cicero habe vom römischen Recht nichts verstanden - diese Rede ist so köstlich und für das römische Volksempfinden aufschlussreich, dass man sie zur Lektüre nur dringend empfehlen kann. Als ich vor fünfzehn Jahren den mittlerweilen verstorbenen Staatschef der afrikanischen Republik Malawi, Dr. Kamuzu Banda, neben Harry S. Truman und Franz Josef Strauß wohl der beste Lateiner unter den Politikern des zwanzigsten Jahrhunderts, fragte, ob ich zu Recht aus seinen gedruckten Reden auf ein besonderes Studium Ciceros bei ihm geschlossen hätte, da antwortete er mir: „I always have a copy of Cicero with me; especially I like Pro Murena.“ Folgen Sie dieser Leseempfehlung aus Afrika!
Kaum minder aufschlussreich, wenn auch weniger bekannt, ist die zweite Rede, Pro Plancio, in der Cicero Plancius, den gewählten Ädil von 54 v.Chr. gegen seinen durchgefallenen Rivalen verteidigt, und zwar wegen einer besonders widerlichen Form von Wählerbestechung. Dieser Prozess gibt uns Einblicke nicht nur in die finstersten Details der Bestechungstechniken, sondern auch in die römische Wählerpsychologie. Cicero macht nämlich glaubhaft, dass es vor allem sein, Ciceros, persönlicher Einsatz für den jetzt angeklagten Plancius gewesen sei, der diesen zum Wahlsieg geführt habe und dass er dabei weniger auf dessen Leistungen für den Staat als vielmehr auf seine Verdienste um ihn, Cicero selber, abgehoben habe. Er, der prominente Politiker, hatte somit im Wahlkampf als Freund für den Freund, dem er förmlich sein Leben verdanke, gesprochen – eine Konstellation, die Römern unwiderstehlich zu Herzen ging, war doch nach ihrem Empfinden die Dankbarkeit (gratia), wie Cicero einmal sagt, die Mutter aller Tugenden. Wie in Pro Murena der Humor, so ist hier die Rührung bzw. das Mitleid der tragende Affekt, dem der große Redner, weil er ihn auch im Prozess für den armen, bedrohten Angeklagten einsetzt, seinen Erfolg verdankt.
Aber noch weit bedeutender hinsichtlich des Quellenwerts ist die dritte Schrift, die wir zu betrachten haben: das schon erwähnte Commentariolum petitionis (Handbüchlein zum Wahlkampf), das Ciceros Bruder Quintus ihm, Marcus Cicero, für seinen eigenen Wahlkampf im Jahr 64 v.Chr. geschrieben hat. Dieses Büchlein zeigt, dass Quintus, selber ein nicht ganz unwichtiger Politiker, für seinen natürlich weit bedeutenderen Bruder so etwas wie ein Wahlkampf- oder zumindest Imageberater gewesen sein dürfte. Er war der erste uns bekannte „spin doctor“ der Geschichte, also ein Mann, der die Funktion erfüllte, die Dick Morris für Bill Clinton („Behind the Oval Office“) oder Michael Spreng vor einem guten Jahr im Bundestagswahlkampf für Edmund Stoiber gehabt hat. Tag und Nacht denke er darüber nach, wie er seinem Bruder zum Sieg verhelfen könne, sagt Quintus Ciceros und was er schreibe, sei zwar nichts, worauf Marcus Cicero nicht auch selber kommen könne, doch habe er die Dinge, die sonst unübersichtlich und konfus seien, „mit Überlegung und Systematik“ (ratione et distributione) geordnet und zusammengefasst, um hierdurch dem im Wahlkampf überbeschäftigten (occupatissimus) Bruder einen Dienst zu tun. Das ist höchst realistisch und vernünftig; und um so törichter scheint mir die Behauptung einiger moderner Althistoriker, diese Schrift müsse darum unecht sein, weil sich der berühmte und fast schon arrivierte Cicero doch nicht von seinem jüngeren, politisch weniger bewährten Bruder hätte belehren lassen. Als wäre etwa der heute schon wieder fast vergessene Journalist Michael Spreng, der den Alpen- und Aktenkönig Stoiber zum Weltmann stilisieren wollte, jemals bekannter und erfolgreicher gewesen als dieser von ihm beratene Staatsmann - der ihn aber dennoch heranzog, weil er eben, neben Spürsinn und gesundem Menschenverstand, vor allem die dem Politiker fehlende Zeit und Muße für umfassendere strategische Überlegungen hatte!
Im übrigen sagt Quintus zwar mit Recht, dass seine Schrift speziell auf den Wahlkampf von Bruder Marcus zugeschnitten sei, sich also nicht an jedem Punkt verallgemeinern ließe; dennoch ist er sich bewusst, ein größtenteils doch auch generell gültiges Lehrbuch verfasst zu haben, denn er bittet am Schluss seinen Bruder, falls er, Quintus etwas übersehen habe, ihm dieses doch mitzuteilen und nachzutragen, damit das Werk in jeder Hinsicht vollkommen sei. Dieser verhaltene Stolz ist berechtigt. Das Handbüchlein konnte zwar im Jahr 64 oder in der darauf folgenden Zeit unmöglich veröffentlicht werden, da Quintus dafür viel zu offenherzig quasi aus dem politischen Nähkästchen geplaudert hatte; aber die späteren Herausgeber von Ciceros Korrespondenz haben sich ein großes Verdienst erworben, als sie auch dieses kleine Meisterwerk des Bruders der Nachwelt überliefert haben. Bevor wir den römischen Wahlkampf abschließend unter Marketinggesichtspunkten analysieren, müssen wir uns zunächst mit Inhalt und Aufbau dieser wichtigsten Quellenschrift vertraut machen. (Falls Sie sie selber studieren wollen, empfehle ich die alte zweisprachige Heimeranausgabe mit der freien, aber geistreichen Übersetzung von Helmut Kasten; die neue Übersetzung bei der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft ist hässlich und fehlerhaft, der Kommentar manchmal geradezu unverständig. Diese Schrift harrt noch ihres wirklichen Erklärers.)
Quintus gliedert nach drei Gesichtspunkten bzw. drei Überlegungen, die sein Bruder täglich im Wahlkampf meditieren solle: I. Wer bin ich? II. Was will ich? III. In welchem Staat bin ich? Und er antwortet: I. Ich bin ein homo novus (dazu sofort). II. Ich will das Consulat. III. Mein Staat ist Rom. Die Gliederung nach I und II klingt höchst modern und marketingmäßig, als solle hier zwischen Produktpolitik (der Kandidat) und Preis- bzw. Gegenleistungspolitik (das Consulat) unterschieden werden. Aber dieser Schein trügt. Die zwei Labels, die Quintus den ersten beiden Teilen seiner Schrift verpasst, decken sich weder mit diesen modernen Kategorien noch mit dem eigentlichen Inhalt der Schrift, sind vielmehr eine Art bestechender Fassade, die eine Einfachheit vortäuscht, die nicht gegeben ist..
I. „Wer bin ich?“ „Ein homo novus“, soll Cicero sich sagen, das heißt: einer von denen, die keinen Consul unter ihren Vorfahren haben, einer, der also nicht zur Nobilität gehört, ein Newcomer, Selfmademan, böser ausgedrückt: ein Emporkömmling. Das war in der Tat Ciceros schwerstes Handicap bei dieser Amtsbewerbung. Denn obwohl die Römer wie wir durchaus Leute bewunderten, die aus kleinen Verhältnissen stammend etwas aus sich gemacht hatten, so wollte doch auch das einfache Volk seine Consuln am liebsten aus den uralt bewährten, vornehmen Familien wählen, wo man sozusagen wusste, was man hatte und wo man dran war. Weder ein Gerhard Schröder noch ein Edmund Stoiber oder Franz Josef Strauß hätte in Rom den Hauch einer Chance gehabt. Cicero war immerhin ein wohlbetuchter römischer Ritter, aber auch das reichte kaum: Seit 33 Jahren war kein homo novus mehr zum Consulat gekommen. Quintus nennt hier also den Hauptnachteil, mit dem Cicero zu kämpfen hat; aber nur um den Bruder sogleich auf seine Stärken aufmerksam zu machen: Er hat für sich, um dieses Manko wettzumachen: 1. seinen rednerischen Ruhm und sein Talent, 2. die aus eben diesem rednerischen Einsatz vor allem als Prozessanwalt resultierenden Freundschaften, die es zu mobilisieren gilt, 3. die Sympathien der Nobilität selber, die zu erhalten und durch geschickte Propaganda zu verstärken sind (hier gibt Quintus sofort einige Argumentationshilfen); und er hat 4. ganz besonders Sympathisanten unter der aristokratischen Jugend, die ihn (wie Cicero weiß, wir uns dazu denken müssen) als Meister der Rede und Vorbild verehren. Hauptwahlschlager für ihn aber ist der miese, z.T. geradezu verbrecherische Charakter seiner beiden Kontrahenten, Antonius und Catilina: Indem Quintus mit der entsprechenden rhetorischen Stilisierung seinem Bruder deren Schandtaten aufzählt, gibt er ihm wiederum Formulierungshilfen für entsprechende Auseinandersetzungen. (Einige besonders gelungene Wendungen seines Bruders hat Cicero tatsächlich in eine Rede dieses Jahres effektvoll eingebaut.) Wir sehen also, dass Quintus nicht nur Theoretiker des Wahlkampfs, sondern auch praktischer Berater und seelische Stütze für Bruder Marcus sein will, Wissenschaftler und Psychotrainer.
Erst der zweite Teil fasst die Größe der anstehenden Aufgabe, die zunächst eher bagatellisiert wurde, voll ins Auge: II. „Was will ich?“ „Das Consulat.“ Nun erst ist von der Fülle des Neids (invidia) die Rede, die Cicero, den homo novus, bedroht. Nicht nur die Vornehmen, die das Consulat wie ein Stück Erbpacht verteidigen, sind neidisch auf ihn, zumal die vielen, die selber auf der zu durchlaufenden Ämterkarriere schon vor dem Consulat stecken geblieben sind; auch im Volk wirkt die Gewohnheit so vieler Jahre, dass man denkt, der Schuster solle bei seinem Leisten bleiben. Dazu gesellt sich natürlich auch ziemlich viel Zorn und Verstimmung (ira) derer, denen Cicero als Prozessanwalt oder politischer Redner in die Quere gekommen ist. (Welch glänzende negative Marktsegmentierung!) Da diese Nachteile großenteils eben aus Ciceros rednerischen Erfolgen resultieren, kann der „spin doctor“ hier nicht wieder die Rhetorik als Medizin anpreisen. Er fordert statt dessen von seinem geforderten Bruder zwar nicht gerade Blut, Schweiß und Tränen, aber doch omnem rationem et curam et laborem et diligentiam, „alle rationale Planung, Engagement, Anstrengung, Präzision“. Und Quintus geht, was Rationalität und Präzision angeht, sogleich mit gutem Beispiel voran, indem er alle Unternehmungen des Wahlkampfmarketing in zwei Hauptgruppen einteilt: erstens (II 1) den Einsatz der (zu mobilisierenden) Freunde, amicorum studia, zweitens (II 2) die Sympathie des (zu gewinnenden) Volkes, popularis voluntas. Eine höchst praktische Einteilung (Freunde – Volk, indirekte und direkte Wählerbeeinflussung), durch die ein unübersichtlicher Stoff auch mit Hilfe weiterer Unterteilungen in den Griff gebracht wird. (Ich erwähne nur in Parenthese, dass sowohl Quintus wie Marcus Cicero bei Lehrern der sogenannten Akademie, also der philosophischen Schule Platons, studiert haben und dass gerade für Platon solche Einteilungen nach Genus und Species, wie wir heute sagen, höchst charakteristisch sind; und da er die Zweiteilung bevorzugt: „Alle Dinge sind entweder nicht beseelt oder beseelt, alle Beseelten entweder Götter oder Lebewesen, alle Lebewesen entweder Tiere oder Menschen“ usw., darum kann Platon geradezu als der Erfinder der digitalen Datenverarbeitung gelten, die ja ebenfalls mit solchen Zweiteilungen arbeitet. Cicero hat, wie hier sein Bruder Quintus, viel dafür getan, diese Kunst der platonischen Dichotomie in Europa populär zu machen.)
Also zum ersten Abschnitt dieses großen zweiten Hauptteils (II 1): amicorum studia, „Einsatz der Freunde“. Damit sind natürlich nicht die Wähler selber gemeint, die ja unmöglich alle Freunde, amici, sein können (obwohl das Wort amici, wie Q. lichtvoll sagt, hier in einem weiteren Sinn gebraucht werde als sonst); es sind alle, die irgendwie Ciceros Wahlkampf unterstützen sollen, modern gesprochen: seine Wahlkampfhelfer, die von den eigenen (relativ vornehmen) Verwandten bis hinunter zu Freigelassenen und Sklaven reichen können. Quintus unterteilt sie zweckmäßigerweise nicht nach Ständen, sondern nach zwei Affinitätsgraden (also wieder eine platonische Dichotomie). Die einen sind schon gewonnen durch irgendwelche Wohltaten, die ihnen der Kandidat bzw. Cicero erwiesen hat: Ihnen muss klar gemacht werden, das sie jetzt die einmalige Chance haben, sich bei Cicero, der z.B. als Prozessanwalt kein Honorar nehmen durfte, zu revanchieren, und dass dies von ihnen nunmehr auch erwartet wird. Die anderen sind natürlich diejenigen Freunde, die erst noch gewonnen werden müssen, entweder durch Wohltaten, die erwiesen oder in Aussicht gestellt werden, oder durch natürliche Sympathie (wie Sie gemerkt haben, sind hier zwei weitere Dichotomien vorgenommen worden). Großer Vorteil des Wahlkämpfers: Während es sonst als unschicklich oder geradezu albern gilt, irgendwelchen Leuten so ohne weiteres die Freundschaft anzutragen, wird dies von einem Kandidaten geradezu erwartet. Besonderen Nachdruck legt Quintus darauf, dass jeder sogenannte Freund im Wahlkampf seine klar umrissene Aufgabe bekommt; und dies gilt nicht nur für den Bereich von Rom, sondern für ganz Italien, dessen Einwohner ja seit einigen Jahrzehnten römische Bürger mit Wahlrecht sind und die dieses Wahlrecht, soweit möglich, auch tatsächlich wahrnehmen, indem sie zum Wahltag nach Rom reisen (was zu Unrecht gelegentlich bestritten wird). In allen italischen Städten, Munizipien, Kolonien usw., muss der Kandidat seine Leute haben, auf die er sich verlassen kann und die, als wären sie selber Kandidaten – Quintus sagt „als quasi candidati“ – sich für ihn einsetzen, d.h. in seinem Sinn die öffentliche Stimmung, jedenfalls bei bestimmten ihnen zugeteilten Personengruppen, bearbeiten. So verfügt, wie wir hiermit erfahren, Cicero dank seiner weitgespannten Beziehungen gewissermaßen über eine kleine Armee von Freunden in allen Gegenden des italischen Staatsgebiets; und sein Bruder mahnt ihn vor allem, diese amici nicht ihrer eigenen Initiative und Impetus zu überlassen, sondern sie möglichst zielgerichtet nach einheitlichem Plan für sich kämpfen zu lassen. Welch eine strategische Aufgabe! Man sieht Cicero förmlich wie einen modernen Wahlkampfmanager vor der Landkarte der Apenninhalbinsel sitzen und allerorts Fähnchen mit kleinen Namensschildern einpflanzen.
Eine andere Aufgabe haben, wie wir hören, z.T. die amici in Rom. Sie sollen nicht nur gezielt Überzeugungsarbeit leisten (vor allem in den einzelnen tribus, den Verwaltungseinheiten Roms und Italiens, die beim Abstimmungsverfahren, das ich jetzt nicht erläutern kann, eine wichtige Rolle spielen), sondern vor allem auch durch ihre physische Präsenz beim Kandidaten, dessen großen Einfluss und Beliebtheit sie gewissermaßen symbolisch verkörpern, den Eindruck erwecken, als sei dieser Mann unwiderstehlich; hier ist die Rede von den salutatores, deductores, assectatores, die wir schon früher kennen gelernt haben. Quintus schließt diesen ersten Hauptteil (II 1) ab mit der Warnung vor falschen Freunden, Wölfen im Schafspelz, und gibt ausgezeichnete Tipps zur Behandlung von „Gegnern“, inimici.
Im zweiten Hauptteil des zentralen Abschnitts (II 2) geht es nun, wie angekündigt, um die Behandlung des Volkes selber, also der eigentlichen Wähler, die bisher nur indirekt über die Wahlhilfe der „Freunde“, amici, angesprochen waren. Wir kommen also in den Bereich der erwähnten „face to face communication“ und hören über die Wichtigkeit der schon erwähnten nomenclatio, der namentlichen Begrüßung (notfalls bediente man sich eines dafür ausgebildeten nomenclator, eines Gedächtniskünstlers, der sozusagen das ganze Einwohnerverzeichnis abgespeichert hatte), und über die Kunst der unaufrichtigen Schmeichelei (blanditia), die sonst verpönt, im Wahlkampf aber nötig sei; auch dass man einzelnen Leuten mehr verspricht, als man halten kann, ist nach Quintus eine Notwendigkeit, die er freilich seinem ernsthaft philosophisch gebildeten Bruder, einem homo Platonicus, so formuliert er, nur schwer vermitteln könne. Dass Allerwichtigste aber sei die assiduitas, von der auch in Ciceros Prozessreden viel die Rede war, das ständige Anwesend- und Sichtbarsein des Kandidaten, der sich seinen Wählern geradezu aufdrängt; ganz wichtig auch das Ausstreuen von rumores, „Gerüchten“, die ja bekanntlich das älteste Massenmedium der Welt sind und in Rom Presse, Funk und Fernsehen vertreten.
Dies alles galt soweit für die Wähler überhaupt, das Volk im allgemeinen. Nun macht Quintus wieder eine Einteilung, diesmal eine eigentliche Marktsegmentierung: Das niedere Volk, das sich auf Volksversammlungen herumtreibt, habe Cicero durch diverse populäre, wenn nicht populistische Reden schon auf seine Seite gezogen; jetzt gelte es das Kunststück fertig zu bringen, auch noch die splendidi homines (womit jetzt offenbar nicht die Nobilität, sondern das gehobene Bürgertum gemeint ist) für sich zu gewinnen. Als Integrationsfigur bietet sich der damals vielfach beliebte Pompeius an, der gerade noch in Kleinasien den Mithridates bekriegt: Cicero solle den Leuten vor allem suggerieren, dass er, Pompeius, ihn schätze und seine Kandidatur unterstütze. (Wieder durchdringen sich, wie Sie sehen, theoretische Analyse und praktische Argumentationshilfe.)
Am weitaus interessantesten für die Eigenart des römischen Wahlkampfs ist aber der kurze letzte Abschnitt im zweiten Hauptteil dieses zweiten Teils (II 2). Hier spricht Quintus endlich von dem, was nach unserer Auffassung eigentlich Zentrum des Wahlkampfs sein sollte, der spes rei publicae, d.h. den politischen Hoffnungen, die der Kandidat erweckt, dem, was er für die Allgemeinheit, die res publica, die dem Römer doch angeblich über alles gehen soll, zu leisten verspricht. Hier warnt Quintus seinen Bruder davor, irgendwelche eindeutigen programmatischen Aussagen zu machen, sich auf eine bestimmte Politik festzulegen, vielmehr müsse er versuchen, es verbal jedem recht zu machen: Der Senatsnobilität solle er als Verteidiger ihrer auctoritas erscheinen, den Rittern, also den Businessleuten, als Verfechter des otium, „Ruhe und Ordnung“ (die sie für ihre Geschäfte brauchen), dem Volk schließlich als der Wahrer seiner Interessen (commoda). Ein Glück, dass Jürgen Habermas und andere Kritiker von Politmarketing und Gefälligkeitsdemokratie, diesen Text noch nicht in die Hände bekommen haben: Sie würden an den Gebrüdern Cicero kein gutes Haar lassen! Denn unser Cicero hat eben diese Ratschläge höchst wirkungsvoll praktiziert, nicht nur im Wahlkampf, sondern sogar im Consulat selber, wo er dem Volk immer wieder die Wünsche des Senats als dessen eigenen Interessen verkauft hat, ein consul popularis, so sagt er selbst, wie es ihn noch nie gegeben habe. Was aber keineswegs heißt, dass Cicero eine Schaukelpolitik „ohne Einsicht, Ansicht und Absicht“, wie Theodor Mommsen ihm unterstellte, betrieben hätte. Er wusste schon, was er wollte, und ging dabei sehr weit; er verstand es nur eben auch, seine Politik möglichst allen schmackhaft zu machen, dank seiner Rhetorik eben, die so viel Verwandtschaft mit dem Marketing hat.
Auf die Redekunst Ciceros kommt Quintus dann im letzten, dritten Teil des Werks, der nur kurz ist, zurück: III. „In welcher Stadt bin ich?“ „In Rom“, einer Bürgerschaft voller Laster und Perversitäten, wo der erfolgreiche Kandidat ein wandlungsfähiger Proteus sein müsse, um es scheinbar allen Schuften recht zu machen. Kein Problem auch dies für Ciceros Redekunst. Vor allem dank ihr, gemeint ist: dank der latenten Drohung mit Prozessen, werde er auch die Bestechungsversuche seiner Gegner zumindest so weit in Schach halten, dass sie seinen Wahlsieg nicht gefährden könnten. Und so kam es denn auch. Cicero wurde, was ungewöhnlich war, mit der Stimmenmehrheit sämtlicher 193 Centurien, d.h. etwa Wahlkreisen, zum Consul gewählt; die Anstrengungen des Wahlkampfs, cura, labor, diligentia, hatten sich ausgezahlt.
Ich habe dieses Handbüchlein des Quintus nun schon so viel gelobt, dass ich dem nur noch eines hinzufügen möchte: Es ist wissenschaftlich vorbildlich, wie Quintus seinen Gegenstand ohne unnötiges Werten angeht, also etwa kein Wort darüber verliert, wie wichtig es doch sei, dass sein Bruder den gefährdeten Staat rette und die Verfassung der Väter gegen alle Umsturzpläne behaupte usw. Nur als Argumentationshilfen erscheinen gelegentlich vergleichbare, wertende Äußerungen; in der Hauptsache aber analysiert Quintus die Dinge mit der emotionslosen Sachlichkeit eines Schachlehrbuchs: Wie kann ich, Cicero, mit meinen Ressourcen als homo novus eine Wahl gewinnen?  Das heißt aber auch nicht, dass, wie der neueste Kommentator meint, die Botschaft des Werkes wäre: Cicero müsse alle, auch die unanständigsten, Tricks anwenden, um Consul zu werden. Quintus bleibt nicht nur selbstverständlich im Rahmen des Legalen und Üblichen - an Bestechung auch nur durch Bewirtungen an der Grenze des Gesetzlichen wird nirgendwo gedacht -; er will seinen Bruder auch gar nicht so sehr dazu überreden, irgendwelche Tricks anzuwenden, vielmehr sieht er seine Aufgabe darin, eben die Methoden und auch Tricks überhaupt erst aufzuzeigen und zu systematisieren, mit denen man bei einer solchen Consulwahl erfolgreich sein kann.
Hätte Quintus ein besseres Werk geschrieben, wenn er heutiges Marketing studiert oder bei modernen Politmarketing-Experten in die Lehre gegangen wäre? Ich traue mich nicht, diese Frage zu beantworten, obwohl ich sie eher bejahen würde. Auf jeden Fall möchte ich zum Schluss doch noch versuchen, unter Zuhilfenahme von Marketingkategorien unser Wissen vom römischen Wahlkampf zusammenzufassen und, im Interesse auch der politischen Bildung, seine Unterschiede zu den Wahlkämpfen in der modernen, repräsentativen Demokratie darzutun.
Wahlkampf beginnt heute wohl in der Regel mit einer Analyse der Lage, vor allem der demoskopisch ermittelten Wählerbedürfnisse, die mit dem Parteiprogramm irgendwie in Übereinstimmung gebracht werden müssen, so dass man dann die für die Vermittlung des Programms geeignetsten Kandidaten bestimmen kann. Nichts von alledem in Rom! Es fehlen nicht nur, das versteht sich, die Demoskopen, es gibt vor allem keine Parteien – die öfter so genannten „Parteien“ der Optimaten und Popularen sind etwas wesensmäßig anderes, was auch nie zu irgend einer Organisation führen konnte -; es gibt also, um ein Wort von Kaiser Wilhelm II. abzuwandeln, keine Parteien, sondern nur Römer (die ab und zu für ein Amt kandidieren). Und diese einzelnen Römer haben in der Regel auch kein Programm: Dass ein Kandidat etwa ankündigt, er werde sich im kommenden Jahr für ein bestimmtes Gesetz stark machen, ist eine gelegentliche Ausnahme, die nur die Regel bestätigt.
Ist dann also der Kandidat selbst das Produkt das auf dem Politmarkt angeboten wird? (Das wird ja sogar heute oft angenommen.) Ich meine: nein. Produkt im Sinne des Marketing kann logischerweise immer nur die versprochene Dienstleistung sein; und diese besteht für den römischen Kandidaten in zwei Dingen: einmal in der Zusage individueller Hilfe für einzelne Wähler (was mit Politik dann nichts zu tun hat und wobei man, laut „spin doctor“ Quintus, auch mogeln darf), zum andern in der vagen Aussicht, irgendwie die spezifischen Standesinteressen, vor allem aber das Wohl der Allgemeinheit, salus rei publicae, zu fördern. Die Persönlichkeit des Kandidaten ist dann freilich der Garant für die Erfüllung dieser versprochenen Dienstleistungen, und insofern ist sie allerdings von der größten Wichtigkeit. Es zählen neben der sympathischen Ausstrahlung (die auch Quintus erwähnt) und den individuellen Leistungen, die der Kandidat im privaten und politischen Vorleben erbracht hat, unter anderem als Redner und Militär, ganz besonders auch seine Familie und die Taten seiner Vorfahren, die in der traditionsbewussten römischen Gesellschaft für Qualität bürgen. (Darum hat es ja der homo novus so viel schwerer als soeben ein Arnold Schwarzenegger.) Moderne Kulturkritiker pflegen eine solche extreme Personalisierung des Wahlkampfs, wie sie in Rom immer vorhanden war, als Entartung abzutun – Sachargumente statt Personen heißt dann die Forderung -; aber zumindest in einer noch übersichtlichen Gesellschaft hat die Personalisierung doch auch entschiedene Vorteile, da man ein bekanntes Individuum für die unterlassene, nie einklagbare, Dienstleistung eher haftbar machen kann als eine anonyme Partei mit ihren Verheißungen.
Was ist nun – Stichwort: Preismix - der Preis, die Gegenleistung des Wählers? Natürlich zunächst seine Stimme, durch die er dem Kandidaten nicht nur Macht, sondern vor allem auch Ansehen, dignitas, verleiht. Die immer unentgeltliche Beamtentätigkeit schenkt ja ihrem Träger größtes Sozialprestige, viel mehr als es der heutige mit Diäten dotierte Abgeordnete, ja sogar der Minister besitzt. Der Kandidat in Rom muss das nach dem Gebot der Sitte auch anerkennen; er darf nicht etwa die Gegenleistung seines Wählers als einen Schnäppchenpreis herunterspielen, sondern muss ihm zutiefst dankbar scheinen für das ihm erwiesene beneficium, die Wohltat gewählt zu werden. (Darin war Cicero ein Meister.) - Ich erwähne noch, dass manche modernen Theoretiker zu dieser Gegenleistung des Wählers, dem Preismix, neben der Stimmabgabe auch Leistungen wie Wahlkampfhilfe und Parteispenden rechnen; wir müssten dann die ganze römische Organisation der wahlunterstützenden amici, die wir kennen gelernt haben, hierher ziehen. Aber das scheint mir nicht korrekt. Die Anwerbung der Wahlhelfer, denen ja z.T. auch Leistungen versprochen oder die an solche erinnert werden, findet doch auf einem anderen Markt statt als dem der Wahlen.
Dagegen kann man diese Organisation der sich über Rom und ganz Italien  erstreckenden amici, sowie gelegentliche Wahlkampfreisen der Kandidaten selber, von denen wir hören, eher, meine ich, zu dem rechnen, was man heute Distributionspolitik nennt. Es ist zwar natürlich richtig, dass hier nicht eigentlich das Produkt selber distribuiert wird, denn eine versprochene Dienstleistung kann man weder verteilen noch überhaupt transportieren (und so könnte man auch sagen, dass hier, wie bei meist bei immateriellen Produkten, die Distribution von der Kommunikation nicht zu trennen ist); aber es besteht doch zumindest eine starke Analogie zur heutigen Verkaufsstrategie, die ihr Produkt über Zwischenhändler und Vertreter physisch unter die Leute bringt. Im übrigen aber ist alle Fälle klar, dass diese amici römischer Politiker einen großen Teil genau der Funktionen übernehmen, die heute eine Partei mit ihrem Apparat und ihren Wahlkampfbüros hat. Insofern besitzt in Rom sozusagen jeder Kandidat seinen eigenen Parteiapparat.
Damit kommen wir endlich zum spektakulärsten Teil des Marketing, der Kommunikationspolitik, die, was Quintus noch nicht wissen konnte, nach der heute üblichen Einteilung in 1. Werbung, 2. Öffentlichkeitsarbeit, 3. Promotion bzw. verkaufsfördernde Maßnahmen und 4. persönliche Kommunikation zerfällt. All das ist selbstverständlich auch in Rom vorhanden.
1. Es gibt Plakatwerbung in Form von Graffiti, wie wir sie von den Kommunalwahlen in Pompeii kennen, z.B: „Die Friseure und Tuchhändler bitten euch, den Herrn Soundso einen guten und politisch tadellosen Mann (vir bonus et rei publicae dignus), zum Aedilen zu machen.“ Wenn Wähler zur Wahl nach Rom reisten, dürften sie am Rand der Straßen (die bekanntlich alle nach Rom führen) solche Inschriften, vielleicht auch auf eigens platzierten Schildern gelesen haben. Unserer Medienwerbung durch Zeitung usw. entspricht dann, wie schon gesagt, in Rom die gezielte Verbreitung von Gerüchten (rumores), an der sich vor allem auch die Familienangehörigen, bis zu den Sklaven, zu beteiligen haben. Dagegen gibt es in der Regel keine Reklame in Form von Wahlreden der Kandidaten; allenfalls werden solche von ihren amici gehalten (wohl eher formlos und vielleicht ein bisschen hydeparkmäßig). Der römische Kandidat umwirbt in der Tat seinen Wähler, sogar, wie wir hören, flehentlich, wenn eine Wahl verloren zu gehen droht; er hat aber offenbar doch Hemmungen, die eigenen Tugenden coram publico in gesetzter Rede anzupreisen.
2. Keine Schwierigkeiten hat er dagegen mit der Öffentlichkeitsarbeit. Alles, was er als Politiker, als Redner oder Militär tut, muss immer auch der Öffentlichkeit vermittelt, in Szene gesetzt werden (insofern ist er sozusagen pausenlos mit Public relations beschäftigt, und vollends muss sein Wahlkampf, wie Quintus schreibt, eine einzige große Show sein – tota petitio pompae plena sit); ganz besonders gilt dies aber von den Spielen, ludi, den Veranstaltungen zur öffentlichen Unterhaltung, die mit den religiösen Festen koinzidieren und die Schauspiel, Zirkus d.h. Wagenrennen, z.T. auch Gladiatoren, Tierhetzen und andere Belustigungen enthalten.Durch ihre Veranstaltung, die vor allem dem Aedilen obliegt, aber auch von Privatpersonen ausgehen kann, baut sich der römische Politiker, wie in Rom jedem bewusst ist, längerfristig sein Image auf, seine existimatio oder auch fama, wobei es hier vor allem darauf ankommt, als großzügig und freigiebig (benignus et liberalis) zu erscheinen. Wer etwa einen Gladiator, dessen Tötung das verärgerte Volk mit gesenktem Daumen fordert, durch Begnadigung am Leben erhält, der kann leicht – denn Gladiatoren waren sündhaft teuer – als knickerig gelten, nicht unbedingt als besonders human. Dagegen fällt die Erinnerung an besonders aufwändige ludi, etwa mit vielen exotischen Tieren, sogar auf der Schauspielbühne, bei Wahlen erheblich ins Gewicht.
3. Während solche Spiele wie andere Teile der Öffentlichkeitsarbeit (militärische Erfolge, wie bei Cäsar, oder spektakuläre Prozesse, wie bei Cicero) naturgemäß nicht genau in die Wahlkampfzeit platziert werden können, gibt es auch wahlfördernde Maßnahmen einer direkten Promotion, wozu vor allem die öffentlichen Bewirtungen rechnen, die weit wichtiger scheinen als unsere ungefähr entsprechenden Wahlkampfparties. Sie gliedern sich in schlichtere prandia, Mittagessen, und kostspieligere convivia, Abendessen mit Umtrunk. Der Kandidat selber darf sie nur für seine eigenen Tribusgenossen (das bedeutet: für nicht mehr als nur ein Fünfunddreißigstel der ganzen Wählerschaft) veranstalten: Auch darum ist es so wichtig, dass er Freunde, amici, hat, die in anderen Tribus einflussreiche Persönlichkeiten (viri gratiosi) durch gute Menus mit Falernerwein günstig stimmen. Überhaupt wird man sich vorzustellen haben, dass die Stimmungsmache für den Kandidaten, wie sie von Quintus Cicero so ausführlich behandelt wird, vor allem auch beim Essen und Trinken stattfindet.
4. Nichts weiter sage ich zum Schluss über die persönliche Kommunikation besonders beim Handshaking, denn von diesem mit Abstand wichtigsten Teil der Wahlkommunikation war ja schon ständig die Rede. Aber wenigstens eine Anekdote soll Ihnen zeigen, was es gerade hier für Pannen geben kann. Ein vornehmer Herr, der Consul werden wollte, schüttelte einmal mit fein manikürten Fingern die besonders schwielige Hand eines römischen Kleinbauern. Da rutschte ihm der freundlich gemeinte Scherz heraus: „Gehst du denn auf deinen Händen spazieren?“ Der Mann war beleidigt, das Wort des Hochmütigen (superbus) machte die Runde, und der Kandidat war für diese Wahl von keinem „spin doctor“ mehr zu retten.
In dieser Weise ließe sich also wohl das meiste von dem, was Quintus Cicero in seinem Handbüchlein gesammelt hat, auch nach heutigen Marketinggesichtspunkten darstellen; ja die Struktur des Wahlkampfs käme dadurch in manchem wohl noch schärfer heraus. Bedenken wir aber doch noch eines zum Schluss! Gutes Politmarketing führt den Römer empor auf der Ämterkarriere, dem cursus honorum, und bringt ihn im glücklichsten Fall wie Cicero zum Consulat, der seinem Inhaber in Rom die größte Ehre, dignitas oder honos, verleiht: Mehr an Würde, sagt Cicero ausdrücklich, ist in Rom nicht zu bekommen. Aber diese dignitas (für die immerhin Caesar den Bürgerkrieg entfacht hat) ist selber doch nicht das Höchste, wie wiederum Cicero bekundet. Über dem Ansehen steht der Ruhm, gloria, und ihn gewinnt man nicht durchs Consulat, sondern allenfalls durch das, was man im Consulat leistet - was nach Ciceros Schätzung bedeutet, dass von zehn Consuln die gloria gerade nur einem zu Teil wird, dem, der eben noch etwas mehr als erfolgreiche Routinearbeit geleistet hat. Für Cicero selber, den wir von allen Römern am besten kennen, war eben die gloria, der er auch eine Schrift gewidmet hat, das große Ziel, und er hat es wie kein anderer römischer Politiker, mit Ausnahme von Cäsar und Augustus, erreicht: vor allem durch die Kunst seiner herrlichen Reden, in denen er noch heute zu uns wie ein Lebendiger spricht, und durch die gediegene Bildung, die er mit seinen bahnbrechenden rhetorischen und besonders philosophischen Schriften in Rom verbreitet hat. Aber auch seine politischen Taten haben zu diesem Ruhm einiges beigetragen. Als Consul hat er den Putschversuch Catilinas glanzvoll aufgedeckt und erstickt; als Consular, d.h. Ex-Consul, hat er zwanzig Jahre später, nach Cäsars Tod, das republikanische Rom, auch wenn das nicht unproblematisch war und ihn selber am Ende das Leben gekostet hat, in seinen letzten Krieg, mit Antonius, geführt. Seine dignitas als Consul und Consular war die Voraussetzung solcher Leistungen, die ihn berühmt gemacht haben; diese dignitas verdankte er zum Teil auch seinem Bruder, der ihn mit seinem politischen Marketing seinerzeit so gut beraten hatte. Sein ewiger Ruhm aber hebt sich weit über solche dignitas; für ihn gilt, was das Lebensmotto des eingangs genannten Nürnberger Humanisten Willibald Pirckheimer gewesen ist: vivitur ingenio, cetera mortis erunt. „Leben gibt das Genie; das übrige ist des Todes“, sogar die Würde eines Consuls. Hier, wo es um Unsterblichkeit geht, ist, zum Glück, auch das innovativste Politmarketing am Ende seines Lateins.
Neque enim omnia posita sunt in illa mercium aliarumque rerum commutatione, quae nunc “marketing” nuncupatur. Dixi.