Wilfried Stroh
Rhetorik und Philosophie in der Antike
Bald nach Entstehung einer kunstmäßigen Rhetorik in Sizilien und eines
Redeunterrichts in Athen durch die sogenannten Sophisten beginnt mit
der Person des Sokrates die explizite Auseinandersetzung zwischen
Rhetorik und Philosophie. Sie spiegelt sich in den Schriften des
Sokratesschülers Platon, besonders im Gorgias
und Phaidros, ebenso aber
auch
in den Programmreden des Gorgiasschülers Isokrates. Beide, Isokrates
und Platon, unterrichten in konkurrierenden Schulen gegensätzlicher
Ausrichtung. Die „philosophische“ Erziehung des Isokrates zielt auf
rhetorische Bildung, die zugleich ethische Haltung vermitteln soll;
Platons „Akademie“ führt von der Mathematik zur reinen, echt
philosophischen Erkenntnis.
Platons Kritik der Rhetorik wird berücksichtigt in der Rhetorik seines
Schülers Aristoteles. Cicero greift die Problematik in zwei Schriften
auf, in denen scheinbar Rhetorik und Philosophie versöhnt werden. In De inventione wird der Philosoph
aufgefordert, mit Hilfe der Rhetorik politisch tätig zu sein: ein im
Kern platonisches Programm. Dagegen wird in De oratore ein sophistisches
Bildungsideal mit ausdrücklicher Frontstellung gegen Sokrates erneuert.
Nirgendwo ist Cicero so weit von seinem Vorbild Platon entfernt.