Wilfried Stroh
"Der Waffenstreit in Ovids Metamorphosen". Vortrag im Württembergischen Verein zur
Förderung der humanistischen Bildung, Stuttgart
Seit alters gilt Ovid als der Rhetoriker unter den römischen Dichtern. Seine Amores beginnen mit einer an Gott Amor
gerichteten advokatischen Anklagerede, die Ars amatoria hat er zu einer Technik der erotischen Überredungskunst gemacht,
seine Heroidenbriefe lassen sich zu einem Teil als rhetorische Übungen interpretieren. Ähnliches gilt sogar noch von
den Elegien aus der Verbannung. Sonderbarerweise wenig beachtet hat man aber, dass Ovid in den Metamorphosen das
rhetorische Glanzstück wahrscheinlich der gesamten römischen Literatur geliefert hat: Im Streit um die Waffen des
Achill, den Ulixes (Odysseus) siegreich gegen Aiax für sich entscheidet, treten zwei Typen von Rednern gegeneinander
an, die beide in ihrer Art brillant sind und von denen doch der eine wegen eines ganz bestimmten Defekts unterliegen
muss. In dieser Auseinandersetzung spiegelt sich auch etwas von der Spannung zwischen der klassischen forensischen
Redekunst etwa eines Cicero und der Deklamationsrhetorik, wie sie in der Zeit Ovids aufkam.