Jan Novák: Cantica latina
Lateinische Gedichte aus Altertum und Neuzeit für Singstimme und
Klavier (erschienen 1985)
Texte nach der Ausgabe im Artemis-Verlag 1985
Übersetzungen: Wilfried Stroh, 1985 (Die Übersetzungen wurden
der neuen Rechtschreibung angeglichen.)
CANTICA
LATINA. Poetarum veterum novorumque carmina ad cantum cum clavibus modis instruxit Jan Novák |
Lateinische Gedichte aus Altertum und Neuzeit für Singstimme und Klavier von Jan Novák |
I AMOR DOCET
MVSICAM (Tuccianus, Anth. Lat. 271 Sh. B.) Cantica gignit amor et amorem cantica gignunt. cantandum est ut ametur et ut cantetur amandum. |
I AMOR
IST MUSIKLEHRER Die Liebe schafft Lieder, und Lieder schaffen Liebe. Singen gilt es, um zu lieben und lieben, um zu singen! |
II ONOS LYRAS (Varro Men. 349-350, 218 Buech.) Si quis melodi nomine est 'onos lyras', praesepibus se retineat forensibus, quibus suam delectet ipse amusiam, et aviditatem speribus lactet suis. INGLORIVS Vosque in theatro, qui voluptatem auribus huc aucupatum concucurristis domo, adeste et a me quae feram cognoscite, domum ut feratis a theatro litteras. |
II DER "ESEL AUF
DER GITARRE" Wenn einer unter dem Namen eines Sängers doch nur "Esel auf der Gitarre" ist, soll er bei seinen Futterkrippen auf dem Forum bleiben und sein eigenes Banausentum damit trösten! Soll er die Gier mit seinen Hoffnungen ködern! DER RUHMLOSE Und ihr im Zuschauerraum, die ihr, des genussreichen Ohrenschmauses wegen, von zu Hause hierher zusammengelaufen seid, herbei! Erfahrt von mir, was ich euch bringe, damit ihr aus dem Theater literarische Bildung nach Hause tragen könnt! |
III DICERE CVM CONOR (Valerius Aedituus ap. Gell. 19, 9, 11) Dicere cum conor curam tibi, Pamphila, cordis, quid mi abs te quaeram, verba labris abeunt, per pectus manat subito subido mihi sudor: sic tacitus, subidus, dum pudeo, pereo. |
III WENN ICH DIE
KÜMMERNIS ... Wenn ich die Kümmernis meines Herzens dir, Pamphila, zu sagen versuche: was ich mir wünsche von dir da fliehn mir die Worte von den Lippen, über des Brünstigen Brust fließt überall plötzlich der Schweiß: So stumm und brünstig, schäme ich mich und vergehe. |
IV PARACLAVSITHYRVM (Plautus Curc. 147-154) Pessuli, heus, pessuli, vos saluto lubens, vos amo, vos volo, vos peto atque obsecro: gerite amanti mihi morem, amoenissumi, fite causa mea ludii barbari. Sussilite, obsecro, et mittite istanc foras, quae mihi misero amanti ebibit sanguinem. hoc vide, ut dormiunt pessuli pessumi, nec mea gratia commovent se ocius! |
IV LIED AN DER TÜR Ihr Riegel, hallo, ihr Riegel! Euch grüße ich mit Freuden. Euch liebe ich, euch will ich, euch suche ich und bitt ich: Seid lieb zu mir in meiner Liebe, ihr Allerschönsten! Mir zuliebe werdet Tänzer, italisch barbarische! Hüpft empor, ich beschwöre euch, und schickt eure Dame heraus, die mir armem, verliebtem Mann das Blut aus dem Leib getrunken hat. Sieh dirs nur an, wie die liederlichen Riegel schlafen und sich um meinetwillen auch kein bisschen schneller rühren! |
V ODE AMATORIA (Sappho fr. 31 V. (= L./P.) |
V LIEBESLIED Der Mann scheint mir den Göttern ebenbürtig zu sein, der dir gegenüber sitzt und aus der Nähe dich hört, wie du süß redest, wie du liebreizend lachst ja, das hat mir mein Herz in der Brust verstört! Denn schaue ich nur kurz auf dich, kann ich nichts mehr reden, sondern stumm ist mir die Zunge erlahmt, ein feines Feuer ist alsbald mir unter die Haut gefahren, mit den Augen sehe ich nichts mehr, es dröhnen die Ohren, Schweiß ergießt sich über mich, und Zittern ergreift mich ganz, ich bin gelber als Gras, und fast meine ich, dass ich sterbe. |
VI ODE SAPPHVS (Catullus carm. 51, 1-12) Ille mi par esse deo videtur ille, si fas est, superare divos qui sedens adversus identidem te spectat et audit dulce ridentem misero quod omnis eripit sensus mihi. nam simul te, Lesbia, aspexi, nihil est super mi vocis in ore, lingua sed torpet, tenuis sub artus flamma demanat, sonitu suopte tintinant aures, gemina teguntur lumina nocte. |
VI LIED NACH DER
SAPPHO Der scheint mir einem Gott gewachsen, der scheint mir, mit Verlaub, den Göttern noch überlegen, der dir gegenüber sitzt und immer wieder dich anschaut und hört, wie du süß lachst mir Armem hat das alle Sinne geraubt. Denn sobald ich dich, Lesbia, ansehe, bleibt mir keine Stimme mehr im Munde, sondern die Zunge ist erstarrt, eine feine Flamme fährt mir tief in die Glieder, vom eigenen Schalle klingen die Ohren, die Augen decken sich mit doppelter Nacht. |
VII PASSER (Catullus carm. 2) Passer, deliciae meae puellae, quicum ludere, quem in sinu tenere cui primum digitum dare appetenti et acris solet incitare morsus cum desiderio meo nitenti carum nescioquid libet iocari et solaciolum sui doloris credo tum gravis acquiescat ardor : tecum ludere sicut ipsa possem et tristis animi levare curas, et tristis animi levare curas, passer, deliciae meae puellae. |
VII DER SPATZ Spatz! Du Liebling meines Mädchens, mit dem sie gerne spielt, den sie am Busen hält, dem sie die Fingerspitze gibt, wenn er pickt, und den sie reizt zu scharfen Bissen, wenn meine Sehnsuchtsschönste etwas Liebes spielen mag, ich weiß nicht was, ein Trösterchen für ihren Schmerz (dann kommt ja wohl zur Ruh ihre heftige Hitze): Könnt ich doch wie sie selber mit dir spielen und den traurigen Kummer meines Herzens mir leicht machen, du Spatz, du Liebling meines Mädchens! |
VIII AD LYRAM (Horatius carm. 1, 32) Poscimus, si quid vacui sub umbra lusimus tecum, quod et hunc in annum vivat et pluris, age dic Latinum, barbite, carmen, Lesbio primum modulate civi, qui ferox bello tamen inter arma, sive iactatam religarat udo litore navim, Liberum et Musas Veneremque et illi semper haerentem puerum canebat et Lycum nigris oculis nigroque crine decorum. o decus Phoebi et dapibus supremi grata testudo Iovis, o laborum dulce lenimen mihi cumque, salve rite vocanti! |
VIII AN DIE LEIER Dich bitte ich! Wenn wir im Schatten müßig je etwas mit dir gespielt haben, was noch dieses Jahr und der Jahre mehr am Leben bleibt, auf, sing uns dann, Leier, ein lateinisches Lied, du, auf der zuerst der Bürger von Lesbos spielte, der Kriegswilde, der aber doch, wenn er auch in Waffen war oder am feuchten Ufer das geschüttelte Schiff befestigt hatte, von Liber (Bacchus) sang und den Musen, von Venus und dem Knaben, der immer an ihr hängt, und von Lycus, der so schön ist mit seinen schwarzen Augen und seinem schwarzen Haar. O Zierde des Phoebus und beim Mahle des höchsten Jupiter willkommenes Saitenspiel, o süße Linderung du der Leiden, sei mir gegrüßt, wann immer ich nach Brauch dich rufe. |
IX MISERARVM EST (Horatius carm. 3, 12) Miserarum est neque amori dare ludum neque dulci mala vino lavere, aut ex- animari metuentis patruae verbera linguae. tibi qualum Cythereae puer ales, tibi telas operosae que Minervae studium aufert, Neobule, Liparaei nitor Hebri, simul unctos Tiberinis umeros la- vit in undis, eques ipso melior Bel- lerophonte, neque pugno neque segni pede victus, catus idem per apertum fugientis agitato grege cervos iaculari et celer arto latitantem fruticeto excipere aprum. |
IX ARMES MÄDCHEN Du bist doch ein armes Mädchen: dass du weder dem Liebesspiel dich hingeben noch mit süßem Wein dein Leid hinabspülen kannst oder aber du stirbst aus Furcht vor der Zunge des Onkels, die dich peitscht. Dir nimmt Cythereas geflügelter Knabe (Amor) den Wollkorb fort; den Webstuhl und die Freude an Minerva, die so viel Arbeit schafft, all das, Neobule, nimmt dir Hebrus, der Herrliche aus Lipara, wenn er sich die gesalbten Schultern in Tiberwellen gewaschen hat, ein Reitersmann, besser als Bellerophon und unbesiegt im Faustkampf und im schnellen Wettlauf, einer, der es zugleich auch versteht, wenn das Rudel der Hirsche aufgescheucht übers offene Feld flieht, den Spieß zu werfen und, behend wie er ist, den Eber abzufangen, der im dichten Gebüsch sein Versteck hat. |
X DIFFVGERE NIVES (Horatius carm. 4, 7, 1-12) Diffugere nives, redeunt iam gramina campis arboribusque comae; mutat terra vices et decrescentia ripas flumina praetereunt. Gratia cum Nymphis geminisque sororibus audet ducere nuda choros. immortalia ne speres, monet annus et almum quae rapit hora diem. frigora mitescunt Zephyris, ver proterit aestas interitura, simul pomifer autumnus fruges effuderit, et mox bruma recurrit iners. |
X DAHIN IST DER
SCHNEE Dahin ist der Schnee, schon kehrt das Gras auf die Felder zurück und das Laub auf die Bäume; die Erde wechselt wieder, und abschwellend laufen am Ufer die Flüsse vorbei. Die Grazie wagt es, mit den Nymphen und ihren beiden Schwestern den Reigentanz nackt zu führen. Hoffe auf nichts Ewiges! So mahnt dich das Jahr und die Stunde, die den lieben Tag dahinreißt: Die Zephyrn machen die Kälte mild; den Frühling zertritt der Sommer und muss doch auch vergehn, sobald der obstreiche Herbst seine Feldfrüchte ausgegossen hat; und bald kehrt der tatenlose Winter zurück. |
XI AD FAVNVM (Horatius carm. 3, 18) Faune, Nympharum fugientum amator, per meos finis et aprica rura lenis incedas abeasque parvis aequus alumnis, si tener pleno cadit haedus anno, larga nec desunt Veneris sodali vina creterrae, vetus ara multo fumat odore. ludit herboso pecus omne campo, cum tibi Nonae redeunt Decembres; festus in pratis vacat otioso cum bove pagus; inter audacis lupus errat agnos, spargit agrestis ubi silva frondes, gaudet invisam pepulisse fossor ter pede terram. |
XI AN FAUNUS Faunus, du Liebhaber flüchtiger Nymphen! Über mein Grundstück, mein besonntes Land gehe freundlich, und wenn du gehst, sei gnädig den kleinen Zöglingen, wenn denn allemal nach Jahresablauf ein zarter Bock für dich geopfert wird und es dem Mischkrug, dem Freund der Venus, nicht fehlt am üppigen Wein und dein alter Altar von reichem Dufte dampft. Auf grasigem Felde spielt alles Vieh, wenn deine Nonen des Dezember wiederkehren; das Rind hat Muße und mit ihm auf den Wiesen feiert ohne Arbeit das Dorf. Unter den kecken Lämmern geht der Wolf einher; dir streut sein ländliches Laub der Wald aus; und mit Vergnügen stampft der Mann, der sonst zu graben hat, dreimal mit dem Fuß auf die verhasste Erde. |
XII AD DIANAM ET
APOLLINEM (Horatius carm. 1, 21) Dianam tenerae dicite virgines; intonsum pueri dicite Cynthium , Latonamque supremo dilectam penitus Iovi. vos laetam fluviis et nemorum coma , quaecumque aut gelido prominet Algido nigris aut Erymanthi silvis aut viridis Gragi, vos Tempe totidem tollite laudibus natalemque, mares, Delon Apollinis insignemque pharetra fraternaque umerum lyra. hic bellum lacrimosum, hic miseram famem pestem que a populo et principe Caesare in Persas atque Britannos vestra motus aget prece. |
XII AN DIANA UND
APOLLO Singt von Diana, zarte Mädchen! Singt vom langhaarigen Cynthius (Apoll), ihr Knaben, und von Latona, die der höchste Jupiter so innig geliebt hat! Singt ihr von der, die sich freut an Flüssen und am Laub der Haine, ob dies oben am kalten Algidus sich zeigt oder an den schwarzen Wäldern des Erymanthus oder an den grünen des Gragus. Ihr, Männer, feiert ebenso oft rühmend das Tempetal, feiert Delos, die Geburtsstätte Apollons, und seine Schulter, die vom Köcher geschmückt ist und der Leier des Bruders. Er wird tränenreichen Krieg, er wird elenden Hunger und Pest abwenden von dem Volk und Caesar, seinem Führer; er wird es zu Persern und Briten jagen, gerührt von eurer Bitte. |
XIII VIDES VT ALTA (Horatius carm. 1, 9) Vides ut alta stet nive candidum Soracte nec iam sustineant onus silvae laborantes geluque flumina constiterint acuto. dissolve frigus ligna super foco large reponens atque benignius deprome quadrimum Sabina, o Thaliarche, merum diota. permitte divis cetera, qui simul stravere ventos aequore fervido deproeliantis, nec cupressi nec veteres agitantur orni. quid sit futurum cras, fuge quaerere, et quem Fors dierum cumque dabit, lucro adpone, nec dulcis amores sperne puer neque tu choreas, donec virenti canities abest morosa. nunc et campus et areae lenesque sub noctem susurri composita repetantur hora, nunc et latentis proditor intumo gratus puellae risus ab angulo pignusque dereptum lacertis aut digito male pertinaci. |
XIII SIEHST DU, WIE
WEISS ... Siehst du, wie weiß vom tiefen Schnee der Soracte dasteht und wie die Wälder in Not kaum mehr ihre Last tragen und wie der scharfe Frost die Flüsse hat stillstehen lassen. Mildre die Kälte, leg reichlich Hölzer nach auf dem Herd, Thaliarchus, und lass aus dem Sabiner Weinkrug den Vierjährigen üppiger fließen! Den Rest überlass den Göttern! Wenn sie die Winde beruhigen, die beim Wüten des Meers miteinander kriegen, dann rühren sich weder Zypressen noch alte Eschen. Was morgen sein wird, frage nicht! Buche jeden Tag, den die Glücksgöttin dir schenkt, als Gewinn und verachte nicht, mein Junge, süße Liebesspiele und auch nicht Reigentänze solange du noch jugendgrün bist, fern vom grauen, griesgrämigen Alter. Jetzt heißt es wieder auf den Campus und die Plätze gehn; jetzt heißt es, wenn die Nacht kommt, zu verabredeter Stunde wieder zärtliches Geflüster suchen, und jetzt das holde Lachen aus innerstem Winkel, das das verborgene Mädchen verrät, und das Pfand geraubt von ihren Armen oder dem Finger, der sich nur wenig sträubt. |
XIV INTEGER VITAE (Horatius carm. 1, 22) Integer vitae scelerisque purus non eget Mauris iaculis neque arcu nec venenatis gravida sagittis Fusce, pharetra, sive per Syrtis iter aestuosas sive facturus per inhospitalem Caucasum vel quae loca fabulosus lambit Hydaspes. namque me silva lupus in Sabina, dum meam canto Lalagen et ultra terminum curis vagor expeditis, fugit inermem, quale portentum neque militaris Daunias latis alit aesculetis nec Iubae tellus generat, leonum arida nutrix. pone me pigris ubi nulla campis arbor aestiva recreatur aura, quod latus mundi nebulae malusque Iuppiter urget, pone sub curru nimium propinqui solis, in terra domibus negata: dulce ridentem Lalagen amabo dulce loquentem. |
XIV WER OHNE FEHL IM
LEBEN Wer ohne Fehl im Leben, wer rein ist von Verbrechen, braucht keine maurischen Spieße und keinen Bogen, braucht keinen Köcher, lieber Fuscus, der mit Giftpfeilen schwanger geht, ob er nun durch die Glut der Syrten reisen wird oder über den unwirtlichen Kaukasus oder durch die Gegend, die der sagenberühmte Hydaspes beleckt. Denn es ist ein Wolf im Sabinerwald als meine Lalage ich sang und über den Grenzstein schweifte, alle Sorgen abgeschüttelt vor mir geflohen, dem Mann ohne Waffen, und zwar ein Ungeheuer, wie es weder das soldatentüchtige Daunusland in seinen weiten Eichenwäldern nährt noch auch die Gegend des Juba zeugt, der Löwen trockene Amme. Setz mich dorthin, wo faul die Felder liegen und sich kein Baum am Hauch des Sommerwinds erquickt, in die Gegend der Welt, der Nebel zusetzen und ein garstiger Jupiter; setz mich dort unter den Wagen der Sonne, wo sie gar zu nah ist, in das Land, das keine Häuser duldet: Ich werde Lalage, die süß lachende lieben, die süß schwatzende. |
XV AD PICTOREM (Anth. Lat. 10 Sh. B.) Pinge, precor, pictor, tali candore puellam, qualem finxit amor, qualem meus ignis anhelat. nil pingendo neges: tegat omnia Serica vestis, quae totum prodat tenui velamine corpus: te quoque pulset Amor, crucient pigmenta medullas. si bonus es pictor, miser in suspiria pinge. |
XV AN EINEN MALER Maler, ich bitte dich, male ein Mädchen von solchem Glanze, wie die Liebe ihn gebildet hat, wie meine Heißgeliebte ihn ausatmet. Versage ihr nichts beim Malen: Alles bedecke chinesische Seide, die nur zart verhüllt und den ganzen Körper verrät. Auch dich soll Amor schlagen! Die Farben sollen das Mark dir martern! Wenn du ein guter Maler bist, male als ein Mann, dem es zum Seufzen elend ist! |
XVI AMORIS IGNES (Carmen Pompeianum Carm. epigr. 44) Amoris ignes si sentires, mulio, magis properares, ut videres Venerem. bibisti: eamus, prende lora et excute, Pompeios defer, ubi dulcis est amor. |
XVI GLUT DER LIEBE Würdest du Glut der Liebe empfinden, Maultiertreiber, dann würdest du dich mehr beeilen, um eine Venus zu sehen. Du hast getrunken: Gehn wir, nimm und schüttle die Zügel! Fahr mich nach Pompeji, wo die süße Liebe ist. |
XVII VENERE DECEPTVS (Carmen Pompeianum Carm. epigr. 947) Quisquis amat, veniat veniat veniat. Veneri volo frangere costas fustibus et lumbos debilitare deae debilitare deae debilitare deae. si valet illa mihi illa mihi illa mihi tenerum pertundere pectus, quidni ego possim illi frangere fuste caput frangere fuste caput frangere fuste caput? |
XVII VON VENUS
GETÄUSCHT Wer liebt, herbei! Der Venus will ich die Rippen brechen und der Göttin mit Stöcken die Lenden verprügeln. Wenn sie die Kraft hat, mir die zarte Brust zu durchbohren, warum sollte ich nicht mit dem Prügel ihr das Haupt zerschlagen können? |
XVIII FESCENNIVM (Claudianus Fescenn. 2, 1-15; 41-45) Age cuncta nuptiali redimita vere tellus celebra toros eriles; omne nemus cum fluviis, omne canat profundum. Ligures favete campi, Veneti favete montes, subitisque se rosetis vestiat Alpinus apex et rubeant pruinae. Athesis strepat choreis calamisque flexuosus leve Mincius susurret et Padus electriferis admoduletur alnis. Aquiloniae procellae, rabidi tacete Cori, taceat sonorus Auster. solus ovantem Zephyrus perdominetur annum. |
XVIII HOCHZEITSLIED Auf! Erde, schmücke dich überall mit Frühlingskränzen zur Hochzeit: Feire das Ehebett unseres Herrn! Es singe aller Wald mit seinen Flüssen, es singe alles tiefe Meer! Ihr ligurischen Felder, gebt Beifall, ihr Berge Venetiens, gebt Beifall! Und die Alpenspitzen sollen sich auf einmal mit Rosengärten kleiden! Und es erröte der Schnee! Von Reigentänzen ertöne der Etsch! Der Mincio, der gewundene, flüstre sanft in seinen Binsen! Und der Po mache Musik dazu mit seinen Bernsteinerlen! Ihr Aquilostürme, ihr wilden Coruswinde, seid ruhig! Sei ruhig, lauter Auster! Nur Zephyrus allein soll im ganzen jubelnden Jahr das Regiment führen! |
XIX MATVTINVM CANTICVM (Ausonius Ephemeris I) Mane iam clarum reserat fenestras, iam strepit nidis vigilax hirundo: tu velut primam mediamque noctem, Parmeno, dormis. dormiunt glires hiemem perennem, sed cibo parcunt: tibi causa somni, multa quod potas nimiaque caedis mole saginam. inde nec flexas sonus intrat aures et locum mentis sopor altus urget nec coruscantis oculos lacessunt fulgura lucis. annuam quondam iuveni quietem, noctis et lucis vicibus manentem, fabulae fingunt, cui Luna somnos continuarit. surge, nugator, lacerande virgis: surge, ne longus tibi somnus, unde non times, detur: rape membra molli, Parmeno, lecto. fors et haec somnum tibi cantilena Sapphico suadet modulata versu? Lesbiae depelle modum quietis, acer iambe! |
XIX MORGENLIED Schon entriegelt der helle Morgen die Fenster, schon tönt im Nest die wache Schwalbe; doch du, als wärs am Anfang oder inmitten der Nacht, schläfst, Parmeno. Die Siebenschläfer schlafen einen dauernden Winter lang, aber sie essen dafür nicht: Bei dir aber ist eben dies der Grund für den Schlaf, dass du vieles trinkst und allzu massig dir den Wanst mästest. So tritt denn kein Klang in deine Ohrwindungen; den Platz deines Verstands bedrängt der tiefe Schlummer, und nicht einmal Blitze zuckenden Lichtes reizen deine Augen. Das Jahr hindurch soll einst der Jüngling geruht haben, gleichermaßen beim Wechsel von Tag und von Nacht: So fabeln es die Sagen von ihm, dem Göttin Luna dauernden Schlaf geschenkt habe: Auf, Herr Nichtsnutz, den man mit Ruten streichen sollte! Auf, damit du nicht den langen Schlaf bekommst, von dort, wo du ihn nicht fürchtest! Reiß deine Glieder aus dem weichen Bett, Parmeno! Vielleicht wiegt dich gar auch dieses Lied in Schlaf, das im sapphischen Vers erklingt? Vertreibe denn du die lesbische Schlummerweise, hitziger Jambus! |
XX BISSVLA (Ausonius De Bissula 4) Delicium, blanditiae, ludus, amor, voluptas, barbara, sed quae Latias vincis alumna pupas, Bissula, nomen tenerae rusticulum puellae, horridulum non solitis, sed domino venustum. |
XX BISSULA Du Süße, du Wonne, du Nette, du Liebe, du mein Entzücken, ein Barbarenmädel, das doch besser ist als die Puppen aus dem Lateinerland! Bissula, was für ein plumpes Nämchen für so eine zarte Dame! Wer sie nicht kennt, dem scheint es wohl garstig, aber liebreizend deinem Herrn! |
XXI AVICVLA (Boethius cons. 3 carm. 2, 17-26; 34-38) Quae canit altis garrula ramis ales, caveae clauditur antro. huic licet inlita pocula melle largasque dapes dulci studio ludens hominum cura ministret, si tamen arto saliens texto nemorum gratas viderit umbras, sparsas pedibus proterit escas, silvas tantum maesta requirit, silvas dulci voce susurrat. repetunt proprios quaeque recursus redituque suo singula gaudent. nec manet ulli traditus ordo, nisi quod fini iunxerit ortum stabilemque sui fecerit orbem. |
XXI DAS VÖGLEIN Ein Vogel, der hoch in den Zweigen geläufig seine Lieder singt, wird eingeschlossen in eines Käfigs Haus. Ja, mögen dem die Menschen nur Becher servieren, die mit Honig bestrichen sind, mögen sie ihm nur üppige Speisen bringen in süßem Eifer und spielender Sorge wenn er, im engen Geflecht hüpfend, die lieben Schatten der Wälder sieht, dann tritt er doch alle Nahrung mit Füßen und verstreut sie, und traurig verlangt er nur nach den Wäldern, girrt nach den Wäldern mit lieblicher Stimme. So verlangt alles nach Rückkehr zur eigenen Bahn, so freut sich ein jedes über den Weg zurück. Und keines bewahrt die Ordnung, die es bekommen hat, wenn es nicht den Anfang mit dem Ende verknüpft und aus sich einen festen Kreis gemacht hat. |
XXII INCANTATIO (Marcellus med. 8, 191) Nec mula parit, nec lapis lanam fert, nec huic morbo caput crescat, aut, si creverit, tabescat. |
XXII HEILZAUBER Keine Mauleselin kriegt Junge, kein Stein trägt Wolle, kein Haupt soll dieser Krankheit wachsen, oder wenns gewachsen ist, soll es vergehen! |
XXIII VT RE MI FA SOL LA (Paulus Diaconus Hymnus in Ioannem str. 1, 2, 5, 7) Ut queant laxis Resonare fibris Mira gestorum Famuli tuorum, Solve polluti Labii reatum, sancte Iohannes. nuntius celso veniens Olympo te patri magnum fore nasciturum, nomen et vitae seriem gerendae ordine promit. antra deserti teneris sub annis civium turmas fugiens petisti, ne levi saltem maculare vitam famine posses. ceteri tantum cecinere vatum corde praesago iubar adfuturum: tu quidem mundi scelus auferentem indice prodis. |
XXIII VT RE MI FA SOL
LA Damit deine Diener mit gelösten Saiten das Wunderbare deiner Taten singen können, löse die sündenbefleckte Lippe, heiliger Johannes! Ein Bote, der vom hohen Himmel kam, kündete dem Vater, dass du geboren würdest, ein großes Kind; er kündete den Namen und die Folge der Taten deines Lebens. In die Höhlen der Wüste gingst du schon in zarten Jahren und flohst vor Menschenscharen, um dein Leben auch nicht durch geringe Rede zu beflecken. Die anderen Propheten sangen weissagenden Herzens nur davon, dass ein Licht kommen werde; du aber machst ihn als den bekannt, der die Schuld der Welt hinwegnimmt. |
XXIV STABAT MATER (Iacobus Tudertinus (?), De compassione Beatae M. V. str. 1-6, 9, 10) Stabat Mater dolorosa iuxta crucem lacrimosa, dum pendebat filius; cuius animam gementem contristatam et dolentem pertransivit gladius. o quam tristis et afflicta fuit illa benedicta mater unigeniti! quae maerebat et dolebat, pia mater, dum videbat nati poenas inclyti. quis est homo, qui non fleret, matrem Christi si videret in tanto supplicio? quis non posset contristari, Christi matrem contemplari dolentem cum filio? eia, mater, fons amoris, me sentire vim doloris fac, ut tecum lugeam. fac, ut ardeat cor meum in amando Christum Deum, ut sibi complaceam. |
XXIV STABAT MATER Es stand die Mutter voller Schmerzen bei dem Kreuz, voller Tränen, als ihr Sohn dort hing; durch ihre seufzende Seele, die betrübte und schmerzensreiche, ging das Schwert. O wie traurig und verstört war sie, die Gesegnete, die Mutter des eingeborenen Sohnes! Sie war betrübt und trauerte, die fromme Mutter, als sie die Pein ihres herrlichen Sohnes sah. Welcher Mensch müsste nicht weinen, wenn er Christi Mutter sähe in so großer Marter? Wer brächte es fertig, nicht mitzutrauern? Es schauen zu müssen, wie Christi Mutter leidet mit dem Sohn! O du Mutter, Quell der Liebe! Die Gewalt des Leidens lass mich fühlen, dass ich mit dir traure! Lass mein Herz brennen in Liebe zu Christus, dem Gott, damit ich ihm gefalle! |
XXV DIANAE LAMPAS (Carmina Burana 62, str. 1) Dum Dianae vitrea sero lampas oritur et a fratris rosea luce dum succenditur, dulcis aura zephyri spirans omnes aetheri nubes tollit: sic emollit vis chordarum pectora et immutat cor, quod nutat ad amoris pondera. |
XXV DIANAS LEUCHTE Wenn Dianas (des Monds) gläserne Leuchte spät aufgeht und vom rosigen Licht ihres Bruders entzündet wird, dann trägt Zephyrs süß atmender Hauch alle Wolken im Äther fort: So erweicht auch die Macht des Saitenspiels die Gemüter und verwandelt ein Herz, das schwankt bei der Last der Liebe. |
XXVI STETIT PVELLA (Carmina Burana 177) Stetit puella rufa tunica. siquis eam tetigit, tunica crepuit. eia. stetit puella tamquam rosula: facie splenduit et os eius floruit. eia. |
XXVI STAND DA EIN
MÄDCHEN Stand da ein Mädchen im roten Rock. Rührte einer sie an, knisterte der Rock. Eia! Stand da ein Mädchen wie ein Röschen: Sie strahlte im Gesicht, und es blühte ihr Mund. Eia! |
XXVII GRAVIDAE QVERELA (Carmina Burana 126) Huc usque, me miseram! rem bene celaveram et amavi callide. res mea tandem patuit, nam venter intumuit, partus instat gravidae. hinc mater me verberat, hinc pater improperat, ambo tractant aspere. sola domi sedeo, egredi non audeo nec inpalam ludere. cum foris egredior, a cunctis inspicior, quasi monstrum fuerim. cum vident hunc uterum, alter pulsat alterum, silent, dum transierim. semper pulsant cubito, me designant digito, ac si mirum fecerim. nutibus me indicant, dignam rogo iudicant, quod semel peccaverim. quid percurram singula? ego sum in fabula et in ore omnium. ex eo vim patior, iam dolore morior, semper sum in lacrimis. hoc dolorem cumulat, quod amicus exulat propter illud paululum. ob patris saevitiam recessit in Franciam a finibus ultimis. sum in tristitia de eius absentia in doloris cumulum. |
XXVII KLAGE DES
SCHWANGEREN MÄDCHENS Bis jetzt, o ich Arme, hatte ich die Sache gut geheim gehalten und meine Liebe mit Schlauheit getrieben. Aber jetzt ist meine Sache doch offenbar geworden, denn mein Bauch ist angeschwollen, ich bin schwanger, und es naht die Geburt. Darum schlägt mich die Mutter, darum schilt der Vater, beide behandeln mich ungnädig. Ich sitze allein im Hause, ich wage es nicht, hinauszugehen und in der Öffentlichkeit zu spielen. Wenn ich zur Tür hinausgehe, sehen alle auf mich, als wäre ich ein Wunder. Wenn sie meinen Bauch sehen, stößt einer den andern; sie schweigen, bis ich vorbei bin. Immer stoßen sie sich mit dem Ellbogen, zeigen auf mich mit dem Finger, als hätte ich Wunder was getan. Sie weisen auf mich mit Blicken, meinen, ich verdiente den Scheiterhaufen, weil ich einmal gefehlt habe. Wozu soll ich über das alles reden? Ich bin überall im Gespräch und in aller Munde. Darum leide ich Gewalt, ich sterbe schon vor Schmerz, immer bin ich in Tränen. Das steigert noch mein Leiden, dass mein Liebster in der Fremde ist wegen dieses Bisselchens. Wegen der Wut meines Vaters ist er nach Frankreich gegangen aus der Gegend, die weit davon ist. Ich bin in Trauer über sein Fortsein, das mein Leiden krönt. |
XXVIII EXIIT DILVCVLO (Carmina Burana 90) Exiit diluculo rustica puella cum grege, cum baculo, cum lana novella. sunt in grege parvulo ovis et asella, vitula cum vitulo, caper et capella. conspexit in caespite scholarem sedere: 'quid tu facis, domine? veni mecum ludere.' |
XXVIII ES GING HINAUS
BEIM MORGENGRAUEN ... Es ging hinaus beim Morgengrauen das Bauernmädchen mit der Herde, mit dem Stock, mit dem neuen wollenen Kleid. In der kleinen Herde sind Schaf und Eselin, Jungstier und Jungkuh, Bock und Ziege. Sie sah im Grase einen Studenten sitzen: "Was machen Sie, mein Herr? Kommen Sie und spielen Sie mit mir!" |
XXIX BIBVLA CANTILENA (Archipoeta carm. 10, str. 12, 13, 18) Meum est propositum in taberna mori, ut sint vina proxima morientis ori. tunc cantabunt laetius angelorum chori: 'sit deus propitius huic potatori.' poculis accenditur animi lucerna. cor imbutum nectare volat ad superna. mihi sapit dulcius vinum de taberna, quam quod aqua miscuit praesulis pincerna. tales versus facio, quale vinum bibo; nihil possum facere, nisi sumpto cibo. nihil valent penitus quae ieiunus scribo: Nasonem post calicem carmine praeibo. |
XXIX TRINKLIED Mein Vorsatz ist es, in der Kneipe einmal zu sterben, damit mir der Wein noch im Tode nah ist. Froh werden dann die Engelschöre singen: "Sei der Herrgott diesem Säufer gnädig!" Die Becher zünden meinem Verstand das Licht an. Von Nektar muss mein Geist getränkt sein, wenn er seinen Höhenflug machen will. Wein aus der Kneipe schmeckt mir süßer als der, den der Mundschenk Seiner Exzellenz mit Wasser verpanscht hat. Meine Verse sind von derselben Qualität wie der Wein, den ich trinke. Nichts bringe ich hin, wenn ich kein Essen zu mir genommen habe. Gar nichts taugt das, was ich nüchtern schreibe. Aber nach dem Humpen dichte ich noch besser als Naso (Ovid). |
XXX NENIA (Ioannes Iovianus Pontanus De am. coni. 2) Somne, veni, tibi Luciolus blanditur ocellis. somne, veni, venias, blandule somne, veni. accubitum te Luciolus vocat: eia, age, somne, eia, age, somne, veni, noctis amice, veni. ad cunas te Luciolus vocat: huc age, somne, somne, veni ad cunas, somne, age, somne, veni. venisti, bone somne, boni pater alme soporis, qui curas hominum corporaque aegra levas. |
XXX LIED ZUM
EINLULLEN Komm, Schlaf! Mein kleiner Lucius schmeichelt dir mit Äuglein. Komm, Schlaf, komm doch, komm schmeichelnder Schlaf! Mein kleiner Lucius ruft dich zu Bette: Auf, Schlaf, auf, Schlaf, komm! Komm, Freund der Nacht! Zu seiner Wiege ruft dich mein kleiner Lucius: Auf, hierher, Schlaf! Schlaf, komm zur Wiege! Schlaf, auf, Schlaf, komm! Du bist gekommen, guter Schlaf, holder Vater des guten Schlummerns, du erleichterst die Sorgen der Menschen und stärkst ihre leidenden Körper. |
XXXI SVRGE IAM LINQVENS (Iohannes Campanus Vodnianus Cant. cant. 14) Surge iam linquens thalamum tepentem, veni, quid haeres, lux mea? nix fuit, fugit, gelido recessit hiems iniqua frigore. terra dat flores, levis herba crescit, aves suaves dant sonos; ingemit turtur, quid ager? virescit fructusque promittit bonos. grossulos ficus dedit, amputatae halant odorem vineae: surge iam iam, cara, veni, para te ad culta terrae floreae. quae colis petras et amas cavernas, columba, provola, mea, nam moves cultu facieque vernas placesque voce mellea. |
XXXI AUF, VERLASSE
JETZT ... Auf, verlasse jetzt das warme Schlafgemach! Komm, was zögerst du, mein Leben? Der Schnee ist vorbei, ist geflohen; der Winter ist dahin, der mit kaltem Frost so ungnädig war. Die Erde schenkt Blumen, das leichte Gras wächst, die Vögel lassen süße Töne hören: Es seufzt die Turteltaube und der Acker? Er wird grün und verspricht gute Früchte. Der Feigenbaum hat grüne Feigen wachsen lassen; die beschnittenen Weinstöcke hauchen ihren Duft: Auf jetzt, auf jetzt, Liebe! Komm, rüste dich zum wohlbestellten Blumengarten! Die du in Felsen wohnst und Höhlen liebst, meine Taube, fliege hervor! Denn geschmückt und schön, wie du bist, rührst du die Herzen der Menschen hier, und sie lieben deine honigsüße Stimme. |
XXXII CARMEN PASTORALE (Nicolaus Arcensis De Sarcio pastore) Sarcae ad litora fluminis canebat pastor Sarcius adpetente vere, dum pascit niveas suas capellas, et texit salice e levi quasillum: o pulcherrima Phylli, quid moraris? cur non huc ades, o venusta Phylli? viden buxifer ut vocat Brionus, Lymphanusque caput nitens oliva. te pomaria, te vocant salicta et nostri sine te greges miselli: o pulcherrima Phylli, quid moraris? iam florent siluae, nemus virescit. Hic carpes violam et rosas rubentes, et texes capiti tuo corollam, hic inter corylos et iliceta captabis placidum petulca somnum, hic unda vitrea pedes lavabis: o pulcherrima Phylli, quid moraris? |
XXXII HIRTENLIED In Sarca am Ufer des Flusses sang zur Zeit, als der Frühling kam, ein Hirte aus Sarca, und weidete dabei seine schneeweißen Ziegen und wob ein Körbchen aus leichter Weide: "O schönste Phyllis, was weilst du? Warum kommst du nicht hierher, liebreizende Phyllis? Siehst du, wie der Brionus dich ruft mit seinen Buchsbäumen, und der Lymphanus, dessen Haupt von Oliven schimmert? Dich rufen die Obstgärten, dich die Weidenbüsche und meine Herden, die unglücklich sind ohne dich: O schönste Phyllis, was weilst du? Schon blühen die Wälder, schon wird grün der Hain. Hier kannst du Veilchen pflücken und rote Rosen, hier kannst du deinem Kopf ein Kränzchen flechten, hier kannst du unter Haselsträuchern und Eichen sanften Schlaf finden, verbuhltes Mädchen. Hier kannst du im glasklaren Wasser die Füße waschen: O schönste Phyllis, was weilst du?" |
XXXIII KALENDAE MAIAE (Georgius Buchananus) Salvete sacris deliciis sacrae Maiae Kalendae, laetitiae et mero ludisque dicatae iocisque et teneris Charitum choreis. salve voluptas et nitidum decus anni recurrens perpetua vice et flos renascentis iuventae in senium properantis aevi. talis beatis incubat insulis felicis aurae perpetuus tepor et nesciis campis senectae difficilis querulique morbi. salve fugacis gloria saeculi, salve secunda digna dies nota. salve vetustae vitae imago et specimen venientis aevi. |
XXXIII ZUM ERSTEN MAI Seid gegrüßt, ihr Kalenden des Mai, die ihr heiligem Vergnügen geheiligt seid, dem Frohsinn und dem Wein, den Spielen und Scherzen geweiht und den zarten Reigentänzen der Charitinnen. Sei gegrüßt, du Wollust des Jahres, du, sein strahlender Schmuck, der in ewigem Wechsel wiederkehrt, du Blüte wiedergeborener Jugend einer Zeit, die zum Greisenalter eilt. So wie du ist die dauernde Wärme des glücklichen Hauches, der über den Inseln der Seligen liegt, auf den Gefilden, die nichts wissen von unfreundlichem Alter und jammernder Krankheit. Sei gegrüßt, du Ruhm der flüchtigen Zeit, sei gegrüßt, du Tag, der das Zeichen des Glücks verdient. Sei gegrüßt, du Abbild des einstigen Lebens und Muster des kommenden Äons. |
XXXIV TRISTITIA (Iohannes Campanus Vodnianus Cant. cant. 17) In lectulo quaero meo, amore cuius langueo. querorque, cordi quod meo carum videre non queo. quid cesso? surgo, semitas percurro, qua stat civitas. querorque, cordi quod meo carum videre non queo. vidistis inquam vos eum, quem deperit pectus meum? vos dico, quorum moenia haec tuta sunt custodia. at ecce cum dicto meo, amore cuius langueo, adest et ad matrem meam mecum venit, ne maeream. |
XXXIV TRAUER In meinem Bette suche ich ihn, nach dessen Liebe ich schmachte. Und ich klage, dass ich den nicht sehen kann, der meinem Herzen lieb ist. Was säume ich? Ich stehe auf, ich laufe durch die Gassen, so weit die Stadt ist. Und ich klage, dass ich den nicht sehen kann, der meinem Herzen lieb ist. Habt ihr, frage ich, ihn gesehen, nach dem meine Brust sich verzehrt? Ich meine euch, deren Wächterdienst diese Mauern schirmt. Aber siehe da, unter meinem Worte ist er da, nach dessen Liebe ich schmachte; und er kommt mit mir zu meiner Mutter, damit ich nicht mehr traure. |
XXXV AD LVNAM (Ioannes Pascoli Liber de poetis 10) Luna, quae vaga vertici montis et tacitis casis immines et anhelitu lucidos legis amnis, te canam miseris piam, Luna, nam simul occidit Sol et aurea cum die Spes hinc avolat omnis, non eam sinis exulem tunc abire, sed excipis candido trepidam sinu vestis, Luna, vietae; induis trepidae tuum lumen, atque silentiis roscidis madidam tuis huc Spem, Luna, remittis; facta quae leve Somnium clausas ingreditur domos, exilisque, ope qua solet, dormientibus adstat. |
XXXV AN DEN MOND Luna, die du auf deinem Wege über dem Gipfel des Bergs erscheinst und über verschwiegenen Hütten, die du mit deinem Atemhauch über glänzende Ströme wanderst, dich will ich singen, Luna, die du fromm und treu bist den Unglücklichen: Denn sobald Sol (die Sonne) gesunken ist und zusammen mit dem goldenen Tag alle Hoffnung von hinnen flieht, da lässest du sie nicht fort in die Fremde ziehen, sondern du, Luna, nimmst die Zagende in den hellen Schoß deines zerschlissenen Kleides, du kleidest die Zagende in dein Licht, und, feucht von deinem tauigen Schweigen, sendest du, Luna, die Hoffnung hierher zurück; sie aber wird ein leichter Traum, tritt ein in verschlossene Häuser, die schmächtige, und steht den Schlafenden bei mit ihrer gewohnten Hilfe. |
XXXVI AD PANNVLAM (Paulus a Gibisce) Tu es oculea mea domina, tuus tuus oculeus ego maneo dominus. tuus tibi pariter anima sum ego tua tua mihi pariter es animula mea mea animula mea. igitur age, precor, age cedo mi cedo tua tenera roseaque labia, tua ea rogo patere modo me avide vide capere rapere premere labiis meis premere labiis. tu eris ita mea et ego tuus ero, ero ego tu ero, tu eris ego. satin erit? erit an et aliud age tibi superat, erat o oculea domina, mea anima? mea animula mea. |
XXXVI AN PANNULA Du bist meine augenschöne Liebste, dein augenschöner Liebster bleibe ich. Ebenso bin ich dir deine Seele, ebenso bist du mir mein Seelchen. Nun, so gib mir, bitte, deine zarten, rosigen Lippen. Ich bitte dich, lass sie mich jetzt fassen, an mich ziehen, mit Lippen pressen! So wirst du mein sein und ich dein. Ich werde du sein, du wirst ich sein. Reicht das? Oder hast du etwa noch sonst etwas übrig, o du meine augenschöne Liebste, meine Seele, mein Seelchen? |
XXXVII AD HESPERVM (Christianus A. Klotzius) Te, qui nequitias furtaque mollia et rapta e labiis oscula flammeis attente specularis blanda et murmura virginum, supremum Veneris te genus, Hespere, oro, qua superas omnia sidera, o lucem nitidi oris nigris insere nubibus. sic ne me Glycerae mellea basia figentem et Glyceram mellea basia figentem mihi, matri morosae timeo indices. at limen quoties illius obsidet invisus Bavius, tum precor, Hespere, tum flamma rutilanti vincas omnia sidera. |
XXXVII AN DEN
ABENDSTERN Der du auf leichtsinniges Treiben und verliebte Abenteuer, auf Küsse, die von feurigen Lippen geraubt werden, so aufmerksam schaust, und auf das zärtliche Flüstern der jungen Mädchen, dich, Abendstern, letzter Sprössling der Venus, bitte ich: O hülle das Licht deines glänzenden Gesichts, durch das du alle Sterne überstrahlst, in schwarze Wolken! So wie du jetzt bist, fürchte ich, dass du mich der vedrießlichen Mutter zeigst, wenn ich der Glycera Honigküsse gebe, wenn Glycera mir Honigküsse gibt. Belagert aber der verhasste Bavius ihre Schwelle, dann, bitte, Abendstern, überstrahle sämtliche Sterne mit deinem rötlichen Schein! |
XXXVIII MERVLA (Hermannus Weller) En die prono pluvialis imber in rosas horti tiliaeque frondes decidit, noctis tenebras rubescens nuntiat aether. arbore in summa merulae canentis vox sonat dulcis liquide per auras et coloratas avis illa nubes laeta tuetur. quid, meum pectus, tremis et pavescis, aura si quando variat tibique anxio praebent inamoena maestam nubila noctem? quin agis grates merulae canorae instar effundens geniale carmen? quin novo speras fore mane rursum cuncta serena? |
XXXVIII DIE AMSEL Sieh, der Tag neigt sich, ein Regenschauer sinkt in die Rosen des Gartens und das Laub der Linde, errötend verkündet der Himmel das Dunkel der Nacht. Im höchsten Baum singt eine Amsel, ihre süße Stimme klingt hell durch die Lüfte; und frohgemut schaut der Vogel auf die Wolken, die sich gefärbt haben. Warum, mein Herz, bebst du und fürchtest dich, wenn einmal der Wind anders weht und das unliebsame Gewölk dir trauriges Dunkel bringt, dass du Angst hast? Warum sagst du nicht Dank und lässest wie die sangesfrohe Amsel ein heiteres Lied hören? Warum hoffst du nicht darauf, dass am nächsten Morgen wieder alles heiter ist? |
XXXIX NASO MENTITVS EST (Iosephus Eberle str. 1-4, 6, 10) Notum sit urbi et orbi Notum sit urbi et orbi: Naso mentitus est, Naso frustravit! minime valent, quae tam praedicavit, eius remedia morbi. circulatoris illius circulatoris illius ecce me victimam bene curatam: valeo post medicinam potatam peius, quam valui prius. cuncta me puto secutum cuncta me puto secutum, Naso quae scibit in suo libello, Veneris tamen captivos praecello maxime promptus ad nutum. video maculas centum video maculas centum: feminae iam non pergraciles partes, unguinis, pyxidum, pectinis artes, rugas et geminum mentum. frustra conspectum fugavi frustra conspectum fugavi, frustra me novae coniunxi puellae: basia, huic quae dederam bellae, illi me dare putavi. notum sit urbi et orbi notum sit urbi et orbi: Naso mentitus est, Naso frustravit! crescit remediis, quae praedicavit, gravitas, suavitas morbi. |
XXXIX NASO HAT
GELOGEN Kundgetan sei es Stadt und Welt: Naso (Ovid) hat gelogen, Naso hat betrogen! Gar nichts nützen gegen die Krankheit seine Heilmittel, die er so gerühmt hat! Voilà, hier bin ich, dies wohlkurierte Opfer dieses Quacksalbers: Nachdem ich seine Medizin getrunken habe, geht es mir schlechter als vorher. Ich habe doch, meine ich, alles befolgt, was Naso in seinem Buche schreibt und bin doch erster unter den Gefangenen der Venus, muss am meisten ihrem Wink erbötig sein. Ich sehe die hundert Schönheitsfehler, dass Teile der Dame schon nicht mehr gar so zart sind; ich sehe die Künste von Parfum, Schminkdose und Kamm, die Fältchen und das Doppelkinn. Umsonst habe ich ihren Anblick von mir gescheucht, umsonst habe ich mir ein neues Mädchen zugelegt: Die Küsse, die ich dieser Schönen gab, glaubte ich i h r zu geben. Kundgetan sei es Stadt und Welt: Naso hat gelogen, Naso hat betrogen! Durch seine Heilmittel, die er gerühmt hat, wächst nur die Beschwerlichkeit und Süße der Krankheit. |
XL AMOR FOEDVS (C. Arrius Nurus = Harry C. Schnur) Cytherea Venus, muliebre genus decoras specie, laqueos homini inimica paras, miserosque viros tu subdola pellicis omnes. domini miserere; is concubitus petiit vetitos, alienam adiens sponsam petulanter et irreverens, foedo stimulatus amore. ast illa recusat et assidue iuvenis reprehensabiles reicit digitosque manusque, neque ille potest castum superare pudorem. dumque instat et urget iniquus homo, rogitans, minitans, tunicamque levans, puero mulier proba comminuit grandi caput illa lagoena. |
XL SCHÄNDLICHE LIEBE Venus von Cythera, du schmückst das weibliche Geschlecht mit Schönheit, du stellst den Menschen boshaft Fallen und verlockst voll Listen alle Männer, die armen. Erbarme dich des Herrn! Ihn hat gelüstet nach verbotenem Liebesgenuss, er ging zu einer fremden Braut, schamlos und frech, von schändlicher Liebe erregt. Sie aber weist ihn ab, und die tadelnswerten Finger und Hände des jungen Manns stößt sie immer zurück; und so kann er nicht ihre keusche Tugend überwinden. Während der böse Mensch ihr drängend zusetzt mit Bitten und Drohen und Röckchenlüpfen, da zerhaut dem Burschen die brave Frau den Kopf mit einer großen Flasche. |
XLI AVTOCINETVM (C. Arrius Nurus = Harry C. Schnur De 'populari' raeda, str. 3-5, 7) Ibat olim omnis pedibus viator: non equum conscendit eques, neque ullus gibbere hirsuti titubans cameli vector abibat. postea raedae biiuges fuere et rudes carros subiere tauri; quin et aurato residebat axe summa potestas. ambulare nunc pedibus quis autem iam velit, quando Automedontis artem qui vir ignoret, regere atque currum docta puella? Mercuri caducifer, o benigne protegas raedam faveasque amicis: tutus omnis nunc abeat viator praepete curru. |
XLI DAS AUTO Einst ging jeder Reisende zu Fuß; kein Reiter stieg aufs Ross, kein Passagier ritt schwankend auf dem Höcker eines struppigen Kamels davon. Später gab es zweispännige Kutschen, und die rohen Ochsen mussten sich vor den Karren spannen lassen. Ja es saßen sogar auf goldenem Wagen die höchsten Fürsten. Wer wollte aber heute noch zu Fuß gehen, wo doch jedermann die Kunst des Automedon kennt und jedes Mädchen seinen Führerschein hat? O Mercurius mit deinem Stab, o schütze gnädig den Wagen und hilf meinen Freunden! Mögen jetzt alle Reisenden in ihrem schnellen Auto ohne Gefahr davonfahren! |
XLII FLEBILE VALE (Valahfridus Strotius = Wilfried Stroh Ad Uvonem H., str. 1-4) Qualis Calypso Dulichium ducem prospexit olim lumine languido praecepta dum divum secutus litore ab Ogygio petebat terras paternas, ah nimium brevi infidus heros coniugio deae iunctus, relictae cui rigabat umida gutta genas calentis, vix 'vive felix' ut trepido sono vox fracta posset dicere, vix 'vale' heu sic fugis deflende nobis foedera longa piumque amorem. cantus, Camenae, sistite, tu chelyn dimitte, Apollo, plectrum et inutile! nunc lacrimosos maesta fletus, nunc gemitus Elegeia fundat. |
XLII LEBEWOHL IN
TRÄNEN Wie einst Calypso mit schmachtendem Auge nach dem Fürsten von Dulichium ausblickte, als er getreu dem Götterbefehl von Ogygiens Gestade davonfuhr zum Heimatland ach, war er doch gar zu kurz nur, der treulose Held, mit der Göttin vermählt gewesen, der nun Verlassenen, der feucht die Träne ihre warmen Wangen netzte, so dass die brechende Stimme kaum mehr mit zitterndem Ton "Lass es dir gut gehen" sagen konnte, kaum mehr "Leb wohl": Weh, so fliehst du zu unserem Schmerz aus einer Liebe, die wir lang und treu gepflegt haben. Haltet an die Gesänge, ihr Musen, und du, Apollo, lass die Leier und das nutzlose Plektron! Jetzt soll traurig Frau Elegeia tränenreiche Klagen, jetzt soll sie Seufzerlieder singen. |
XLIII LVDI LATINI (Valahfridus Strotius = Wilfried Stroh) Ludi sunt Latini Latini, Latinum carmen cani- canimus: fecit non Rossini Rossini, sed laetus noster ani- animus. o Latinitas, quot et quanta das gaudia et carmina cum fidi- fidibus. dicimus magistris magistris grammaticis ut vale- valeant, duris qui capistris capistris et os et fauces colli- colligant. o Latinitas eqs. Amor nos docebit docebit qui regnat inter numi- numina. illi qui studebit studebit, et discet styli lumi- lumina. o Latinitas eqs. bibimus frequenter frequenter de Bacchicis liquori- quoribus: verba sic decenter decenter ex udis fluent ori- oribus. o Latinitas eqs. studia Latina Latina qui colit non fideli- deliter, ima in latrina latrina dispereat crudeli- deliter. o Latinitas eqs. Elvaci in arce in arce canori olim degi- degimus. o Minerva, parce o parce, si crassiora feci- fecimus. o Latinitas eqs. sumus nunc Augustae Augustae, quae dicitur Vindeli- delicum: urbi tam venustae venustae hoc sonet carmen meli- melicum. o Latinitas eqs. |
XLIII JETZT SIND LVDI
LATINI Jetzt sind LVDI LATINI, wir singen ein lateinisches Lied; das hat nicht Rossini gemacht, sondern wir selber, bei guter Laune. O du schönes Latein, wie viele große Freuden und Lieder gewährst du beim Saitenspiel! Den Herren Philologen sagen wir von Herzen Lebewohl. Sie hemmen uns ja doch nur Stimme und Kehlkopf mit ihrem strengen Maulkorb. O du schönes Latein usw. Unser Lehrer wird Gott Amor sein, der ja unter den Göttern regiert. Wer sein Anhänger ist, lernt auch leicht die Stilfiguren. O du schönes Latein usw. Gar häufig trinken wir von dem Likör des Bacchus: da fließen aus feuchtem Mund die Wörter wie geschmiert. O du schönes Latein usw. Ja wer das Latein nicht liebt und getreulich studiert, der soll im finstersten Lokus jämmerlich verenden! O du schönes Latein usw. Früher war es das Schloss Ellwangen, wo wir mit Gesang unsere Zeit verbracht haben: Liebe Minerva, sei gnädig, falls die Sachen manchmal etwas holprig wurden. O du schönes Latein usw. Jetzt sind wir in Augsburg, der sogenannten Augusta Vindelicum: Für diese liebreizende Stadt soll unser Ständchen ertönen. O du schönes Latein usw. |
XLIV AD HONOREM VERIS (Neander = Jan Novák) Iterum novum ver, etsi adhuc nivis pulver hiemis cadaver hic illic tegit canus, rubeus papaver etsi longe abest, at ver exhalat aether, gemmat arboris ramus. date carmen et tus, tibiae sonet cantus, torrens et altus voces addat hydrauli. iam sanguis intus accelerat suos motus, sol nuper ortus gloriam refert auri. nunc mens febrilis trepidat in lyrae filis et in papillis virginum. calor dulcis insurgit illis. sentit ver pecus vilis et qui vir habilis pascit vomerem in sulcis. |
XLIV DEM FRÜHLING ZU
EHREN Wiederum ist der junge Frühling da, wenn auch noch hier und dort der Schneestaub des Winters Leichnam deckt, wenn auch der rote Mohn noch fern ist aber der Äther haucht Frühling aus, es knospt der Zweig am Baum. Spendet Gesang und Weihrauch, es ertöne das Lied der Flöte, und ein tiefer Bach lasse dazu die Töne der Orgel klingen. Schon beschleunigt das Blut im Innern seinen Lauf; eben aufgegangen, bringt die Sonne wieder den Glanz des Goldes. Nun zittert fiebernd das Gemüt in den Saiten der Laute und in den Brüsten der jungen Mädchen. Süße Wärme steigt in ihnen auf. Das niedre Vieh fühlt den Frühling und der Mann, der seinen Pflug geschickt in den Furchen weidet. |
XLV CANTICVM SONORVM XII (Neander = Jan Novák) Nox erat. somnos strepitus fugarunt: surgite, o cives, oculis videte: hospites venere vehuntque pacem in cataphractis. incitatas cernis apum coronas de favo dulci nimium timentes, cum rapax et mellivorax adest fur perditor Ursus. iam tuas calces utinam viderem se auferentes hinc tua et, Urse, terga versa et ardentes oculos, at illos posteriores. |
XLV DODEKAPHONISCHE
ODE Es war Nacht. Da verjagte der Lärm den Schlaf: Steht auf, Bürger, seht es mit Augen! Unsere Freunde sind gekommen und sie bringen den Frieden in Panzern. Siehst du die aufgeregten Bienenschwärme, die gar zu sehr um ihre süßen Waben fürchten müssen, da der räuberische, honigverschlingende Dieb da ist, der vernichtende Bär. O dass ich deine Fersen sehen könnte, Bär, wie sie von uns abziehn, deinen umgedrehten Rücken und deine brennenden Augen, aber die hinteren! |
XLVI OLOR IN OLERIBVS (Neander = Jan Novák) Amat Paris Helenam atque Dido Aeneam: male cessit ambobus hoc amoris opus. est multo securius quam hic amor improbus arare terram bubus colere aut horto olus. o olera, olera, olera, sunt dura amoris funera. o olera, olera, olera, beata mens est libera. urit amor homines veteres et iuvenes, remanet nemo sanus, ubi regnat Venus ne cadas in foveam hanc amoris igneam, oculis ne sis caecus, tuum cura pecus. o pecora, pecora, pecora, sunt dura amoris funera. o pecora, pecora, pecora, beata mens est libera. |
XLVI DER SCHWAN IM
GEMÜSE Paris liebt die Helena und Dido den Aeneas: Beiden ist diese Liebesgeschichte übel ausgegangen. Viel sorgloser als bei solch einer schlimmen Liebe lebt man, wenn man das Land mit Rindern pflügt oder im Garten Kohl anpflanzt. O Kohl, Kohl, Kohl! Schlimm ist der Tod in der Liebe. O Kohl, Kohl, Kohl! Glücklich das Herz, das frei davon ist. Die Liebesglut setzt den Menschen zu, den alten und den jungen; keiner bleibt gesund, wenn Frau Venus regiert. Damit du nicht in diese Feuergrube der Liebe fällst, damit deine Augen nicht blind werden, sorge dich um dein Vieh! O Vieh, Vieh, Vieh! Schlimm ist der Tod in der Liehe. O Vieh, Vieh, Vieh! Glücklich das Herz, das frei davon ist. |
XLVII ADVERSVS CVLICES (Neander = Jan Novák) Culices strepitant furiosi, mihi somnum abigunt odiosi. fugit hora, duae, fugiunt tres: pereant, mala bestia, culices! hominis pupugisse manus os, pecus insipidum, pudeat vos! iaceo sed inermis et exspes: pereant, mala bestia, culices! nec amore licet mala noctis reparare, furens sonat hostis, fugitat veneres quoque dulces: pereant, mala bestia, culices! capitisque salute laboro, fer opem, bone Iuppiter, oro, cape fulmina, fulmine vinces: pereant, mala bestia, culices! |
XLVII GEGEN DIE
SCHNAKEN Die Schnaken toben furios. vertreiben den Schlaf mir odios. So lieg ich schon Stunden im Laken: Zum Teufel die dämlichen Schnaken! Vieh, blödes! Ja schämst du dich nicht, zerstupfst mir das Menschengesicht. Ich hab keine Waffen, muss klagen: Zum Teufel, die dämlichen Schnaken! Süßt Wachen der Liebe Genuß? Bei d e m Radau? Alles ist Stuss. Hier kommt nicht mal Venus zum Tragen: Zum Teufel, die dämlichen Schnaken! Schon scheints um mein Leben geschehn: Hör, Jupiter, höre mich flehn! Mit dem Blitze vernichte die Plagen: Zum Teufel die dämlichen Schnaken! |
XLVIII ARIES ET ARIADNE (Neander = Jan Novák) Ludunt hilariter gramine in a- prico ioca iocantes tenera cornutus aries virgo et Ari- adne lepida. eia lepida. nunc molle digitis vellus Ari- adne lepida mulcet, sed ani- mo, quantum hieme lanae fuerit hornae numerat, eia numerat. at bestia ferox gestit ari- es et genua lascivus Ari- adnes petit et inter femina cornu tuditat. eia tuditat. |
XLVIII ARIADNE UND
DER WIDDER Heiter spielen im sonnigen Gras, mit zarten Scherzen scherzend, der gehörnte Widder und Ariadne, das nette Mädchen. Eia, das nette! Nun streichelt die nette Ariadne das zarte Fell mit Fingern, in ihrem Geist aber zählt sie, wieviel es heuer im Winter an Wolle gegeben hat. Eia, so zählt sie! Aber das wilde Biest, der übermütige Widder, wird lüstern, er zielt auf die Knie, er stößt zwischen die Beine das Horn. Eia, so stößt er! |
XLIX REGINA CORDIS (Neander = Jan Novák) Cincta sat alte tunicam gressu imitatur fulicam atque pedum per fabricam me docet artem melicam: decantabo chordis reginam mei cordis, dicam bellam formam cruris, talos cantabo cum suris, floret dum vis in nervis. cum resonat ver avibus et zephyrus flat tepidus, cantat amor sub pedibus eius acutis fidibus: decantabo chordis eqs. sunt magis et mirifica, quae tegit umbra tunica, plectar ego sed scutica, lingua nisi sit modica! decantabo chordis eqs. |
XLIX DIE KÖNIGIN DES
HERZENS Das Röckchen hochgeschürzt, ahmt sie im Gang das Wasserhuhn nach. Und durch das Kunstwerk ihrer Füße lehrt sie mich die Gesangstechnik: Ich will mit Saiten singen die Königin meines Herzens; ich will sagen von der Schönheit ihrer Schenkel, die Knöchel will ich singen zusamt den Waden, solange mir noch Kraft in den Muskeln blüht. Wenn der Frühling von Vögeln tönt und lau der Zephyr weht, singt unter ihren Füßen die Liebe mit hohem Saitenton: Ich will mit Saiten singen usw. Noch wunderbarer ist, was ihr Kleid mit Schatten deckt. Aber die Peitsche soll mich verbleuen, wenn meine Zunge sich nicht beherrscht! Ich will mit Saiten singen usw. |
L IVLIA (Neander = Jan Novák) Quando iam silent vespere omnia, tibia canit Iuli- Iulia. et mele fluunt melle dulcius cor mihi salit faucibus tenus. aureum caput, nuda bracchia, pulchra sic canit Iuli- Iulia. O Iuli- Iuli- Iulia, nobis de amore carmina dic, dein tacente tibia mellea fer mihi basia. laeta si canat sive tristia, corda commovet Iuli- Iulia. tinnula tremit voce tibia et soni cadunt ima in ilia, imber ut strepens per silentia in rosas cadens atque lilia. O Iuli- Iuli- Iulia eqs. |
L JULIA Wenn am Abend schon alles schweigt, spielt Julia auf der Flöte, und süßer als Honig fließen die Melodien, da hüpft mir das Herz bis zur Kehle. Ihr goldener Kopf, ihre nackten Arme! So spielt die schöne Julia. O Juli- Juli- Julia, spiel uns Lieder von der Liebe! Und dann, wenn die Flöte schweigt, gib mir Küsse von Honig. Wenn sie Fröhliches spielt oder auch Trauriges, Julia geht zu Herzen. Mit hellem Schall tremoliert die Flöte, und tief ins Eingeweide sinken ihre Töne, wie der Regen niederrauscht in Rosen und in Lilien. O Juli- Juli- Julia usw. |
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